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konkret<br />
Möchten Sie auch ein Gläschen Wodka?»<br />
Die freundliche Einladung von<br />
Nina Shumik lässt sich umso weniger ausschlagen,<br />
als sie von einer ehemaligen Ärztin<br />
ausgesprochen wird. Der 78-Jährigen<br />
scheint das gelegentliche Gläschen jedenfalls<br />
nicht geschadet zu haben. Sie ist körperlich<br />
und geistig bewundernswert vital<br />
und besitzt eine grosse Ausstrahlung. Seit<br />
ihrer Pensionierung vor 14 Jahren engagiert<br />
sich Nina Shumik gemeinsam mit sechs anderen<br />
noch rüstigen «Babuschkas», Grossmüttern,<br />
für den Rotkreuz-Besuchsdienst<br />
im Städtchen Schuschin. Wenn sie nicht<br />
gerade auf Hausbesuch ist, verbringt sie<br />
bei sich zu Hause viel Zeit beim Nähen<br />
und Stricken, um die älteren Kranken und<br />
Behinderten mit etwas Nützlichem zu überraschen.<br />
In ganz Weissrussland sind es<br />
700 ältere Freiwillige, die pflegebedürftige<br />
und isoliert lebende Betagte regelmässig<br />
besuchen und mit Rat und Tat beistehen.<br />
APROPOS<br />
Schöne Landschaft –<br />
bedrückende Realität<br />
Fünf Mal so gross wie die Schweiz<br />
und mit 9,5 Millionen Einwohnern eher<br />
dünn besiedelt, so lässt sich Weissrussland<br />
oder Belarus zusammenfassen. In<br />
der Hauptstadt Minsk leben 1,7 Millionen<br />
Menschen. Ein Drittel der Landesfläche<br />
ist bewaldet, naturbelassene Flüsse<br />
sowie Moore und Sümpfe prägen das<br />
Landschaftsbild.<br />
Weissrussland hat eine tragische Geschichte.<br />
Die Verbrechen des Stalinismus<br />
und dann während der deutschen<br />
Besetzung im Zweiten Weltkrieg haben<br />
Hunderttausenden von Menschen das<br />
Leben gekostet. Nach dem Zusammenbruch<br />
der Sowjetunion wurde Weissrussland<br />
1991 formell unabhängig.<br />
Doch unter seinem gegenwärtigen autoritären<br />
Regime ist das Land politisch<br />
und wirtschaftlich stark von Russland<br />
abhängig. Wirtschaftlich bekommt die<br />
Bevölkerung Weissrusslands die Folgen<br />
der hohen Inflation stark zu spüren und<br />
auch die Arbeitslosigkeit ist angestiegen.<br />
Viele gut ausgebildete Jugendliche<br />
verlassen das Land.<br />
Dabei entlasten sie die Krankenschwestern<br />
des Spitexdienstes, denen damit mehr Zeit<br />
bleibt für die medizinische Betreuung.<br />
Schicksalsschläge bewältigt<br />
In ihrer sorgfältig eingerichteten Wohnung<br />
erzählt uns Nina Shumik ihr persönliches<br />
Schicksal. Nur wenige Jahre, bevor<br />
sie ihre berufliche Laufbahn als Laborärztin<br />
beendete, kamen ihr Sohn und ihre<br />
Schwiegertochter bei einem Autounfall<br />
ums Leben. Sie liessen zwei schulpflichtige<br />
Kinder zurück, um die sie sich als<br />
Grossmutter fortan kümmerte. Ihr Mann,<br />
ebenfalls Arzt, verstarb nur drei Monate<br />
später an Herzversagen. Die beiden<br />
Enkelkinder sind inzwischen erwachsen,<br />
und sie hat nun mehr Zeit für ihr freiwilliges<br />
Engagement im Besuchsdienst des<br />
Roten Kreuzes. Das wöchentliche Treffen<br />
mit den sechs anderen freiwillig tätigen<br />
Babuschkas dient sowohl der Weiterbildung<br />
wie auch dem Erfahrungsaustausch.<br />
«Wir sind wie eine Familie und geben<br />
uns gegenseitig Halt. Mit unserem Einsatz<br />
für allein lebende kranke Menschen<br />
verleihen wir auch unserem eigenen Leben<br />
einen tieferen Sinn», meint Nina Shumik.<br />
Mit 78 ist sie die Älteste der aktiven<br />
Frauengruppe und damit 20 Jahre älter<br />
als deren jüngstes Mitglied.<br />
Hausbesuch auf<br />
Weissrussisch-Polnisch<br />
Wir begleiten Nina Shumik beim Besuch<br />
der 85-jährigen Yva-Everina Yoch. In der<br />
Wohnung der zierlichen Frau treffen wir<br />
auch die Krankenschwester des Spitexdienstes<br />
des Roten Kreuzes. Diese kommt<br />
zwei Mal pro Woche bei der Herzpatientin<br />
vorbei. Dank dieser medizinischen<br />
Pflege und vor allem der regelmässigen<br />
Besuche von Nina Shumik kann die alte<br />
Dame noch in ihrer eigenen Wohnung<br />
leben.<br />
Mit ihrer klangvollen Stimme erzählt<br />
Yva-Everina Yoch aus ihrem Leben. Die<br />
kinderlose Witwe arbeitete über 40<br />
26 <strong>Humanité</strong> 4/<strong>2012</strong>