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Navigation<br />

Navigationstechnik für deutsche Handelsschiffe, 1918 – 1939<br />

Autor: Dr. Harald Pinl<br />

Beschrieben wird das technische Angebot für die Navigation in den Jahren zwischen den Weltkriegen. Anders <strong>als</strong> beim<br />

Seefunk mit der DEBEG gab es keine Betriebs-Organisation, die die deutschen Handelsschiffe zentral mit nautischem Gerät<br />

ausrüstete. Die Nutzung des Angebotes, charakterisiert durch Kreiselkompass, Echolot und Funknavigation, blieb so<br />

den Vorstellungen und Möglichkeiten des jeweiligen Schiffseigners überlassen.<br />

Am Ende des Ersten Weltkrieges wurde allgemein Koppelnavigation mit Seekarte und Kursdreieck betrieben, unterstützt<br />

durch Magnetkompass, Chronometer, Sextanten, Loggen und Lotungen. Als erstes Handelsschiff war 1913 der Schnelldampfer<br />

IMPERATOR mit einem Kreiselkompass von Anschütz ausgerüstet worden. Seit 1915 stand der Dreikreisel-Kompass<br />

zur Verfügung und obwohl dieser gegenüber dem Einkreiselkompass einen gewaltigen Schritt nach vorn darstellte und <strong>als</strong><br />

der beste Kompass seiner Zeit galt, störten einige Mängel. In langjähriger Arbeit konnte Anschütz 1928 eine dritte und<br />

deutlich verbesserte Version auf den Markt bringen, den Kugelkompass. Eine Kugel mit Gradeinteilung, in der zwei Kreisel<br />

untergebracht waren, wurde von einer Spule im Innern der Kugel (Blasspule) frei schwebend in einer Flüssigkeit gehalten.<br />

Die Empfindlichkeit gegenüber Erschütterungen und der Schleppfehler waren damit weitgehendst vermieden und die<br />

Wartung deutlich vereinfacht.<br />

Auch die Peripherie von Kompassen wurde weiter entwickelt. Für einen "ferngesteuerten" Kompass ließ C. Plath 1935<br />

die Mutterrose optisch abtasten und elektrisch übertragen (photoelektrischer Abgriff). Die AEG stellte in den 30ern <strong>als</strong><br />

Tochtergeräte ihren "Phasenkompass", bald danach den "Strahlenkompass" her.<br />

Doch auch beim Magnetkompass selbst ging die Entwicklung weiter. 1938 stellten C. Plath und W. Ludolph neue Fluidkompasse<br />

mit verstärkten magnetischen Momenten und Deviations-Korrektion vor, die sich auch für stark vibrierende<br />

Fahrzeuge wie Motorschiffe eigneten. In diesen Jahren bürgerte sich mehr und mehr die 360 Grad-Rose ein und trug zur<br />

Vereinheitlichung der Navigation bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Kreiselkompass auf fast allen größeren Handelsschiffen<br />

zu finden, doch nach wie vor blieb der kompensierte Magnetkompass zur Sicherheit des Navigierens bei Ausfall<br />

des elektrischen Stromes an Bord.<br />

1920 wurde ein neues Gerät gebrauchsfertig, das auf dem Kreiselkompass basierte und rasch angenommen wurde: Max<br />

Schuler entwickelte den Autopiloten, eine Selbststeueranlage, die von Anschütz unter der Marke "Selbststeuer" gebaut<br />

und vertrieben wurde. Mit dem "Eisernen Rudergänger" wurde das Brückenpersonal von eintöniger Arbeit entlastet und<br />

konnte so ökonomischer eingesetzt werden.<br />

1921 verbesserte Anschütz die Vorrichtung zum Aufzeichnen und Ablesen des Schiffsweges am Koppeltisch. Um die<br />

