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Ausrüstung – Seeschiffe – Ruderanlagen<br />
Vom Handruder zur Rudermaschine<br />
Autor: Klaus Bösche<br />
Eine der ältesten und wichtigsten technischen Einrichtungen an Bord von Schiffen ist die Ruderanlage. Von ihrer<br />
Zuverlässigkeit hängt die Sicherheit des Schiffes, der auf ihm fahrenden Menschen und der Umwelt ab.<br />
In diesem Beitrag geht es um eine Beschreibung der gesamten Rudereinrichtung, bestehend aus<br />
- dem Ruderblatt mit Ruderschaft und Lagerung,<br />
- der Rudermaschine <strong>als</strong> auf den Ruderschaft wirkender Drehmomenterzeuger sowie<br />
- Vorrichtungen zur Steuerung und Überwachung.<br />
Einführung<br />
Mit der Rudereinrichtung wird das Schiff gesteuert. Wirksam ist dabei das Ruderblatt in Verbindung mit dem<br />
Fahrtstrom des Schiffes. Die Veränderung der Lage des Ruderblattes aus seiner Mittel- oder Null-Lage, bei der<br />
die Kiellinie des Schiffes und das Ruderblatt eine Flucht bilden, wird in Winkelgraden angegeben, der Zusatz<br />
„Backbord“ oder „Steuerbord“ sagt aus, nach welcher Seite das Ruder gelegt wird. Die Bewegung des Ruders<br />
wird mit dem Begriff „Ruderlegen“, die aktuelle Stellung mit dem Wort „Ruderlage“ bezeichnet.<br />
Das Ruderblatt ist mit dem Ruderschaft, der drehbar am Schiffskörper gelagert ist, fest verbunden. Um das<br />
Ruder zu legen und es in Position zu halten, muss eine Kraft auf den Flächenschwerpunkt des Ruderblattes<br />
wirken. Dazu ist ein Drehmoment erforderlich, das sich aus der Kraft und dem Radius Ruderschaftmitte/<br />
Ruderblatt-Flächenschwerpunkt ergibt. Die Angabe dieses Wertes nach dem alten Maßsystem in „Metertonnen“<br />
(mt) ist noch sehr verbreitet. Er bezeichnet die Leistungsgröße einer Rudermaschine.<br />
Auf einen fest mit dem Ruderschaft verbundenen Hebel wirkt die Kraft, die das für das Ruderlegen erforderliche<br />
Drehmoment erzeugt. Dieser Hebel ist die Ruderpinne, ein Bauteil, das in abgewandelter Ausführung im Prinzip<br />
Bestandteil jeder Rudermaschine ist. Bei kleinen Wasserfahrzeugen ist für das Ruderlegen die Kraft eines<br />
Menschen, direkt an der Ruderpinne eingesetzt, ausreichend. Bei größeren Schiffen wird eine mechanische Hilfe<br />
bzw. der Einsatz einer Rudermaschine erforderlich. So wurde früher die Arbeitskraft einer oder mehrerer<br />
Personen über ein Steuerrad und von dort aus über Seile, Ketten und Wellen auf die Ruderpinne übertragen.<br />
Eine weitere Entwicklungsstufe stellt die konstruktive Umgestaltung der Ruderpinne in den Ruderquadranten<br />
dar, in dessen Zahnkranz ein maschinengetriebenes Ritzel mit Rechts- und Linksdrehmöglichkeit greift. Mit<br />
diesem Schritt beginnt die Geschichte der Rudermaschinen, welche die bei der Zunahme der Schiffsgrößen und<br />
–geschwindigkeiten erforderlichen höheren Rudermomente bewältigen können und die aus Gründen der<br />
Schiffssicherheit erwünschte höhere Reaktionsgeschwindigkeit bei Rudermanövern erlauben. Entsprechende<br />
Anforderungen sind <strong>als</strong> Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften, in jüngerer Zeit auch der International<br />
Convention for the Safety of Life at Sea (Solas) oder der United States Coast Guard formuliert worden.<br />
Entspricht die Ruderanlage eines Schiffes diesen Vorgaben nicht, droht der Einzug der Fahrterlaubnis.<br />
In heutiger Zeit werden überwiegend elektro-hydraulische Ruderanlagen eingesetzt. <strong>Der</strong>en Geschichte reicht bis<br />
in das Jahr 1905 zurück, <strong>als</strong> in den USA die erste Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe mit einer Leistung von 120<br />
