Vita • Deutsches Verlagshaus • Berlin-Charlottenburg
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geöffnet haben, durch die nicht nur die lebenden, sondern auch viele leblose Naturkörper<br />
sich auszeichnen. Nicht trockene und langweilige Gelehrsamkeit soll die heutige Naturforschung<br />
sein, nicht abstoßend auf frische und begeisterungsfähige Geister soll sie wirken,<br />
sondern sie selbst soll Leben sein und das Gefühl in uns erwecken, daß wir, mitten im<br />
Leben stehend, ein Glied seines großen Organismus sind. Wir sollen Freude empfinden<br />
über alle unsere Mitgeschöpfe im Wald und auf der Haide, im Wasser und in der Luft.<br />
Das Gestein im Innern der Erde soll uns ebenso zu liebevoller Betrachtung anregen wie<br />
der glänzende Kristall, die schnell vergänglichen Eisblumen an unseren winterlichen<br />
Fenstern, die Blumen auf den Fluren und Wiesen, die buntschillernden Schmetterlinge, die<br />
metallglänzenden Käfer, die jauchzenden Vögel der Luft, die sonnenschönen Medusen und<br />
geheimnisvollen Staatsquallen des Ozeans und wie alle die anderen unzähligen Wunder,<br />
mit denen Mutter Natur unsere Erde so verschwenderisch ausgestattet hat.<br />
Zu der rein wissenschaftlichen Betrachtung der Naturkörper hat sich in<br />
unseren Tagen die künstlerische gesellt, und wenn es wahr ist, daß die Kunst in ihren<br />
verschiedenen Äußerungen die Blüte des menschlichen Lebens ist, so wird durch eine<br />
solche künstlerische Naturbetrachtung ohne Zweifel auch die Wissenschaft selbst auf eine<br />
höhere Stufe erhoben.<br />
Unerschöpflich ist der fruchtbare Mutterschoß der Natur! Ehe noch vor Jahrhundertmillionen<br />
zum ersten Male lebende Wesen auf der Erde entstanden, hatte die Natur schon<br />
herrliche Kristalle, glänzend und farbenprächtig, hervorgebracht, und seit jenen fernen<br />
Urwelttagen hat sie eine immer steigende Fülle der formenschönsten Pflanzen und Tiere<br />
erzeugt, deren Kette nicht abreißt und deren Glieder wir noch lange nicht alle kennen.<br />
achdem wir vorhin die Meeresbewohner betrachtet, werfen wir jetzt einen<br />
Blick auf die Kunstformen der leblosen (anorganischen) Welt, die uns<br />
zumeist in Gestalt von Kristallen entgegentreten. Wir erkennen ohne Mühe,<br />
daß ein Kristall von ebenen Flächen und geraden Linien, den Kanten, begrenzt<br />
ist, die sich unter ganz bestimmten, bei den einzelnen Formen immer<br />
wiederkehrenden Winkeln schneiden. Jeden Kristall kann man auf eine ideale mathematische<br />
Grundform zurückführen, die man erhält, wenn man durch den Mittelpunkt des<br />
Kristalls Ebenen legt, in denen bestimmte Ecken von ihm liegen. Durch diese Ebenen<br />
wird der Kristall in symmetrische, d. h. spiegelbildlich gleiche Teile zerlegt. Der Kristall<br />
erscheint danach nach festen mathematischen Normen symmetrisch aufgebaut, und diese<br />
Symmetrie und Regelmäßigkeit befriedigt unser Schönheitsgefühl. Je vollkommener,<br />
regelmäßiger, gleichmäßiger ein bestimmtes Kristallindividuum ist, um so schöner finden<br />
wir es. Den Grund für diese Symmetrie der Teile und für die mathematisch bestimmten<br />
Achsen und Winkel haben wir offenbar in Grundeigenschaften der die Kristalle aufbauenhttp://rcin.org.pl