Zwei Sterne für Cutter
Buch © Andrea Rongen Autorenseite: http://andrearongen.wix.com/andrea-rongen
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<strong>Zwei</strong> <strong>Sterne</strong> <strong>für</strong> <strong>Cutter</strong><br />
Teil 5<br />
>Nicht jedes Hufeisen bringt Glück<<br />
Am frühen Morgen des zwanzigsten Mai kam Johnny Fuller aufgeregt in das Marshalloffice<br />
gelaufen. Ohne anzuklopfen riss er die Tür auf und ging zum Schreibtisch hinter dem<br />
Marshall Ryder saß und einen Bericht über die Ereignisse der letzten Nacht schrieb. Johnny<br />
wedelte mit einem Brief in der Hand durch die Luft. Völlig außer Atem hauchte er,<br />
„ Post <strong>für</strong> sie Marshall. Ein Brief aus Texas!“ Nick sah ihn ernst an und schüttelte den Kopf.<br />
„ Und darum machst du so einen Aufwind? Ich bekomme fast jeden Tag Post.“ „ Aber dieser<br />
hier ist aus Texas. Ich bin Texaner, dass haben sie doch nicht vergessen, oder? Ich freue mich<br />
immer, wenn ich etwas aus der Heimat erfahre.“ Nick musste lächeln, als er den Brief<br />
annahm.“ Er ist aber an mich gesendet. Ich glaube nicht, dass da etwas Interessantes <strong>für</strong> dich<br />
drin steht. Warum schreibst du nicht einfach auch mal einen Brief an deine Verwandten.“<br />
„ Marshall! Das ist die Idee. Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen? Ich schreibe<br />
einen Brief an meine Tante Luise.“ Johnny war schon wieder bei der Tür als Nick ihm noch<br />
nachrief“, Eigentlich war es ja meine Idee, aber dennoch, viel spaß beim schreiben.“ Auf dem<br />
Ofen stand heißer Kaffee, der seinen Duft im ganzen Office verteilte. Nick goss sich eine<br />
Tasse ein und beobachtete dabei die Straße. Der junge Johnny hüpfte über die Mainstreet wie<br />
ein fünfjähriger. Es sah lustig aus, denn er war schon sechzehn Jahre, groß und schlank. Ein<br />
weicher dünner Flaum bedeckte seine Oberlippe und machte aus ihm einen halbwüchsigen<br />
Mann. Nick nahm den Brief in die Hand und las den Absender.“ Roy Brakes, Laredo“.<br />
Gedankenverloren lehnte er gegen die Wand und dachte an den Sommer vor zehn Jahren.<br />
Nick war damals noch Sheriff und musste sich der Junkers Bande stellen. Wo sie auftauchten<br />
hinterließen sie Verwüstung und Tote. Frank Junker, der Boss der Bande war überzeugt<br />
davon, dass ihn niemand stoppen kann. Ihm gehörte die Welt und er konnte tun was er wollte.<br />
In vier Städten war ihm das auch gelungen. Jeder, der sich ihm und seinen Männern<br />
widersetzte wurde öffentlich ausgepeitscht. Sheriff Epps aus House City starb mitten auf der<br />
Mainstreet und niemand traute sich einzugreifen. Er wurde zu Tode gepeitscht.<br />
Nick erwartete die Bande, da sie sich in südlicher Richtung bewegten. Am Tage vor dem<br />
Eintreffen der Bande saß Roy Brakes im Jail bei Sheriff Ryder wegen Belästigung mehrer<br />
Damen. Er war ein Schürzenjäger und mit allen Wassern gewaschen. Die Frauen beschwerten<br />
sich im Office und fühlten sich belästigt. Nick blieb keine andere Wahl, als ihn einen Tag<br />
festzusetzen. Am nächsten Morgen versuchte Sheriff Ryder vergebens Hilfe zu bekommen.<br />
Niemand wollte sich der Bande in den Weg stellen. Die Bürger von <strong>Cutter</strong> waren sich einig,<br />
dass sie dem Gesetzeshüter genug bezahlen und er seinen Job zu machen habe.<br />
Roy Brakes war der Einzige, der sich neben Nick aufstellte um Frank Junker und dessen zehn<br />
Männer aufzuhalten. Er war draufgängerischer Texaner und stolz auf seine Herkunft. Sie<br />
postierten sich eine Meile vor der Stadt. Nick wollte kein Risiko eingehen, und die Bande<br />
vorher schon abfangen. Rechts und links des Weges waren steile Felswände. Nick steckte eine<br />
Stange Dynamit in einen Spalt und ließ die Lunte sichtbar runterhängen. Roy versteckte sich<br />
hinter einem Fels. Er hatte den Auftrag die Lunte durch einen Schuss zu entzünden. Der Plan<br />
ging auf. Hinter der Bande stürzten die Felsbrocken auf den Weg und vor ihnen stand Sheriff<br />
Ryder. Er riss Frank Junker aus dem Sattel bevor dieser begriff was geschehen war und hielt<br />
ihm den Revolver an die Stirn. Niemand seiner Männer zweifelte an der Ernsthaftigkeit der<br />
Worte die Ryder sprach, „ Werft eure Waffen weg und nehmt die Hände hoch, ansonsten<br />
könnt ihr zusehen wie leicht ein Kugel durch einen Schädelknochen geht.“<br />
Beim Abführen gelang es einen sein Messer aus unter dem Hosenbein hervor zu ziehen und es<br />
hätte sicher sein Ziel nicht verfehlt, wenn Roy ihn nicht in letzter Sekunde angeschossen<br />
hätte. In den darauf folgenden Tage, die Roy noch in der Stadt blieb, hatte Nick noch in guter<br />
Erinnerung.<br />
Der Brief aus Texas war eine Einladung zur Hochzeit. Ausgerechnet Roy hatte nun vor sich<br />
fest zu Binden. Nick schmunzelte, „ Wenn das mal gut geht.“ Sagte er zu sich selbst und sah<br />
1
zur Tür. Sein Freund Sheriff Jett Armstrong kam gerade herein. „ Guten Morgen. Gibt es<br />
etwas Neues?“ fragte er wie immer. „ Ja. Ich habe eine Einladung zu einer Hochzeit<br />
bekommen. Roy Brakes möchte mich zum Trauzeugen haben.“<br />
„ Na Großartig. Viel spaß.“ Sagte Jett. „ Die Hochzeit findet in Laredo statt. In Texas.“ Jett<br />
blieb abrupt stehen. Verblüfft sah er Nick an. „ In Texas, hast vor hinzureisen?“<br />
„ Es wäre ja nur eine Woche dann bin ich wieder da. Ich nehme mein Pferd mit. Die<br />
Zugverbindung reicht nur bis Irontown. Von dort an muss ich die letzten vierzig Meilen<br />
reiten. Ich nehme den heutigen Mittagszug.“ Nick hatte den Kopf gesenkt mit Blick auf den<br />
Brief, den er in der Hand hielt. Jetzt schielte er hoch ohne den Kopf zu heben und beobachtete<br />
Jetts Reaktion. Sheriff Armstrong setzte sich hinter den hinter Schreibtisch, atmete tief ein<br />
und sagte in einem gelassenen Ton“, Ich komm schon klar hier. Ich wünsch dir eine gute<br />
Reise.“ „Danke Jett. Lass dir was einfallen, wenn Major Flint nach mir fragt. Ich geh meine<br />
Sachen packen. Mir bleiben ja nur noch zwei Stunden.“<br />
Nick hatte das Wichtigste noch auf die Schnelle erledigt. Er wies seine Deputys ein, ließ sich<br />
von Peggy Sue ein Proviantpäckchen packen und machte sein Pferd Ladigo Reisefertig.<br />
Der Abschied war kurz und unauffällig. Es sollten möglichst wenige mitbekommen, dass der<br />
Marshall abgereist war. Es gab zu viele Leute in <strong>Cutter</strong>, die seine Abwesenheit sofort<br />
ausnutzen würden, und die Gesetzte brachen. Je später die es bemerkten, desto besser war es<br />
<strong>für</strong> Jett. Pfeifend rollte der Zug vom Bahnhof ab. Die beiden Deputys Alex Cooper und Benno<br />
Walker standen bei den Gleisen und grinsten sich zu. Jett sah es aus den Augenwinkeln.“ Was<br />
grinst ihr so! glaubt ja nicht, dass ihr hier nun eine Woche Urlaub habt. Macht euch an die<br />
Arbeit. Das Office muss gewischt werden und die Fenster sollten auch mal wieder geputzt<br />
werden. Danach möchte ich einen ausführlichen Bericht über die Schlägerei letzte Nacht in<br />
der ihr Beide verwickelt ward.“ Jett wollte gerade gehen, da hielt ihn eine zarte Frauenstimme<br />
auf. „ Oh Sheriff! Es ist schön sie gleich kennen zu lernen. Ihre dominante Art mit den<br />
Deputys hat mir gleich imponiert. Sie sind ein Mann, der genau weiß was er will.“<br />
Jett betrachtete die Frau, die mit einer kleinen Reisetasche am Bahnhof stand. Ihr feuerrotes<br />
Kleid war eng geschnürt um die Brust und wurde ab der Hüfte weit. Es war mit schwarzen<br />
Spitzen abgesetzt, die ein Korsett andeuteten. In ihrer Rechten hielt sie einen Sonnenschirm<br />
ebenfalls aus schwarzer Spitze. Tiefschwarz hingen ihre Locken herunter und der Blick mit<br />
dem Jett ansah hatte etwas Mystisches an sich. Es kam ihm vor, als könnte sie seine<br />
Gedanken lesen. „ Darf ich fragen wer sie sind? Mam?“ fragte Jett zögernd. Denn eine solche<br />
Dame hatte er noch nie zuvor gesehen. „ Ich bin Miss Odin. Clara Odin. Ich brauche dringend<br />
ein Hotelzimmer. Die Fahrt war anstrengend. Meine Kraft verlässt mich. Bitte Sheriff, führen<br />
sie mich zu einem Quartier.“ Mit dem Handrücken berührte sie ihre Stirn und seufzte. Jett sah<br />
die langen ebenfalls schwarz lackierten Fingernägel. „ Fehlt nur noch die Sense.“ Dachte er.“<br />
„Dann stehe gerade dem Tod gegenüber.“ Miss Odin riss ihn aus seinen Gedanken. „ Sheriff,<br />
sie müssen mich stützen.“ Bevor Jett reagieren konnte hackte sie ihren Arm in seine<br />
Armbeuge ein. Neben einem Stapel großer Kisten standen drei Männer wie Statuen<br />
unbeweglich. Alle drei waren in schwarzen weiten Anzügen gekleidet und trugen zudem<br />
einen Umhang, mit rotem Innenfutter. Ihre Arme hielten sie vor der Brust verschränkt und<br />
erst als Miss Odin den Befehl gab rührten sie sich. „ Folget mir und dem Sheriff. Und seit<br />
Vorsichtig mit den Requisiten.“ Jett wunderte sich über nichts mehr. Er war nur Froh, dass<br />
Peggy-Sues Hotel nicht weit vom Bahnhof entfernt lag. Sie buchte zwei Zimmer. Eines <strong>für</strong><br />
sich und eins <strong>für</strong> zwei Begleiter. Jeweils ein dritter musste stets vor ihrer Tür Wache stehen.<br />
Im Office waren Lex und Benno dabei den Boden zu wischen. Als Jett eintrat hielt Lex in<br />
seiner Arbeit inne und fragte, “ was zum Teufel war denn das?“ Jett rieb sich die Augen um<br />
sicher zu gehen das er nicht nur Träumte. „ Wenn du die Frau am Bahnhof meinst, hast du mit<br />
dem Begriff `Teufel` wahrscheinlich richtig geraten. Ich dachte auch, ich würde dem Tod<br />
gegenüber stehen.“ Benno gab grinsend dazu, „ Schade das Nick sie nicht gesehen. Er<br />
verpasst was.“ „ Was soll er denn verpassen. Eine Frau die schwarz gekleidet ist. Vielleicht ist<br />
sie ja in Trauer.“ Sagte Lex und wischte über die Dielen. „ Du hast ja nicht in ihre Augen<br />
gesehen. Mir kam es vor, als könnte sie in mich hineinsehen.“ Ein Schauer lief Jett bei seinen<br />
eigenen Worten über den Rücken.<br />
2
Nick war den ganzen Tag unterwegs. Erst am späten Abend erreichte er die Stadt Irontown.<br />
Müde nahm er sich ein Zimmer in einem Hotel und wachte erst wieder auf, als die ersten<br />
Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen. Nach einem guten Frühstück ging die Reise zu<br />
Pferd weiter. Pünktlich zur Hochzeit traf Nick in Laredo ein. Roy Brakes war überrascht<br />
seinen alten Freund wieder zu sehen. Er hatte nicht geglaubt, dass Nick tatsächlich kommen<br />
würde. Die Hochzeit war ein großartiges Fest. Nick hatte nur bedenken, ob sein Freund seiner<br />
Braut auch treu blieb. Er wusste ja, wie sehr Roy Frauenröcke hinter her sah. Er wäre<br />
verrückt, wenn er das täte, denn das Mädchen, welches nun seinen Namen trug war ein<br />
wunderhübsches junges Ding. Die Feier ging bis in die Nacht hinein. Nick trat seine<br />
Rückreise nach dem Frühstück an. Er verabschiedete sich bei der Braut und flüsterte ihr ins<br />
Ohr “, Halt ihn an der kurzen Leine.“ Sie sah zwar fragend an, aber schien doch seine Worte<br />
verstanden zu haben, denn plötzlich lächelte sie und sagte “, Ich kenne ihn. Mach dir keine<br />
Sorgen.“ Roy kam in diesem Moment dazu, fragend sah er seine Frau an.<br />
„ Worüber soll er sich keine Sorgen machen!“ Nick klopfte auf dessen Schulter “, Ach Roy.<br />
Ich wünsche dir alles Gute, viele Babys und ein langes gemeinsames Leben.“ Dann zog er<br />
sich in den Sattel und schlug den Heimweg ein.<br />
Etwa fünf Meilen vor Irontown lahmte sein Hengst Ladigo mit dem rechten Vorderhuf. Nick<br />
besah sich den Fuß und konnte einen Dorn entdecken, der sich zwischen dem Eisen in das<br />
Weiche Hufgewebe gebohrt hatte. Er brauchte fast eine halbe Stunde um ihn zu entfernen. Er<br />
steckte so tief drin, dass Ladigo immer noch lahmte. Langsam trat auch schon die<br />
Dämmerung ein, so dass Nick beschloss hier draußen noch ein Nachtlager einzurichten. Am<br />
Ufer des schmalen Flusses, dem er seit zehn Meilen gefolgt war, kühlte er den Huf des<br />
Pferdes. „ Ich habe noch Kaffee, Brot und Schinken in der Satteltasche. Heute Nacht bleiben<br />
wir hier. Morgen geht es dir bestimmt besser. Es sind ja nur noch fünf Meilen.“ Nick<br />
streichelte die Mähne seines Schecken und löste das Zaumzeug. Ladigo läuft nicht weg,<br />
dessen konnte Nick sich sicher sein. Er war ein treuer Freund und ließ ihn noch im Stich.<br />
Am wärmenden Lagerfeuer trank Nick seinen Kaffee und dachte zurück an die Hochzeit. Er<br />
selber war nun sieben Jahre mit Carol- Ann verheiratet. Es war eine Doppelhochzeit<br />
zusammen mit Jett und seiner Frau Mary. Ganz <strong>Cutter</strong> feierte damals mit. Sein Sohn Jetty aus<br />
erster Ehe war gerade mal fünf Jahre. Er hatte seine Mutter Lea nie kennen gelernt. Sie wurde<br />
bei einem Überfall getötet. Jetty war da noch ein Baby und von der Bande verschleppt. Die<br />
grausamen Bilder des Überfalls verdrängte Nick und konzentrierte auf das schöne<br />
Hochzeitskleid, dass Carol-Ann bei der Trauung trug. Mit geschlossenen Augen saß Nick auf<br />
einem Baumstamm vor dem Feuer, als ihn ein knacken im Unterholz aufschreckte. Sofort<br />
sprang er hoch, hielt den Revolver in der Hand und lauschte in dunkle Nacht hinein. Einige<br />
Sekunden verstrichen, dann raschelte etwas im Gebüsch. „ Komm raus da. Mit erhobenen<br />
Händen.“ Befahl Ryder, denn er war sich nun sicher, dass sich dort ein Mensch versteckte.<br />
In der Zeit, die er bei den Indianern verbracht hatte, hatte er viel über Spurenlesen und der<br />
Natur gelernt. Das konnte kein Tier sein, das sich da im Busch aufhielt.<br />
Langsam kam eine menschliche Gestalt auf ihn zu. Nick hatte das Feuer im Rücken und<br />
konnte im Dunkeln nur schemenhaft das Gesicht des Gegenübers erkennen. Nur die roten<br />
Haare fielen auf, die sich von dem gelben Halstuch deutlich absetzten.<br />
Mit erhobenen Händen kam der Mann näher. Eine auffallend hohe Stimme sagte, „ Aber wer<br />
wird denn gleich so misstrauisch sein, Mister. Ich habe ihren guten Kaffee gerochen und<br />
wollte mich zu einer Tasse einladen.“ „ Warum verstecken sie sich dann erst im Gebüsch?“<br />
wollte Nick wissen und vernahm das leise Rascheln hinter sich zu spät.<br />
Da er nicht wissen konnte, wo der zweite Hinter ihm stand, hechtete Nick nach vorne und<br />
schlug den völlig überraschten Mann genau ans Kinn. Durch die Knöchel seiner Faust konnte<br />
Nick das Brechen eines Zahnes spüren, und bekam in diesem Moment einen harten Schlag auf<br />
den Hinterkopf. Benommen torkelte er zu Seite, sackte dann in die Knie und fiel nach vorne<br />
über. Alle Mühe nicht von der Ohnmacht angesprungen zu werden, war vergebens. Nick lag<br />
war wie gelähmt am Boden. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Die schwer gewordenen<br />
Augenlider wollten immer wieder zufallen, aber er wehrte sich dagegen. Schleierhaft sah er<br />
3
wie zwei Männer, seine Satteltasche durchsuchten. Der Rothaarige fluchte und spukte einen<br />
blutigen Zahn aus. Nick sah den abgebrochenen Eckzahn, der vor seinem Gesicht zu Boden<br />
fiel, dann drehte ihn jemand auf den Rücken. Ein stechender schmerz durchzuckte seinen<br />
Nacken, dann verlor er völlig das Bewusstsein.<br />
Marshall Ryder wusste nicht genau, wie lange er da gelegen hatte, als er endlich wieder die<br />
Augen öffnete. Das Feuer war erloschen und es war noch Nacht. Er blinzelte in den<br />
<strong>Sterne</strong>nhimmel, blieb aber vorsichtshalber noch etwas lang ausgestreckt liegen und betastete<br />
seine Beule am Hinterkopf. Außer starken Kopfschmerzen tat nichts weh. Er konnte alle seine<br />
Glieder bewegen. Erst nachdem er mühsam aufgestanden war, sah er, dass nichts mehr da<br />
war. Sein Pferd, der Sattel, die Satteltasche, alles war weg. Sogar seine Brieftasche, sein Stern<br />
und der Revolver mitsamt dem Gurt. Nur der ausgeschlagene Zahn lag noch am Boden.<br />
Vorsichtshalber hob er ihn auf und steckte ihn in seine Hosentasche.<br />
Dann blickte er auf seine Füße, „ Na wenigsten die Stiefel haben sie mir gelassen.“ Sagte er<br />
zu sich. Denn nun standen fünf Meilen Fußmarsch vor ihm.<br />
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Nick die ersten Häuser der Stadt sah. Er war<br />
Müde und seine Füße taten weh. Aber am schlimmsten waren die Kopfschmerzen. Unrasiert<br />
und mit verschwitztem Hemd suchte er das Sheriff Office auf. Er fand es mittig der<br />
Mainstreet im oberen Geschoss eines zweistöckigen Hauses. Eine lange Außentreppe an der<br />
Wand vorbei führte nach oben.<br />
In <strong>Cutter</strong> begann der Tag mit viel Aufregung. Überall an den Pfeilern der Häuser hingen<br />
Plakate. Jett hatte eine unruhige Nacht auf dem harten Bett im Office hinter sich, als Deputy<br />
Lex Cooper hereinstürmte. „ Hey Jett. Hast du schon die Plakate draußen gesehen?“<br />
Mürrisch antwortete Jett“, Nein. Ich war noch nicht draußen.“ Mit verschlafenen Augen<br />
suchte er nach der Kaffeedose auf dem Regal und musste feststellen, dass diese leer war. Lex<br />
ging aufgeregt hin und her während er zu erklären versuchte.<br />
„ Miss Odin hält heute Abend eine Sitzung. Sie tritt im Restaurant von Peggy-Sue auf und<br />
wird die Zukunft der Stadt voraussagen.“ Jett, der gerade an einer Tasse nippte, mit Kaffee<br />
