Augustinus: Predigt 77 - Dittmer, Jörg
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was er empfangen hatte. Jener wird Mensch, obwohl er Gott ist: und der Mensch erkennt sich<br />
nicht als Menschen an, das heißt: er akzeptiert nicht, daß er sterblich ist, er akzeptiert sich<br />
nicht als zerbrechlich, er akzeptiert sich nicht als Sünder, er akzeptiert sich nicht als krank, so<br />
daß er doch wenigstens als Kranker einen Arzt sucht! Aber was noch gefährlicher ist: er<br />
kommt sich gesund vor!<br />
12. Die Juden wegen ihres Hochmuts verworfen, die anderen Völker wegen ihrer Demut an<br />
deren Stelle aufgenommen. Groß ist ihr Glaube, so wie ein Senfkorn.<br />
Deswegen also ging jenes Volk nicht zu ihm, das heißt: wegen seines Hochmuts; und man<br />
nannte sie die ausgebrochenen natürlichen Äste des Ölbaums – dies bedeutet: von jenem<br />
Volk, das von den Patriarchen herkam; das heißt: Juden, die verdientermaßen unfruchtbar<br />
sind durch den Geist ihres Hochmutes; und in jenen Ölbaum wurde der Sproß eines wilden<br />
Ölbaums eingesetzt. Der wilde Ölbaum sind die Menschen, die von den anderen Völkern<br />
stammen. So sagt es der Apostel, daß ein wilder Ölbaum eingesetzt ist in den Ölbaum, daß<br />
aber seine natürlichen Zweige ausgebrochen sind. Jene sind ausgebrochen wegen ihres<br />
Hochmutes: der wilde Ölbaum ist eingesetzt wegen seiner Schlichtheit. (Röm. 11, 17-21)<br />
Diese schlichte, demütige Haltung zeigte die Frau, als sie sagte: „Ja, Herr, ich bin ein Hund,<br />
ich wünsche mir Reste.“ Mit dieser demütigen Haltung fand auch jener Zenturio Gefallen:<br />
Als der dringend darum bat, daß sein Sohn vom Herrn behandelt werde, und der Herr sagte:<br />
„Ich werde kommen und ihn behandeln!“, antwortete jener: „Herr, ich bin nicht wert, daß du<br />
unter mein Dach eintrittst; aber sprich nur ein Wort, und mein Sohn wird geheilt werden.“ -<br />
„Ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach eintrittst.“ Er nahm ihn nicht in sein Haus auf,<br />
aber er hatte ihn in seinem Herzen aufgenommen. Je demütiger, desto reicher, desto größer<br />
die Fülle. Denn die Hügel weisen das Wasser zurück, die Täler aber werden voll. Was sagte<br />
dann, was sagte dazu der Herr, nachdem der gesagt hatte: „Ich bin nicht wert, daß du unter<br />
mein Dach trittst!“, was sagte er zu denen, die ihm folgten: „Amen ich sage euch, ich fand<br />
keinen so starken Glauben in Israel!“, das heißt: in jenem Volk, zu dem ich gekommen bin,<br />
habe ich keinen so starken Glauben gefunden. So stark - was bedeutet das? So groß. Wieso<br />
groß? Vom Kleinsten und Geringsten her, das heißt: von der demütigen Haltung her<br />
großartig. Ich fand keinen so starken Glauben: ähnlich einem Senfkorn: je winziger, desto<br />
schärfer. Der Herr also setzte schon den wilden Ölbaum in den Ölbaum ein. Damals machte<br />
er dies, als er sagte: „Amen ich sage euch, ich habe keinen so starken Glauben in Israel<br />
gefunden!“<br />
<strong>Jörg</strong> <strong>Dittmer</strong> 2002