Schauseite von Geräten frei zu halten, wurde nicht mehr von oben oder vorn, sondern von unten oder hinten gezeichnet –<br />

oder mit einem Lichtstrahl der Weg angezeigt. 1933 bot Anschütz einen Koppeltisch mit Kursschreiber an, der die Werte<br />

einer Fahrtmessanlage verarbeitete und daher zunächst nur für umfangreicher ausgerüstete, größere Fahrzeuge in Frage<br />

kam.<br />

Weiter verbreitet dagegen war es, die Fahrt des Schiffes mit dem Patentlog zu messen, bei dem die Umdrehungen einer<br />

an einer Leine nachgeschleppten Mess-Schraube gezählt und auf einer Loguhr die Fahrt durchs Wasser und die zurückgelegten<br />

Seemeilen angezeigt wurden. Mit einem kleinen Propeller arbeiteten auch die Logge von Forbes oder Chernikeeff.<br />

Mehrfach wurde versucht, diese etwas umständlichen und in der Wartung aufwändigen Geräte durch mehr Automatik zu<br />

ersetzen. 1927 fand auf der BREMEN ein von Prof. Dr. Hermann Lerbs entwickelter Staudruckmesser seine erste Anwendung.<br />

Das Staudrucklog wurde dann zu Fahrtmessanlagen fortentwickelt, die am Bug (Stevenlog) oder im Schiffsboden<br />

eingebaut wurden, wie Impeller, Bodenlog, Rohrlog, Navigator- und Sal-Logge. Hydraulisch-elektrische Fahrtmessanlagen<br />

(Gelag, Kempff-Logge) und "elektrisches" Schiffs-Log gaben die Messergebnisse auf elektrischem Wege zur Anzeige direkt<br />

ins Kartenhaus. Auch kam ein "EM-Log" in Gebrauch, das die Änderungen des elektromagnetischen Feldes bei der Bewegung<br />

einer Zylinderspule (Solenoid) durchs Wasser misst. Am gebräuchlichsten blieb jedoch die Bestimmung der Geschwindigkeit<br />

nach der Umdrehungszahl der Schiffswelle. Fahrttabellen, durch Meilenfahrten gewonnen und bei jeder<br />

günstigen Gelegenheit überprüft und verbessert, und die Fernanzeige der Wellenumdrehungen in Kartenhaus und Brücke<br />

ließen den Nautiker die jeweilige Fahrt bequem feststellen. Zwar wurde schon 1920 das Patent auf ein Dopplerlog, das<br />

die Phasenunterschiede eines am Meeresboden reflektierten Schallimpulses bei der Bewegung eines Fahrzeuges misst, für<br />

Schiffe erteilt, aber es dauerte noch bis 1955, bis ein an Bord verwendbares Gerät entwickelt war.<br />

Um die Wassertiefe festzustellen, war in den 20er Jahren der Lotwurf mit Lotkörpern von 10 Pfund Gewicht und mit einer<br />

Leine von 25 Faden durchaus noch üblich. Auf größeren Handelsschiffen war die Thomsonsche Lotmaschine zu finden, die<br />

vom Heck einen Draht abspulte und bis zu einer Fahrt von 11 kn und für Wassertiefen bis zu 200 m eingesetzt werden<br />

konnte. Diese personal- und zeitaufwändigen Lotvorrichtungen wurden in den 20er Jahren zunächst durch das Falllot,<br />

Frei-Lot oder Electrolot abgelöst. Ein Sprengkörper wurde ins Wasser geworfen, die Detonation beim Aufschlagen auf dem<br />

Meeresboden mit einem Unterwasserschall-Empfänger registriert, und daraus die Tiefe berechnet und elektrisch weitergemeldet.<br />

Bereits 1912 hatte Alexander Behm ein erstes brauchbares Echolot mit einem "Schlagsender" entwickelt, bei<br />

dem die Laufzeit eines Schallimpulses zwischen Schiffsboden und Meeresgrund mit einem Mikrophon gemessen wurde. Ab<br />

1921 war das Behm-Lot mit Knallpatrone zwar auch für große Wassertiefen über 200 m verwendbar, aber der Durchbruch<br />

kam erst danach mit der Verwendung von Membranen und Ultraschallwellen. Damit konnten die Schallimpulse stärker<br />

gebündelt werden und beim Empfang verbesserte sich das Verhältnis von Nutz- zu Störsignalen deutlich. Von der Hochseefischerei<br />

wurde das Schalllot erstmalig 1926 unter Island ausprobiert. Das Ergebnis war so hervorragend, dass das<br />

