Ein akkadischer Liebeszauber aus HattuSa*
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60 Daniel SchwciiH'i<br />
Nicht zufällig blieb der Text, der insbesondere wegen einer sich an<br />
Nanaja wendenden Beschwörung Interesse verdient, bisher ohne Bearbeitung.<br />
Fragmentarischer Zustand, fehlende Duplikattexte, nicht<br />
überall zuverlässige Textüberlieferung sowie ungewöhnliche Wortformen<br />
und Schreibungen erschweren das Verständnis erheblich und bestätigen<br />
einmal mehr R. D. Biggs' Feststellung: „The Akkadian literary texts from<br />
Boghazköy are unusually frustrating to study"3. Der Schriftduktus weist<br />
die Tafel derjenigen Gruppe <strong>akkadischer</strong> Texte <strong>aus</strong> Hattusa zu, die nicht<br />
in der für hethitische Texte typischen Handschrift geschrieben wurden.<br />
Besonders charakteristisch ist die Form des TA mit den die Senkrechten<br />
geradezu rahmenden Winkelhaken. Diese Schreibweise begegnet auch in<br />
einem der Alasia-Briefe der Amarna-Korrespondenz, dessen Duktus<br />
sich jedoch in anderen Punkten (beachte besonders SA) von der Schrift<br />
unserer Tafel unterscheidet4. Die Summe der signifikanten Zeichenformen<br />
lassen auf einen Schreiber schließen, der einer nordsyrischen<br />
Schreibtradition folgt (TA, KU, LU, SA, SUM, KI, AH, GA, GIN, QA etc.). Obgleich<br />
man da und dort den <strong>Ein</strong>druck gewinnen kann, die Muttersprache<br />
des Schreibers sei nicht das Akkadische gewesen, rät auch die weitgehend<br />
konsequente Scheidung von Tenues und Mediae davon ab, die Tafel<br />
einem hethitischen Schreiber im engeren Sinne zuzuweisen. Unbescha-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>akkadischer</strong> l.iebcszaubci <strong>aus</strong> Hntfusii 61<br />
det dessen mag die Tafel in Hattusa geschrieben worden sein. Der Text<br />
selbst dürfte auf babylonische Traditionen zurückgehen5.<br />
Der erhaltene Text wird von Paragraphenstrichen gegliedert, die<br />
einzelne Rezepte voneinander trennen. Allein in Vs. 13-14' hat der<br />
Schreiber innerhalb einer in sich geschlossenen Ritualvorschrift einen<br />
zunächst unsinnig erscheinenden Strich gesetzt. Als Erklärung hierfür<br />
bietet sich an, daß die in Vs. 15'ff. folgende Beschwörung, die offensichtlich<br />
zur vor<strong>aus</strong>gehenden Ritualanweisung gehört (Doppelstrich<br />
mit MAN nach Vs. 23') 6, speziell zur Salbung der Hüfte gesprochen werden<br />
sollte, die in Vs. 14' angeordnet wird. Die §§ 2'-5' geben jeweils<br />
kurze Rezepte für Tränke, dasselbe gilt für § 9'. Die §§ 10'-16' lassen<br />
wegen ihres über<strong>aus</strong> fragmentarischen Zustands keine weitere Charakterisierung<br />
zu, § 17' gibt wohl wiederum ein Rezept für einen Trank;<br />
§ 18' ist wieder unklar, der Rest der Rs. nicht beschrieben. Die 6-7'<br />
bieten eine Ritualanweisung, auf die in § 8' offenbar die zugehörige Beschwörung<br />
folgt. Ritualanweisung und Beschwörung bezwecken sicherlich<br />
die Heilung von Impotenz (dazu <strong>aus</strong>führlich im folgenden). Möglicherweise<br />
besaßen die verschiedenen Tränke dasselbe therapeutische<br />
