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Romant isches Er zgebir ge<br />

An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte<br />

Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf, Jahnsbach, Thum, Herold,<br />

Spinnerei, Gelenau, Wilischthal, Zschopau<br />

Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse,<br />

Novalis und Rilke<br />

2011


Spazier r eise a n <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang Jahr a us Jahr E in<br />

Eine Spazierreise an <strong>de</strong>r Wilisch entlang, zu Fuß o<strong>de</strong>r per Rad, ist sowohl<br />

ein beeindrucken<strong>de</strong>s Natur-Erlebnis durch eine malerische und abwechslungsreiche<br />

Flusslandschaft, die in Harmonie mit schmalen und weiten Tälern,<br />

steil aufsteigen<strong>de</strong>n Höhen und felsigen, bewal<strong>de</strong>ten Bergen steht, als auch<br />

eine spannen<strong>de</strong> und lehrreiche Ent<strong>de</strong>ckungsreise in das Leben und Tun <strong>de</strong>r<br />

Menschen an <strong>de</strong>r Wilisch, in ihre Geschichte und Kultur - einst und jetzt. In<br />

Bild und Wort versucht <strong>de</strong>r Wandkalen<strong>de</strong>r AN DER WILISCH ENTLANG<br />

bei<strong>de</strong>s einzufangen – das unauflöslich verwobene Natur- und Kulturerlebnis,<br />

bereichert durch Gedichte von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke.<br />

Von Anbeginn je<strong>de</strong>r menschlichen Zivilisation haben die Menschen meistens<br />

dort gesie<strong>de</strong>lt, wo es Wasser in Gestalt von Bächen und Flüssen gab.<br />

Aus lebenssichern<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n. Die Siedlungen, die Dörfer, später die Städte<br />

sind ohne Bäche und Flüsse nicht <strong>de</strong>nkbar. Deshalb verwun<strong>de</strong>rt es nicht,<br />

dass entlang <strong>de</strong>r Wilisch Menschen im Zuge <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ostexpansion (zirka<br />

10. bis <strong>13</strong>. Jahrhun<strong>de</strong>rt) das waldreiche unwirtliche Land ro<strong>de</strong>n, sesshaft<br />

wer<strong>de</strong>n und so Dörfer entstehen. Die Orte entlang <strong>de</strong>r Wilisch schauen auf<br />

eine lange Geschichte zurück. Der Fluss, gelegen in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Erzgebirges<br />

und das Land von Sü<strong>de</strong>n nach Nordost durchziehend, ist we<strong>de</strong>r breit noch<br />

lang. Die Wilisch entspringt in <strong>de</strong>n Höhen <strong>de</strong>r Orte Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

Januar) und Jahnsbach (Kalen<strong>de</strong>rblatt Februar), die zum Greifensteingebiet<br />

(Greifensteine, 732 Meter hoch) gehören. Er mäan<strong>de</strong>rt durch sehenswerte<br />

Erzgebirgsorte, durchfließt pittoreske Steinbrücken, vereinigt sich<br />

mit <strong>de</strong>m Jahnsbach vor <strong>de</strong>m Ort Herold (manche sprechen auch einfach von<br />

zwei Quellarmen <strong>de</strong>r Wilisch) und mün<strong>de</strong>t nach knapp 18 Kilometern in<br />

die Zschopau bei Wilischthal. Vom Quellgebiet bis zur Mündung beträgt<br />

das Längsgefälle <strong>de</strong>r Wilisch zirka 310 Meter. Ihr breitestes Tal mit einer romantischen<br />

Auenlandschaft liegt beim Ort Gelenau. Neben Fichten stehen<br />

und wachsen an <strong>de</strong>r Wilisch Laubwäl<strong>de</strong>r – vor allem Buchen, Eichen, Birken,<br />

Lin<strong>de</strong>n und Ahornbäume. Die Wasserkraft nutzend haben einst an <strong>de</strong>r Wilisch<br />

prachtvolle Mühlen gestan<strong>de</strong>n. Spuren von Kalköfen belegen, dass in<br />

Flussnähe einst Kalkstein gewonnen und gebrannt wor<strong>de</strong>n ist. Vor allem im<br />

Zuge <strong>de</strong>r Industriealisierung vom 19. zum 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt entstehen an <strong>de</strong>r<br />

