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Überzeugt<br />
Mein Beitrag am Generationendialog,<br />
eine Art Showblock während<br />
der Nationalen Fachtagung des SRK in<br />
Bern, war ein dankbarer und seltener<br />
Auftrag. Denn bei einer Diskussion findet<br />
mehr Austausch statt, als wenn ich auf der<br />
Bühne musiziere. Und ich sende nicht nur,<br />
sondern empfange auch und reagiere. Ich<br />
entwickle unvorbereitete Sätze. Ziemlich<br />
freestyle. Im Generationendialog habe<br />
ich als 34-Jähriger meine Generation vertreten.<br />
SP-Nationalrat Matthias Aebischer<br />
mit seinen 45 Jahren die nächste Generation<br />
und die ehemalige Politikerin Leni<br />
Robert schon eher die übernächste. Sie<br />
ist mit 76 mehr als doppelt so alt wie ich.<br />
Für mich war gut, dass ich mich nicht gross<br />
vorbereiten musste. Denn wir konnten ja<br />
als Generationenvertreter einfach aus dem<br />
Leben erzählen, unsere Erlebnisse, unsere<br />
Empfindungen – über unseren ganzen Lifestyle.<br />
Das ist ein Lebensgefühl, das muss<br />
niemand irgendwo nachschlagen. Dass<br />
ich zuerst nach dem Ursprung des Namens<br />
«Greis» gefragt wurde, war ja klar.<br />
Die Erklärung ist einfach: Ich kam auf die<br />
Idee, als wir in der Schule den Pleonasmus<br />
durchnahmen und von weissen Schimmeln<br />
sprachen. Da wollte ich ein wenig mit dem<br />
Gegenteil provozieren. Ein junger Greis.<br />
Das Generationenthema ist mir überhaupt<br />
nicht fremd. Nicht nur weil ich mich als<br />
«Früher habe ich das Alter(n)<br />
stark romantisiert.»<br />
freischaffender Künstler schon jetzt mit der<br />
AHV herumschlagen muss. Früher habe<br />
ich das Alter(n) stark romantisiert. Mir kamen<br />
zum Beispiel im Dok-Film «Que sera»<br />
über ein Berner Altersheim, dem auch eine<br />
Kinderkrippe angeschlossen ist, die Tränen.<br />
Aber mit dieser Romantisierung bin<br />
ich auch schon auf die Schnauze gefallen.<br />
Bei der Vernissage der Ausstellung «Sechsundsechzig»<br />
in Liestal BL hielten sich die<br />
vorwiegend älteren Gäste die Ohren zu<br />
und schüttelten den Kopf. Als ich das Konzert<br />
vorzeitig stoppte und das letzte Stück<br />
ankündigte, stand eine Frau auf und rief:<br />
«Nei, es längt jetz!» Ein Albtraum.<br />
Trotzdem wollte ich einmal ernsthaft und<br />
freiwillig in einem Altersheim Dienst leisten.<br />
Ich rief bei einer solchen Institution an und<br />
alles entwickelte sich gut, bis ich meinen<br />
Greis mit Nationalrat Matthias Aebischer an der Fachtagung des SRK<br />
Namen – Greis eben – nannte. Da dachte<br />
die Frau am Telefon an einen Scherz und<br />
sagte: «Okay, ich hänge jetzt auf.» Danach<br />
habe ich es nie mehr probiert.<br />
Der Generationendialog hat Spass gemacht.<br />
Das Publikum hat überraschend<br />
gut mitgemacht und mitgelacht. Matthias<br />
Aebischer kannte ich erst flüchtig. Mir gefällt,<br />
dass er seine eigene Meinung vertritt<br />
und nicht das Parteiprogramm rezitiert.<br />
Bei Leni Robert, die ich erstmals getroffen<br />
habe, kommt mir spontan in den Sinn,<br />
dass ich sie in meiner Jugend besonders<br />
schätzte. Nicht wegen ihrer Politik als Erziehungsdirektorin<br />
des Kantons Bern – damals<br />
verstand ich noch zu wenig davon –,<br />
sondern weil ich als frisch zugezogener<br />
Romand, der noch wenig deutsch sprach,<br />
froh war, dass eine Berner Politikerin einen<br />
für mich gut aussprechbaren Namen trug.<br />
Ich komme jederzeit wieder an einen solchen<br />
Anlass. Und ich freue mich, in ein<br />
paar Jahrzehnten auch mal als Vertreter<br />
der älteren Generation dabei zu sein und<br />
zu schauen, wie stark ich meine Positionen<br />
verändert habe.<br />
➥ redcross.ch/nft12<br />
Bild: www.greis.ch<br />
APROPOS<br />
Nationale Fachtagung SRK<br />
Das SRK organisiert seit 2003 jedes<br />
Jahr eine Nationale Fachtagung. Bei<br />
der zehnten Durchführung war das<br />
«Europäische Jahr des aktiven Alterns»<br />
für die Themenwahl ausschlaggebend.<br />
Am 20. September <strong>2012</strong><br />
tauschten sich 100 Fachleute in Bern<br />
aus über «Zukunft Alter – Neue Wege<br />
für eine generationenfreundliche Gesellschaft».<br />
Der Generationendialog<br />
mit Rapper Greis fand dabei – als<br />
Auflockerung zu Referaten und Workshops<br />
– viel Beachtung.<br />
Greis<br />
wurde als Grégoire Vuilleumier<br />
1978 in Lausanne geboren.<br />
Er gilt als einer der besten<br />
Schweizer Musiker im Bereich<br />
Hip-Hop. Er ist Master UZH der<br />
Publizistik, Politikwissenschaft<br />
sowie Wirtschaftsgeschichte und<br />
lebt in Bern und Basel.<br />
<strong>Humanité</strong> 4/<strong>2012</strong> 15