Anonym: Kaiser Joseph II. im Volke - bei LiTheS
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<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />
http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />
Verlassen wir Euch!<br />
O h<strong>im</strong>mlische Gnade<br />
Bereit uns die Pfade<br />
Auf denen wir wandeln in sündiger Welt,<br />
O führ uns Herr Jesu, so wies Dir gefällt!<br />
[<strong>II</strong>/5]<br />
Be<strong>im</strong> Aufgang des Vorhanges erheben sich ALLE.<br />
OBERIN bewegt. Geliebte Schwestern, dies war unser letztes Gebet in diesen heiligen Mauern<br />
des Königsklosters! Ein weltlicher Machtspruch hebt unsere kirchlichen Gelübde auf, aber<br />
ich ermahne Euch denselben getreu zu bleiben, wenn auch die Verführung der Welt Euch<br />
Schlingen legt. Bald wird die Stunde schlagen, und die Glocke läuten, welche uns zum<br />
Scheiden ruft, bereitet Euch vor, daß Ihr<br />
[<strong>II</strong>/6]<br />
der spottsüchtigen Welt mit dem Stolze des frommen Bewußtseins entgegen geht.<br />
PFÖRTNERIN. Würdige Mutter! Der <strong>Kaiser</strong> ist mit zwei Männern zu der Seitenpforte<br />
gekommen, er wünscht Euch zu sprechen.<br />
OBERIN. Führe den <strong>Kaiser</strong> allein hierher, die Andern mögen <strong>im</strong> Garten warten.<br />
PFÖRTNERIN ab.<br />
1 NONNE. Ach wie ich auf den <strong>Kaiser</strong> neugierig bin<br />
2. Scene.<br />
VORIGE. JOSEPH in Civilkleidern von links.<br />
ALLE verneigen sich.<br />
JOSEPH die Oberin begrüßend. Dank Ihnen, würdige Frau, daß Sie mir<br />
zu Gefallen von den strengen Klosterregel abgewichen sind.<br />
[<strong>II</strong>/7]<br />
OBERIN bittend. Geruhen Ew. Majestät zu verzeihen, aber das klingt in dieser Stunde, wie<br />
Spott. Es giebt kein Königskloster mehr, also auch keine Klostergesetze.<br />
JOSEPH. Doch bis die Stunde zum Auszug schlägt. Ich bin deshalb gekommen um jede<br />
ungebührliche Demonstration hintanzuhalten.<br />
OBERIN. Untherthänigsten Dank.<br />
JOSEPH. Es befinden sich hier zwei Mädchen mit denen ich zu sprechen wünsche. In der<br />
Welt haben sie Ludmilla von Waldenek und Anna Tanninger geheißen<br />
[<strong>II</strong>/8]<br />
OBERIN. Im Kloster heißen Sie Schwester Angela und Schwester Walpurga<br />
JOSEPH. Ich kenne zwei Männer, welche sich für diese Mädchen interessiren<br />
OBERIN. Ich weiß … Vor einiger Zeit hat sich ein Offizier mit einem kaiserlichen Handbillet<br />
gemeldet, dem ich eine Unterredung mit Schwester Angela bewilligte. Später kam ein<br />
Mann vom Lande, dem das Gleiche mit Schwester Walburga gestattet wurde. Ich hätte es<br />
nicht gethan, wenn es nicht die Gottergebenheit dieser <strong>bei</strong>den Schwestern über jeden<br />
Zweifel erhaben wäre. Jede war nach der Unterredung tief schmerzlich bewegt, aber jede<br />
hat