Wilisch große Fabriken <strong>de</strong>r Textil- und Papierbranche, zu <strong>de</strong>ren Entwicklung<br />

auch die Schmalspurbahn zwischen Thum und Wilischthal (1886 bis 1972)<br />

beigetragen hat. Heute verläuft hier über weite Strecken ein reizvoller Wan<strong>de</strong>rweg<br />

– direkt an <strong>de</strong>r Wilisch entlang.<br />

Frühling wird es an <strong>de</strong>r Wilisch Spätsommer an <strong>de</strong>r Wilisch-Mündung Herbst an <strong>de</strong>r Wilisch<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Ohne Schrittschuh und Schellengeläut<br />

Ist <strong>de</strong>r Januar ein böses Heut.<br />

Ohne Fastnachtstanz und Mummenspiel<br />

Ist am Februar auch nicht viel.<br />

Willst du <strong>de</strong>n März nicht ganz verlieren<br />

So laß nicht in April dich führen.<br />

Den ersten April mußt überstehn<br />

Dann kann dir manches Guts geschehn.<br />

Und weiterhin im Mai, wenn’s glückt,<br />

Hat dich wie<strong>de</strong>r ein Mädchen berückt.<br />

Und das beschäftigt dich so sehr,<br />

Zählst Tage, Wochen und Mon<strong>de</strong> nicht mehr.<br />

Goethe<br />

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Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf im Winter – Blick zum Sauberg und auf <strong>de</strong>n Ort


An <strong>de</strong>r Q uel l e <strong>de</strong>r Wil isch<br />

Auf <strong>de</strong>n Höhen im Osten von Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf beginnt die Wilisch, gespeist<br />

durch unendlich viele kleine Riesel, ihren schnellen Lauf ins Tal <strong>de</strong>s<br />

Ortes – als schmales, quellfrisches und lebhaft spru<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s Bächlein, das selbst<br />

bei strengsten Frösten nicht zufriert.<br />

Die Stadt Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf, im Jahr <strong>13</strong>39 erstmals urkundlich erwähnt, zählt<br />

über 5 000 Einwohner; sie liegt zirka eine halbe Stun<strong>de</strong> Autofahrt von Chemnitz<br />

und kaum 10 Kilometer von Annaberg entfernt. Sie versteht sich als Bergund<br />

Greifensteinstadt. Und das zu Recht. So ziehen sich ihre Häuser auf einer<br />

Höhe von 600 bis 700 Meter vom Tal bis auf die Berge hinauf. Die sagenumwobenen<br />

Greifen-Steine, eine imposante Granit-Felsenformation, erreichen<br />

eine Höhe bis zu 732 Metern. Steigt man hier auf <strong>de</strong>n Aussichtsfelsen hinauf,<br />

<strong>de</strong>r einst eine Burg getragen haben soll, ergeben sich reizvolle Ausblicke auf<br />

Täler und Höhen <strong>de</strong>s Erzgebirges – bei guter Fernsicht beispielsweise bis zu<br />

<strong>de</strong>n drei hohen Bergen <strong>de</strong>s Ober-Erzgebirges: zum Pöhlberg (832 Meter hoch,<br />

Annaberg), zum Bärenstein (898 Meter hoch, Bärenstein) o<strong>de</strong>r zum Fichtelberg<br />

(1 215 Meter hoch, Oberwiesenthal). Der Wan<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r durstig, hungrig<br />

und vielleicht auch mü<strong>de</strong> die Greifensteine erreicht, kann sich im Berghotel<br />

stärken o<strong>de</strong>r sich auch zur Ruhe betten, um neue Kräfte zu sammeln. Kommt<br />

man in <strong>de</strong>n Sommer-Monaten, sollte man schauen, ob es nicht eine Theateraufführung<br />

auf <strong>de</strong>r Natur-Bühne <strong>de</strong>s einzigartigen Greifenstein-Naturtheaters<br />

mit seinen zirka 1 200 Sitzplätzen gibt. Vielleicht hat man ja beson<strong>de</strong>res Glück<br />

und die Geschichte um Karl Stülpner, <strong>de</strong>m legendären Robin Hood <strong>de</strong>s Erzgebirges,<br />

<strong>de</strong>ssen Spuren auch auf <strong>de</strong>n Greifensteinen zu fin<strong>de</strong>n sind, wird aufgeführt.<br />