Echolot eine rasche Verbreitung in der Fischdampfer- und Loggerflotte fand und das mühsame und zeitraubende Anloten<br />

der Fangplätze mit dem schweren Bleilot bald der Vergangenheit angehörte. Ab 1931 fand man das Echolot mehr und<br />

mehr auch auf den anderen deutschen Schiffen. Bei Membransendern und -empfängern wurde entweder der<br />

1


Werbung für Falllote. Aus: Hansa,<br />

72. Jg., Nr. 1, 5. Januar 1935, S. 58<br />

piezoelektrische Effekt von Quarzkristallen oder die Magnetisierung von gepackten Nickelblechen zur Schallwandlung genutzt.<br />

1934 hatten die Atlas-Werke in Bremen ihren "Fathometer" durch ein "Hochperioden-Echolot" mit Magnetostriktions-Schwingern<br />

an Stelle von Schlagsender und Mikorophonempfänger ersetzt und bereits auf mehreren hundert Schiffen<br />

eingebaut. <strong>Der</strong> "Navigationstyp" reichte dabei bis 500 m Wassertiefe. Für Vermessungen, wie sie der Peildampfer NORD<br />

der Wasserstraßendirektion Bremen durchführte, konnte mit dem "Peilbootstyp" die Wassertiefe mit 15 Lotungen pro<br />

Sekunde bis zu 50 m Tiefe auf 10 cm genau "gepeilt" werden. Zusätzliche Registriereinrichtungen führten zu Lichtzeigeranzeigen,<br />

Lotschreibern oder Echographen, die <strong>als</strong> graphisch registrierende Echolote die Aufzeichnung des Profiles<br />

des Meeresbodens erlaubten. Damit wurden bald die Tiefenangaben früherer Einzellotungen in den Seekarten ersetzt und<br />

zunehmend flächendeckend ausgeweitet. Doch für Fischereizwecke, mit auch seitlichen Messungen, war der Echograph <strong>als</strong><br />

"Fischlupe" erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzbar.<br />

Behm-Echolot an Bord eines Dampfers, um 1920.<br />

Abbildung aus: Schiffbau, 23. Jg., Nr. 25/26, 22./29. März 1922, S. 784<br />

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden bei Nebel von Hafeneinfahrten oder Feuerschiffen Unterwasserschall-<br />

Signale mit Glocken oder später über Membranen ausgesendet. An jeder Seite des Richtung suchenden Schiffes befand<br />

sich vorne ein Unterwasser-Mikrofon und auf der Brücke ein Hörgerät, das wahlweise auf die beiden Empfangs-Mikrofone<br />

geschaltet werden konnte. Das Schiff wurde solange gedreht, bis man die Signale gleich stark hörte und damit den Sender<br />

2


in Vorauspeilung hatte. Das Feuerschiff BORKUMRIFF konnte telegraphische Funksignale und Unterwasser-Schallsignale<br />

kombiniert abgeben. Aus den Laufzeitunterschieden ließ sich damit beim Empfänger nicht nur die Richtung, sondern auch<br />

die Entfernung ermitteln.<br />

Atlas-Abhörgerät für Unterwasserschallsignale.<br />

Aus: Schiffbau, 26. Jg., Nr. 8, 22. April 1925, S. 252<br />

Seit 1910 erlaubten es über Funk ausgestrahlte drahtlose Zeitsignale, die Schiffs-Chronometer genau einzustellen. Zu<br />

einem der hilfsreichsten Instrumente zur Ortsbestimmung außer Sichtweite von Landmarken und bei unsichtigem Wetter<br />

wurde die Funknavigation. Ab 1925 wurde auf deutschen Handelsschiffen der Funkpeiler eingeführt und ringförmige,<br />

drehbare Peilrahmen tauchten an den Masten oder über den Brückenhäusern auf. Mit ihnen ließen sich Funkfeuer (Feuerschiffe),<br />