Ziel. <strong>Ein</strong>er <strong>aus</strong>führlicheren Kommentierung der §§ 6-8' sei der Versuch<br />
einer Umschrift und Übersetzung vorangestellt:<br />
3 JNES 60 (2000) 289. Biggs nimmt hier Bezug auf die Ritualsammlung KBo. 36, 29 //,<br />
die Verf. in einem ersten Bearbeitungsversuch vorgelegt hat (Akkadische Rituale <strong>aus</strong><br />
Hattusa. Die Sammeltafel KBo. XXXVI 29 und verwandte Fragmente. THeth. 23<br />
[Heidelberg 1998]). Neben den Anmerkungen bei Biggs, art. cit., muß auf die weiterfuhrenden<br />
Beiträge von J. A. Scurlock, JAOS120 (2000) 672-674, und insbesondere<br />
W. Farber, ZA 91 (2001) 253-263 (zuvor idem, BiOr. 57 [2000] 630-633) hingewiesen<br />
werden. <strong>Ein</strong>e überarbeitete Übersetzung des „Totengeist-Rituals", die vor allem Farbers<br />
Korrekturen dankbar übernimmt, legt Verf. in Phoenix 49 (2003) vor. Die Lesung<br />
ik-ka-lu in KBo. 36, 29 Vs. ii 23, die Farber der älteren Kopie Köchers (KUB 37, 64 a<br />
Vs. 7) und einer Kollation Biggs' folgend den Vorzug gegenüber den in KBo. 36 kopierten<br />
Spuren gibt, hat sich nach abermaliger Kollation G. Wilhelms endgültig bestätigt.<br />
Es sei hier darauf hingewiesen, daß die THeth. 23, 5 Anm. 19, gegebene Auflistung<br />
der Fragmente des Typs ana piserti kispi insofern zu korrigieren ist, daß alle<br />
B-Fragmente nur indirekt joinen. Die gesamte Textgruppe, zu der inzwischen weitere<br />
Fragmente zu stellen sind, wird im Rahmen des von T. Abusch und Verf. vorbereiteten<br />
Corpus der Beschwörungen und Rituale gegen Hexerei bearbeitet werden. In<br />
THeth. 23, 62ff. zu BBR 49 fehlt ein Hinweis auf den wichtigen Join K 6336 + K 5641<br />
= BBR 49 (s. F. A. M. Wiggermann, Mesopotamian Protective Spirits. CM 1 [Groningen<br />
1992] 141), der das Fragment den Ersatzkönigsriten zuweist. Beachte weiterhin,<br />
daß KUB 37, 72 Vs. (THeth. 23, 136f.) Duplikat zu G. Beckman/B. Foster, Assyrian<br />
Scholarly Texts in the Yale Babylonian Collection, in: Gs. A. Sachs (Philadelphia<br />
1988) 20 Nr. 19 Vs., ist.<br />
• VS 11, 14 (VAT 153); ein Photo der Tafel (Vs.) gibt L. Hellbing, Alasia Problems. Studies<br />
in Mediterranean Archaeology 57 (Göteborg 1979) 100.<br />
2. KBo. 36, 27: Umschrift, Übersetzung, Kommentar7<br />
Vs. 4j V Y [xx] xx[<br />
§ 2' 2' [ x (x) ] x x x x rKl GA"1 [<br />
§3' 3' [ Ü]EME- RUR.GI 7KI GA N[<br />
§4' 4' [NUMUN] "EME-UR.GIY NUMUN "rla'-ap-t[i]<br />
5' [NUMUN] "sa-mi-di NUMUN üa-nu-zi-ni<br />
6' [KI G]ESTIN U sum-ma KA$<br />
§5' 7' rü ^.GIR.LAGAB rT\vC ka-bu-ul-ta<br />
8' "NUMUN" 1 "SULLIM KI GESTIN U sum-ma KAS<br />
§ 6' 9' KUN GIR.TAH KUN a-du-um-mi<br />
1 Zur Überlieferungsgeschichte der in Ha.tuSa gefundenen akkadischen liierarischen<br />
lexle s. den Exkurs am Ende dieses Beitrags.<br />
" Zu MAN am Ende von Tcxtabschnillen s. II. Hunger, HAK, 51<br />
' W"!? ?.^ i U " n h" m l V H" l > h < ) , < > S " U S l l c m M l , i n M r l'hoUNirchiv k< tionien; ich<br />
danke C, Wilhelm. Akademie der Wissenschaften und der l.ileralur. Miiinz. für die<br />
Ireundliehe Erlimbnis, die Pholiw zu benutzen.