Wan<strong>de</strong>rt man von <strong>de</strong>n Greifensteinen hinunter ins Tal von Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf,<br />

so nimmt man beim Blick nach Osten <strong>de</strong>n Sauberg mit Anwesen und<br />

För<strong>de</strong>rturm <strong>de</strong>s einstigen Bergwerkes wahr, das wie eine Burg über <strong>de</strong>n Ort<br />

thront (Kalen<strong>de</strong>rblatt Januar). Wer Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf, seine Geschichte und<br />

Gegenwart verstehen will, muss sich mit <strong>de</strong>m Erzbergbau auf <strong>de</strong>m Sauberg beschäftigen,<br />

<strong>de</strong>ssen Anfänge bis ins <strong>13</strong>. / 14 Jahrhun<strong>de</strong>rt zurückreichen. Obwohl<br />

nach einer langen und wechselvollen Geschichte 1990 das letzte Erz auf <strong>de</strong>m<br />

Sauberg geför<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist, lebt seine Geschichte als anschauliches und beeindrucken<strong>de</strong>s<br />

Besucher-Bergwerk, als eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> touristische Attraktion<br />

<strong>de</strong>r Stadt weiter. Deshalb verläuft die zirka 140 Kilometer lange Silberstraße<br />

Sachsens durch Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf.<br />

Fließe, fließe, lieber Fluß,<br />

Nimmer werd` ich froh,<br />

So verrauschte Scherz und Kuß,<br />

Und die Treue so.<br />

Rausche, Fluß, das Tal entlang,<br />

Ohne Rast und Ruh,<br />

Rausche, flüstre meinem Sang<br />

Melodien zu!<br />

Wenn du in <strong>de</strong>r Winternacht<br />

Wütend überschwillst<br />

O<strong>de</strong>r um die Frühlingspracht<br />

Junger Knospen quillst<br />

Im Quell-Gebiet <strong>de</strong>r Wilisch von Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf – Pension Sommerfrische Greifensteine – Freilichtbühne Blick bis zum Pöhlberg – von Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf aus<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

An <strong>de</strong>n Mond<br />

Goethe<br />

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Prachtvolle Kirche in Jahnsbach – von <strong>de</strong>n Greifensteinen aus gesehen


Ein Bach, ein Or t Fer n in Ost en ...<br />

Läuft <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rer von <strong>de</strong>n Greifensteinen in Richtung Nor<strong>de</strong>n, so steht<br />

er schon bald im Quellgebiet <strong>de</strong>s Jahnsbaches, für manche einfach <strong>de</strong>r<br />

westliche Quell-Arm <strong>de</strong>r Wilisch. Der Bach fließt durch das gleichnamige,<br />

zu bei<strong>de</strong>n Seiten von ihm sich weit auseinan<strong>de</strong>r ziehen<strong>de</strong> Dorf, das bereits<br />

im 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt als Waldhufendorf entstan<strong>de</strong>n ist, Mitte <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird und von 1551 bis 1764<br />

zum Rittergut Gelenau (Kalen<strong>de</strong>rblatt Juli) gehört. Auch in Jahnsbach ist <strong>de</strong>r<br />

Erz-Bergbau bis ins 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein nicht unbe<strong>de</strong>utend, was durch<br />

das Bergrecht <strong>de</strong>s Ortes belegt ist. Die Holzbearbeitung, das kunstvolle Posamentier-Handwerk<br />

und später die Strumpfwirkerei mit vielen Kleinbetrieben<br />

folgen. Mit <strong>de</strong>m am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts beginnen<strong>de</strong>n Industrie-Zeitalter<br />

entwickelt sich Jahnsbach zu einem Industriedorf – mit einem für <strong>de</strong>n<br />

Güter- und Personenverkehr wichtigen Anschluss an die Schmalspurbahn auf<br />

<strong>de</strong>r Strecke Thum – Meinersdorf, die bis En<strong>de</strong> 1975 existiert hat. Ansehnliche,<br />

die Phantasie for<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Spuren ent<strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>r aufmerksam Suchen<strong>de</strong> an<br />

nicht wenigen Stellen <strong>de</strong>s Ortes. Seit 1999 gehört das Dorf mit seinen zirka<br />

1 500 Einwohnern, das möglicherweise einst <strong>de</strong>r älteste Teil Thums (Kalen-<br />

