Integration in der Praxis Nr. 20 - cisOnline
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müssen. Arbeit im Team<br />
kann als Bedrohung beruflicher<br />
und privater Identität<br />
erlebt werden. Zur geme<strong>in</strong>samen<br />
Bewältigung von<br />
Krisen und Konflikten ist<br />
allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e professionelle<br />
Unterstützung <strong>in</strong> dieser<br />
verän<strong>der</strong>ten Arbeitssituation<br />
zu erwarten.<br />
<strong>Integration</strong>sklassen scheitern<br />
meist nur vor<strong>der</strong>gründig<br />
am Grad <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des o<strong>der</strong> am auffälligen<br />
Verhalten e<strong>in</strong>er<br />
Schüler<strong>in</strong>/e<strong>in</strong>es Schülers.<br />
Bei genauerer Betrachtung<br />
zeigt sich, dass sie eher an<br />
<strong>der</strong> Art und Weise, wie Lehrer/<strong>in</strong>nen<br />
mit ihren verän<strong>der</strong>ten<br />
Rollen (nicht) zurecht<br />
kommen, zerbrechen. Die<br />
Bedeutung von Teamarbeit<br />
als Schlüsselkompetenz <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Führung von <strong>Integration</strong>sklassen<br />
wird häufig<br />
nicht erkannt. We<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />
Ausbildungssystemen<br />
(Pädagogische Akademien),<br />
noch <strong>in</strong> den Unterstützungssystemen<br />
(Pädagogische<br />
Institute, Son<strong>der</strong>pdägogische<br />
Zentren, Schulaufsicht)<br />
wird ihrer zentralen Rolle<br />
Rechnung getragen. Sie<br />
wird nicht als Kernkompetenz<br />
verstanden und daher<br />
nicht entsprechend unterstützt.<br />
Nur selten gel<strong>in</strong>gt es, die<br />
relative Offenheit <strong>in</strong> den Rollen-<br />
und Aufgabenverteilungen<br />
im Team neu zu def<strong>in</strong>ieren.<br />
Sehr häufig werden die<br />
Rollen <strong>der</strong> Regelschul- und<br />
Son<strong>der</strong>pädagog/<strong>in</strong>nen fortgeschrieben,<br />
was schon <strong>in</strong><br />
den Bezeichnungen unmissverständlich<br />
zum Ausdruck<br />
kommt: Stützlehrer/<strong>in</strong> und<br />
Regelschullehrer/<strong>in</strong>, Hauptlehrer/<strong>in</strong><br />
und Zweitlehrer/<strong>in</strong>,<br />
30<br />
richtiger Lehrer/richtige Lehrer<strong>in</strong><br />
und <strong>Integration</strong>slehrer/<strong>in</strong>,<br />
Volksschulk<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />
För<strong>der</strong>schüler/<strong>in</strong>nen. Statt<br />
die Ressourcen e<strong>in</strong>es<br />
Teams zu nützen und die<br />
Rollen offensiv zu verän<strong>der</strong>n,<br />
werden Schritte gesetzt,<br />
um die verän<strong>der</strong>te<br />
Situation wie<strong>der</strong> zurecht zu<br />
rücken bis schließlich e<strong>in</strong>e<br />
Lehrperson und e<strong>in</strong>e Gruppe<br />
von Schüler/<strong>in</strong>nen wie<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit bilden. Der<br />
„richtige“ Lehrer/die „richtige“<br />
Lehrer<strong>in</strong> mit den „richtigen“<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse<br />
und <strong>der</strong> Stützlehrer/die<br />
Stützlehrer<strong>in</strong> mit den beson<strong>der</strong>en<br />
För<strong>der</strong>bedarfsk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
im Zusatzraum. Die Volksschullehrer<strong>in</strong><br />
vorne an <strong>der</strong><br />
Tafel im Frontalunterricht<br />
mit den Volksschüler/<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>der</strong> Stützlehrer/die<br />