l/min bei einem Druck von 25 bar konstruiert wurde. 1911 baute die Firma John Hastie in Greenock dann die<br />
erste diesel-hydraulische Rudermaschine der Welt und setzte dabei eine Radialkolbenpumpe ein. 1923 lieferten<br />
die Bremer Atlas-Werke die erste elektro-hydraulische Rudermaschine deutscher Produktion. Mit Hastie und<br />
Atlas sind dann auch schon die wichtigsten europäischen Rudermaschinen-Hersteller genannt. 1930 erfolgte mit<br />
der ersten HD Axial-Schrägscheiben-Kolbenpumpe der Schritt zum Einsatz von Hochdruck-Hydraulik-Anlagen.<br />
Schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde ein Drittel der eingesetzten Rudermaschinen elektrohydraulisch<br />
betrieben, bis 1951 stieg der Anteil auf zwei Drittel. 1958 bauten die Atlas-Werke ihre letzte<br />
elektro-mechanische Anlage.<br />
Überblick zu den in den 1920er und 1930er Jahren verwendeten Rudermaschinen<br />
In den 1920er und 1930er Jahren verwendete man Rudermaschinen-Antriebe unterschiedlicher Bauart. Die<br />
Entscheidung für den Einsatz eines bestimmten Systems war abhängig vom technischen Fortschritt und von der<br />
Größe des Schiffes, für das die jeweilige Rudermaschinen vorgesehen war:<br />
- Auf kleinen Fahrzeugen blieb zunächst noch das mit Muskelkraft betätigte Steuerrad in Gebrauch.<br />
- <strong>Der</strong> Einsatz von Dampfkolbenmaschinen für die Bewegung des Ruders nahm bereits ab.<br />
- Die Verwendung elektro-mechanischer Antriebe war ebenfalls bereits rückläufig.<br />
- <strong>Der</strong> Einbau elektro-hydraulischer Systeme nahm rasch zu.
Anlagen mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb<br />
<strong>Der</strong> Dampfkolbenmaschinen-Ruderantrieb wurde auf kleineren Schiffen aus bedienungstechnischen Gründen<br />
gewöhnlich im Maschineraum angeordnet. Die Kraftübertragung auf den Ruderquadranten erfolgte durch<br />
Ketten, deren Länge leicht der des halben Schiffes entsprechen konnten, da die Maschinenräume überwiegend<br />
mittschiffs angeordnet waren. Bei größeren Schiffen und/oder Bedarf an größeren Rudermomenten mussten die<br />
kraftübertragenden Ketten sehr stark ausgeführt werden, wodurch die Führungen und Umlenkungen zu<br />
aufwändig wurden. Außerdem verursachte der Betrieb eine erhebliche Geräuschbelästigung. Um hier Abhilfe zu<br />
schaffen, wurden die Rudermaschinen statt im Hauptmaschinenraum so nahe wie möglich in der Nähe des<br />
Ruderschafts aufgestellt.<br />
Je nach Entwicklungsstand und Schiffsgröße gab es verschiedene Ausführungen der Dampfkolben-<br />
Rudermaschinen. Das erste Beispiel zeigt ein relativ einfaches System, bei dem die Dampfkolbenmaschine (A)<br />
über eine Schneckenwelle oder ein Schneckenrad eine mehrgängige Rechts-/Links-Gewindespindel (B) antreibt.<br />
Je nach Drehrichtung bewegen die von einer Wandermutter (C) ausgehenden Lenkstangen (D) das Ruderjoch<br />
(E) und somit das Ruderblatt in die gewünschte Richtung. Eine Notsteuerung per Hand ist bei Ausfall des<br />
mechanischen Antriebs über die Spindel (B) möglich.<br />
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell<br />
Das zweite Beispiel gibt den Typ einer Rudermaschine mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb wieder, wie sie um<br />
1900 bei den Atlas-Werken in Bremen gebaut wurde. Dabei treibt die Dampfkolbenmaschine (C) über eine<br />
Schneckenwelle oder ein Schneckenrad die Kettentrommeln (A) und (B) in entgegengesetzten Drehrichtungen<br />
an, so dass die Ketten (F)(G) entsprechend auf die Stellung des Ruderquadranten einwirken. Im Notfall war<br />
