Sachverhalt - CF Müller Campus
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RA Dr. Jula<br />
Berlin<br />
Klausur im Zivilrecht<br />
für Fortgeschrittene<br />
<strong>Sachverhalt</strong><br />
"Der legendäre Büchsenöffner"<br />
Student Sascha Satt (S) ist die Mensakost leid und so beschließt er, seine<br />
Kochkünste zu erweitern. Er kauft deshalb in einem Supermarkt der Knüller-AG (K-<br />
AG) neben zahlreichen Konserven einen hochwertigen Büchsenöffner - original<br />
eingeschweißt in einer Plastikfolie und verpackt in einem Karton - für 20 DM.<br />
Zu Hause angekommen, nimmt er sein erstes Menü in Angriff. Schon beim Öffnen<br />
der ersten Büchse passiert das Malheur: S verletzt sich, trotz ordnungsgemäßer<br />
Verwendung des Büchsenöffners, an einer am Griff befindlichen extrem scharfen<br />
Kante. Der Schnitt am Handballen ist tief und äußerst schmerzhaft. S läßt die<br />
Verletzung bei einem praktischen Arzt in der Nähe behandeln und bezahlt hierfür aus<br />
eigener Tasche, da er seine studentische private Krankenversicherung wegen der<br />
Beitragsrückerstattung nicht in Anspruch nehmen will, 150 DM.<br />
Nachdem S genesen ist, wendet er sich an den Geschäftsführer des Supermarkts<br />
und macht seine Ansprüche geltend. Der Geschäftsführer lehnt im Namen des<br />
Supermarkts jegliche Verantwortung ab. Derartige Zwischenfälle seien bisher noch<br />
nicht vorgekommen, die übrigen Büchsenöffner des Fabrikats wiesen also offenbar<br />
keine derart scharfe Kante auf; schließlich könne man nicht jeden original verpackten<br />
Büchsenöffner auspacken. Stattdessen verweist der Geschäftsführer den S an den<br />
niedersächsischen Hersteller des Büchsenöffners, die Top Tin GmbH (T-GmbH).<br />
© C. F. <strong>Müller</strong> Verlag Klausur im Zivilrecht für Fortgeschrittene, Nr. 5
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Die T-GmbH, von S zur Zahlung aufgefordert, lehnt ebenfalls jegliche<br />
Verantwortlichkeit ab und erklärt wahrheitsgemäß, daß bisher keine weiteren<br />
scharfkantigen Büchsenöffner aufgetaucht sind. Dies sei auch kaum vorstellbar, da<br />
jeder Büchsenöffner elektronisch einer Warenendkontrolle unterzogen wird.<br />
Bei dieser Kontrolle werden alle Öffner zuverlässig nach dem modernsten Stand der<br />
Technik auf Mängel überprüft. Jeder Büchsenöffner ist zudem mit einer individuellen<br />
Seriennummer versehen, die der Computer nach erfolgter Warenendkontrolle<br />
speichert. Der besagte scharfkantige Büchsenöffner hat die Seriennummer<br />
1.000.000, eine solche ist aber von dem Computer nicht registriert worden. Der<br />
mangelhafte Büchsenöffner hat also die Warenendkontrolle nicht passiert. Wie der<br />
Büchsenöffner dennoch das Werk verlassen konnte, ist ungeklärt.<br />
Vorstellbar sei, so der Geschäftsführer der T-GmbH, daß einer der Mitarbeiter den<br />
Büchsenöffner wohl wegen der legendären Seriennummer zunächst an sich<br />
genommen habe, ihn später dann aber wieder, unter Umgehung der<br />
Warenendkontrolle, vermutlich an der Stelle des Produktionsablaufes, an dem die<br />
Verpackung beginnt, zurückgelegt habe. Endgültig aufklären lasse sich der Vorfall<br />
jedoch nicht. Da die Mitarbeiter gut ausgesucht und überwacht werden und<br />
selbstverständlich angewiesen sind, keinerlei Produkte dem Herstellungsprozeß zu<br />
entnehmen, träfe die T-GmbH keine Verantwortlichkeit. Auch eine Begleichung der<br />
nur geringfügigen Forderung aus Kulanz könne nicht erfolgen, da dies dem Image<br />
der T-GmbH schade, die für ihre hochwertigen Waren bekannt ist.<br />
Hat S gegen die T-GmbH einen Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten?<br />
Außerdem ist S erheblich verärgert über die Schwierigkeiten, die ihm gemacht<br />
werden und fragt, ob er außerdem noch ein angemessenes Schmerzensgeld<br />
beanspruchen kann. Ansprüche gegen die Verkäuferin (K-AG) sind nicht zu prüfen.<br />
© C. F. <strong>Müller</strong> Verlag Klausur im Zivilrecht für Fortgeschrittene, Nr. 5