vom Vortag, spuckte das schwarze Gebräu hustend in die Tasse zurück. Lex sah ihn erstaunt<br />
an, „ schmeckt das so abscheulich?“ fragte er. „ Das auch. Aber was hast du da gerade über<br />
diese Miss Odin gesagt?“<br />
„ Sie kann die Zukunft voraussagen. Allerdings nur die dunklen Seiten. Ist das nicht<br />
schaurig?“<br />
„ So wie die herumläuft, erstaunt mich das nicht. Sie trägt doch selber nur schwarz. Glaubt die<br />
denn wirklich, irgendjemand interessiert sich <strong>für</strong> ihre dunklen vorhersagen? Wer will schon<br />
wissen welches Unheil ihn erwartet.“ An Lex grinsendem Gesicht erkannte Jett, das dieser es<br />
wohl anders sah. „ Du willst doch nicht da hingehen! Das ist doch alles Lug und Trug. Am<br />
Ende will sie nur Geld von dir haben.“<br />
„ Das hat sie schon bekommen. Hier, ich habe zwei Eintrittskarten gekauft.“ Er wedelte mit<br />
zwei bunt bedruckten Papierstreifen durch die Luft. Seufzend ließ Jett sich auf den Rand des<br />
Bettes sinken. „ Und noch was Jett. Der Saal ist ausverkauft. Du kannst keine Karte mehr<br />
bekommen.“ Armstrong sah zur Decke auf, faltete die Hände zusammen und sagte<br />
andächtlich“, Oh Gott sei dank!“ „ Du weißt ja gar nicht, was du da alles verpasst. Sie sagt die<br />
Zukunft voraus! Und noch was. Sie hat gesagt, dass es heute regnen wird. Ein Gewitter<br />
kommt über uns und der Blitz wird einschlagen.“ Jett schüttelte nur den Kopf über so viel<br />
Einfältigkeit.“ Natürlich wird es heute Regnen und ein Gewitter ist auch zu erwarten. Das<br />
habe ich gestern schon an den Wolken erkannt. Und der Blitz wird mit ziemlicher<br />
Wahrscheinlichkeit auch irgendwo einschlagen. Das ist keine Zukunftsvision, dass nennt man<br />
Beobachtungsgabe.“ „ Sag was du willst. Ich werde dort hingehen und viele Andere auch.“<br />
„ Wen nimmst du mit?“ „ Dich bestimmt nicht. Das ist Bennos Karte.“ Jett streifte sich die<br />
Weste über, zog die Schnalle vom Coltgurt enger und ging zur Tür. „ Ich geh Frühstücken.<br />
Wenn du mich brauchst, ich bin bei Peggy-Sue.“ Kaum hatte er die Straße überquert, da kam<br />
auch eine Gruppe Frauen auf ihn zu gestürmt.<br />
4
„ Morgen Sheriff. Haben sie von Miss O….“ „ Ja habe ich“ Fiel er der jungen Frau ins Wort.<br />
„ Ist das nicht großartig. Sie gibt Heute Mittag schon <strong>für</strong> jeden eine Persönliche Sitzung.“<br />
Obwohl er nicht geringste Lust verspürte, sich mit den Leuten über diese verrückte Person zu<br />
unterhalten, blieb er jetzt doch stehen und drehte sich zu der Frau um, die ihn angesprochen<br />
hatte.“ Sie wollen wirklich wissen, welches Unheil sie erwartet?“ „ Aber natürlich. Stellen sie<br />
sich nur vor, wenn sie wissen was passiert, dann können sie es doch rechtszeitig abwenden?“<br />
Die junge Frau schien wie besessen von diesem Gedanken.<br />
„ Und wenn es sich nicht abwenden lässt?“ fraget Jett skeptisch.<br />
„ Ach Sheriff. Sie können mich nicht davon abhalten. Ausgerechnet sie sollten doch an ihrer<br />
Zukunft interessiert sein.“ „ Wieso?“ „ Weil sie einen gefährlichen Job haben und nie wissen,<br />
wann es sie mal erwischt. Wenn sie aber genau wissen, dass sie Morgen von einer Kugel<br />
getroffen werden, können sie doch einfach den gaben Tag drinnen bleiben und dem Tot damit<br />
entgehen.“ Schmunzelnd gab Jett darauf zurück, „ dann hat sie aber gelogen. Wenn sie<br />
meinen Tot voraus gesagt hat und ich dann immer noch lebe.“ Empört wandte sich die Frau<br />
ab. Sie war so besessen von dieser Miss Odin, dass sie sich nicht von dem einfältigen Sheriff<br />
die Laune verderben lassen wollte. Im Restaurant war kein Platz mehr zu bekommen. Alle<br />
Tische standen an die Wand gerückt, der Saal wurde mit Stühlen gefüllt. <strong>Zwei</strong> Männer bauten<br />
eine Bühne auf und die schwarz gekleideten Helfer der Miss Odin packten die Dekorationen<br />
aus den Kisten. Enttäuscht stand Jett in der Tür und beobachtete das Treiben. Dann trat<br />
plötzlich Peggy-Sue auf ihn zu. „ Guten Morgen Sheriff. Sicher wissen sie schon was<br />
heute…“ „ Oh bitte. Sprechen sie nicht davon. Eigentlich bin ich nur hier, weil ich ein<br />
Frühstück haben wollte. Aber ich sehe schon, daraus wird wohl nichts.“ Peggy-Sue nahm Jett<br />
an die Hand und führte ihn durch das Chaos zur Küchentür. „ Aber sicher bekommen sie ihr<br />
Frühstück. Sie können es in der Küche einnehmen, wenn es ihnen nichts ausmacht.“<br />
„ Ich brauche auf jeden Fall erst mal einen Kaffee. Das würde mir schon reichen.“<br />
„ Sie kommen doch sicher auch heute Abend. Ich biete Essen zu Sonderpreisen.“ Im<br />
Speisesaal schepperte eine Glasschüssel zu Boden. Laute Flüche schallten bis in die Küche.<br />
Die Tür wurde aufgerissen und eines der Mädchen, die <strong>für</strong> Peggy-Sue arbeiteten rannte an Jett<br />
vorbei und holte den Besen aus der Ecke. „ Endschuldigung!“ rief sie, als sie beim<br />
hinauslaufen Sheriff Armstrong anrempelte. „ Sind denn alle verrückt geworden?“ fragte Jett.<br />
„ Es ist doch Aufregend. Wann hatten wir das letzte Mal einen so bedeutenden Gast!“ Sagte<br />
Peggy-Sue und schlug die Fäuste in die Hüfte. „ Zum Glück noch nie. Bisher waren es<br />
Theaterleute, Zirkusartisten und Musiker. Wieso macht ihr hier schon so einen Aufstand? Es<br />
soll doch erst heute Abend losgehen.“ Jett schlürfte an seiner Tasse. Der Kaffee war heiß und<br />
wie immer schmeckte er besonders gut bei Peggy-Sue. Leider verriet sie niemandem ihr<br />
Rezept. Noch bevor sie Antworten konnte schallte die Stimme des Ehrengastes durch die<br />
Luft. „ Nein, nein, nein. Die Bühne muss noch ein Zentimeter höher werden. Ich habe mich<br />
doch deutlich genug ausgedrückt. Und was ist das? Es sollten doch Rosen sein. Rote Rosen<br />
und nicht so ein Unkraut. Also bitte.“ Dezent schlich Jett sich zur Hintertür. Er wollte ihr auf<br />
keinen Fall begegnen. Es gab noch genug wichtigere Arbeit zu tun. Er war schon froh, als er<br />
den Korridor erreichte, da stand sie auf einmal vor ihm. Sie kam aus der Vordertür und traf<br />
unausweichlich auf den Sheriff.<br />
„ Sheriff Armstrong. Es ist schön sie zu sehen. Sicherlich kommen sie doch auch heute<br />
Abend.“ Jett war froh, dass alle karten ausverkauft waren, so konnte er einer Diskussion<br />
umgehen.“ Tut mir leid Miss, aber es gibt keine Karten mehr.“ Lachend wedelte sie mit den<br />
Händen als wolle sie sich Luft zu fächeln. „ Aber nicht doch. Für sie habe ich habe immer ein<br />
paar in Reserve.“ Ganz nah trat sie an Jett heran und steckte ihm eine Eintrittskarte in die<br />
Hemdtasche. „ Mein Süßer. Ich habe eine Schwäche <strong>für</strong> das Gesetz. Und vor <strong>für</strong> die, die es<br />
Hüten. Wann bekomme ich Marshall Ryder mal zu sehen?“ „ Oh ähm…er ist nicht in der<br />
Stadt. Er musste beruflich weg.“ Es war sicher nicht klug, ihr von Nicks Abwesenheit zu<br />
erzählen, aber was hätte er sagen sollen. Nick war <strong>für</strong> die nächsten vier Tage nicht da.<br />
„ Das ist aber Schade. Ich habe viel von ihm gehört.“<br />
„ So? tut mir leid Mam. Aber ich muss an meine Arbeit.“ Jett schob sie sanft bei Seite und<br />
wollte zur Tür hinaus, da rief sie ihm noch hinterher, „ In einer Stunde beginne ich mit<br />
5
Einzelsitzungen. Für sie Sheriff räume ich gerne eine halbe Stunde ein. Wann immer sie Zeit<br />
haben.“ Jett blieb in der Tür stehen und kaute nervös auf der Unterlippe herum.<br />
„ Danke, aber ich habe keinen Bedarf.“ „ Wieso nicht? Haben sie angst vor der Zukunft?“<br />
„ Das reicht jetzt!“ Schimpfte Jett, alle seine Manieren vergessend. „ Haben sie eigentlich<br />
eine Ahnung was sie hier anrichten? Gar nicht auszudenken wie viele Menschen nach ihrer<br />
billigen Show in Panik geraten. Im tiefen Inneren will keiner sein Schicksal vorher wissen,<br />
aber sie wecken ja eine Neugierde in die Menschen die sie ihren Zauber auch noch <strong>für</strong> Echt<br />
halten.“ „ Zauber nennen sie meine Gabe? Ich werde ihnen beweisen, dass es keine Magie ist.<br />
Kommen sie heute Abend und sie werden staunen.“ Miss Odin warf den Kopf nach hinten in<br />
den Nacken und stolzierte wie ein Storch die Treppenstufen hinauf. Jett fluchte in sich hinein.<br />
Er wollte diese Unterhaltung doch nicht mit ihr führen und nun ist es doch geschehen.<br />
„ Soll sie doch die ganze Stadt auf den Kopf stellen. Sie wird abreisen und hier herrscht<br />
wieder Frieden.“ Sagte er beim hinausgehen zu sich.<br />
Nick kam am Mietstall vorbei und sah neugierig durch die offen stehende Stalltür. Seine<br />
Vermutung erwies sich als Richtig. Ladigo stand in einer der Boxen. Man hatte sie in ganz<br />
hinten in einer, mit Sichtschutz abgetrennten Box verstecken wollen, aber der Hengst<br />
wieherte laut, als er seinen Herren witterte. Liebevoll tätschelte Nick den Hals des Tieres.<br />
„ Hey alter Freund. Schön dich wieder zu sehen.“ Von hinten kam ein Mann mit einer<br />
Mistgabel in der Ahnd auf ihn zu. „ Was machen sie da? Pferde stehlen, dass habe ich gern.<br />
Aber nicht in meinem Stall. Mit solchen Kerlen mache ich kurzen Prozess.“ Der Mann hielt<br />
die Mistgabel verkrampft mit beiden Händen fest. Angst stand in seinen Augen, aber auch die<br />
Entschlossenheit zu zustechen, wenn sein Gegenüber eine falsche Bewegung macht. Nick hob<br />
die Hände hoch um ihm zu zeigen, dass er nicht auf Kampf aus war und sagte beruhigend,<br />
„ Legen sie das Ding weg Mister. Ich habe nur nach meinem Pferd gesehen.“<br />
„ Das ist mein Pferd. Ich habe es heute Früh gekauft.“ Sagte der Mann und kam bedrohlich<br />
näher. „ Man hat mich Überfallen und mein Pferd gestohlen. Es gehört mir.“<br />
„ Das kann jeder behaupten. Ich habe einen Kaufvertrag und damit bin ich der Rechtmäßige<br />
Besitzer. Also verschwinden sie auf der Stelle, oder ich jage ihnen die Gabel in die Rippen.“<br />
Der Träger der Latzhose viel dem Mann herunter, aber das störte ihn nicht. Mit Wut<br />
glimmenden Augen starrte er Nick an. Ryder zog es vor den Stall zu verlassen und mit dem<br />
Sheriff der Stadt zu Reden. Ladigo war hier erst mal gut aufgehoben. Der Stallmeister war<br />
sich sicher Bewusst, dass er ein gestohlenes Pferd gekauft hatte. Denn sonst würde kein<br />
Grund bestehen, das Tier in der hintersten Ecke zu verstecken.<br />
Marshall Ryder ging die Stufen zum Sheriffoffice hinauf. Noch nie zuvor hatte er ein Office<br />
gesehen, dass im ersten Stock lag. Als er zur Tür eintrat und das Fenster sah, staunte er nicht<br />
schlecht. Eigentlich eine gute Idee. Von hier Oben hatte der Sheriff eine verdammt gute<br />
Aussicht über die ganze Straße. Der Gesetzeshüter Bill Colbert war ein kräftiger,<br />
übergewichtiger Mann der gerade noch so in seinen Lehnensessel passte. Die viel zu kleine<br />
Weste sah lächerlich aus und passte gar nicht zu dem engen kragenlosen Hemd an dem schon<br />
zwei Knöpfe abgesprungen waren. Breite Koteletten gingen bis zum Kinn und das blonde,<br />
fettige Haar war zur Seite gekämmt. Als Nick vor dem Schreibtisch stand schrieb der Sheriff<br />
etwas zu Papier. Kleine Zettel lagen verteilt auf dem Tisch. Auf jedem standen Befehle und<br />
Anordnungen geschrieben. Die Schrift war so schlecht, dass Nick sie kaum entziffern konnte.<br />
Es waren belanglose Order an den Major, den Stallmeister und den Keeper des einzigen<br />
Saloons der Stadt. Nick las sie oberflächlich. Books: Neue Tinte, Papier. Galling: drei Dollar<br />
bis vier Uhr. Books: heute keine Laura, treffen im Saloon, sechs Uhr. Books: Kuchen um drei.<br />
Er ließ sich also ganz schön bedienen. Mindestens fünfzehn solcher Zettel lagen herum.<br />
Entweder brauchte der Sheriff sie um jegliche Diskussionen zu ersparen, oder er war<br />
vergesslich und musste sich alles Notieren.<br />
Mit der linken Hand griff er ständig zu einem Teller, und stopfte sich Kuchenstücke in den<br />
Mund. Bei jedem Stück fielen Krümel auf das Papier, die er fluchend wegwischte. Nick sah<br />
ihm einige Minuten angeekelt zu. Weil der Sheriff keine Notiz von ihm nahm, fing Nick an zu<br />
6
Reden.“ Ich wurde Überfallen und möchte eine Anzeige aufgeben. Ich bin sicher, die Männer<br />
die mich beraubt haben sind immer noch hier in der Stadt.“<br />
Langsam hob der Sheriff den Kopf. Kuchenreste hingen an seinem Kinn als er Nick von oben<br />
bis unten ansah. „ So! wie kommen sie darauf?“ „ Weil mein Pferd hier im Mietstall steht.<br />
Und weil die Kerle sicherlich nicht damit rechnen, dass ich noch lebe.“<br />
„ Wie willst du Beweisen, dass es dein Gaul ist. Mister Galling hat viele Pferde bei sich im<br />
Stall stehen, und wenn ich dich sie so ansehe, kommt mir der Gedanke, dass du lügst. Ich<br />
habe schon viele Landstreicher gesehen und kenne ihre Maschen, aber deine ist neu.<br />
Trotzdem falle ich nicht auf diese billigen Spielchen rein.“<br />
Nick atmete tief ein. Er musste sich beherrschen, dem fetten Sheriff nicht am Kragen zu<br />
packen und ihm eine rein zu schlagen. Schon die Anrede war respektlos.<br />
„ Ich bin mir im Klaren, dass ich im Moment etwas unsauber aussehe, aber immer noch<br />
besser als ihre Erscheinung und sie sind hier der Sheriff. Ich bin Marshall. Mein Name ist<br />
Nick Ryder aus <strong>Cutter</strong>, Arizona.“<br />
„ Soso aus Arizona. Was suchst du dann hier in Texas? du hast keinerlei Befugnisse hier.“<br />
„ Das weiß ich. Ich bin auf der Durchreise, weil ich einen Freund besucht habe.“<br />
„ Ihr aus Arizona, habt wohl nichts zu tun in euerem Kaff. Ich kann mir keinen Urlaub<br />
leisten.“ Sheriff Colbert schob sich das nächste, mit Schokolade überzogene Stück Kuchen in<br />
den Mund. Er spuckte, als er mit vollem Mund weiter sprach.“ Kannst du dich Ausweisen?“<br />
„ Nein. Mir wurde alles gestohlen. Ich habe nicht mal mehr meinen Stern. Aber sie können ja<br />
mal mit dem Mietstallmeister reden. Wenn er mein Pferd hat, dann hat er vermutlich auch<br />
meine Satteltasche. Vielleicht sind meine Sachen noch drin.“<br />
Sheriff Colbert erhob sich mühsam aus dem Sessel. Sein Hinterteil passte auf den Zentimeter<br />
noch zwischen die Armlehnen. Mit beiden Händen stützte er sich auf den Schreibtisch auf.<br />
Nick sah behaarten Finger und die ungepflegten Fingernägel. „ Willst du dahergelaufener<br />
Landstreicher etwa sagen, dass Mister Galling ein Dieb ist? Ein Mann der hier schon viele<br />
Jahre ehrliche Arbeit verrichtet. Verschwinde aus meinem Office und wage es ja nicht dich<br />
dem Gesetz zu widersetzen. Ich sollte dich am Besten gleich hinter Gitter stecken.“<br />
„ Nicht nötig. Bewegen sie sich nur nicht unnötig. Ich bin schon weg.“ Nick verließ betrübt<br />
das Office. Hier konnte er keine Hilfe erwarten. Sein nächster Weg führte ihn den Saloon.<br />
Dort konnte er vielleicht irgendetwas erfahren. Immerhin haben die Diebe auch seine<br />
Brieftasche gestohlen, in der noch dreiundvierzig Dollar waren. Das Geld haben die bestimmt<br />
längst ausgegeben und wäre der beste Ort da<strong>für</strong>? Natürlich der Saloon.<br />
Nick blieb an der Schwingtür stehen und sah sich im Saloon um. Es war noch nicht viel los.<br />
<strong>Zwei</strong> Männer standen an der Theke, weitere vier saßen am Tisch und Pokerten. Ein Girl<br />
brachte einen Teller mit Steak und Bohnen zu einem Pokerspieler. Der Duft zog bis in Nicks<br />
Nase. Sein Magen knurrte, als bei dem Anblick des saftigen Fleisches. Erst jetzt viel Nick auf,<br />
dass er seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Langsam ging er zur Theke und überlegte,<br />
wie er wohl dem Keeper etwas zu Essen abschwatzen konnte. Der Mann hinter der Theke war<br />
ein großer, schlanker Bursche. Er kam sofort auf Nick zu und sprach ihn mit rauer Stimme an.<br />
„ Einen Whiskey?“ Sein volles blondes Haar war hinten zusammengebunden, so dass ein<br />
kurzer Pferdeschwanz zu sehen war. Seine müden Augen zeigte die Langeweile an, mit der er<br />
hier seine Arbeit verrichtete.<br />
„ Nein Danke. Sie haben nicht vielleicht ein stück Brot übrig? Meinetwegen kann es auch<br />
trocken sein.“ Sprachlos sah der Keeper Nick an. Dann sprudelte es wie ein Wasserfall aus<br />
ihm heraus. „ Das habe ich gerne, Bettler. Wenn du kein Geld hast, such dir Arbeit. Ich<br />
Muss auch sehen wovon ich Lebe. Entweder du hast Geld, oder du verschwindest aus meinem<br />
Saloon.“ Er streckte sich zu voller Größe und überragte Nick um einen halben Kopf, dann rief<br />
er laut aus, „habt ihr das gehört? Der Kerl hier bettelt um ein stück Brot. Helft ihm mal und<br />
zeigt ihm den Ausgang!“ Bevor Nick noch etwas sagen konnte kamen zwei der Männer auf<br />
ihn zu und packten ihn am Kragen. Ryder hatte gar keine Chance sich zu verteidigen. Sie<br />
schoben ihn unsanft zur Tür und gaben ihm einen Schubs hinterher. Nick stolperte die<br />
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Stepwalk Stufen hinunter und konnte sich gerade noch an der Pferdestange fangen. Die ganze<br />
Stadt schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Die letzte Möglichkeit doch noch Hilfe zu<br />
bekommen war ein Besuch beim Major. Aber wo wohnte er? Niemand gab ihm eine<br />
Auskunft. Er sprach ein paar Männer sowie zwei Frauen an, die sich auf der Straße aufhielten,<br />