eine Bedienung per Hand möglich.<br />
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell
Bei Rudermaschinen mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb nach dem System Brown wurde ein Zahnkranz (A)<br />
durch Montage auf dem Deck des Rudermaschinenraums fest mit dem Schiffskörper verbunden. Ein von der<br />
Dampfkolbenmaschine – die direkt auf die Ruderpinne (C) motiert war und deren Drehbewegung <strong>als</strong>o<br />
mitmachte – getriebenes Zahnradritzel (B) griff zur Bewegung des Ruders in den Zahnkranz ein. Für den Notfall<br />
war eine Reserve-Dampfkolbenmaschine (E) vorgesehen.<br />
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell<br />
Schließlich soll <strong>als</strong> letzte von einer Dampfkolbenmaschine angetriebene Rudermaschine die Anlage vorgestellt<br />
werden, die auf dem Schnelldampfer IMPERATOR der Hamburg-Amerika Linie installiert und wiederum von den<br />
Atlas-Werken in Bremen im Jahre 1911 gebaut wurde. Zwei Dampfkolbenmaschinen trieben dabei über rechtsbzw.<br />
linksgängige Schneckenwellen die Schneckenräder (A)(B). Auf der Achse des Schneckenrades (A) war<br />
zugleich auch das Stirnrad (C) angeordnet, das direkt in den Ruderquadranten eingriff. Schraubenfedern (H)
wirkten dämpfend auf Schläge der See gegen das Ruderblatt. <strong>Der</strong> Quadrant-Radius dieser entsprechend der<br />
Größe des Schiffes dimensionierten Anlage betrug 4,5 m.<br />
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell<br />
Elektro-hydraulische Systeme<br />
Bei den elektro-hydraulischen Systemen wird grundsätzlich zwischen Tauchkolben- und Rotations-<br />
Rudermaschinen unterschieden. Nach dem Tauchkolben-Prinzip arbeiten die Parallelkolben- und Linearkolben-,<br />
nach dem Rotationsprinzip die Drehflügel- und Drehkolben-Rudermaschinen.
Bei der Parallelkolben-Rudermaschine wirken die Kolben der beiden parallel angeordneten Zylinder auf je einen<br />
Arm der Ruderpinne. Das Gehäuse ist mit dem Schiffskörper über gummi-elastische Lager verbunden. <strong>Der</strong><br />
Vorteil dieser Anlagen ist vor allem in ihrem geringen Raumbedarf zu sehen, ihre Leistungsfähigkeit reichte bis<br />
ca. 5 mt.<br />
Zeichnung: ??<br />
Lineare Tauchkolben-Rudermaschinen werden <strong>als</strong> Zwei- oder Vierzylindermaschinen ausgeführt und decken das<br />
gesamte Leistungsspektrum ab. In den linear angeordneten Zylindern arbeitet je ein Kolben, der auch <strong>als</strong><br />
Plunger bezeichnet wird. Die Kolben sind durch ein kreuzkopfähnliches Plunger-Mittelstück miteinander<br />
verbunden. In den Kreuzkopf greift der Zapfen der Ruderpinne, die den Ruderschaft dreht. Bei den<br />
Vierzylindermaschinen ist eine zweite lineare Zweizylindermaschine parallel zur ersten angeordnet. Die<br />
Ruderpinne ist in diesem Fall mit einem zweiten Zapfen versehen. Ruderpinnen mit zwei gegeüberliegenden<br />
Zapfen werden auch <strong>als</strong> Ruderjoch bezeichnet. Ein Vorteil der hydraulischen Tauchkolben-Rudermaschine mit<br />
vier Zylindern liegt darin, dass bei Ausfall eines Zylinderpaares mit dem verbleibenden noch ein Notbetrieb<br />
aufrecht erhalten werden kann, der immerhin noch eine siebzigprozentige Ausnutzung der möglichen<br />
Schiffsgeschwindigkeit zulässt. Somit ist die Forderung der Klassifikationsgesellschaften nach einer<br />
Notsteuereinrichtung durch das zweite Zylinderpaar mit eigenem, separatem Pumpenaggregat bereits erfüllt.<br />
Lineare hydraulische Tauchkolben-Rudermaschine mit zwei Zylindern. Zeichnung:??
