Vita • Deutsches Verlagshaus • Berlin-Charlottenburg
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Bei einer ganzen Abteilung der Radiolarien setzt sich das Skelett aus von einem<br />
Mittelpunkt ausstrahlenden radialen Stacheln zusammen, die nach einem eigentümlichen<br />
Gesetz angeordnet sind. In gewisser Entfernung vom Mittelpunkte können an diesen Stacheln<br />
allerlei Abzweigungen, Arme, Äste u. dergl. entstehen. Indem diese Arme zusammenwachsen,<br />
bilden sich die mannigfaltigsten Gitterschalen von oft überraschend schöner<br />
Form. Wieder andere Skelette erinnern an Helme, Körbchen, Röckchen, oder sie stellen<br />
Kronen und Ordenssterne dar, die bei der Neuschöpfung von Dekorationen ausgezeichnete<br />
Dienste leisten könnten. Bei einer Abteilung der Strahlinge sind die Skelette aus hohlen<br />
Kieselröhren zusammengesetzt, die oft zu sehr zierlichen und erstaunlich verwickelt gebauten<br />
Systemen zusammentreten. Zuweilen findet sich bei diesen Strahlingen auch eine<br />
zweiklappige Schale, wie wir sie in großem Maßstabe von den Muscheln her kennen.<br />
[e Radiolarien halten sich lebend an der Oberfläche oder in geringen Tiefen<br />
des Meeres auf. Wenn der Weichkörper, die Zelle, abgestorben ist, sinken<br />
die Kieselskelette langsam in die Tiefe hinab und bilden hier an bestimmten<br />
Stellen ganze Schichten von Radiolarien-Schlamm. Legt<br />
man eine winzige Probe dieses Schlammes nach sorgfältiger Reinigung<br />
und Vernichtung der organischen Substanz in ihm unter das Mikroskop, so hat man<br />
oft 50—J00 oder noch mehr verschiedene Skelettformen in zahlreichen Exemplaren vor<br />
sich, ein wahres mikroskopisches Radiolarienmuseum, dessen Anblick jeden Naturfreund<br />
und Künstler in Entzücken versetzt.<br />
Schon in den ältesten Urweltstagen, in der präkambrischen Zeit, haben Radiolarien<br />
gelebt. Man hat ihre Kieselskelette in verschiedenen Gesteinen wohlerhalten gefunden und<br />
in einzelnen Gegenden, z. B. auf der Antilleninsel Barbados, sind sie der Hauptbestandteil<br />
ganzer Gebirgszüge. Aus diesem Mergel von Barbados sind allein gegen 500<br />
verschiedene Skelettformen bekannt. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß viele<br />
dieser alten Formen noch heute lebend vorkommen; auch in Sizilien, Calabrien, Griechenland,<br />
in Nordafrika, in Nord- und Südamerika, auf den Nikobaren und auch in den<br />
Alpen, in England und bei uns (z. B. bei Haldem in Westfalen und Vordorf bei Braunschweig)<br />
sind Strahlinge gefunden worden, so daß man deutlich erkennt, daß diese<br />
Tierchen in vergangenen Perioden der Erdgeschichte eine ebenso allgemeine Verbreitung<br />
gehabt haben wie in der Gegenwart.<br />
Ihre Bedeutung in der Gegenwart und für uns ist eine vielseitige. Sie zeigen uns,<br />
welch ein wunderbarer Baukünstler eine einzelne, isoliert im Meerwasser lebende tierische<br />
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