aber sie wichen ihm aus. Müde und hungrig setzte er sich auf eine Stufe und vergrub sein<br />
Gesicht in den Händen. „ Das kann doch alles gar nicht wahr sein.“ Dachte er. Vom Fenster<br />
des Sheriffoffice aus schaute der dicke Gesetzeshüter auf die Straße. Genüsslich grinste er<br />
über die aussichtslose Lage des Marshalls, der da unten auf der Treppe saß.<br />
In <strong>Cutter</strong> schien alles verrückt geworden zu sein. Eine Menschenschlange stand vor dem<br />
Hotel und wer dort nicht anstand, der hielt sich in Gruppen auf, die laut Diskutierten.<br />
Jett stand im Office und schüttelte immer wieder den Kopf. Auch Lex Cooper war von dem<br />
Zukunftsfieber angesteckt. Als ihm zum zweiten Mal die Tasse aus der Hand fiel wurde es<br />
Jett zu Bunt. „ Mensch sei doch mal konzentrierter und spring hier nicht so dumm rum. Du<br />
benimmst dich ja wie ein Affe.“ Lex schaute auf die große Standuhr. „ Nur noch eine Stunde,<br />
dann geht es los.“ Sagte er aufgeregt. „ Sieh doch. Es hat angefangen zu regnen. Miss Odin<br />
hatte Recht. Ich kann auch schon den Donner hören.“<br />
„ Du hörst gleich einen Donner von mir, wenn du dich nicht bald auf deinen Hintern setzt und<br />
ruhig bist.“ Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel und mit ihnen kamen die ersten<br />
Schreie von Draußen her. Jett rannte raus, weil er glaubte jemand sei in Gefahr. Dann sah er<br />
Joana Fester, die Frau des Bäckers, sie kam auf ihn zu gerannt und fiel ihm kreischend um<br />
den Hals. „ Oh mein Gott. Mein Mann stirbt.“ Jett löste den Griff von sich und fragte die<br />
völlig verzweifelte Frau, “ Wo? Was ist passiert?“ „ Sie hat gesagt, dass er nicht mehr lange<br />
Leben wird. Schon bald erwischt ihn ein Herzinfarkt. Ich muss zu ihm. Er darf sich nicht<br />
mehr anstrengen. Am besten, wir verkaufen die Bäckerei.“<br />
„ Misses Fester! Waren sie bei Miss Odin?“ „ Ja Natürlich. Bitte endschuldigen mich Sheriff,<br />
ich muss einen Käufer <strong>für</strong> die Bäckerei finden.“ Sie raffte ihren Rock etwas an, damit er nicht<br />
über den nassen Boden schleift und rannte los. Jett sah ihr nach. Der Regen wurde stärker und<br />
lief an seiner Hutkrempe herunter. Ein junger Mann rief ihm von der Ferne zu “, Sehen sie<br />
doch Sheriff! Es regnet, wie vorhergesagt!“ Der Schmied Ole Swenson war der nächste, der<br />
auf die Straße kam und laut klagte “, Was soll ich tun? Meine Schmiede, meine schöne<br />
Schmiede. Alles habe ich da hinein gesteckt, mein gesamtes schwerverdientes Geld. Und nun<br />
erfahre ich, dass sie abbrennen wird.“ „ Sie haben es da ja noch gut“, rief ein Anderer. „ Ich<br />
werde bald im Rollstuhl sitzen. Am besten ich lasse mir schon einen anfertigen vom Tischler.<br />
Das wird mein gesamtes erspartes Geld kosten.“<br />
Jett wusste nicht ob es sich noch lohnt einzugreifen oder ob er einfach zusehen sollte. Die<br />
beste Idee war wohl, in einer Stunde zu diesem Treffen zu gehen und dem ganzen ein Ende zu<br />
bereiten, wenn es aus den Fugen gerät. „Das wird nicht leicht werden“ dachte er. Schließlich<br />
hatte er die ganze Stadt gegen sich. Jett beschloss seinen Freund Doktor Jim Leonard einen<br />
Besuch abzustatten. Er war ein studierter Doktor und würde sicherlich auch nicht an den<br />
Spuck glauben. „ Oh Nick, du weißt gar nicht wie gut du es im Moment hast.“ Murmelte er<br />
während er zur Arztpraxis ging.<br />
Ryder blieb gar keine andere Wahl als bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten. Dies tat<br />
er unter einer alten Eiche am Rande der Stadt. Dann schlich er zum Mietstall. Das Tor war<br />
verschlossen. Aber bei seinem letzten Besuch hier fiel ihm die Futterklappe an der<br />
Außenwand auf. Dort war eine Rutsche auf der das Getreide <strong>für</strong> die Pferde bis zu einem<br />
Auffangbecken rutschte. Ein Handwagen stand außen davor mit dem er wohl das Getreide<br />
beim Müller holte um es hier abzulassen. Die Klappe war nicht sehr groß, aber Nick passte,<br />
mit seinem schlanken Körper, dennoch hindurch. Leises schnauben und scharren der Pferde<br />
war zu hören, als er sich an der Wand entlang tastete. Vorne am Tor hing eine Lampe, die<br />
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musste er erreichen, denn hier herrschte völlige Dunkelheit. Ein altes Wagenrad lag im Weg<br />
über das Nick stolperte. Zum Glück war der Boden gefegt und es lagen keine weitere<br />
Gegenstände herum. Nick konnte den Sturz sanft abfangen. Für einen Moment war er<br />
Orientierungslos. Wo war das Tor? Hatte er sich um die Eigene Achse gedreht und stand nun<br />
anders herum? Leise flüsterte er den Namen seines Pferdes. „ Ladigo.“ Sofort antwortete das<br />
treue Tier ihm mit einem Schnauben. Es kam ganz klar von Rechts. Also musste das Tor<br />
irgendwo vor ihm sein. Er tastete sich an der Sattelstange entlang, die ihn ein gutes Stück<br />
Sicher vorwärts führte. Dann endlich fand er die Lampe. Auf dem Balken lagen die<br />
Streichhölzer. Nick sah sich im Stall um. Irgendwo hier musste doch seine Satteltasche sein.<br />
Bei den allen Sätteln hing die Tasche dran, nur nicht an seinem. Wenn sie tatsächlich noch<br />
hier war, blieb nur noch der Schrank als Versteck. Ein großer zweitüriger Eichenschrank<br />
dessen Türen mit einem Vorhängeschloss verschlossen waren. „ Mist!“ Fluchte Nick und sah<br />
sich um, ob irgendetwas herumlag, womit er das Schloss öffnen konnte. Gleich neben dem<br />
Eingang stand die Mistgabel. „ Ein Versuch ist es wert.“ Sagte er zu sich und setzte die<br />
eisernen Zinken zwischen Schloss und Scharnier an. Er musste kräftig ziehen und rutschte<br />
zweimal ab. Beim dritten Versuch brach das Scharnier aus dem Holz und die Tür hing nur<br />
noch an einer Angel. Nick hob sie ein Stück an und konnte sie ein Stück öffnen. Eine Seite<br />
war nun einsichtig und mit etwas Glück war es die Richtige. Er hielt die Lampe an den Spalt<br />
so das der schein das Innere beleuchtete. Seine Augen leuchteten mit, als er sah, dass sie auf<br />
dem oberen Brett lag. Er zwängte sich in den schmalen Spalt und angelte mit den Fingern<br />
nach der Satteltasche. Dabei ertastete er einige Zettel, die auf dem gleichen Brett lagen.<br />
Er zog sie vor und konnte bei näherem hinsehen die Schräge Schrift des Sheriffs erkennen.<br />
Es waren die gleichen Papierchen, die auch im Office herum lagen. Nock schüttelte den Kopf.<br />
Anscheinend bestimmte der Sheriff hier jeden Schritt des Stallmeisters, so viele Zettel hielt er<br />
in der Hand. Aber das war nicht der Grund <strong>für</strong> das Aufbrechen der Schranktür. Wieder<br />
zwängte er seinen Arm durch die Öffnung und konnte die Ausbeulung der Seitentaschen<br />
fühlen, also waren seine Sachen noch darin. Man hatte sie noch nicht gelehrt. In dem Moment<br />
indem er sie mit Zeigefinger und Daumen ein Stück herangezogen hatte, öffnete sich das Tor.<br />
Stallmeister Galling stand groß und breit im Torrahmen, im Anschlag hielt er ein Gewehr<br />
dessen Lauf auf Nick zielte.<br />
„ Sieh mal einer an. Du schon wieder. Ich wusste das du zurückkommst, Landstreicher. Ich<br />
habe dich auf frischer Tat ertappt und mache von meinem Recht gebrauch, dich abknallen zu<br />
dürfen.“ Er entsicherte die Winchester, krümmte den Zeigefinger am Abzug und schoss. Nick<br />
konnte seinen Arm noch rechtzeitig herausziehen um sich hinter den Schrank zu werfen. Die<br />
Kugel zischte über seinen Kopf hinweg und schlug in die hintere Wand ein. Die Pferde<br />
begannen sofort nervös zu trampeln und traten angstvoll gegen die Boxen. Lautes wiehern<br />
hallte durch den Stall. Mit einem Hechtsprung schaffte Nick es hinter den Futtertrog zu<br />
springen um von dort an, die Getreideklappe zu erreichen. Galling ahnte sein Vorhaben. Er<br />
versperrte ihm den Weg und wollte von dieser Seite aus einen sicheren Schuss abgeben, da er<br />
Nick in der Falle glaubte. Den dunklen Winkel ausnutzend sprang Ryder nach vorne, dem<br />
Mann in die Arme und stieß ihn um. Galling lag nun unter ihm. Er versuchte nach dem<br />
Gewehr zu greifen, das ihm aus der Hand gefallen war, aber es lag um ein paar Zentimeter zu<br />
weit weg. „ Es tut mir leid Mister, aber sie lassen mir keine andere Wahl.“ Sagte Nick und<br />
gab ihm einen Kinnhaken, der Galling sofort in das Land der Träume schickte. Nick konnte<br />
das Gewehr noch packen, jedoch die Satteltasche musste er liegen lassen. Die Schüsse haben<br />
die Stadt geweckt, viele Stimmen näherten sich dem Stall, unter ihnen hörte er auch die<br />
Stimme des Sheriffs. Bevor er sich durch die Klappe zwängte hielt er inne. Eine<br />
ungewöhnlich hohe Männerstimme gab Befehle an die Deputys. Das war der Kerl, der ihn am<br />
Feuer um eine Tasse Kaffee bat und ihn anschließend ausraubte. Ihm blieb keine Zeit mehr<br />
weiter zu lauschen. Zum Glück war noch niemand auf die Idee gekommen hier hinten einen<br />
Posten aufzustellen. Marshall Ryder konnte ungesehen flüchten.<br />
Eine Stunde später standen Sheriff Colbert, Stallmeister Galling und Major Books im Office.<br />
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Der Sheriff wuchtete seinen Bauch um den Schreibtisch und ließ sich mürrisch in seinen<br />
Lehnensessel fallen. Die Holzbeine des Sessels knarrten und schoben leicht auseinander. Die<br />
hinteren Beine des Stuhls hatte ein Tischler schon mit einer Querstrebe abgesichert, dennoch<br />
würden sie dem Gewicht nicht mehr lange standhalten. Er schaute den Major an und sagte,<br />
„ Warum habt ihr nicht wie die Anderen umgebracht. Kannst du etwa nicht mehr richtig<br />
zuschlagen? Jetzt haben wir einen Marshall aus Arizona hier, der uns Probleme bereiten<br />
wird.“<br />
„ Das ist nicht fair Sheriff. Bis jetzt haben wir mit jedem Überfall fette Beute gemacht. Aber<br />
keine Sorge, wir werden mit dem schon fertig. Er wird hier keine Freunde finden und ewig<br />
kann er sich nicht versteckt halten.“ Verteidigte sich Major Books. Dann wandte Sheriff<br />
Colbert sich an Galling “, Du musst den Gaul wo anders verstecken. Fast wäre ihm ein Flucht<br />
mit dem Tier gelungen. Dann ist es vorbei mit unsrer Macht. Er darf Irontown nicht lebend<br />
verlassen, ist das klar! Ich kann mir keine weiteren Schnüffler leisten, die mir auf die Finger<br />
sehen.“ „ Wie finden ihn. Keine Sorge.“ Sagte Books mit sicherer Stimme. Galling nickte<br />
dem bei. „ Dann macht euch an die Arbeit.“<br />
Nick lag lang ausgestreckt auf dem Dach Hotels. Das einzige Gebäude, das höher war, als das<br />
Office und ihm genau gegenüber lag. Er konnte zwei Männer sehen, die das Office verließen.<br />
Als diese in den Lichtkegel der aufgehängten Kerosinlampe traten, erkannte er den Mann mit<br />
den roten Haaren. Deutlich waren in der klaren Nacht ihre Stimmen zu hören.<br />
„ Was nun? Wo fangen wir mit der Suche an?“ fragte Galling.<br />
„ Erst mal gehen wir was trinken.“ Antwortete Books und wollte los Richtung Saloon<br />
losgehen. Galling hielt ihn am Arm zurück. „ Bist du verrückt? Er hat gesagt, dass wir ihn<br />
suchen sollen. Du bekommst gewaltigen Ärger, wenn du dich jetzt besäufst.“<br />
„ Wer redet von besaufen! Ich will doch nur einen Whiskey trinken. Das werde ich als Major<br />
doch wohl können. Wenn dem Fettsack das nicht passt, hat er Pech gehabt. Ich bin es, der ihm<br />
das Amt wegnehmen kann, nicht umgekehrt!“<br />
Für einen Augenblick schloss Nick die Augen. Die Hoffnung beim Major Hilfe zu bekommen<br />
war nun auch zerstört. Aber langsam begriff er die Zusammenhänge. Der Junge Major muss<br />
wohl durch die Hilfe des Sheriffs sein Amt bekommen haben. Anscheinend unterdrücken sie<br />
die ganze Stadt. Das hier jeder Angst hat, etwas zu Sagen wäre damit verständlich. Nichts ist<br />
schlimmer als ein Korrupter Sheriff. Und so einer stand gegenüber am Fenster und blickte auf<br />
die Straße. Zum Glück war es eine warme <strong>Sterne</strong>nklare Nacht. Nick drehte sich auf den<br />
Rücken und schlief vor Erschöpfung ein.<br />
Sheriff suchte Armstrong suchte Doktor Leonard, konnte ihn aber nirgends finden. Er<br />
schlenderte die Straße entlang und versuchte zu Verstehen was hier gerade geschah. Niemand<br />
verrichtete seine Arbeit mehr. Die Bäckerei war geschlossen. An der Tür hing ein Schild: ZU<br />
VERKAUFEN. Dabei war es der größte der Traum des Bäckermeisters Fester Carl, endlich<br />
einen eigenen Laden zu besitzen. Nach Jahrelanger Knechtschaft unter seinen Vater, gehörte<br />
ihm nach dessen Tot, das Geschäft. Er besaß es nun seit drei Jahren. Sein Vater starb im<br />
hohen Alter von vierundachtzig. Er hatte bis zum letzten Atemzug das Zepter voll in der<br />
Hand. Er starb an einem Herzinfarkt. Carl heiratete eine Woche später seine damals heimliche<br />
Geliebte Ilse. Niemand nahm ihm das Übel. Jeder wusste, unter welchem Druck der Junge<br />
jahrelang stand und dass er um seinen Vater nicht lange trauern würde.<br />
Jett wollte noch einmal mit dem Bäcker reden. Ihm den Unsinn aus dem Kopf schlagen, aber<br />
er fand schon nicht die richtigen Worte. Leichte Kopfschmerzen erschwerten im sich zu<br />
konzentrieren. Er rieb sich den Nacken, den sich steif und verspannt anfühlte und sah dabei<br />
zum Friedhof hinüber, der am Ende der Straße lag. Plötzlich hielt er in seiner Bewegung inne.<br />
War es ein Trugbild oder hatte er es wirklich gesehen? Schnell rannte er die Straße weiter und<br />
den kleinen Hügel hinauf. Ein weißer Zaun umrandete den Boothill auf dem schon etliche<br />
Tote ihre letzte Ruhe fanden. Unter der großen Trauerweide stand ein Wagen. <strong>Zwei</strong> Pferde<br />
waren daran angezäumt, auf der Ladefläche stand Garry Pyton. Um seinen Hals war eine lag<br />
eine Schlinge dessen anderes Ende um einen Ast gebunden war. Sheriff Armstrong blieb am<br />
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Zaun stehen und sah zu dem jungen zwanzigjährigen Mann, der zitternd auf dem Wagen<br />
stand. „ Gehen sie Sheriff. Hauen sie ab. Lassen sie mich alleine.“ Schrie er. Langsam schritt<br />
Jett zum Eingang, ging bis zum ersten Grab und blieb dort wieder stehen, denn Garry trat mit<br />
den Füßen auf die Ladefläche des Wagens. Das machte die Pferde nervös. Sie brauchte nur<br />
zwei Schritte zu tun, dann würde der Wagen unter Garrys Füßen weg sein und er am Galgen<br />
baumeln. „ Hör zu Junge. Was auch immer dich betrübt, ich kann dir helfen. Komm da runter<br />
und rede mit mir.“ Jett versuchte ihn umzustimmen, aber Garry schien sehr verzweifelt.<br />
„ Niemand kann mir helfen. Ich will nicht so leben. Eher werde ich sterben, bevor es soweit<br />
ist!“ Eine Ahnung stieg in Jett auf und gezielt fragte er, „ warst du bei Miss Odin? Hat sie dir<br />
was in den Kopf gesetzt?“ „ Ich wollte erst nicht. Aber Lory war ganz begeistert und nahm<br />
mich mit.“ „ Weiß deine Freundin, dass du dir hier das Leben nehmen willst?“<br />
„ Um Himmels willen, nein. Wenn ich tot bin, sagen sie ihr, dass ich ihr ein Leben mit einem<br />
Krüppel ersparen wollte. Sie soll sich einen Mann suchen, der das ganze Leben <strong>für</strong> sie sorgen<br />
kann.“ Garry straffte seine Haltung. Wie ein Soldat stand er da. Seine eigenen Worte machten<br />
ihn stolz und er war fest überzeugt, als Held zu sterben.<br />
„ Stell dir mal vor, deine Lory findet einen Mann, der sie nicht so gut behandelt wie du.<br />
Vielleicht schlägt er sie sogar oder nutzt sie nur aus. Wieso kannst du dir so sicher sein, dass<br />
sie etwas findet. Garry, du hast dein ganzes Leben noch vor dir. Zusammen mit Lory kannst<br />
du glücklich alt werden. Sie liebt dich!“<br />
„ Miss Odin hat gesehen, wie ich im Bett liege. Gelähmt vom Nacken an abwärts. Ich konnte<br />
nicht mal mehr die Finger bewegen. Wollten sie warten, bis es soweit ist Sheriff? Bis sie ihr<br />
hin siechendes Leben nicht einmal mehr selbst beenden können?“<br />
„ Miss Odin ist eine Schwindlerin. Sie macht viel Geld mit ihrer Show. Niemand kann die<br />
Zukunft vorher sagen, sie ein unbeschriebenes Blatt.“<br />
„ Haben sie denn nicht die Zeitungen gelesen? Im Hotel liegen dutzende davon mit Berichten<br />
über ihre sagenhaften Vorhersagen. Alles, was sie sagte traf ein. In Laramie gab es einen<br />
Indianeraufstand. Sie hat die exakte Zahl von fünfundzwanzig Toten, weißen Männern voraus<br />
bestimmt. Und in Texas, Laredo gab es einen Banküberfall. Die Bank wurde in die Luft<br />
gesprengt und riss zehn Menschen mit in den Tot.“ Jett staunte nicht schlecht. Von den<br />
Zeitungen hatte er bisher noch nichts gehört. Anscheinend ließ sie keine Mittel aus, um ihr<br />
mieses Geschäft Nachdruck zu verleihen. Jett bemerkte, dass er an Garry nicht mehr heran<br />
kam. Zu tief saß die Angst in dem Jungen auf eine hoffnungslose Zukunft. Er wollte gerade<br />
nach vorne hechten und die Pferde daran hindern sich zu bewegen, da schnalzte Garry mit der<br />
Zunge. Die gut erzogenen Tiere trabten sofort an. In der nächsten Sekunde hing Garry Pyton<br />
mit den Füßen in der Luft. Das Seil spannte sich und die Schlinge zog sich zu. Im Reflex griff<br />
der Junge nach der Schlinge am Hals, konnte seine Finger aber nicht mehr dazwischen<br />
schieben, so sehr war sie schon zugezogen. Jett hatte nur noch eine Chance. Hinrennen und<br />