Drehfunkfeuer (Cleve, Tondern seit 1917) oder einfach Küstenfunkstellen wie Norddeich-Radio zur Bestimmung<br />

des eigenen Standortes einpeilen. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg waren "Minimum-Peiler" (Telefunken E 374 N) mit<br />

metallgeschirmtem Drehrahmen auf fast allen größeren deutschen Handelsschiffen zu finden. Nach dem Krieg wurde der<br />

drehbare Peilrahmen durch Goniometer-Anlagen mit feststehenden Kreuzrahmenpeilern abgelöst (Telegon).<br />

Ab April 1926 verbreitete die Deutsche Seewarte auf dem Funkwege Wetterkarten. <strong>Der</strong> Dampfer WESTPHALIA war der<br />

erste, auf dem sich die Schiffsführung auf der Fahrt nach New York aus Telegraphie-Signalen eine solche "drahtlose Ozeanwetterkarte"<br />

zusammensetzen konnte. Hauptsächlich wurde jedoch der Rundfunkempfang für spezielle Seewetterberichte<br />

mit einem "Wetterschlüssel" genutzt. Damit war es möglich, eine Wetterkarte an Bord selbst zu zeichnen und eine<br />

eigene Vorhersage zu treffen. Es dauerte dann noch über 20 Jahre, bis in Faksimile übermittelte Karten von "Wetterschreibern"<br />

gezeichnet werden konnten.<br />

In den 20er Jahren wurde beobachtet, dass Flugzeuge kurze Wellenlängen reflektieren und es begann die Entwicklung des<br />

Radars, für die Seefahrt 1935 zunächst in Form eines Eiswarngeräts für das französische Fahrgastschiff NORMANDIE genutzt.<br />

Als Navigationshilfe wurden Radargeräte aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg üblich.<br />

Zwischen den Weltkriegen nahm <strong>als</strong>o das technische Instrumentarium für die Ortsbestimmung auf See zu und verbesserte<br />

die Koppelnavigation merklich. Die genauesten Ortsbestimmungen auf hoher See blieben jedoch noch nach wie vor die<br />

astronomischen, <strong>als</strong>o die mit dem Sextanten.<br />

Schrifttum<br />

BARTH, Sabine: <strong>Der</strong> piezoelektrische Effekt in der Unterwasserschall- und Nachrichtentechnik in historischer Entwicklung.<br />

München, Univ., Diss., 1998<br />

BERGER, Martin: Hundert Jahre Technische Navigation. In: Schroedter, Paul: 100 Jahre Schiffahrt – Schiffbau - Häfen :<br />

Hansa 1864 – 1964. Hamburg : Schroedter, 1964, S. 191-201<br />

BLUDAU, Dietrich: Anschütz & Co. 1905-1955: Das älteste Kreiselkompasswerk der Welt. Kiel : Anschütz, 1955<br />

BRETTHOFER, W.: Die Bedeutung der nautischen Hilfsmittel in der Hochseefischerei. In: Hansa 76 (1939) 17, S. 848-850<br />

FREIESLEBEN, Hans-Christian: Geschichte der Navigation. 2. Aufl. Wiesbaden : Steiner, 1978<br />

HALPAAP, Rainer; TJARDTS, Jan Peter: Die Geschichte der Navigation : Chronologie von den Seefahrern zu den Raumfahrern.<br />

Wilhelmshaven : Brune, 1997<br />

KRAUSS, J.: Die Unterwasserschallsignale und ihre Bedeutung für die Navigation. In: Annalen der Hydrographie 48<br />

(1920), S, 18-31<br />

KRUEGER, Alb. G.: Fortschritte auf dem Gebiet des Unterwasserschall-Signalwesens. In: Schiffbau 26 (1925), S. 250-255,<br />

283-286<br />

LANGE: Moderne nautisch-technische Geräte im Dienste der Kriegs- und Handelsmarine. In: Hansa 72 (1935), S. 903-906<br />

POHL, Friedrich-Wilhelm: Die Geschichte der Navigation. 2. Aufl. Hamburg : Koehlers, 2004<br />

SCHULZ, B.: Geschichte der Entwicklung des Echolotes. In: Annalen der Hydrographie 52 (1924), S. 254-300<br />

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