Lineare hydraulische Tauchkolben-Rudermaschine mit vier Zylindern. Zeichnung:??<br />
Zu den hydraulischen Rudermaschinen zählen unter dem schon oben genannten Oberbegriff der Rotations-<br />
Rudermaschinen die Drehflügel- und Drehkolben-Rudermaschinen. In den 1920er und 1930er Jahren gab es<br />
diese noch nicht, weshalb sie hier nur der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden.<br />
Die Drehflügel- haben sich im Vergleich zu den Drehkolben-Ruderanlagen durchgesetzt und sind weit verbreitet.<br />
Bei diesen wurde die Ruderpinne konstruktiv zu einer Nabe umgestaltet, auf deren Umfang zwei oder mehrere<br />
Drehflügel angeordnet sind. Wie die Ruderpinne ist die Nabe durch eine Keilverbindung o. ä. mit dem<br />
Ruderschaft verbunden. Die Drehflügel bewegen sich in einem ringförmigen Gehäuse, das entsprechend der<br />
Anzahl der Flügel in mehrere Kammern unterteilt ist. Wird mittels Öl Druck auf die eine oder andere Seite eines<br />
Drehflügels ausgeübt, macht dieser eine Drehbewegung und mit ihm auch der Ruderschaft. Die Abdichtung der<br />
sich gegeneinander bewegenden Bauteile - Gehäuse, Drehflügel und Nabe, Gehäuse – wird durch Lamellen<br />
oder andere Dichtungssysteme erzeugt. Das Gehäuse wird von einer Rahmenkonstruktion aufgenommen, die<br />
über gummi-elastische Lager fest mit dem Schiffskörper verbunden ist.<br />
<strong>Der</strong> Vorteil der Rotations-Rudermaschine liegt darin, dass die Umwandlung der Linearbewegung durch den<br />
Kolben oder Plunger über ein Kreuzkopfteil in eine Drehbewegung entfällt, wodurch es zu einer erheblichen<br />
Verringerung des Platzbedarfs kommt. Nachteilig ist, dass der Fertigungsaufwand gegenüber der Tauchkolben-<br />
Rudermaschine erheblich höher ist. Da aber der Fertigungsaufwand für die Drehkolben-Variante noch<br />
anspruchsvoller ist, hat sich das System der Drehflügel-Rudermaschine durchgesetzt.<br />
Quellen und Literatur<br />
- Sammlung Jürgen Taggesell<br />
- Hans Gillmann u. a.: Im Zeichen des Propellers: 1902-1911 Norddeutsche Armaturen und Maschinenfabrik;<br />
1911-1945 Atlas-Werke Aktiengesellschaft. Bremen 1993<br />
- Emil Ludwig und Kurt Illies: Handbuch für Schiffsingenieure und Seemaschinisten. Braunschweig 1958<br />
- Wolfgang Waldhaus: Rudermaschinen von Hatlapa. In: Hansa – International Maritime Journal, 139. Jg.,<br />
2002, Heft 3, S. 24-25