ihn hochhalten bis Hilfe kam, war unmöglich, da er viel zu hoch hing. Er kniete vor dem<br />
Grabstein nieder legte seine Hand mit dem Revolver auf den oberen Rand des Steines und<br />
zielte auf das Seil. Der erste Schuss ging knapp daneben, doch schon der <strong>Zwei</strong>te zerfetzte die<br />
Hälfte der Fasern. Ein dritter Schuss war nicht mehr nötig. Das Seil riss unter dem Gewicht<br />
des Jungen. Unsanft landete dieser auf den Boden. Röchelnd blieb er liegen, während Jett ihn<br />
von der Schlinge befreite. „ Sei kein Narr. Noch bist du gesund und kräftig. Ich gebe dir mein<br />
Wort, solltest du irgendwann gelähmt daliegen, werde ich dein Leben beenden.“<br />
„ Und was mache ich, wenn es sie vorher erwischt?“ krächzte Garry.<br />
„ Dann wird es der Marshall tun. Komm lass uns zurückgehen.“ Garry ließ den Kopf hängen.<br />
Er schämte sich <strong>für</strong> das, was er getan hatte. „ Werden sie es rund erzählen Sheriff?“<br />
„ Keine Sorge. Das bleibt unter uns. Aber mach das ja nicht noch mal.“ Sie nutzten den<br />
Wagen <strong>für</strong> den Rückweg und erzählten der aufgeregten Lory, die Pferde wären<br />
durchgegangen und sie musste sie wieder einfangen.<br />
Jett ging ohne Umwege zum Hotel. Im Eingansbereich lagen tatsächlich einige Zeitungen auf<br />
einen Tisch ausgebreitet. Er sah auf die Titelseiten. Louisa News, Gordon City New<br />
Information GCNI, News of Tyredo und Times of Holloway. Dies waren alles Städte, die weit<br />
weg waren. Und mit Sicherheit besaß keine dieser Städte eine Telegraphenstation.<br />
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Merkwürdig waren auch die Berichte über Miss Odin. Jeweils eine ganze Seite füllte so eine<br />
Nachricht. Weder auf dem Titelblatt noch im Inneren gab es sonst einen Hinweis auf sie. „Da<br />
kommt einem doch der Gedanke, dass die Seiten nachträglich eingelegt wurden.“<br />
Peggy-Sue kam um die Ecke. Freudestrahlend begrüßte sich den Sheriff. „ Schön sie hier zu<br />
sehen. Möchten sie einen Drink, solange sie warten?“ In ihrer Hand hielt sie ein Tablett auf<br />
dem gefüllte Sektgläser standen. „ Nein Danke. Ich bin nicht hier um bei Miss Odin mein<br />
Schicksal zu erfahren. Ich will ihr etwas sagen. Wo ist sie?“<br />
„ Tut mir leid, aber sie hat eine Sitzung. Die ganzen Leute, die sie dort im Restaurant sehen<br />
warten alle auf eine Private Seance.“ „ Es ist mir egal worauf die warten. Also wo ist sie!“<br />
Energisch sah er sie an, aber Peggy-Sue sagte nichts. Erschrocken über die Grobheit des sonst<br />
so freundlichen Sheriffs verschlug es ihr die Stimme. Im ersten stock wurde eine Tür<br />
geöffnet. Kreidebleich kam eine junge Dame heraus. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem<br />
Handtäschchen und tupfte sich die Tränen ab. Schon ging der Nächste die Stufen hinauf. Jett<br />
überholte ihn indem er drei Stufen übersprang. Der Mann hielt ihn an der Weste zurück.<br />
„ Hey, ich bin dran! Ich warte schon seit zwei Stunden!“ schimpfte der Mann hinter ihm her.<br />
Jett drehte sich zu ihm um und sagte mit ernster Stimme “, Wollen sie ihr Schicksal wissen?<br />
Das kann ich ihnen auch sagen. Sie sterben in den Sekunden bei einem Treppensturz, wenn<br />
sie mich nicht loslassen.“ Das Mädchen, das vorhin aus der Tür kam stand schluchzend im<br />
Flur. Jett war so wütend, das er nicht mal anklopfte. Er riss die Tür auf, die mit gepolter gegen<br />
den Schrank schlug und stand breitbeinig im Rahmen. Im abgedunkelten Zimmer saß Miss<br />
Odin an einem Tisch. Vor ihr lag eine Glaskugel. Kerzen beleuchteten ihr Gesicht. Im<br />
Hintergrund sah Jett die drei Männer, die sie begleiteten. Er machte einen Schritt auf sie zu,<br />
da kamen die Bodyguards ihm schon entgegen. Miss Odin winke sie ab. „ Alles in Ordnung<br />
Jungs. Der Sheriff möchte sicher nur in ruhe mit mir reden. Setzten sie sich doch.“ Vor dem<br />
Tisch stand ein Stuhl, der so klein war, dass jeder zu ihr aufsehen musste, der dort Platz nahm.<br />
„ Ich habe gespürt, dass sie kommen. Die Geister haben mir schon von ihrem Schicksal<br />
erzählt. Passen sie gut auf, wenn sie allein auf der Straße stehen. Eine Kugel wird sie treffen.“<br />
Jett setzte sich nicht. Er blieb vor dem Tisch stehen und blickte in ihre dunklen Augen.<br />
„ Wissen sie eigentlich, was sie anstellen?“ „ Ich helfe den Menschen mit ihren Schicksalen<br />
Besser fertig zu werden. Wenn ich weiß was auf mich zukommt, dann kann ich mein Leben<br />
danach richten. Wer sonst hat die Chance noch vor seinem Tode alles zu erledigen. Sich von<br />
seinen Lieben zu verabschieden und es ihnen leichter zu machen. Wenn sie wüssten, dass sie<br />
Morgen Typhus bekämen, würden sie da nicht heute schon in Quarantäne gehen um andere<br />
nicht zu gefährden?“ In ihren Augen flammte es auf. Sie war gut, sehr gut in ihrer Rolle.<br />
„ Hören sie auf! Fast hätte sich ein Junger Mann ihretwegen das Leben genommen. Ein<br />
gesunder, kräftiger und frisch verliebter Bursche. Der Bäcker will sein Backhaus verkaufen,<br />
wo sein ganzes Leben drinsteckt. Der Schmied packt zurzeit keinen Hammer mehr an. Die<br />
ganze Stadt steht auf dem Kopf. Ich will gar nicht erst wissen, was sie dem armen Mädchen<br />
erzählt haben, die hier vor mir heraus kam. Das muss aufhören.“<br />
„ Sie können es mir nicht verbieten, Sheriff.“ „ Wetten doch?“ „ Versuchen sie es doch.<br />
Nennen sie mir nur einen Namen, der sie unterstützt. Sie haben alle gegen sich, bedenken sie<br />
das. Die nächste Wahl kommt ganz sicher.“ Wütend schlug Jett mit der faust auf den Tisch.<br />
Diese Miss Odin hatte Recht. Ihm waren völlig die Hände gebunden. Er konnte sie nicht<br />
festnehmen, denn sie tat nichts Illegales, jedenfalls konnte er es nicht nachweisen. Und die<br />
Sitzung absagen, ging gar nicht. Die Bürger <strong>Cutter</strong>s würden ihn lynchen. Also konnte er nur<br />
weiterhin nach Beweise suchen, die ihren Betrug aufdeckten.<br />
Die Mainstreet war leer. Wie in einer Geisterstadt fegten nur die ausgetrockneten Büsche über<br />
die Straße. Armstrong stand mitten auf der Kreuzung, als plötzlich ein Schuss fiel. Die Kugel<br />
traf seine Schulter und riss ihn einmal um die eigene Achse. Bevor er die Orientierung wieder<br />
fand konnte er nicht mehr feststellen wo her der Schuss kam. Laute Schreie hallten aus dem<br />
Hotel und der Mann den er eben auf der Treppe überholt hatte rief laut. „ Das hat Miss Odin<br />
vorhergesagt. Ich habe es genau gehört. Ich stand in der Tür. Sie hat ihn gewarnt. Ein Schuss<br />
fällt, wenn er allein auf der Straße steht! Sie ist ein Engel! Nur Engel wissen über unser<br />
Schicksal bescheid.“ „ Wohl eher ein Teufel. Mit allen Intrigen.“ Murmelte Jett und rieb seine<br />
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schmerzende Schulter. Angst vor einen weiteren Anschlag hatte er nicht. Für ihn war klar wer<br />
der Schütze war. Dies galt nur der Miss Odin weiterer Unterstützung.<br />
Doktor Leonard war immer noch nicht in seiner Praxis. Also beschloss Jett sich selbst zu<br />
behandeln. Es war ja zum Glück nur ein Streifschuss. Schmerzlich aber nicht gefährlich.<br />
Er saß allein in seinem Office und es hatte den Anschein, dass ruhige Nacht werden würde.<br />
Aber das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Und dieser wird in einer Stunde losbrausen. Er<br />
wird seinen Auslöser im Saal des Hotels Von Peggy-Sue finden und Jett konnte nichts<br />
dagegen tun.<br />
Es war der quälende Hunger, der Nick aus seinem schlaf riss. Jetzt knurrte der Magen nicht<br />
nur, sondern rebellierte mit Krämpfen. Er musste unbedingt was zu Essen finden. Er<br />
beschloss sich nicht länger zu verstecken. Es war dunkel als Galling ihn im Stall erwischte. Er<br />
konnte nicht beweisen, dass Nick der Nächtliche Einbrecher war. Natürlich war es riskant,<br />
denn der Sheriff wird alles versuchen ihm den Einbruch anzuhängen, aber Nick setzte nun<br />
alles auf eine Karte. Er konnte sich nicht ewig verstecken. Außerdem fuhr Morgen sein Zug<br />
und den wollte er unter keinen Umständen verpassen, denn er fährt nur einmal die Woche.<br />
Nick klopfte sich den Staub aus der Hose, strich sein Haar mit den Fingern zu Recht und<br />
marschierte zum Sheriffoffice.<br />
Er hatte einen guten Grund das Office noch mal zu besuchen. Dort gab es mit Sicherheit<br />
etwas zu Essen. Bestimmt stand wieder ein Teller Kuchen auf dem Schreibtisch. Er würde gar<br />
nicht erst danach fragen, sondern dreist zugreifen.<br />
Wie erwartet saß der Sheriff in seinem Sessel. Er hatte mühe mit den kurzen Armen den Tisch<br />
zu erreichen, doch näher ranrücken ging auch nicht. Dazu war der Bauch im Weg.<br />
Seine Gesichtsfarbe wich völlig, als er Nick Ryder in der Tür stehen sah. Bleich starrte er den<br />
Gesuchten Dieb an. Nicks erster Blick galt dem Schreibtisch und er hatte richtig gewettet. Es<br />
kam sogar noch besser, denn statt eines Kuchens lagen Hühnchenbeine auf einem Tablett.<br />
„ Ich habe gehört sie suchen mich Sheriff. Darf ich den Grund erfahren?“ Während Nick eine<br />
Belanglose frage stellte, an deren Antwort er gar nicht interessiert war, ging er zum<br />
Schreibtisch, nahm ein Hühnerbein weg und setzte sich auf einen Stuhl. Sheriff Colbert war<br />
so in Rage, dass ihm das gar nicht auffiel. Seine Gesicht wechselte von weiß ins dunkelrot.<br />
„ Hast du den Verstand verloren? Erst erzählst du mir von einem Raub, dass ist schon mal<br />
Irreführung des Gesetzes. Bettelei im Saloon und schließlich Einbruch im Mietstall mit<br />
Körperverletzung. Da<strong>für</strong> kann ich dich <strong>für</strong> lange Zeit festsetzten.“ Nick hörte nur mit einem<br />
Ohr zu. Er genoss das Hühnerbein und griff gleich darauf ein zweites Mal zu.<br />
„ Finden sie das nicht langsam lächerlich? Anstatt mir zu helfen werfen sie mir noch Steine<br />
zwischen Beine. Ich war nicht im Stall und ich habe auch nicht im Saloon gebettelt.“<br />
„ Mister Galling hat dich bei der tat erwischt.“<br />
„ Ich habe die Aufregung mitbekommen. Es war Nacht und ziemlich dunkel. Er kann<br />
unmöglich jemanden erkannt haben. Außerdem wurde er doch niedergeschlagen, oder irre<br />
ich da? Vielleicht hat er im Unterbewusstsein Geister gesehen.“<br />
„ Du warst es. Es gibt Beweise da<strong>für</strong>!“<br />
„ So? welche denn!“<br />
„ Du hast versucht den Schrank aufzubrechen um an deine Satteltasche ranzukommen.“<br />
Nick legte das abgeknabberte Bein auf das Tablett zurück und beugte sich weit vor. Er sah tief<br />
in die Augen des Sheriffs, der plötzlich begriff, dass er zuviel gesagt hatte.<br />
„ Sie wissen also von meiner Tasche? Das ist sehr schön. Gestern war ich noch ein Lügner.“<br />
„ Ich ähm…es war eine logische Schlussfolgerung. Wer sonst hätte Interesse daran den<br />
Schrank aufzuhebeln.“<br />
„ Weiß nicht. Wie viele geklaute Gegenstände liegen denn da drin? Leben die rechtmäßigen<br />
Besitzer überhaupt noch? Ich will meine Tasche zurück. Sofort. Am besten mit allem was<br />
darin war, sonst werde ich sie und den Stallmann fertig machen. Und glauben sie mir, ich bin<br />
durchaus in der Lage dazu, auch wenn ich hier keine Amtsbefugnis habe. Die Gesetzte sind in<br />
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ganz Amerika die gleichen.“ Nick erzählte ganz bewusst nichts vom Major. Er wollte nicht<br />
gleich alle Karten offen legen. Soll sich der Major ruhig noch Sicher fühlen, dann macht er<br />
bestimmt irgendwann einen Fehler.<br />
Schwerfällig wuchtete sich Sheriff Colbert hoch. „ Du willst mir drohen?“<br />
„ Es ist mir egal wie sie es nennen. Ich bin im Saloon und ich warte genau eine Stunde. Bis<br />
dann habe ich meine Sachen wieder.“ Nick verließ das Office mit gefülltem Magen. Endlich<br />
wieder ein gutes Gefühl. Hunger kann grausam sein. Grinsend ging er die Stufen hinunter.<br />
Unter seiner Weste hielt die Whiskeyflasche versteckt, die er dem Dicken vom Schreibtisch<br />
gestohlen hatte. Er probierte einen Schluck und stellte fest, dass es nicht mal der schlechteste<br />
Whiskey war, den er je getrunken hatte. Zum Saloon wollte er gar nicht. Viel mehr war sein<br />
Plan, den Sheriff zu beobachten. Holte er selber die Tasche oder ließ er es den Major tun?<br />
Nick versteckte sich in einer schmalen Gasse zwischen Hotel und dem Nachbarhaus und<br />
beobachtete das Office. Er stand etwa zehn Minuten da, als eine Stimme von hinten sagte,<br />
„ Hände hoch und langsam umdrehen.“<br />
Wie ausgehungerte Hyänen drängten sich die Menschen in das Restaurant, das man zum Saal<br />
mit vielen Stühlen und einer Bühne umgebaut hatte. Mittlerweile war das Gewitter genau über<br />
der Stadt. Heftige Donner grollten und grelle Blitze durchzuckten die Nacht. Der Regen<br />
prasselte in dicken Tropfen herunter, so das es noch mehr Gedränge am Eingang gab, denn<br />
jeder wollte schnellst möglichst ins Trockene. Jett stand vor der Tür des Doktor Jim Leonard<br />
und pochte dagegen. Es dauerte auch nicht lange, da öffnete sich die Tür und Leonard stand<br />
im feinen Anzug gekleidet vor ihm. „ Hey Jett. Bist du hier um mich abzuholen?“ Jett stand<br />
mit offenem Mund da und brauchte einige Sekunden, seine Verwunderung zu überwinden.<br />
„ Gehst du etwa auch dort hin?“ fragte er. „ Sicher. So was kann man sich doch nicht<br />
entgehen lassen. Diese Chance bekommst du sicher nie wieder im Leben.“<br />
„ Ich habe mehr Verstand von dir erwartet. Du glaubst doch nicht im ernst an diesen<br />
Quatsch!“ Leonard kam eine Schritt raus und verschloss die Tür hinter sich.<br />
„ Ich habe schon von solchen Leuten gehört. Es gibt wirklich Menschen, die eine solche Gabe<br />
haben. Warum nicht auch sie? Einer ihrer Helfer war bei mir. Er hatte sich in den Finger<br />
geschnitten. Es war nur ein Kratzer aber beim säubern der Wunde erzählte er mir interessante<br />
Dinge über diese Frau. Es schadet doch nichts sich das mal anzusehen!“<br />
Mit großen Schritten ging Leonard auf das Hotel zu. Jetzt hatte Sheriff Armstrong keine<br />
andere Wahl mehr. Er musste sich das anhören um schlimmeres zu vermeiden. Wenn er dort<br />
nicht gesehen wurde, würde niemand auf ihn hören, weil sie ihm dann vorwerfen könnten,<br />
dass er nicht dabei war. Er betrat den Saal als Letzter. Dunkle Vorhänge verdichteten die<br />
Fenster, dass kein Licht mehr hinein drang. Überall standen Kerzenständer verteilt, die ein<br />
schummriges Licht verbreiteten. Auf der Bühne war ein Sessel zu sehen und jede menge<br />
Knochen lagen auf dem Boden verteilt. Sogar einen Totenschädel konnte Jett im fahlen Licht<br />
erkennen. Dieser steckte auf einem Stab, der wiederum auf einem Ständer befestigt war.<br />
Ein schwarzer Teppich lag ausgerollt im Mittelgang, der bis zur Bühne führte. In der<br />
hintersten Ecke saß einer ihrer Männer und spielte leise schaurige Musik auf einer Geige.<br />
Ein Glas, welches mit einer goldenen Flüssigkeit gefüllt war hing baumelnd von der Decke<br />
herab genau vor einer großen Kerze. Dies hatte den Effekt eines mystischen Schatten-<br />
Lichtspiels. „ Sie hat wirklich an alles Gedacht. Nun weiß ich auch was in den vielen Kisten<br />
drin war, die sie mitschleppte.“ Dachte Jett und beobachtete die Leute, die nun alle Platz<br />
genommen hatten. Man konnte die Anspannung spüren, die in der Luft lag. Bei jeder anderen<br />
Versammlung wäre lautes Gerede gewesen, bis einer um Ruhe bittet. Hier wurde leise<br />
getuschelt Niemand wollte die Atmosphäre zerstören. Wie in Trance warteten sie alle auf den<br />
Beginn. „ Verdammt Clever. Das muss ich mir Eingestehen. Sieht aus wie eine<br />
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Massenhypnose, wenn es so was überhaupt gibt.“ Jett öffnete hinter sich die Tür um noch<br />
einmal die frische Luft von Draußen einzuatmen, denn im Saal stieg weißer Nebel auf.<br />
Wie auch immer sie das gemacht hat, es war Eindrucksvoll. Trotz ihrer arroganten Art, sah<br />
Jett, wie verzweifelt eigentlich diese Frau sein musste. Sie ließ niemanden an sich heran.<br />
Sie war nicht wie andere Frauen, die durch ein Kleidergeschäft gingen und sich über die neue<br />
Mode erfreuten. Sie teilte mit niemandem ihr Leben, horchte nur nach den wünschen Anderer.<br />
Ob das auf die Dauer eines Lebens auszuhalten ist, bezweifelte Jett. Aber wie sollte er ihr<br />
helfen. Hier vermutete er erst mal einen Betrug und diesen zu Beweisen war nun sein Ziel.<br />
Dann war es endlich so weit. Miss Odin schritt über den schwarzen Rollteppich.<br />
In der einen Hand eine Kerze, die in einem Schädelknochen steckte, in der Anderen eine<br />
Glaskugel. Die Musik der Geige wurde lauter und gab den Takt zu ihren Schritten an.<br />
Sie trug ein weites schwarzes Gewand mit langer Schleppe. Ein Schleier verdeckte ihr<br />
Gesicht. Andächtig schritt sie zur Bühne und nahm in dem Sessel platz. Die Musik hörte auf,<br />
Totenstille herrschte im Saal. Niemand traute sich etwas zu sagen.<br />
Plötzlich sprang Miss Odin auf, jeder im Publikum zuckte zusammen. Sie hielt die Glaskugel<br />
in die Luft und sprach“, Geister der Finsternis, sprecht zu mir!“ Geschickt setzte wieder die<br />
Mystische Musik ein und unterstützte die Schaurige Vorstellung.<br />