<strong>de</strong>rblatt März) gewesen ist, (wie<strong>de</strong>r) zur Stadt Thum. Vom Ort Jahnsbach<br />

fließt <strong>de</strong>r Jahnsbach im Tal durch Thum und mäan<strong>de</strong>rt, die Stadt hinter sich<br />

lassend, eilig in Richtung Nordost, wo er dann vor <strong>de</strong>m Ort Herold in die<br />

Wilisch mün<strong>de</strong>t (Kalen<strong>de</strong>rblatt März, Rückseite) und sich freudig rauschend<br />

mit ihr vereint.<br />

Schaut man von <strong>de</strong>n Greifensteinen hinab ins enge Jahnsbacher Tal, so wird<br />

man durch <strong>de</strong>n majestätischen Anblick <strong>de</strong>r mächtigen Dorf-Kirche mit ihren<br />

hohen und spitzen Zwillingstürmen, die <strong>de</strong>n vor allem in Schiefer geklei<strong>de</strong>ten<br />

Ort weit überragen, reich belohnt. Man verweilt, staunt und genießt <strong>de</strong>n<br />

Blick auf dieses Bauwerk – im Winter oft verzaubert durch eine tief verschneite<br />

Landschaft (Kalen<strong>de</strong>rblatt Februar). Die relativ junge Kreuz-Kirche, 1904<br />

bis 1905 erbaut, ist ein Jugendstilbau mit gewaltiger und steiler Freitreppe<br />

(Kalen<strong>de</strong>rblatt Februar, Rückseite). Der Kirchen-Innenraum ist durch das<br />

prachtvolle Altarbild Die Anbetung <strong>de</strong>r Weisen von <strong>de</strong>m in Burkhardtsdorf geborenen<br />

Maler Osmar Schindler (1867 bis 1927) und durch die hörens- und<br />

sehenswerte Orgel <strong>de</strong>r berühmten Orgelbauer Jehmlich künstlerisch beeindruckend<br />

gestaltet.<br />

Blick auf <strong>de</strong>n Ort Jahnsbach – im Tal fließt <strong>de</strong>r Jahnsbach Freitreppe <strong>de</strong>r Jahnsbacher Kirche Berghaus Greifensteine<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Fern in Osten wird es helle,<br />

Graue Zeiten wer<strong>de</strong>n jung;<br />

Aus <strong>de</strong>r lichten Farbenquelle,<br />

Einen langen tiefen Trunk!<br />

Alter Sehnsucht heilige Gewährung,<br />

Süßer Lieb’ in göttlicher Verklärung.<br />

Endlich kommt zur Er<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>r<br />

Aller Himmel sel’ges Kind,<br />

Schaffend im Gesang weht wie<strong>de</strong>r<br />

Um die Er<strong>de</strong> Lebenswind,<br />

Weht zu neuen ewig lichten Flammen<br />

Längst verstiebte Funken hier zusammen.<br />

Novalis<br />

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Thum im Morgenlicht – Abschied vom Winter<br />

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Im al t en f r eien Ber gst ädt l ein Mär z<br />

Der Jahnsbach hat <strong>de</strong>n gleichnamigen Ort verlassen und erreicht das<br />

freundliche Städtchen Thum, das <strong>13</strong>89 erstmals urkundlich erwähnt<br />

und bereits in historischen Quellen <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong>de</strong>rts als altes freies Bergstädtlein<br />

bezeichnet wird. Die Stadtwerdung <strong>de</strong>s Ortes ist auf das Jahr 1469<br />

datiert. Der Erz-Bergbau dominiert zwar die wirtschaftliche Entwicklung<br />

vom 14. bis ins 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein, aber auch Landwirtschaft, Posamenterie,<br />

Strumpfwirkerei und später die Textilindustrie sind wichtig. Dazu<br />

gehört auch, dass Thum für das vielmaschige Schmalspurbahnen-Netz, unbestritten<br />

be<strong>de</strong>utsam für die wirtschaftliche und kulturelle Entfaltung auch<br />

<strong>de</strong>r Wilisch-Region vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts bis zum Ausgang <strong>de</strong>r<br />

1960er Jahre, Bahnknotenpunkt und Betriebsmittelpunkt gewesen ist. Der<br />

großzügig gestaltete Bahnhof – in seiner Blütezeit mit <strong>13</strong> Gleisen und verschie<strong>de</strong>nen<br />

