Anonym: Kaiser Joseph II. im Volke - bei LiTheS
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<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />
http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />
[I/68]<br />
JOSEPH. Nicht doch, ich wünsche in Gegenwart des Fräuleins zu verhandeln, weil ihre<br />
Humanität die ich durch den Augenschein kennen gelernt habe, zu meinem Offert in<br />
Beziehung steht.<br />
LUDMILLA. Der Augenschein, Herr Baron, hat auch mich von ihrer Humanität überzeugt.<br />
WALDENECK leise zu JANOVIZ. Wo will denn das hinaus. Laut. Also bitte.<br />
JOSEPH. Mißernten und Ue[be]rschwemmungen haben die Bevölkerung Böhmens dem<br />
Hungertode nahe gebracht. Ich meine Herr Graf, daß es<br />
[I/69]<br />
daß es die rechte Pflicht der herrschaftlichen Grundbesitzer wäre, diesen Jammer zu steuern<br />
WALDENEK irronisch leicht. Sie haben wol in Böhmen keinen herrschaftlichen Grundbesitz,<br />
Herr Baron<br />
JOSEPH. Nein aber in Ungarn! Den Ueberfluß meiner Ernten, möchte ich dazu verwenden,<br />
den hiesigen Nothleidenden Hülfe zu bringen<br />
WALDENEK. Dann brauchen Sie den Ueberfluß nur hierherzuführen und an die Nothleidenden<br />
verkaufen zu lassen<br />
JOSEPH. Wovon sollen die armen Leute zahlen?<br />
WALDENECK. Das ist freilich schwer zu sagen!<br />
[I/70]<br />
JOSEPH. Ich will sehr billiges Bedingungen stellen, aber in so weiter Ferne kann ich mich<br />
nicht mit der Eintreibung befassen … darum schlage ich Ihnen, Herr Graf, dem als reich<br />
Bekannten vor, daß sie einen Theil meiner Vorräthe ankaufen und ihn an Ihre Unterthanen<br />
gegen mäßigen Preis auf Abzahlung in längeren Fristen vertheilen lassen.<br />
WALDENEK gedehnt. Ah, das haben Sie unter Geschäft verstanden?<br />
JOSEPH. Ich glaube, daß es für alle Betheilgten acceptabel ist<br />
WALDENEK kalt lächelnd. Ich bin aber nicht betheiligt, Herr Baron.<br />
JOSEPH. Wie? An der Rettung Ihrer Unterthanen!<br />
[I/71]<br />
WALDENEK. Meine Unterthanen, würden mich <strong>im</strong> entgegengesetzten Falle auch nicht retten.<br />
Zu JANOVIZ. Nicht wahr, Herr Baron, wir kennen diesen undankbaren Plebs?<br />
BARON. Er haßt seine Herrschaften, zu denen er in der Noth um Hülfe schreit.<br />
JOSEPH. Vielleicht weil seine Herrschaften diesen Haß verdienen<br />
LUDMILLA. Ach nur zu oft.<br />
WALDENEK. Was hast du hineinzusprechen. Zu JOS. Es thut mir leid, Herr Baron, daß ich<br />
ihr Geschäft nicht acceptiren kann, ich hätte nicht Raum genug, um Ihre Vorräthe aufzuspeichern.<br />
Alle meine Frucht-<br />
[I/72]<br />
magazine sind überfüllt.<br />
JOSEPH. Und Sie öffnen diese überfüllten Magazine für die Hungernden nicht?<br />
WALDENEK. Daß ist meine Geschäftssache. Zu JANOVIZ. Nicht wahr, Baron, wir sind<br />
berechtigt, unser Eigenthum zurückzuhalten, bis der Kaufpreis zur äußersten Höhe gestiegen<br />
sind.<br />
BARON. Natürlich sind wir dazu berechtigt.