„ Hört! Ich bin in der Stadt <strong>Cutter</strong>. Gebt mir Antworten auf meine Fragen. Wie sieht die<br />
Zukunft der Stadt und ihrer Bürger aus!“ Jett sah, dass niemand sich bewegte. Sie saßen wie<br />
Gipsfiguren gepresst in ihren Stühlen und lauschten der Stimme der Miss Odin.<br />
Dann erschallte ein Knall. Wieder zuckten alle zusammen. Der Geiger muss ihn mit zwei<br />
Holzschlägern verursacht haben. Sie schaute sich im Publikum um und sprach.<br />
„ Wir haben einen Ungläubigen unter uns. Die Geister wollen sich mir nicht offenbaren.“<br />
Jetzt setzte doch ein raunen ein und jeder sah seinen Nachbarn an, ob dieser der Schuldige sei.<br />
Miss Odin streckte den Zeigefinger aus. Jeder drehte sich um und sah den Sheriff an auf den<br />
der Fingerzeig hinwies. Jett drehte sich ebenfalls um, aber hinter ihm stand niemand mehr.<br />
„ Ja sie sind gemeint, Sheriff Armstrong! Ihre ungläubige Seele stört die Sitzung. Kommen<br />
sie vor.“ Nur zögernd ging Jett Richtung Bühne. Ihm war gar nicht wohl über den Rollteppich<br />
zu gehen, den zuvor die Betrügerin beschritten hatte. Als er vor Miss Odin stand streckte sie<br />
ihre langen Finger aus, packte Jetts Handgelenk und ehe er es bemerkte hatte er eine<br />
Handschelle um sein Handgelenk. Eine lange Kette führte über die Bühne, dessen Ende an<br />
einem Wandhaken befestigt war.<br />
„ Über diese eiserne Kette kann deine negative Aura abfließen.“ Sie trat näher an ihn heran<br />
und ohne dass es jemand aus dem Publikum sehen konnte, stach sie mit einer Spritze in Jetts<br />
Rücken. Die Nadel ging durch Weste und Hemd bis unter die Haut. Jett spürte den Stich<br />
kaum. Ihm wurde augenblicklich schwindelig und die Knie wurden weich wie Butter. Er war<br />
nicht mehr in Lage irgendetwas zu sagen. Kraftlos sank er in ihre Arme. Sie ließ seinen<br />
schweren Körper zu Boden sinken und hob wieder ihre Glaskugel in die Luft.<br />
„ Seht! Der Sheriff ist geheilt. Seine Seele ist nun gereinigt. Geister der Finsternis, nun könnt<br />
ihr zu mir reden.“ Niemand stand auf um Sheriff Armstrong zu helfen. Sie alle glaubten an<br />
die Worte der Wahrsagerin. Jett war völlig Bewegungsunfähig. Wie gelähmt musste er alles<br />
vom Boden aus mit ansehen. Wut stieg in ihm auf. Wut über seine eigene Dummheit und über<br />
diese Betrügerin, die in kurzer Zeit die ganze Stadt in ihrem Bann hatte. Dann fiel ihm etwas<br />
auf, das er schon viel früher hätte bemerken müssen. Wo waren die drei anderen Männer, die<br />
ständig Miss Odin folgten. Er hatte sie weder hier im Restaurant noch draußen irgendwo<br />
gesehen. Ein schrecklicher Gedanke überfiel ihn. „ Die ganze Stadt war hier versammelt. Ein<br />
leichtes Spiel <strong>für</strong> jeden Einbrecher. Deshalb musste auch er her. Nur deshalb bekam er eine<br />
Eintrittskarte geschenkt, weil er der Einzige war, der nicht kommen wollte. Das würde auch<br />
seine jetzige Situation bestätigen. Sie hatte Angst, dass der Sheriff ihr doch noch auf die<br />
Schliche kam und das wäre ja auch passiert. Nun lag er hier und konnte nicht mal seine<br />
Deputys warnen. Selbst Doc Leonard reagierte nicht auf seine Lage. Obwohl er doch als<br />
studierter Arzt den Betrug mit der gereinigten Seele durchschauen müsste. Hilflos hörte er die<br />
Worte der Miss Odin, die ihr Handwerk wirklich gut verstand.<br />
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„ Ich höre euch, ihr Geister! Ja redet weiter… ich sehe Feuer… großes Feuer. Viele Häuser<br />
brennen ab. Ich sehe Marshall Ryder…ersteht auf der Straße und wird von einer Kugel tödlich<br />
getroffen…und da! ... Blut…viel Blut. Die ganze Straße ist rot gefärbt. Oh… so viel unheil.<br />
Sie ließ sich in den Sessel fallen und spielte die Ohnmächtige. Ihr Begleiter eilte herbei um ihr<br />
etwas Wasser einzuflößen. „ Gebt ihr eine halbe Stunde Pause. Der Kontakt zu den Geistern<br />
schwächt sie immer sehr. Gleich geht es weiter.“ Eine Sichtschutzwand wurde vorgeschoben<br />
und niemand sah, was sich dahinter ereignete.<br />
Nach einer viertel Stunde Pause ging die Show weiter. Es kamen noch mehr unheilvolle<br />
Zukunftsvisionen. Dann forderte Miss Odin auf, dass jeder seinen Stuhlnachbar an die Hand<br />
nimmt. „ Schließt nun eure Augen und konzentriert euch auf die Spannung in der Luft. Ihr<br />
könnt die Geister spüren, wenn ihr euch ihnen ganz hingebt. Atmet tief ein und langsam<br />
wieder aus.“ Eine Frauenstimme rief plötzlich „ ja ich sehe sie! ich spüre ein kribbeln sie sind<br />
in meinem Körper.“ „ Wehren sie sich nicht. Gemeinsam können wir die schlimmsten<br />
Katastrophen abwenden. Verweilt mit mir bis Mitternacht.“<br />
Aus allen Ecken kamen nun immer mehr Stimmen die riefen, dass sie Kontakt zur Unterwelt<br />
haben. Ein Mann beschrieb wie in Trance sogar das Aussehen eines Geistes und bekam<br />
tatsächlich mehrere Zustimmungen.<br />
Miss Odin schritt wie eine Königin von der Bühne herunter ins Publikum. Sie ging auf<br />
einzelne Personen zu und berührte sie an Kopf und Schulter. Einige befahl sie auf zu stehen<br />
und sie zu Umarmen, damit sie die negative Aura durchbrechen konnte. Die meisten streckten<br />
ihre Arme aus um sie zu berühren und ebenfalls eine Umarmung zu erhalten, aber Miss Odin<br />
suchte ihre Opfer genau aus. Sie begründete ihre Endscheidung nach Stärke der<br />
Schicksalschwingungen die sie bei den Auserwählten spürte.<br />
Doktor Leonard war der Einzige, dem plötzlich das Verschwinden des Sheriffs auffiel. Wo<br />
war er hin? Was war eigentlich eben passiert? Er löste sich von dem Griff seines Nachbarn,<br />
der ihn erst böse ansah, dann aber dem nächsten in der Reihe seine Hand gab. Geduckt schlich<br />
Leonard an der hintersten Reihe vorbei bis zur Zwischentür, die zum Korridor führte. Es war<br />
eine und eine halbe Stunde vor Mitternacht. Wollten die Menschen tatsächlich so lange da<br />
drinnen sitzen und Meditieren? Im Treppenhaus war niemand zu sehen. Unbemerkt konnte<br />
Leonard die Stufen hinauf gehen und oben die Zimmer checken. Irgendwo musste doch<br />
Sheriff Armstrong sein?<br />
Mit erhobenen Händen drehte Nick sich langsam um. Er presste die Lippen zusammen um<br />
nicht einen Fluch los zu lassen, dass er die Rückendeckung vernachlässigt hatte.<br />
Der Fremde kam einen Schritt näher und trat damit ins Sonnenlicht. Nick sah einen Mann in<br />
seiner Größe, schwarze Haare, dunkle Augen und blue Jeans. Er trug einen großen Texashut<br />
und einen auffälligen Revolvergurt mit den Inizialien DL. Zu Nicks Überraschung steckte er<br />
den Revolver ins Holster zurück und reichte ihm die Hand.<br />
„ War gar nicht so leicht dich zu finden. Marshall.“ Sagte er und Nicks Verblüffung wurde<br />
größer. „ Wenn ihr schon wisst wer ich bin, hätte ich auch gerne gewusst mit wem ich das<br />
Vergnügen habe.“ „ Sicher. Mein Name ist Don Lasko. Ich bin Texas Ranger. Seit drei Tagen<br />
bin ich hier untergetaucht und beobachte den Sheriff und diese lausige Ratte von Major. Ich<br />
weiß, dass Beide korrupt sind und falsche Spiele spielen, aber ich konnte es ihnen bis jetzt<br />
noch nicht nachweisen. Fest steht, dass der Major früher Mal zu einer Bande gehörte, die <strong>für</strong><br />
viele Überfälle auf die Bahn verantwortlich waren. Nun rauben sie Reisende aus, töten sie,<br />
lassen ihre Leichen verschwinden und kassieren so eine Menge Geld und Ware.“<br />
„ Ich weiß. Ich bin selber darauf reingefallen.“ Sagte Nick mit ärgerlichem Unterton.<br />
„ Ich habe davon zu spät erfahren und war mehr als überrascht, sie hier lebend zu sehen.“<br />
„ Das verdanke ich wohl dem Metallstreifen, den ich hinten im Hut unter dem Futter habe.<br />
Ein guter Tipp von einem sehr berühmten Marshall, das Stück Metall hat mir schon oft das<br />
Leben gerettet.“ „ Klingt gut, muss ich mir merken.“ „ Warum haben die überhaupt einen<br />
solchen Mann zum Sheriff gewählt?“<br />
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Lasko nahm seinen Hut und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „ Colbert hat die Schule<br />
erbauen lassen und eine Kirche errichtet. Er bezahlte den Farmern einen Ausgleich, wenn die<br />
Ernte schlecht war. Da<strong>für</strong> haben sie ihn gewählt. Er sorgte da<strong>für</strong>, dass Books Major wurde<br />
und hat somit alle Macht in der Hand. Wer sich dem widersetzt wird eingebuchtet oder<br />
verschwand <strong>für</strong> immer auf merkwürdige Weise.<br />
Das Geld dazu verschaffte er sich mit den Überfällen. Ich bin sicher das auch größere<br />
Geschäfte auf seinen Mist laufen. Wie den Überfall auf die Bank von Moskitocreak.“<br />
Nick rieb das Kinn. Nach kurzer Überlegung schlug er vor, „ Wir müssen dem Sheriff eine<br />
Falle stellen. Er soll sich selbst verraten. Ich hab da auch schon eine Idee. Aber wir müssen<br />
uns später weiter unterhalten. Ich muss gleich im Saloon sein. Der Sheriff will mir meine<br />
Satteltasche wieder besorgen.“ Sagte Nick und wollte schon losgehen, doch Lasko ihn<br />
zurückhielt. Er wies mit dem Daumen hinter sich. Deutlich hob sich der Umriss einer Tasche<br />
von der dunklen Mauer ab. Dort lag sie. Die Satteltasche, die Nick gehörte.<br />
„ Hey wie bist du denn daran gekommen?“ fragte er. „ Frag lieber nicht. Aber ich bin mir<br />
sicher, dass der Sheriff jetzt Panik bekommt. Gleich wird er Major Books und Galling wieder<br />
zu sich rufen.“ Nick kramte in den Fächern der Tasche und fand alle seine Sachen darin<br />
wieder. Sogar den Stern hatten sie dazu gelegt, der vorher in seiner Weste war. Nur die<br />
Brieftasche fehlte. Er holte die vier Dollarmünzen hervor, die lose darin rumkullerten und<br />
hielt sie in der Hand. Welch ein beruhigendes Gefühl, nicht mehr Pleite zu sein. Auch wenn<br />
es nur vier Dollar waren. Sie reichten <strong>für</strong> ein Bad und ein anständiges Essen. Doch zuerst<br />
erklärte er Lasko seinen Plan. „ Deine Tarnung musst du nun aufgeben. Ich kann nur als<br />
Zeuge fungieren. Den Major festnehmen kannst nur du.“ Nachdem Nick alles bis ins Detail<br />
erklärt hatte fand Don Lasko die Idee des Marshalls gar nicht schlecht.<br />
Doch vorher musste er noch mit seinem Freund sprechen. Es dauerte nur zehn Minuten, da<br />
kam er zurück, steckte sich den Ranger Stern an die Brust und ging mit Nick zum Office. Wie<br />
erwartet standen der Major und der Stallmann im Raum, Beide Kopf hängend. Schon von<br />
draußen hörten Don und Nick, wie der Sheriff sie beschimpfte. „ Dem hast du ordentlich<br />
Angst gemacht.“ Sagte Don. Der Sheriff legte gleich los, als er Nick eintreten sah“, Ich habe<br />
ihre verdammte Tasche nicht. Und noch was….“<br />
Bevor er weiteres sagen konnte fiel Don ihm ins Wort“, Major Galling. Ich bin Texas Ranger<br />
Lasko. Ich nehme sie fest wegen überfall und raub an Mister Ryder.“ Mit sicherem Gefühl,<br />
dass man ihm nichts Nachweisen konnte, blieb er ruhig stehen und grinste. „ Sie haben<br />
keinerlei Beweise. Außerdem war ich zur Tatzeit hier im Office. Sheriff Colbert und Mister<br />
Galling können das beschwören.“ Er riskierte einen Blick zum Sheriff, und erhielt ein<br />
zustimmendes Nicken. „ Sie wurden aber von Mister Ryder erkannt.“ „ Wie denn? Es war<br />
dunkel.“ Sheriff Colbert stand auf, ging um den Schreibtisch herum und zog den Major hinter<br />
sich. „ Du redest zu viel.“ Sagte er forsch, aus Angst, auch er könne sich verplappern. „ Wenn<br />
sie keine Beweise aufbringen können verlassen sie mein Office.“ „ Nein. Sie werden gehen.<br />
Ab heute übernehme ich das Kommando. Geben sie mir den Zellenschlüssel.“ Don ging auf<br />
Marshall Ryder zu reichte ihm die offene Hand. „ Den Zahn bitte, Marshall.“ Nick holte den<br />
ausgeschlagenen Zahn des Majors aus seiner Hosentasche und legte Don in die Hand. „ Ist<br />
das hier ihr Zahn?“ fragte er den Major. Books sah fragend Colbert an. An den Zahn hatte er<br />
gar nicht mehr gedacht. Sheriff Colbert wollte die Situation noch retten indem er behauptete“,<br />
Der kann jedem gehören. Nur weil Books eine Lücke im Gebiss hat beweist das noch gar<br />
nichts. Vielleicht hat der Kerl sich den selber ausgeschlagen und will ihn nun meinen Freund<br />
andrehen.“ „ Marshall Ryder fehlt kein Zahn. Und das das ihrer ist Major kann ich<br />
Beweisen.“ Don hatte noch nicht ausgeredet, da klopfte es schon an der Tür.<br />
„ Komm nur rein.“ Rief Don. „ Darf ich vorstellen, das ist Doktor Hoby. Er wird gleich<br />
klären, ob es der Zahn von Major Books ist, oder nicht. Bitte Doc.“ Er ließ seinen Freund Leo<br />
Hoby vorgehen, damit dieser dem Beschuldigten in den Mund schauen konnte. Galling<br />
wehrte sich. „ Ich lass doch nicht jeden dahergelaufenen Burschen in mein Maul schauen?<br />
Woher weiß ich, ob er wirklich Arzt ist?“ Leo Hoby kramte eine Urkunde aus der Arzttasche,<br />
die er bei sich trug und legte sie offen auf den Schreibtisch. Leo Hoby Vet. Dr. stand in<br />
großen Buchstaben in der ersten Zeile. Don war die Warterei satt. Er hielt dem Major den<br />
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Revolver an die Schläfe und sagte mit bitterem Ernst“, Wenn du nicht augenblicklich dein<br />
Maul auf machst, wirst du es nie wieder können!“ Widerwillig kam er Aufforderung nach.<br />
Leo betrachtete die Zahnlücke genau. Besah sich den losen Eckzahn und kam zu dem<br />
Ergebnis“, Der Eckzahn ist auf Grund seiner Fäulnis höchstens zwei Tage alt. Dies gilt auch<br />
<strong>für</strong> die Wunde im Zahnfleisch. Abgesehen davon sollten sie dringend einen Zahnarzt<br />
aufsuchen, da das kleine fehlende Stück an der Wurzel noch in ihrem Kiefer steckt. Das wird<br />
sich irgendwann entzünden.“ Ohne weitere Worte packte Don Major Books am Arm und<br />
schob ihn in eine der Zellen. „Das sollte ja wohl reichen. Bitte verlassen sie das Office<br />
Sheriff, ich will den Gefangenen verhören.“ Missmutig verließ Colbert sein Büro. Doch bevor<br />
er ging warf er Books noch einen warnenden Blick zu.<br />
Hoby verabschiedete sich ebenfalls.“ Ich muss noch nach ein paar Ferkel sehen. Die Mutter<br />
verweigert ihnen die Milch.“ Er nahm seine Arzttasche unter den Arm und grinste dem<br />
Gefangenen zu. Books wurde kreidebleich. Mit offenem Mund starrte er den Tierarzt an.<br />
„ Was guckst du so? ich habe dir meine Urkunde gezeigt. Darauf steht ganz deutlich, dass ich<br />
Doktor der Tiermedizin bin. Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe mir vorher die Hände<br />
gewaschen. Ich war nämlich drüben bei den Rindern, bevor ich kam und musste bei einer<br />
Verstopfung nachhelfen. Ach übrigens, die Rinder haben schönere Zähne als du.“<br />
Colbert und Galling stiefelten zum Mietstall. Der Sheriff kochte vor Wut. „ Dieser<br />
aufgeblasene Affe. Schmeißt mich aus meinem Büro. Aber das wird noch Konsequenzen<br />
haben.“ Galling hingegen blieb kühl. Ruhig sagte er“, Was machen wir, wenn Books redet.“ „<br />
Keine Sorge, das wird er nicht. Er weiß was ihn dann blüht. Wo zum Teufel kam dieser<br />
Ranger auf einmal her! Wir müssen jetzt ganz vorsichtig sein. Uns darf kein Fehler<br />
Unterlaufen.“ Nervös lief er mit geballten Fäusten auf und ab. „ Hast du die gestohlenen<br />
Sachen der Toten versteckt, wie ich es dir gesagt habe?“ „ JA.“ Sagte Galling und war über<br />
seine Eigene Stimme erstaunt. Normalerweise stotterte er beim Lügen. Erst recht, wenn er<br />
Colbert anlog. Er hatte alles versteckt, bis auf die Brieftasche des Marshalls. Sie war aus<br />
braunem Leder und mit einem schwarzen Rand vernäht. Auf der Vorderseite war ein<br />
Pferdekopf gestickt. Galling gefiel dieses Stück so gut, dass er sie <strong>für</strong> sich behalten wollte.<br />
Der Sheriff wusste ja nicht, dass sie Ryder gehörte. Er würde später sagen, sie war ein<br />
Geschenk seiner Tante.<br />
„ Wir müssen nur Ruhe bewahren und abwarten. Irgendwann verschwinden sie schon<br />
wieder.“ Colbert musste sich setzten. Er war es nicht gewohnt so viel zu laufen. Die meiste<br />
Zeit verbrachte er im Sessel über seiner Schreibarbeit, die er <strong>für</strong> sehr Wichtig hielt.<br />
Leonard war im ersten Stock des Hotels angekommen. Er öffnete die erste Tür und sah hinein.<br />
Das Zimmer war leer. Ein sauber überzogenes Bett, ein leerer Schrank. Hier war Niemand<br />
eingemietet. Hinter der zweiten Tür war ebenfalls alles sauber. Er öffnete die Dritte. Hier<br />
schien jemand zu wohnen. Aber außer ein paar leeren Kisten, Wäsche und Rasierzeug gab es<br />
hier nichts zu sehen. Leonard betätigte den Knauf der vierten Tür. Verschlossen. Er überlegte,<br />
ob es rechtens war sie aufzubrechen. Mit welcher Begründung konnte er das Schloss zustören.<br />
Sicher war er auf der Suche nach Jett Armstrong, der so plötzlich von der Bühne<br />
verschwundne war, aber er konnte ja auch in seinem Office sitzen. Ein ungutes Gefühl stieg in<br />
Leonard hoch. Irgendwie glaubte er, dass sein Freund in Gefahr sei. Er sah sich nach allen<br />
Seiten um. Niemand war zu sehen. Wer also sollte ihm die Schuld an der aufgebrochenen Tür<br />
geben, wenn es keine Zeugen gibt und sich die Spur als falsch erweist. Leonard ging zwei<br />
Schritte zurück um genug Anlauf zu haben und mit Schwung gegen die Tür zu stoßen. Es tat<br />