Funktionsgebäu<strong>de</strong>n ausgestattet – befand sich oberhalb <strong>de</strong>r Stadt,<br />

an <strong>de</strong>n Stadtwald grenzend. Spuren davon sind auch heute noch zu ent<strong>de</strong>cken,<br />

vorausgesetzt man ist neugierig auf das Vergangene und begibt sich<br />

auf Spuren-Suche. Auch durch das Städtchen. Beispielsweise zum sanierten<br />

Renaissance-Rathaus mit einem prachtvollen Portal, einem einstigen, 1677<br />

erbauten Rittergut, o<strong>de</strong>r zur Kursächsischen Postmeilensäule von 1727 auf<br />

<strong>de</strong>m Marktplatz o<strong>de</strong>r zur Stadtkirche St. Anna mit ihrem imposanten Kirchturm<br />

o<strong>de</strong>r zur alten Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorfer Straße, wo Anfang 1648 die letzten<br />

Gefechte <strong>de</strong>s 30-jährigen Krieges auf sächsischem Bo<strong>de</strong>n stattgefun<strong>de</strong>n haben<br />

sollen. Viele Spazier- und Wan<strong>de</strong>rwege auf <strong>de</strong>n Höhen um Thum führen an<br />

Wäl<strong>de</strong>rn vorbei o<strong>de</strong>r hinein - und wie<strong>de</strong>r heraus, immer wie<strong>de</strong>r durch Fel<strong>de</strong>r<br />

und Wiesen unterbrochen, was für <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>rer beson<strong>de</strong>rs reizvoll sein<br />

kann, eröffnen sich doch dadurch nicht selten überraschen<strong>de</strong> Aussichten beispielsweise<br />

auf die Stadtanlage von Thum (Kalen<strong>de</strong>rblatt März), auf malerisch<br />

gelegene benachbarte Dörfer und Orte o<strong>de</strong>r im Sommer auf grasen<strong>de</strong> Kühe<br />

und Schafe am Bergeshang, die einem Gemäl<strong>de</strong> von Jakob Philipp Hackert<br />

(1737 bis 1807), <strong>de</strong>m be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Landschaftsmaler <strong>de</strong>r Goethezeit, entstiegen<br />

sein könnten.<br />

Zu Thum gehören seit 1999 die Hufendörfer Herold und Jahnsbach – über<br />

5 500 Menschen leben hier gegenwärtig.<br />

Der Jahnsbach vor seiner Mündung in die Wilisch – unweit von Thum Prachtvoller Schulbau in Thum Portal <strong>de</strong>s Rathauses in Thum<br />

An <strong>de</strong>m grün beflogenen Hang<br />

Ist schon Veilchenblau erklungen,<br />

Nur <strong>de</strong>n schwarzen Wald entlang<br />

Liegt noch Schnee in zackigen Zungen.<br />

Tropfen aber schmilzt um Tropfen hin,<br />

Aufgesogen von <strong>de</strong>r durstigen Er<strong>de</strong>,<br />

Und am blassen Himmel oben ziehn<br />

Lämmerwolken in beglänzter Her<strong>de</strong>.<br />

Finkenruf verliebt schmilzt im Gesträuch:<br />

Menschen, singt auch ihr und liebet euch!<br />

Hermann Hesse<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

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Die Wilisch durchfließt Herold – Blick auf <strong>de</strong>n Ort im Vor-Frühling<br />

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April<br />

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Vom sch auen und v er weil en Frühz eit iger Frühl ing<br />

Von Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf kommend und auf <strong>de</strong>m Weg nach Herold fließt<br />

die Wilisch, links und rechts von hohen Bäumen und Wei<strong>de</strong>nsträuchern<br />

flankiert, munter durch eine alte und kleine romantische Steinbrücke (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

April, Rückseite), die zu einem einzeln liegen<strong>de</strong>n Gehöft mit großer<br />

Wiese führt – ein anmutiges Bild, das zum Schauen und Verweilen einlädt.<br />

Wan<strong>de</strong>rt man dann weiter, erreicht man schon bald vor Herold die Stelle, wo<br />

<strong>de</strong>r von Thum heran mäan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Jahnsbach in die Wilisch mün<strong>de</strong>t. Gestärkt<br />

und gekräftigt durchquert <strong>de</strong>r Fluss nun rasch <strong>de</strong>n langgestreckten Ort Herold<br />