Stützlehrer<strong>in</strong> flüsternd am<br />
h<strong>in</strong>teren Klassenrand mit<br />
den Son<strong>der</strong>schüler/<strong>in</strong>nen.<br />
Zwei Gruppen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Klasse.<br />
Dieses Verständnis von<br />
<strong>in</strong>tegrativem Unterricht teilt<br />
den Son<strong>der</strong>pädagog/<strong>in</strong>nen<br />
die schwierigste Rolle zu.<br />
Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits zuständig<br />
für beson<strong>der</strong>e Aufgaben und<br />
sollen <strong>Integration</strong>sschüler/<strong>in</strong>nen<br />
unterstützen, jedoch<br />
nicht ausschließlich<br />
und längerfristig. Zugleich<br />
sollen sie Lehrer/Lehrer<strong>in</strong><br />
für alle Schüler/<strong>in</strong>nen se<strong>in</strong><br />
und die Kommunikation und<br />
Kooperation mit den Klassenlehrer/<strong>in</strong>nen<br />
suchen.<br />
Diese Rollenunklarheit verbunden<br />
mit e<strong>in</strong>er Vielfalt an<br />
Aufgabenstellungen verunsichert<br />
und überfor<strong>der</strong>t viele<br />
Stützlehrer/<strong>in</strong>nen, sodass<br />
sie schließlich nach e<strong>in</strong>er<br />
Zeit des Durchhaltens die<br />
Flucht aus den <strong>Integration</strong>sklassen<br />
antreten.<br />
So o<strong>der</strong> so ähnlich gestaltet<br />
sich die Teamarbeit <strong>in</strong> <strong>Integration</strong>sklassen.<br />
Immer<br />
noch. Und <strong>der</strong> Blick aller<br />
Lehrer/<strong>in</strong>nen richtet sich auf<br />
die Schüler/<strong>in</strong>nen (För<strong>der</strong>ung)<br />
und nicht auf sich<br />
selbst, das Team und die<br />
geme<strong>in</strong>same Aufgabe<br />
(Arbeit am Team). Ke<strong>in</strong><br />
Wun<strong>der</strong> also, dass Lehrer/<strong>in</strong>nen<br />
am Team <strong>in</strong> <strong>Integration</strong>sklassen<br />
scheitern,<br />
dass gerade Son<strong>der</strong>pädagog/<strong>in</strong>nen<br />
aus ihrer schwierigen<br />
Rolle als Stützlehrer/<strong>in</strong>nen<br />
(Wen stützen sie<br />
da eigentlich? Die richtigen<br />
Lehrer/<strong>in</strong>nen?) ausbrechen<br />
und sich lieber wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />
geschützten Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
eigenen Klasse mit klarer<br />
Kompetenz und Zuständigkeit<br />
zurückziehen. Die<br />
„Rückfluter“ belegen, dass<br />
<strong>Integration</strong> nicht mit allen<br />
Schüler/<strong>in</strong>nen (und Lehrer/<strong>in</strong>nen)<br />
gel<strong>in</strong>gen kann.<br />
Me<strong>in</strong>e Erfahrungen zeigen<br />
mir, dass im geme<strong>in</strong>samen<br />
Unterricht von Schüler/<strong>in</strong>nen<br />
mit und ohne son<strong>der</strong>pädagogischem<br />
För<strong>der</strong>bedarf<br />
große Chancen für die Lernund<br />
Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen<br />
liegen. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus können Lehrer/<strong>in</strong>nen<br />
durch e<strong>in</strong>e gute Kooperation<br />
und Kommunikation <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Teamarbeit e<strong>in</strong>e deutliche<br />
Verbesserung ihrer Berufsqualität<br />
erreichen. Diese<br />
Zielsetzungen verlangen<br />
aber e<strong>in</strong>en verän<strong>der</strong>ten<br />
Blick auf <strong>Integration</strong> und<br />
Teamteach<strong>in</strong>g als geme<strong>in</strong>samen<br />
Balanceakt.<br />
<strong>Integration</strong> bricht mit den<br />
genormten Rollenerwartungen<br />
an die Lehrer/<strong>in</strong>nen.