nicht weh. Das dünne Holz gab sofort nach und sprang aus dem Rahmen. Sein Verdacht war<br />
berechtigt. Auf dem Bett lag Sheriff Armstrong. Seine Arme gefesselt am Kopfende, den<br />
Mund geknebelt. Still lag da und reagierte nicht einmal auf die Zurufe. „ Hey Jett. Komm zu<br />
dir. Ich bin es. Leonard. “ Er schüttelte dessen Schultern und gab ihm eine leichte Ohrfeige.<br />
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Mit trüben Augen sah Jett seinen Freund am Bettrand stehen. Jett fühlte sich wie ein<br />
Betrunkener. Alles drehte sich. Die Worte seines Freundes klangen laut und dröhnten in<br />
seinem Kopf. Er versuchte etwas zu sagen aber es kam nur Gestammel heraus. „ Jim. D…<br />
Bank…Raub. Ich wus…“ Leonard schnitt die Fesselung durch und half ihm in sitzende<br />
Position. Er nahm Jetts Arm, legte ihn um seine Schulter und half zog ihn hoch. Jett<br />
schwankte beim verlassen des Zimmers. Seine weichen Knie konnten kaum sein Gewicht<br />
tragen. Mit viel Mühe schafften sie es auf die Straße und erreichten Leonards Praxis, die zum<br />
Glück genau gegenüber lag. „ Setz dich. Ich hab dich gleich wieder in Ordnung.“ Sagte Jim<br />
Leonard während er eine Spritze aufzog. Jett kniff immer wieder die Augen, aber das Bild<br />
änderte sich nicht. Seine Zunge war wie ein Stein und wollte nicht richtig funktionieren.<br />
Jim gab ihm die Injektion in den Arm. „ So, gleich fühlst du dich besser.“ Er gab ihm noch<br />
ein Glas Wasser, was merklich die Zunge lockerte. Tatsächlich ging es Jett schon in den<br />
ersten Minuten nach der Medizin besser. Die Welt hörte auf sich um ihn zu drehen und ein<br />
klarer Blick stellte sich ein. „ Wo warst du?“ waren seine ersten Worte. „ Ich dachte, dass<br />
wenigstens du nicht darauf reinfällst und vernünftig denkst.“ Jim kratzte sich am Kopf.<br />
Armstrong hatte vollkommen Recht. Er hätte sich nicht von der Masse mitreißen lassen<br />
sollen. Aber auch bei ihm hatte der gesunde Menschenverstand ausgesetzt, weil die Neugier,<br />
etwas über seine Zukunft zu erfahren, alles überstieg. Es kamen viele Menschen nach <strong>Cutter</strong>,<br />
die ihre Talente zur Schau stellten und immer war es etwas außergewöhnliches, nicht dem<br />
Alltag entsprechend. Theaterbesuche und Zirkusvorstellungen gab es immer wieder, aber eine<br />
Wahrsagerin, die auch noch Beweise ihrer Kunst vorzeigen konnte, hatte allen den Kopf<br />
verdreht. Jim versuchte sich rauszureden“, Was hast du? Ich bin doch hier und helfe dir. Als<br />
du da vorne auf der Bühne standest und sie deine Seele reinigte, habe ich sofort gemerkt, dass<br />
da etwas nicht stimmt.“ „ Dann hast du aber verdammt lange bebraucht mich aus dem<br />
Zimmer zu befreien.“ Wieder kratze Jim sich den Nacken. Für Jett war das ein klares Zeichen,<br />
dass sein Freund verlegen war. „ Ich ähm…musste doch abwarten was geschieht. Es dauerte<br />
eben ein bisschen Zeit, bis ich die richtige Tür gefunden hatte.“<br />
Jett lächelte. Er war froh nun doch einen Helfer gefunden zu haben. „ Wir müssen uns<br />
beeilen. Die ganze Show ist sicherlich nur da<strong>für</strong> da, um in aller Ruhe die Bank auszurauben.“<br />
„ Wie kommst du da drauf?“<br />
„ Ganz einfach. Hast du heute Abend schon die zwei Männer gesehen, die sonst ständig um<br />
Miss Odin herumtanzen. Nur Einer steht auf der Bühne. Die beiden anderen machen doch<br />
bestimmt nicht nur Kaffeepause. Lass uns zur Bank gehen und nach dem Rechten sehen.“<br />
Die ersten Schritte schwankte Jett noch, dann kehrte seine kraft zurück. Sie rannten zum<br />
Bankgebäude und lugten durch die Fenster. Nichts war zu sehen. Drinnen lag alles in<br />
friedlicher Dunkelheit. „ Was jetzt?“ fragte Jim der von Detektivarbeit überhaupt keine<br />
Ahnung hatte. „ Wir müssen nachsehen ob sie nicht schon hier waren. Immerhin ist die Show<br />
schon eine ganze Weile am laufen.“ Die Tür war verschlossen, aber Jett öffnete sie geschickt<br />
mit einem Messer, das Jim ihm reichte. Knackend sprang die Tür auf. „ Wenn die hier<br />
gewesen wären, müsste dann nicht das Schloss kaputt sein? Oder eine Fensterscheibe?“<br />
flüsterte Jim. „ Vielleicht waren die ja auch so einfallsreich und haben ein Messer benutzt.“<br />
Jett tastete sich zum Tresor vor. Dieser war verschlossen, wie er feststellen konnte. Nichts<br />
deutete auf einen Einbruch hin. „ Verdammt! Habe ich mich denn so in dieser Frau getäuscht?<br />
Ich war mir sicher, dass nicht nur die Eintrittsgelder ihre einzige Einnahme sind.“ Jett kaute<br />
nachdenklich auf der Unterlippe bis Jim ihm auf die Schulter klopfte. „ Komm schon. Du hast<br />
dein bestes getan. Lass uns hier verschwinden. Ich habe ein komisches Gefühl, nachts allein<br />
in der Bank rum zu sitzen.“ Beim hinausgehen fragte Jett sich noch einmal, wo denn die<br />
beiden Männer hin sein konnten. Ob sie sich in Olgas Freudenhaus vergnügten? Aber das<br />
ging ja nicht. Olga war mit allen Mädchen bei der Sitzung. Genauso wie George der Salooner.<br />
Und wenn der Saloon zu hatte, dann werden auch die im Saal sitzen, die weniger Interesse<br />
daran hatten, denn es war das Einziger, was man an diesem Abend tun konnte.<br />
Jett blieb plötzlich mitten auf der Straße stehen. Er drehte sich zu Jim um und sah ihn mit<br />
glänzenden Augen an. „ Was hast du? Ist dir nicht gut? Fragte der Arzt besorgt.<br />
„ Mir geht es Prima. Besser als je zuvor, denn ich weiß jetzt was ihr Plan ist.“<br />
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Jim sah ihm noch nach wie er mit großen Schritten davon ging.<br />
„ Warte auf mich. Ich bin neugierig was du damit meinst.“<br />
„ Dann komm mit. Es wird Zeit der Alten das Geschäft zu vermiesen.“<br />
Nick schlenderte zum Saloon. Hier war der beste Ort ein Gerücht in die Welt zu setzen. Sein<br />
Plan wurde nun in die Tat umgesetzt. Er zwängte sich durch eine Gruppe Cowboys hindurch,<br />
die an der Theke standen und den schwülen Abend bei einem Drink genossen. Nick zog den<br />
Revolver aus dem Holster, des neben ihm stehenden Cowboys und schlug mit dem Kolben<br />
auf die Thekenplatte. Die lauten Schläge übertönten die vielen Stimmen im Raum und der<br />
Keeper sah mürrisch zu ihm hinüber. „ Hey was soll das? Wollen sie meinen Saloon<br />
demolieren?“ knurrte er. Nick wartete bis der Keeper ihm gegenüberstand und sagte grinsend.<br />
„ Ich habe Hunger. Bringen sie mir ein kräftiges Steak mit Bohnen. Aber schnell, sonst mache<br />
ich wirklich noch Kleinholz aus deiner Bude hier!“ Sagte er mit durchdringender Stimme.<br />
Den Revolver gab er dem Besitzer in die Hand, der ihn verblüfft anstarrte. Er hatte gar nicht<br />
bemerkt, dass ihm seine Waffe genommen wurde. Der Keeper war wenig erfreut über den<br />
Auftritt des Fremden, der hier schon einmal gebettelt hatte. „ Ich will erst Geld sehen. Wenn<br />
du hier nur wieder betteln willst, dann geh lieber gleich, sonst lasse ich dich ein zweites Mal<br />
rausschmeißen und diesmal wird es unangenehmer <strong>für</strong> dich!“ Nick ließ zwei Dollarmünzen<br />
auf die Theke fallen. Während sich die Münzen noch drehten und auf der glatten Holzplatte<br />
tanzten sagte er. „ Das wird wohl reichen.“ Mit noch lauterer Stimme, so das es jeder im<br />
Saloon hören konnte fügte er hinzu“, Und einen Whisky hätte ich noch gerne. Einen guten,<br />
denn ich möchte anstoßen, auf eine gelungene Festnahme.“ Der Keeper wurde sofort<br />
hellhörig. Neugierig lehnte er sich nach vorne bis er fast über die andere Thekenseite hing.<br />
„ Wen haben sie denn festgenommen. Um was geht es denn?“ Nick trat einen Schritt auf<br />
einen zu. Mit schnellem Griff packte er den Pferdeschwanz des Keepers und zog dessen Kopf<br />
in den Nacken.“ Sie sind aber neugierig. Bekomme ich ihn nun meinen Drink und das<br />
Essen?“ sagte er eindringlich. Der Keeper verzog schmerzhaft das Gesicht und stammelte ein<br />
„, Ja ja sicher. Es kommt gleich.“ Jetzt hatte er alle Augen auf sich vereint. Genau das wollte<br />
Nick erreichen. Er nahm das Glas Whiskey in die Hand, dass ihm der Keeper eilig zuschob,<br />
hob es in die Luft und sagte.“ Ein hoch auf alle Texas Ranger. Soeben wurde der Major<br />
festgenommen. Hier wird in Zukunft ein neuer Wind wehen. Die Korruption hat ein Ende.“<br />
Lautes Gemurmel setzte ein und einen hörte man heraus, wie er sagte“, Was hat er da gesagt?<br />
was ist denn eine Korrupti…, worum geht es hier?“ Nick sprach weiter denn er wollte, dass<br />
jeder es hört. Es gehörte zu seinem Plan. „ Euer Major ist ein mieser, hinterhältiger Schurke.<br />
Doch nun hat er Reue gezeigt und gestanden. Auch Sheriff Colbert und der Mietstallbesitzer<br />
Galling hängen da mit drin.“ Wieder war es der Keeper der erwartungsvoll fragte“, Und wie<br />
wollen sie das Beweisen? Mag sein das Major Books seine Taten gestanden hat, aber egal was<br />
er über den Sheriff erzählt hat, oder über sonst jemandem, es sind nur leere Worte eines<br />
ängstlichen Gefangenen. Ohne Beweise hat der Ranger nichts in der Hand.“<br />
Für einen kurzen Moment stutzte Nick. Steckte der Keeper etwa auch da mit drin? Wen<br />
meinte er, als er sagte, >sonst jemandem
noch was im Ärmel. Und <strong>für</strong> sonst noch jemand, aber da<strong>für</strong> wird noch verhandelt. Wichtig ist<br />
erst mal der Sheriff.“ Als Nick sein Glas am Mund ansetzte und die goldene Flüssigkeit mit<br />
einem Schluck hinunter spülte, begann eine laute Unterredung unter den Männern.<br />
Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Reaktion des Keepers auf seine Worte. Er sah die<br />
zittrige Hand, die versuchte ein Glas ab zu trocknen. Auch das nervöse zucken der<br />
Kieferknochen entging Nick nicht. Dieser Mann hinter der Theke hatte Angst.<br />
Nick bekam sein Essen vor gesetzt und er aß es mit Genuss. Die Hühnerkeule aus dem Office<br />
war längst verdaut und erneuter Hunger machte sich im Magen bemerkbar. Währen er sein<br />
Steak aß, schlich sich der Keeper durch eine Hintertür hinaus. Nick hatte es zwar bemerkt,<br />
aber er wollte da<strong>für</strong> nicht sein gutes Essen stehen lassen. Schließlich waren Ranger Lasko und<br />
Doc Hoby auf ihre Posten. Sie sollten den Sheriff und den Stallmann beobachten, denn diese<br />
Beiden müssten jetzt bald von der Geschichte erfahren und Angst bekommen.<br />
Jett rannte über die Straße zum Haus der alten Dame Misses Simmons. Sie lebte allein und<br />
war eine reiche Witwe. Sie zeigte ihren Wohlstand gerne öffentlich indem sie stets teuere<br />
Kleider und Pelze trug. Die Haustür war verschlossen und es gab keine Hinweise auf ein<br />
fremdes Eindringen. Leonard beobachtete das nachdenkliche Gesicht seines Freundes.<br />
„ Glaubst du, sie rauben die Häuser der Leute aus?“ fragte er.<br />
„ Ja das habe ich vermutet. Es würde weniger auffallen, als die Bank zu leeren. Aber hier<br />
waren sie wohl noch nicht. Ich gehe weiter rauf nachsehen und du kontrollierst die Häuser in<br />
die andere Richtung. Wenn dir irgendetwas auffällt, sag mir bescheid.“<br />
Doc Leonard schaute durch jedes Fenster und prüfte die Türen, aber er konnte nichts finden,<br />
was auf einen Einbruch hindeutete. Jett ging am Hotel vorbei. Immer noch flackerte<br />
schummriges Licht im Saal, als er durch die Scheibe und durch eine Ritze im Vorhang<br />
blickte. Miss Odin saß nach wie vor auf ihrem „Thron“ und hielt die Leute in ihrem Bann.<br />
Am liebsten wäre hineingestürmt und hätte sie festgenommen wegen Betäubung und<br />
gefangen halten eines Gesetzeshüters, aber er wollte die Wahrheit wissen. Jett war fest davon<br />
überzeugt, dass mehr hinter der ganzen Sache steckte. Schließlich kam ihm ein Gedanke. Er<br />
lief die Straße hinunter und suchte nach Doktor Leonard. Er fand ihn in der kleinen<br />
Nebengasse, die zum Anwesen der Big Olga führte, wo normalerweise um diese Zeit die<br />
Mädchen nach Männerkundschaft Ausschau hielten. War an einem Fenster der rote Vorhang<br />
zugezogen, kam es dort zum Geschäftlichen.<br />
„ Hey Leonard!“ rief Jett von weitem.“ Warum in die Ferne schweifen, wenn das<br />
Offensichtliche so nahe ist.“ Jim Leonard drehte sich zu ihm herum. „ Ist alles in Ordnung<br />
bei dir?“ fragte er besorgt über die poetische Formulierung des Satzes.<br />
„ Wir sollten als erstes bei dir nachsehen. Ist dir vorhin in deiner Praxis nicht irgendetwas<br />
aufgefallen!“. Leonard legte den Zeigefinger seiner rechten Hand an den Mund und überlegte.<br />
„ Nein. Es war alles so wie immer.“ „ Wir sollten dennoch zurückgehen und nachsehen. Hast<br />
du nicht gesagt, dass einer ihrer Männer bei dir war?“ „ Das ist richtig. Er hatte sich in den<br />
Finger geschnitten.“ Bestätigte der Doc.<br />
„ Glaubst du ernsthaft, dass er deswegen bei dir war? Ein Mann, der aussieht wie ein<br />
wandelnder Kleiderschrank rennt doch nicht wegen einem Kratzer gleich zum Arzt.<br />
Außerdem benutzte sie eine Spritze um mich zu betäuben. Ich frag mich wo sie die wohl her<br />
hat?“ Es dauerte einen Moment bis Leonard schließlich einfiel „, du hast Recht. Ich musste<br />
kurz vor die Tür weil sein Gefährte mich rief. Er wollte nur wissen wie lange es noch dauert<br />
und hat mich gefragt, was ich ihm gegen Kopfschmerzen empfehlen könnte.“<br />
„ Na also! Es war genug Zeit <strong>für</strong> den Kerl um sich in deiner Praxis um zu sehen.“<br />
Sie gingen Beide mit schnellem Schritt zurück in das Haus des Doktor Leonard.<br />
Jim brauchte nicht lange zu suchen, da fiel ihm auf, dass im Glasschrank ein Fläschchen<br />
fehlte. Es beinhaltete eine verdünnte Form von Curare. Es wird aus Lilienpflanzen gewonnen<br />
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und dient als Betäubungsmittel bei Operationen, weil es die Muskulatur lähmt, nicht aber das<br />
Herz angreift. Auch eine Spritze wurde entwendet.<br />
„ Sieh mal in deiner Schreibtischschublade nach. Dort hast du doch das Geld der Patienten<br />
drin. Ich nehme an, dass Miss Odins Helfer dir was gezahlt hat und die Aufbewahrung des<br />
Geldes gesehen hat.“ Sagte Jett aber Leonard winkte ab. „ Das habe ich eben schon getestet.<br />
Sie ist noch verschlossen.“ „ Tu mir den Gefallen und öffne sie“, beharrte Jett. Leonard griff<br />
in seine linke Tasche, dann in die Rechte und zog den Schlüssel hervor. Er öffnete das<br />
Schloss der Schublade und sah schockiert hinein. An seinem Gesichtsausdruck erkannte Jett<br />
schon die Antwort. „ Ich nehme an, sie ist leer!“ Leonard sank auf einen Stuhl, stützte sein<br />
Kinn und dachte nach. „ Wie kann das? Den Schlüssel trage ich immer bei mir und so viel<br />
Zeit hatte er auch nicht sie Anderweitig zu öffnen und wieder abzuschließen.“<br />
Ratlos saßen sich die beiden Männer gegenüber. Was ging hier vor? Eine menge Fragen<br />
schossen Jett durch den Kopf und er fand keine Antworten. Ein Blick zur Wanduhr zeigte<br />
ihm, dass die Zeit ablief. In einer halben Stunde ist die Sitzung vorbei, und die Leute stürmen<br />
heraus. Dann wird es schwierig werden weiter nach Spuren zu suchen.<br />
„ Verdammt. Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen!“ schrie Leonard so laut, dass Jett<br />
zusammen zuckte.<br />
“ Der Schlüssel!“ er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „ Ich trage ihn immer in der<br />
linken Tasche. Aber nun war er Rechts. Na klar. Er muss ihn mir beim verarzten des Fingers<br />
entwendet haben. Als ich dann draußen war konnte er das Geld rausnehmen, und die Lade<br />
wieder verschließen.“ Jett sah ihn fragend an. „ Und wie kommt der Schlüssel wieder in deine<br />
Tasche zurück?“ „ Beim Händeschütteln. Er hat sich mit einem Handschlag bedankt.<br />
Natürlich mit der Rechten wie es üblich ist. So konnte er mit der Linken, den Schlüssel<br />
wieder in die Tasche stecken. Wer weiß denn später noch in welcher Tasche er etwas getan<br />
hat. Es sei denn er hat ihn immer der Einen so wie ich.“<br />
„ Das nenne ich mal ein >Cleverer Plan
„ Das habe ich gern. Die ganze Zeit hast du fleißig davon profetiert und jetzt ziehst du den<br />
Schwanz ein. Das eine Sage ich dir. Wenn mein Kopf in der Schlinge hängt, hängst du mit.<br />
Wir haben uns das hier zusammen aufgebaut und ich lasse es mir von niemandem nehmen.<br />
Auch nicht von so einem Ranger und schon gar nicht von einem Marshall aus Arizona!“<br />
„ Er ist Marshall?“ schoss die frage aus dem Mund des Keepers.<br />
„ Haltet eure Klappen.“ Fiel der Stallmann ein.“ Soll denn die ganze Stadt mithören? Denkt<br />
lieber über eine Lösung nach. Kann es wirklich sein, dass Books geplaudert hat und uns was<br />
andrehen kann.“<br />
„ Wir sollten es auf jeden Fall testen.“ Sprach der Sheriff. „ Na los besorg dir eine Schaufel.“<br />
Befahl er und wog seinen dicken Bauch hin und her.<br />
„ Wieso ich? Du machst gefälligst mit. Schließlich geht es in erster Linie um deinen Kragen.“<br />
Stallmeister Galling zitterte in der Stimme. Er war es nicht gewohnt seinem Boss zu<br />
widersprechen. Aber hier ging es um sein Leben und wenn er den Sheriff da<strong>für</strong> auflaufen<br />
lassen musste, seine Zukunft sollte nicht am Galgen enden.<br />
Die drei Männer trennten sich. Während der Keeper zurück in den Saloon ging, stampfte<br />
Galling in den Stall um die Pferde an den Wagen zu spannen. Er legte zwei Schaufeln auf die<br />