– eingebettet in hohe Steinmauern, um die hier sie<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Menschen vor<br />

Überflutung nach rascher Schneeschmelze o<strong>de</strong>r lang anhalten<strong>de</strong>n, kräftigen<br />

Regenfällen zu schützen.<br />

Herold, ein Hufendorf und heute ein Ortsteil von Thum, taucht schon in einer<br />

Urkun<strong>de</strong> von <strong>13</strong>86 auf. Sein Name geht sicher auf die Herol<strong>de</strong> zurück, die im<br />

Mittelalter als Boten, Beamte und Richter tätig gewesen sind. Die wirtschaftliche<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s Ortes ist – vergleichsweise wie in Thum – vom Erz-<br />

Bergbau, von <strong>de</strong>r Strumpfwirkerei und später von <strong>de</strong>r Textilindustrie, die sich<br />

die Wasserkraft <strong>de</strong>r Wilisch nutzbar macht, entschei<strong>de</strong>nd geprägt. In Herold<br />

kommt <strong>de</strong>r Kalkabbau beziehungsweise das Kalkbrennen hinzu, <strong>de</strong>ren Wur-<br />

zeln im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt liegen. Mitte <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts wird das Kalkwerk<br />

erstmals urkundlich erwähnt und erst Mitte <strong>de</strong>r 1980er Jahre kommt es an<br />

sein En<strong>de</strong>. Deutliche und vielfältige Spuren dieser großartigen Industrieanlage<br />

sind heute noch sichtbar, beispielsweise Brennöfen und Gebäu<strong>de</strong>, die ein<br />

erstaunliches Freiland-Industriemuseum darstellen. Nicht nur für das Kalkwerk,<br />

son<strong>de</strong>rn für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung <strong>de</strong>s Ortes<br />

insgesamt ist die Schmalspurbahn mit ihren drei Haltepunkten in Herold von<br />

großer Be<strong>de</strong>utung gewesen. Die Bahnstrecke führte unmittelbar an <strong>de</strong>r Herol<strong>de</strong>r<br />

Kirche Zum Heiligen Kreuz vorbei – ein ansehnlicher Bau von 1864 im<br />

Stile <strong>de</strong>r Neoromanik. Sehenswert ist im Inneren <strong>de</strong>r Kirche unter an<strong>de</strong>rem<br />

das Altarbild <strong>de</strong>s Dresdner Künstlers Hartmann MacLean (1862 bis 1946) von<br />

1894, das dieser für <strong>de</strong>n Freiberger Dom schuf und das letzte Abendmahl von<br />

Jesus mit seinen Aposteln thematisiert. Hörenswert ist die romantische Orgel,<br />

gebaut 1869 von Carl Eduard Schubert (1830 bis 1900), <strong>de</strong>r auch die große Orgel<br />

<strong>de</strong>r St. Marienkirche in Marienberg/Erzgebirge geschaffen hat. Steigt man,<br />

an <strong>de</strong>r Kirche vorbei, hinauf auf die Höhen, eröffnet sich eine weite Aussicht<br />

auf das alte Landstädtchen (Kalen<strong>de</strong>rblatt April) und man möchte mit Goethe<br />

ausrufen: Verweile doch, du bist so schön!<br />

Tage <strong>de</strong>r Wonne,<br />

Kommt ihr so bald?<br />

Schenkt mir die Sonne,<br />

Hügel und Wald?<br />

Reichlicher fließen<br />

Bächlein zumal.<br />

Sind es die Wiesen?<br />

Ist es das Tal?<br />

Blauliche Frische!<br />

Himmel und Höh!<br />

Gol<strong>de</strong>ne Fische<br />

Wimmeln im See.<br />

Buntes Gefie<strong>de</strong>r<br />

Rauschet im Hain;<br />

Himmlische Lie<strong>de</strong>r<br />

Schallen darein.<br />

Alte romantische Brücke über die Wilisch bei Herold Fachwerkhaus in Herold – unmittelbar an <strong>de</strong>r Wilisch gelegen Vergangen – Spuren <strong>de</strong>r Kalk-Werke mit Herrenhaus in Herold<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Goethe<br />

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Klassischer Industriebau direkt an <strong>de</strong>r Wilisch – im Ort Spinnerei<br />

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Nah u nd Fer n Mail ied<br />