Ladefläche obwohl er genau wusste, dass Colbert nicht mit machen würde. Ein feines<br />
schmunzeln legte sich auf seine Lippen, bei dem Gedanken den Dicken beim schaufeln zu<br />
zusehen. Noch nie hatte er den Sheriff auf einem Pferd sitzen sehen. Es wäre auch reine<br />
Tierquälerei. Kein Ross auf Erden würde diese Last tragen können. Wieder lachte er in sich<br />
hinein. Diesmal bei dem Gedanken wie er wohl mit diesem Bauch bei einem Pferd hochkäme.<br />
Sicher müsste man ihm eine Leiter hinstellen. Doch <strong>für</strong> so gelenkig hielt er ihn nicht, dass<br />
dieser sein schweres Bein über den Pferdekörper heben konnte.<br />
Nick sah, wie der Keeper herein kam, sich mit einem Mann unterhielt und wieder Richtung<br />
Küche verschwand. Nach und nach folgten ihm immer wieder ein bis zwei Männer. Es waren<br />
insgesamt Neun, die sich in die Küche schlichen. Nick aß in aller Ruhe weiter. Ihn<br />
interessierte nur der Sheriff und dieser machte sich durch den Hintereingang aus dem Staub.<br />
Er war fast fertig als Ranger Lasko herein kam und ihn ansprach. „ Es geht los. Dieser Galling<br />
hat einen Wagen angespannt und ist mit Sheriff Colbert losgefahren los gefahren. Ich habe<br />
dein Pferd schon gesattelt wir können aufbrechen.“ Mit einer Serviette wischte Nick seine<br />
Mundwinkel sauber und stand auf. „ Ich kann es kaum erwarten!“ sagte er. Don Lasko und<br />
Ryder zogen sich in ihre Sättel und nahmen die Verfolgung auf. Die Fahrt war nicht lang,<br />
schon nach zwanzig Minuten blieb der Wagen stehen und Sheriff Colbert wuchtete sich vom<br />
Kutschbock hinunter. Der Wagen, der zuvor noch unter dem Gewicht zu leiden hatte, streckte<br />
seine Federn und nahm wieder eine Waagerechte Position an. Die zwei angespannten Pferde<br />
schnauften. Sicherlich waren auch sie erleichtert. Nick und Don hockten im Schutz einiger<br />
Büsche und beobachteten das Geschehen.<br />
Colbert wusch seine Stirn mit einem Tuch ab. „ Verdammt ist das heiß hier. Los fang an!“<br />
Böse sah Galling ihn an. „ Was soll das heißen? Wir sitzen beide in der Klemme also machst<br />
du auch mit.“ Knirschte er wobei er drohend die Schaufel in die Luft hielt. Colbert ging ein<br />
paar Schritte zurück. Er blieb erstaunlich ruhig als er sagte “, da oben in der Luft brauchst du<br />
nicht zu graben, in der Regel liegen Tote unter der Erde.“ Wieder liefen dicke Schweißperlen<br />
über sein Gesicht. Die Fahrt allein war schon zu viel Anstrengung <strong>für</strong> einen Mann, der sonst<br />
nur am Schreibtisch sitzt und wahllos Essen in sich hineinschibt.<br />
„ Deine Witze werden dir noch vergehen, wenn ich den Zettel gefunden habe.“<br />
„ Du willst mir drohen? Nach allem was ich <strong>für</strong> dich und die ganze Stadt getan habe. Los fang<br />
endlich an. Wenn Books tatsächlich Beweise hinterlassen hat, haben wir noch einige Gräber<br />
mehr zu öffnen.“ Widerwillen fing stach Galling die Schaufel in den Festgewordenen Boden.<br />
Es war harte Arbeit und nach jedem Spatenstich schnürte sich seine Kehle vor quälender<br />
Trockenheit mehr zusammen. Durstig gierte er nach der Wasserflasche, die am Kutschbock<br />
hing. „ Ich kann nicht mehr, ich brauche einen schluck Wasser.“ Krächzte er. Galling stand<br />
schon bis zu den Knien in der Grube als er wütend die Schaufel in die Erde stach damit sie<br />
stehen blieb und er eine Pause machen konnte. Doch dann hielt er plötzlich inne. Wie erstarrt<br />
blickte er zu seinen Füßen. Sheriff Colbert trat an den Rand der Grube um zu sehen was los<br />
23
war. Der Stallmann zeigte mit ausgestrecktem Finger zu seinen Stiefeln. Eine schwarzblau<br />
gefärbte Hand ragte aus dem Lehm. Es waren nur noch drei Finger daran, die gekrümmt und<br />
halb verfault waren. Die Beiden zogen ihre Halstücher vor Mund und Nase, da der Gestank<br />
der Verwesung immer stärker beim ausgraben wurde. Nach gut zehn Minuten lag die Leiche<br />
frei. Galling hielt sich den Mund zu, denn hatte das Gefühl sich gleich übergeben zu müssen.<br />
Mit der anderen Hand tastete er den Toten ab. Ungeduldig beobachtete ihn der Sheriff dabei.<br />
Seine Rechte umspannte schon den Revolverkolben. Er würde Galling ohne zögern<br />
erschießen, sollte dieser mit dem Beweisstück abhauen wollen.<br />
„ Was ist nun, hast du es?“ nervös ging er am Grab auf und ab wobei er seinen Gefährten<br />
nicht aus den Augen ließ. „ Hier ist nichts.“ „ Dreh den Kerl doch mal um. Vielleicht liegt<br />
unter ihm etwas.“<br />
Marshall Ryder sah zu Ranger Lasko und nickte. Don erwiderte sein Zeichen und Beide<br />
sprangen aus ihrer Deckung hervor. Wie aus Holz geschnitzt stand Sheriff Colbert Stocksteif<br />
da, als er die Stimme des Rangers hörte. „ Ein schöner Tag, nicht wahr? Das Wetter lädt so<br />
richtig ein zum Leichenschmaus. Sie sind verhaftet Sheriff Bill Colbert. Und sie natürlich<br />
auch Mister Jack Galling.“ Ein leises Fluchen zischte durch die Zähne des Stallmannes, der<br />
bis dahin gehofft hatte, dass der Ranger ihn nicht gesehen hatte. Immerhin stand er noch<br />
geduckt in der Grube. „ Was wollen sie Ranger! Ich habe nichts verbrochen. Hier irgendwo<br />
habe ich ein Säckchen mit ein paar kleinen Goldnuggets vergraben, die ich im Fluss fand.<br />
Nun wollte ich sie mir holen habe aber eine Leiche gefunden.“ Lasko war verblüfft, wie<br />
schnell dieser Kerl eine Ausrede parat hatte. Er war wirklich schlagfertig. Aber das sollte ihm<br />
hier wenig helfen, schließlich haben er und auch Marshall Ryder das ganze Gespräch mit<br />
angehört. „ Red keinen Unsinn. Komm da raus und nimm die Hände hoch.“ Während Don<br />
zusah wie Galling aus der Grube stieg bemerkte Nick das leichte zucken, der rechten Hand<br />
des Sheriffs. Blitzschnell hatte er seinen Revolver gezogen und Colbert blickte in die<br />
Mündung der Waffe. „ Das würde ich nicht tun!“ kam der scharfe Ton des Marshalls an sein<br />
Ohr. Langsam ließ er seine Hand sinken. Nick trat ein paar Schritte näher heran, so dass er in<br />
die Augen seines Gegners blicken konnte. „ Es ist vorbei Colbert. Das Spiel ist aus.“<br />
„ Welches Spiel?“ stammelte der Sheriff. „ Galling hat Recht, wir suchen lediglich nach<br />
seinem Gold.“ Nick machte einen weiteren Schritt und stand nun direkt vor ihm. Er sah den<br />
Schweiß, der dem Sheriff die Stirn herunter lief. Colbert ging einen Schritt zurück und stieß<br />
gegen das Wagenrad. Seine zittrigen Finger griffen danach um Halt zu finden, denn auch<br />
seine Knie wurden weich und konnten den schweren Körper nicht mehr halten.<br />
„ Reden sie keinen Blödsinn. Ranger Lasko und ich haben alles gehört.“<br />
„ Ich habe den Mann nicht umgebracht. Das schwöre ich. Er war es.“ Plötzlich wieder von<br />
neuem Mut gefasst wies Colbert mit ausgestrecktem Finger auf Galling der von Lasko gerade<br />
die Hände gefesselt bekam.<br />
„ Du Schwein! Glaubt ihm kein Wort!“ rief er zurück und spuckte. Ungewollt traf er einen<br />
Stiefel des Rangers und handelte sich da<strong>für</strong> eine Ohrfeige ein. Lasko wischte sie am<br />
Hosenbein des Gefangenen ab und schubste ihn vorwärts zum Wagen.<br />
„ Ihr Beide seit verhaftet. Ihr habt uns zu der Leiche gebracht. Nur wer sie verscharrt hat und<br />
wer den Auftrag dazu gab, konnte wissen wo sie lag. Machen sie sich keine Hoffnungen.“<br />
„ Sie haben uns geblufft? Books hat gar keine Beweise hinterlassen.“<br />
Nick grinste. „ Hat doch funktioniert. Und nun rauf da.“ Er schob den schweren Körper mit<br />
aller kraft auf die Ladefläche des Wagens. Colbert widersetzte sich nicht. Anscheinend hatte<br />
eingesehen, dass er keine Chance mehr hatte. Seine ganze Macht war nun gebrochen. Mit<br />
herab hängendem Kopf ließ er sich nieder und fuhr seinem Schicksal entgegen.<br />
Lasko saß auf dem Kutschbock, Nick ritt hinter dem Wagen her. Als sie die Stadt erreichten<br />
kam Doktor Leo Hoby auf sie zu. Er atmete kurz auf, als er die Beiden mit den Gefangenen<br />
erkannte. Er hatte nicht daran gezweifelt, dass Lasko es nicht schaffen würde, aber eine<br />
gewisse Angst um seinen Freund hatte er immer. Denn er wusste auch, dass Don oft<br />
unüberlegt und hitzig reagiert. „ Schön, dass ihr sie geschnappt habt. Jetzt müsst ihr euch nur<br />
noch den Keeper vornehmen, er hat versucht Major Books zu befreien.“<br />
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„ Ist es ihm gelungen?“ fragte Don mit ernstem Blick. „ Nein. Ich konnte ruhig stellen. Er<br />
befindet sich gerade im Stall. Da ich die Schlüssel zu den Zellen nicht gefunden habe, habe<br />
ich ihn in eine Pferdebox gesperrt. In der, die rundum gemauert ist und eine Massive Tür hat.<br />
Ich nehme an, dass diese Box <strong>für</strong> unruhige Hengste gebaut wurde.“ „ Sehr gute Arbeit Hoby.<br />
Aber wie hast du ihn überwältigt?“ Leo Hoby zog stolz die Schultern zurück und berichtete.<br />
„ Keeper Johnson fand ebenfalls die Schlüssel nicht und so versuchte er das Schloss mit einer<br />
Spitzhacke zu zerschlagen. Ich habe es zufällig gehört und ihn dann mit meinem Pusterohr<br />
einen Betäubungspfeil in den … na du weißt schon geschossen.“<br />
Nick und Don lachten laut auf. Sie schoben die beiden Gefangenen in die Zellen und lobten<br />
noch einmal den einfallreichen Tierarzt. „ Die Schlüssel hatte ich in meiner Tasche.“ Erklärte<br />
Don.“ Ich habe mir schon gedacht, dass hier noch mehr Leute mit drin stecken und wollte<br />
kein Risiko eingehen. Und wie wir sehen, habe ich Recht behalten.“<br />
Sie gingen zusammen zum Stall um den Keeper zu holen und ihn ebenfalls in eine der Zellen<br />
zu stecken. Am Eingang wurde Don von einer Frau angehalten. Sie sprach ihn mit weicher<br />
Stimme Dank aus. Während Don sich von ihrer Schönheit verzaubern ließ gingen Nick und<br />
Hoby zur Box. Der Keeper lag immer noch bewusstlos im Stroh. Nur wenig Licht drang<br />
hinein so dass Nick erst seine Augen zusammen kneifen musste, um sich an die Dunkelheit zu<br />
gewöhnen. Als er die Box betrat sprang ihn der Schatten auch schon entgegen. Keeper<br />
Johnson war längst nicht mehr benommen. Im Stroh hatte er ein Hufeisen ertastet und<br />
umklammerte es mit seinen Fingern. Er wartete auf eine Gelegenheit die ihn zur Flucht<br />
verhelfen konnte. Als nun Nick eintrat sammelte er all seiner Kraft zusammen, warf er sich<br />
nach vorne, schlug Nick mit dem Hufeisen ins Gesicht, stieß Hoby zur Seite, der im Gang<br />
stand und wollte zum Tor rennen. Aber er rechnete nicht mit Ranger Lasko, der noch auf der<br />
Straße stand und mit dem jungen Mädchen flirtete. Johnson kam nicht weit. „ Hey! Stehen<br />
bleiben. Wo willst du denn so eilig hin?“ drang die Stimme des Gesetzes an sein Ohr.<br />
Unbewaffnet und noch immer etwas Schwindelig von der Betäubung ergab er sich.<br />
Mit erhobenen Händen stand er mitten auf der Straße und spürte die Blicke die aus sämtlichen<br />
Fenstern auf ihn gerichtet waren. Die Leute von Irontown kamen langsam auf die Straße.<br />
Endlich fassten sie wieder Mut. Die lange Unterdrückung unter der Macht des Sheriffs und<br />
seine Gefährten waren nun vorbei. Lasko legte dem korrupten Keeper Handschellen an und<br />
fesselte ihn am Pferdetrog. Besorgt ging er in Stall um nach seinen Freunden zu sehen.<br />
„ Hoby, Nick ist alles in Ordnung?“ Er hörte ein leises stöhnen am anderen Ende des Stalls.<br />
Nick saß auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken gegen die Wand. Über ihn gebeugt stand<br />
Hoby, der ihm ein Tuch unter die Nase hielt und sagte.“ Ich wollte dich gerade warnen. So<br />
lange konnte die Betäubung nicht anhalten.“ „ Ist schon gut.“ Kam Nicks gedämpfte Stimme<br />
unter Tuch hervor. Als Hoby sich umdrehte, sah Don das Blut an dessen Händen. „ Seine<br />
Nase ist gebrochen. Du kommst genau richtig. Halte seinen Kopf, ich muss das Nasenbein<br />
wieder richten.“ Es war nur ein kurzer Ruck, aber auch ein schmerzhafter. Nick biss die<br />
Zähne zusammen. „ So dass war es. Sie ist wieder gerade.“ Beruhigte Hoby ihn und half ihm<br />
hoch. Am liebsten hätte Nick sich wieder hingesetzt. Die Knie waren weich wie Butter und<br />
ein stechender Schmerz durchzuckte die Stirn.<br />
Draußen auf der Straße wurde es auf einmal laut. Stimmen fluchender Männer waren zu hören<br />
und mitten drin die Schreie des Keepers. Don rannte hinaus und sah sofort was dort geschah.<br />
Die Bürger der Stadt rächten sich an Johnson <strong>für</strong> die Jahrelange Ausbeutung. Sie schlugen mit<br />
Knüppeln und Stöcken auf den wehrlos, gefesselten Mann ein. Sogar Frauen traten mit ihren<br />
hochhackigen Schuhen zu. Don konnte sie nur mit einem warnenden Schuss auseinander<br />
treiben. Blutüberströmt lag Keeper Johnson im Straßenstaub. Doktor Hoby konnte nur noch<br />
seinen Tot feststellen.<br />
„ Ich hoffe ihr seit nun zufrieden. Es war keine leichte Arbeit <strong>für</strong> mich und meine Freunde die<br />
Macht zu Brechen, die von Sheriff Colbert, Stallmeister Galling und Major Books ausgingen.<br />
Mister Johnson war in der ganzen Sache das kleinste Übel. Ich verabscheue so was hier. Er<br />
hatte wie die Anderen ein Recht auf einen Prozess. Geht nach Hause und überlegt euch, wie<br />
ihr mit dieser Tat weiterleben könnt. Denn damit habt ihr gezeigt, dass ihr auch nicht besser<br />
seid. Er war gefesselt und hilflos!“<br />
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Nick blieb noch bis zum nächsten Tag und half Don wieder Ordnung in die Stadt zu bringen.<br />
Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschiedete er sich.“ Es war schön euch kennen<br />
gelernt zu haben. Wenn ihr einmal in Arizona seid, kommt mich auf jeden Fall in <strong>Cutter</strong><br />
besuchen. So Long.!“<br />
„ Na komm. Es geht los.“ Flüsterte Jett und rannte schon raus auf die Straße. Sie holten die<br />
beiden schwarz gekleideten Männer, die sich in den Hinterhof schlichen schnell ein. Doktor<br />
Jim Leonard blieb im Hofeingang stehen, während Sheriff Armstrong einem der Männer auf<br />
die Schulter klopfte. Erschrocken drehte dieser sich. Sofort erkannte er den Sheriff und holte<br />
zum Schlag aus, doch Jett hatte mit so was gerechnet. Er duckte unter dem Hieb ab und ließ<br />
den, mit Schwung kommenden Arm, ins Leere schlagen. Der Angreifer verlor sein<br />
Gleichgewicht und torkelte um seine eigene Achse. Kaum kam fand er wieder Halt, schlug<br />
Jett ihm einen rechten Hacken unter das Kinn. Er staunte nicht schlecht, als er sah, dass der<br />
Gegner noch auf seinen Beinen stand. Bei jedem Anderen bisher, hatte dieser Schlag stets<br />
seine Wirkung und hob den Getroffenen aus den Stiefeln. Doch dieser hier blieb stehen. Wie<br />
eine Eiche stand er da und schielte in den Himmel. „ Vielleicht pustest du mal Jett, ich bin<br />
sicher dann fällt er um.“ Jim stand am Tor. Vor ihm lag der zweite Mann bewusstlos am<br />
Boden.<br />
Er hatte noch versucht zu Fliehen, als der Sheriff kam, rannte allerdings Jim in die Arme.<br />
Gleich neben dem Tor lehnte der Verschlussbalken, den Jim Leonard dem Flüchtenden über<br />
den Schädel zog.<br />
Jetts Gegner dagegen war hart im Nehmen. Nach einpaar Sekunden starre, kam er wieder zu<br />
sich, rieb sein Kinn und stürmte wütend auf Armstrong zu.<br />
Jetzt zeigte sich, wie Gefährlich der Mann war, der stets Miss Odins begleitete und<br />
beschützte. Jett konnte dem nächsten Hieb nur in letzter Sekunde ausweichen. Er kam mit<br />
einer Traumhaften Geschwindigkeit und von links angetäuscht. Nur die vielen Stunden, die er<br />
mit Nick Kämpfen trainiert hatte, retteten ihn vor diesem Schlag. Es war eine Action des<br />
Gegners mit der Jett rechnete und instinktiv abduckte. Ein zweiter und ein dritter Schwinger<br />
folgten. Jett konnte nur abwehren. Er kam nicht zum Angriff. Jede Chance die er nutzen<br />
wollte, nach vorne zu Stürmen wurde ihm versagt. Jim beobachtete den Kampf und verzog<br />
bei jedem Schlag das Gesicht, als bekäme er die Hiebe ab. Er zögerte noch, wollte nicht<br />
eingreifen um Jett seinen Kampf zu nehmen. Es wäre Unfair den Kämpfern gegenüber sich<br />
jetzt als dritter Mitstreiter einzumischen. Doch sollte Jett diese Partie verlieren musste er<br />
handeln. Fest umklammert hielt er immer noch den Balken in den Händen.<br />
Der Fremde stampfte wie ein wilder Stier vorwärts und drängte Jett zurück. Es war eine Kiste,<br />
die den Kampf eine Wende bescherte. Jett übersah sie und stolperte rückwärts darüber. Noch<br />
im Sturz traf ihn die schwere Faust des Gegners auf das rechte Auge. Die Kiste zerbrach unter<br />
dem Gewicht des stürzenden Sheriffs. Münzen, Schmuck und Dollarscheine fielen heraus.<br />
Während Jett rückwärts auf Händen und Füßen kroch, kam der Kämpfer auf ihn zu gestürmt.<br />
Er sah seine Chance gekommen diesen Kampf nun endlich zu seinen Gunsten zu Beenden.<br />
Jim machte schon ein paar Schritte vorwärts um gleich zuschlagen zu können, denn auch er<br />
sah <strong>für</strong> Armstrong kaum noch einen Ausweg.<br />
Jim holte gerade zum Schlag aus da brüllte der Fremde laut auf. Er war auf die zerbrochenen<br />
Bretter der Kiste getreten und hatte den Nagel nicht gesehen, der mit der Spitze nach oben aus<br />
einem Brett ragte. Der lange Nagel hatte sich durch die abgelaufene Stiefelsohle gebohrt und<br />
steckte so tief in seinem Fuß, dass er fast wieder oben herauskam. Noch bevor er sich befreien<br />
konnte sprang Jett wieder auf seine Beine, und diesmal setzte er seine ganze Energie in diesen<br />
einen Kinnhacken, den er im Schlaf beherrschte und mit dem er bisher alle seine kämpfe<br />
gewonnen hatte.<br />
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Wie eine Fadenlose Marionette sank der Mann in schwarz in sich zusammen. Aufatmend und<br />
erleichtert stand Jett da und sah lächelnd auf den Bewusstlosen nieder.<br />
„ Mann, war das ein Stier!“ Keuchte er. Jim warf seinen Balken weg und klopfte seinem<br />
Freund lobend auf die Schulter. „ Gut gemacht. Aber <strong>für</strong> einen kurzen Moment hatte ich das<br />
Gefühl, du würdest den Kampf verlieren.“ „ Ging mir genauso.“ Sagte Jett und zwinkerte mit<br />
dem Auge. „ Aua! Verdammt der Kerl hat mir ein blaues Auge verpasst.“ Vorsichtig tastete er<br />
nach Schwellung und bemerkte jetzt erst, dass sein rechtes Auge zugeschwollen war.<br />
Doktor Leonard besah sich es kurz und gab ihm den Rat es zu Kühlen. Mit etwas Eis oder<br />
einem rohen Steak.<br />
„ Aber zuerst kümmern wir uns um diese Sache hier. Hilf mir mal den Fuß aus dem Nagel zu<br />
ziehen.“<br />
Nachdem Beide gefesselt waren durchsuchte Jett ihre Taschen und wurde fündig. Zwölf<br />
Schlüssel hielt er in seiner Hand und an jedem hing ein Schildchen mit Namen dran, damit bei<br />
der Rückgabe auch kein Fehler unterläuft.<br />
„ Jim, du sammelst die Wertsachen ein und bringst sie ins Office. Ich werde der Miss Odin<br />
jetzt das Handwerk legen.<br />
Im Saal herrschte immer noch totenstille. Nur die sanfte Stimme der Wahrsagerin war zu<br />
hören. Er stand hinter der Bühne und beobachtete die Szene. Nervös blickte Miss Odin sich<br />
immer wieder um. Sie wartete auf ihre Helfer die nun schon über der Zeit waren. Die Kerzen<br />
brannten nicht mehr lange. Nur kurze Stummel brannten vor sich hin.<br />
Nach kurzer Überlegung entschloss sich Jett dem Ganzen ein offizielles Ende zu bereiten.<br />
Miss Odin stand im mittleren Gang zwischen zwei Stuhlreihen. Sie hielt ihre Arme in die<br />
Lüfte und summte eine Melodie. Ausnahmslos Jeder im Saal schwankte auf seinem Stuhl hin<br />
und her als wären sie alle in einer anderen Welt. Der einzige Grund <strong>für</strong> diese Show, waren die<br />
unauffälligen Einbrüche mit den Schlüsseln der Eigentümer. Sie konnte weder in die Zukunft<br />
sehen, noch besaß sie die Gabe mit den Toten zu reden, aber ein Talent stand ihr zu. Miss<br />
Odin verstand es, einen ganzen Saal in Trance zu versetzen und den Menschen Visionen zu<br />
geben, von denen sie fest überzeugt waren. Ihre ganze Taktik, der Aufwand mit den falschen<br />
Zeitungen und die Vorhersagen, die sie selber Wahr machte, so wie beim Schuss auf den<br />
Sheriff, waren bis ins Detail durchdacht.<br />
Sie stand mit dem Rücken zur Bühne als Jett die Sitzung Unterbrach indem er laut rief.<br />
„ Guten Abend meine Damen und Herren. Ich möchte sie hier mit darauf aufmerksam<br />
machen, dass sie sich alle haben täuschen lassen von dieser genialen und einzigartigen<br />
Schaustellerin Miss Odin! Ihre Show ist wirklich fantastisch und sie haben eine ganze Stadt<br />
verzaubert. Ich bitte um einen kräftigen Applaus <strong>für</strong> Miss Odin und ihr Theater.“<br />
Sofort setzte ein lautes raunen unter den Zuschauern an. Verwirrt redeten alle durcheinander.<br />
Miss Odin kam auf die Bühne gestürzt. Wütend blieb sie vor Jett stehen, hob ihren<br />
Zeigefinger und drohte.“ Sheriff Armstrong sie haben nun schon zum zweiten Mal meine<br />
Sitzung gestört. Ich muss sie bitten diese Bühne zu verlassen sonst werde ich…“ Jett fiel ihr<br />
ins Wort“, Ihre Leibwache rufen? Tut mir Leid, aber die liegen gefesselt im Hof. Wenn sie<br />
jetzt das tun was ihnen sagen, kommen sie noch glimpflich aus dieser Nummer raus.<br />
Ansonsten werde ich sie auf der Stelle und vor allen Augen festnehmen.“<br />
„ Was haben sie vor? Wollen sie mich vor allen Leuten lächerlich machen?“ sie stemmte ihre<br />
Hände in die Hüfte. „ Ich möchte das Schlimmste verhindern. Wenn ich sie als Betrüger<br />
ansage werden sich eine menge Leute hier im Saal schämen <strong>für</strong> ihre Visionen und ihren<br />
Glauben. Ich möchte nicht, dass sie ihre Gesichter verlieren, weil sie ihr Spiel aus festem<br />
Glauben mitgemacht haben und sogar Geheimnisse preisgaben, die sie sonst nie erzählt<br />
hätten. Also spielen wir nun nach meinen Regeln. Ihre Männer werden unter meiner Aufsicht<br />
die gestohlenen Güter zurück bringen und sie lassen sich etwas einfallen, wie sie die Schlüssel<br />
an ihre Besitzer austeilen.“<br />
„ Was geschieht dann mit mir?“ „ Darüber reden später. Jetzt sollten wir den Schaden<br />
möglichst unauffällig wieder rückgängig machen.“<br />
Miss Odin erkannte, dass ihr keine andere Wahl blieb. Sie versuchte wieder Ruhe im Saal zu<br />
bekommen und erklärte ihrem Publikum, dass sie keine Wahrsagerin sei und ihre Show auf<br />
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Hypnose aufgebaut war. Während sie ihnen erklärte, dass die Visionen der Einzelnen nur ein<br />
Blick ins eigene Innere war dem sie verholfen hatte, sorgte Jett da<strong>für</strong>, dass die gestohlenen<br />
Wertsachen wieder an Ort und Stelle kamen. Ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen<br />
übergab er Miss Odin die Schlüssel, die sie mit geschickter Hand wieder in die richtigen<br />
Taschen verschwinden ließ. Ihre Show endete mit einem riesigen Applaus. Zufrieden<br />
verließen die Gäste den Saal. Glücklich darüber, dass die vorhergesagten Schicksale nun doch<br />
nicht eintreffen werden. Für sie wurde das ganze Spektakel als glanzvolle Theater Vorstellung<br />
mit Massenhypnose dargestellt. Jeder, der etwas Peinliches von sich gegeben hatte, konnte es<br />
nun damit endschuldigen.<br />
Miss Odin saß im Office auf einem Stuhl und erwartete ihr Urteil von Sheriff Armstrong.<br />
Sie hatte mit schlimmen Folgen gerechnet, aber was Jett Armstrong ihr nun Vorschlug ließ sie<br />
erstaunen.<br />
„ Ich muss sagen, sie sind erstaunliche Person. Noch nie habe jemanden kennen gelernt, der<br />
eine ganze Stadt auf sich lenkten kann alle auch noch so begeistert. Ich möchte ihnen eine<br />
Chance geben auf ehrliche Weise ihr Geld zu verdienen und die Menschen zu begeistern.<br />
Hier auf dem Schreibtisch liegt ein Bericht den ich an alle Städte senden werde die einen<br />
Telegrafen haben. Die Nachricht wird sich dann schnell im Land verbreiten. Lesen sie und<br />
sagen mir dann, ob sie einverstanden sind.<br />
Mit leicht zittrigen Fingern nahm Miss Odin das Schriftstück in die Hand und überflog die<br />
Zeilen.<br />
Miss Odin hat in <strong>Cutter</strong> einen ganzen Abend <strong>für</strong> Spannung gesorgt und den Bürgern der Stadt<br />
Eine Show gezeigt, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ihre Kunst der Hypnose und damit<br />
verbundenen Magieshow ist eine Aufführung in jeder Stadt wert. Ich kann sie nur Empfehlen.<br />
Verraten sie nur nicht ihre Verstecke und ihr Hab und Gut, denn die Magie ist Geheimnisvoll.<br />
Sheriff Jett Armstrong, <strong>Cutter</strong><br />
„ Ich möchte einen Plan von ihnen haben, wo sie in den nächsten Monaten Auftreten wollen.<br />
Und ich werde mich dort erkundigen über ihre Auftritte. Sollte ich irgendeine Negative<br />
Nachricht erhalten, dass wieder sämtliche Wertsachen verschwunden sind, dann glauben sie<br />
mir, sitzen sie sehr schnell hinter Gittern und dürfen den Rest ihres Lebens ein paar Wächtern<br />
des Straflagers schöne Augen machen.“ Jett sah sie eindringlich an. Miss Odin kämpfte gegen<br />
ihre Tränen an. Mit feuchten Augen sagte sie.“ So etwas hat noch nie jemand <strong>für</strong> mich getan.<br />
Die Menschen sehen mich immer nur als Medium an. Sie wollen immer nur ihre Zukunft von<br />
mir wissen, aber niemand interessiert sich über mein Leben, über mich als Frau. Das fing<br />
schon in der Schule an. Ich habe nie richtige Freunde gehabt, war immer nur ausgestoßen.<br />
Dann habe ich rein Zufällig jemanden über sein Schicksal erzählt, nur um Aufmerksamkeit zu<br />
bekommen und dieses trat tatsächlich ein. Seit dem wurde ich umlagert, stand ständig im<br />
Mittelpunkt. Ich musste allerdings bei einigen Vorhersagen nachhelfen, damit mein Vertrauen<br />
bestand hielt. So lebe ich nun seit vielen Jahren.“ Weiter reden konnte sie nicht, dann brachen<br />
ihre Tränen aus. Jett sah sich im Office um und fand neben dem Ofen ein Tuch liegend, dass<br />
er benutzte wenn der Wasserkessel am Griff zu heiß wurde. Er reichte es ihr.<br />
„ Sie sind also mit meinem Vorschlag einverstanden?“ Miss Odin nickte und schnaubte in das<br />
Tuch. „ Ich wünsche ihnen alles Gute auf ihrem neuen Weg und denke sie an meine Worte.<br />
Nie wieder Betrug!“<br />
Deputy Alex Cooper stand sprachlos an der Wand gelehnt. Auch ihn tat Miss Odin Leid.<br />
Mit ernstem Blick sah Jett zu ihm. „ Die ganze Sache bleibt unter uns. Nur du. Ich und Doc<br />
Leonard wissen von dem Betrug und dabei soll es auch bleiben.“<br />
Lex nickte. „ Ich hoffe du behältst Recht und sie ändert sich.“<br />
„ Da bin ich mir Sicher. So und jetzt sollten wir uns wieder an die Arbeit machen. Ich muss<br />
noch Berichte schreiben und du kümmerst dich um die gestohlenen Brote des Bäckers. Der<br />
Fall ist ja durch die ganze Geschichte in Vergessenheit geraten.“<br />
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„ Ich spreche gleich als erstes mit unserem Bäcker Fester. Zum Glück hat er das<br />
Verkaufsschild weggenommen und hat keine Angst mehr, dass er frühzeitig einem<br />
Herzinfarkt erliegt.“ Jett kaute auf seiner Unterlippe und sagte nach kurzer Überlegung.<br />
„ Hoffentlich erwischt ihn nicht wirklich rein Zufällig der Schlag. Bei dem Stress den er sich<br />
täglich in seiner Backstube aussetzt. Ich glaube, dann denken die Leute wieder an Miss Odin<br />
und ob nicht doch etwas Wahres dran sei.“<br />
Gegen Abend stand Miss Odin mit ihren drei Begleitern am Bahnhof. Laut pfeifend rollte der<br />
Zug ein. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen übers Land und ließ alles in einem rotorangenen<br />
Licht erscheinen. Sie hatte ein neues Kleid gekauft und trug beim Abschied nicht,<br />
wie gewohnt, ein schwarzes sondern ein wunderschönes rotes Kleid mit Spitzen.<br />
„ Vielen Dank Sheriff. Sie sind ein ganz besonderer Mann. Ich werde sie nicht enttäuschen.<br />
Nur eine Bitte hätte ich noch.“ Erwartungsvoll blickte sie in Jetts blaue Augen. „ Darf ich<br />
einmal wiederkommen? Vielleicht auch nur um mich hier zu entspannen, wenn meine lange<br />
Reise mich zu sehr in Anspruch nimmt.“<br />
Jett nahm ihre Hand. Wie ein Gentlemen küsste er sie zart und sagte“, Sie sind hier stets<br />
Willkommen. Madam.“ Die Männer hoben die vielen Kisten in den Zug, der mittlerweile zum<br />
Stillstand kam. Sie sagten wie immer nicht viel. Nur ein kurzes Nicken zum Abschied. Jett<br />
betastete sein Auge, als er den einen der Männer humpelnd einsteigen sah. Es stimmte ihn<br />
zufrieden, wie er sah, dass auch sein Gegner etwas einstecken musste und nahm sich fast vor,<br />
in Zukunft noch intensiver mit Nick das Kämpfen zu üben.<br />
Miss Odin winkte aus dem Fenster des Zuges und noch bevor er anrollte rief sie“, Schade das<br />
ich nicht den Marshall kennen lernen durfte. Aber richten sie ihm bitte etwas von mir aus.<br />
Nicht jedes Hufeisen bringt glück!“ Dann war sie weg. Schnell zog die Lok die Waggongs<br />
aus dem Bahnhof und verschwand in der Dämmerung. Jett sah dem winzigen schwarzen<br />
Punkt noch nach bis auch dieser außer Sichtweite war.<br />
Eine altbekannte Stimme riss ihn aus den Gedanken.<br />
„ Hey, was ist denn das <strong>für</strong> eine Begrüßung?“ erschrocken drehte er sich um. Hinter ihm stand<br />
Marshall Nick Ryder. Er war auf der anderen Seite des Zuges ausgestiegen, weil er sein Pferd<br />
Aus dem Waggon holen musste.<br />
„ Schön, dass du wieder da bist.“ Gab Jett zurück und klopfte ihm Freundschaftlich auf die<br />
Schulter. „ Wir haben dich schon vor zwei Tagen erwartet, was war los?“<br />
„ Das ist eine lange Geschichte. Was hältst du von einem Abendessen. Ich habe einen<br />
Bärenhunger.“<br />
Im Restaurant von Peggy-Sue war alles wieder beim Alten. Die Bühne wurde abgebaut,<br />
Tische und Stühle standen wieder an ihrem Gewohnten Platz. Die rot-weiß karierten<br />
Tischdecken lagen auf den Tischen auch die Küche roch schon wieder nach köstlich<br />
zubereiteten Essen.<br />
Nick und Jett saßen sich gegenüber und warteten auf die bestellten Steaks. Während dessen<br />
genoss Nick sein kühles Bier lehnte sich zurück und fragte.<br />
„Gab es Schwierigkeiten in <strong>Cutter</strong> während meiner Abwesenheit?“<br />
„ Wieso. Hier war alles wie immer.“<br />
„ Du willst mir doch nicht erzählen, dass du mit Auge gegen eine Tür gerannt bist.“<br />
Wieder tastete Jett nach seinem immer noch blauen Auge. Die Schwellung war<br />
zurückgegangen, aber die blaue Färbung war noch deutlich zu sehen.<br />
„ Ach das war nur eine kleine Schlägerei. Nichts von Bedeutung.<br />
Aber was ist mit deiner Nase? Hast du dich auf der Hochzeit mit dem Bräutigam um die Braut<br />
geschlagen?“<br />
Lachend nahm Nick einen großen Schluck aus seinem Glas. „ Nein. Die Hochzeit war sehr<br />
schön. Ich hoffe der frisch Vermählte Gatte weiß sein Glück auch zu schätzen.“ Auch bei<br />
Nick waren die Spuren der Verletzung noch deutlich zu sehen. Eine dicke rote Strieme zog<br />
sich Quer über das Nasenbein.<br />
„ Das war ein Hufeisen.“ Sagte er trocken.<br />
„ Du hast dich von einem Pferd treten lassen?“ Gab Jett erstaunt zurück, denn er wusste was<br />
<strong>für</strong> ein Pferdekenner sein Freund war. Noch nie hat ihn ein Pferd getreten oder abgeworfen.<br />
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„ Nein. An diesem Eisen war kein Pferd mehr dran.“<br />
Jett wollte gerade etwas dazu sagen, da fielen ihm die Worte der Miss Odin wieder ein.<br />
Nicht jedes Hufeisen bringt Glück! Eine Menge Gedanken schossen in diesem Moment durch<br />
seinen Kopf.<br />
Hatte sie denn nun doch die Gabe in die Zukunft zu schauen, oder war es nur wieder Zufall.<br />
Unbewusst flüsterte er die Worte leise vor sich hin. Nick sah ihn besorgt an.<br />
„ Was meinst du?“ als er keine Antwort bekam hakte er nach“, Alles in Ordnung mit dir?“<br />
„ Ja. Ich glaube wir uns Beide doch noch eine Menge zu erzählen. Sag mal, glaubst du an eine<br />
vorhersehbare Zukunft?“<br />
„ Was <strong>für</strong> eine lustige Frage. Mhmm, wenn jemand die Gabe dazu hat soll er damit andere<br />
beglücken, ich will sie nicht wissen. Jede Kugel, die auf mich abgefeuert wird könnte mein<br />
Leben beenden. Zu wissen welche es ist, macht die Sache auch nicht einfacher. Wenn ich<br />
ganz Sicher Morgen drauf gehen sollte, bin dann Heute Kugelsicher?“<br />
In diesem Moment kam Peggy-Sue mit zwei Tellern im Arm auf sie zu.<br />
„ Marshall Ryder, ich bin so Glücklich, dass sie wieder da sind. Schade, dass sie Miss Odin<br />
nicht kenn gelernt haben. Sie haben eine großartige Show hier verpasst. Es war einfach<br />
unbeschreiblich. Sie hat…“<br />
„ Danke Peggy-Sue, aber der Marshall und ich möchten jetzt gerne unsere Steaks genießen.“<br />
Fiel Jett ihr ins Wort. Die kluge Hotelleiterin verstand sofort, was Sheriff Armstrong meinte<br />
und ging ihrer Arbeit nach. Auch sie hatte bemerkt, wie müde der Marshall von der Reise<br />
war. Es gab schließlich noch genug Gelegenheiten, in denen sie ihm alles Berichten konnte.<br />
„ Ich glaube wir haben erst mal alle Genug von den Geschichten über Miss Odin.“ Seufzte<br />
Jett. Nick sagte nichts dazu. Er wusste, Jett würde ihm schon irgendwann alles erzählen.<br />
Auch er hatte im Moment keine Lust von seinen Erlebnissen auf seiner Reise zu reden. Nach<br />
dem Essen wollte er sich nur noch hinlegen und schlafen. Aber dann fiel ihm ein, was er im<br />
Zug gehört hatte und das der Name, Miss Odin mehrfach genannt wurde.<br />
„ Übrigens habe ich von einer Miss Odin gehört. Sie trat wohl in Moskito Town auf. Aber<br />
diese Dame war eine hinterhältige Diebin und hat viele Leute um ihr Hab und Gut gebracht.“<br />
Sagte Nick während er sein Fleisch in Stücke schnitt.<br />
„ Oh da muss es sich wohl um eine Verwechslung handeln. Die Miss Odin, die hier war, war<br />
eine ganz besondere Frau.“<br />
Auf dem Weg zu seinem Haus sah Nick viele Menschen die noch Wach waren und sich<br />
angeregt auf der Straße unterhielten. Er wurde freundlich begrüßt, auch von denen, die sonst<br />
lieber weg sahen wenn er kam. Sogar die alte Genny wünschte ihm eine gute Nacht. Sie war<br />
die Vorsitzende des Frauenvereins und legte sich ständig mit ihm an, wenn sich die Frauen<br />
wieder einmal unterdrückt fühlten.<br />
Viel zu Müde um diese Merkwürdigkeiten nach zu Denken ließ er sich in seinem Bett nieder.<br />
„ Morgen wird sich schon alles aufklären.“ Dachte er und schlief ein.<br />
ENDE<br />
Andrea Rongen<br />
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