Die Wilisch hat Herold verlassen und fließt nun, mal eilend, mal gemächlich,<br />

durch <strong>de</strong>n kleinen, von Wäl<strong>de</strong>rn eingerahmten Ort Spinnerei<br />

(einst zu Venusberg gehörend), <strong>de</strong>r nur aus wenigen Häusern, einigen<br />

Villen und <strong>de</strong>m imposanten und direkt am Fluss liegen<strong>de</strong>n klassischen Industriebau<br />

– eine Spinnerei – besteht. Seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts wer<strong>de</strong>n<br />

hier bis heute die für die Textilindustrie so wichtigen Garne produziert. Die<br />

Schmalspurbahn hat einst an diesem Ort nicht nur einen Haltepunkt, son<strong>de</strong>rn<br />

auch Anschluss-Gleise über die Wilisch hinweg ins Werk hinein gehabt<br />

– ein be<strong>de</strong>utsames Transportmittel bis zur Still-Legung <strong>de</strong>r Strecke im Jahr<br />

1972. Nahe <strong>de</strong>s Werkes steht ein 1840 erbautes, architektonisch interessantes,<br />

aber lei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Verfall preisgegebenes Anwesen, das als das älteste Arbeiterwohnheim<br />

in Sachsen gilt (Kalen<strong>de</strong>rblatt Mai, Rückseite).<br />

An <strong>de</strong>r Wilisch ist es nun endlich Frühling gewor<strong>de</strong>n – es blüht und grünt<br />

links und rechts <strong>de</strong>s Flusses. Tief atmet man <strong>de</strong>n Duft <strong>de</strong>s Frühlings ein –<br />

sei es in <strong>de</strong>n Tälern o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Höhen, sei es in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n<br />

Wiesen. Die Welt wird schöner mit je<strong>de</strong>m Tag, man weiß nicht, was noch wer<strong>de</strong>n<br />

mag …, wie es im Gedicht Frühlingsglaube von Ludwig Uhland (1787 bis<br />

1862) so treffend beschrieben ist. An einem solch heiteren Frühlingsmorgen<br />

wan<strong>de</strong>rt man vielleicht über einen <strong>de</strong>r vielen Waldwege aus <strong>de</strong>m Wilisch-Tal<br />

bei <strong>de</strong>r Spinnerei gen Osten, hinauf auf die Höhen von Venusberg. Schaut<br />

man von hier dann ins Wilisch-Tal hinunter, über gelb und grün leuchten<strong>de</strong><br />

Wiesen, über die in unterschiedlichen Grüntönen erwachten Fichten, Eichen,<br />

Buchen, Kastanien- und Ahornbäume, so reibt man sich erstaunt die Augen:<br />

Steht da nicht im Tal eine feste und gewaltige Burg, von <strong>de</strong>r Morgen-Sonne<br />

wun<strong>de</strong>rsam in gleißen<strong>de</strong>s Licht getaucht und gleichsam wie herausgewachsen<br />

aus einem dichten Erzgebirgswald (Kalen<strong>de</strong>rblatt Mai) – vielleicht erinnernd<br />

an die Landschaftsgemäl<strong>de</strong> eines Caspar David Friedrichs (1774 bis<br />

1840) o<strong>de</strong>r Ludwig Richters ((1803 bis 1884). So o<strong>de</strong>r so ähnlich erscheint<br />

aus <strong>de</strong>r Ferne <strong>de</strong>m romantischen und phantasiebegabten Wan<strong>de</strong>rer <strong>de</strong>r im<br />

Wilisch-Tal stehen<strong>de</strong> klassische Industriebau <strong>de</strong>r Feinspinnerei. Lässt man<br />

von diesen Höhen seine Blicke schweifen, eröffnet sich in nord-westlicher<br />

Richtung die Aussicht auf <strong>de</strong>n lieblichen Ort Gelenau an <strong>de</strong>r Wilisch und in<br />

Richtung Osten erblickt man die majestätische Augustusburg, die Krone <strong>de</strong>s<br />

Erzgebirges (Kalen<strong>de</strong>rblatt Juli, Rückseite).<br />

Wie herrlich leuchtet<br />

Mir die Natur!<br />

Wie glänzt die Sonne!<br />

Wie lacht die Flur!<br />

Es dringen Blüten<br />

Aus je<strong>de</strong>m Zweig<br />

Und tausend Stimmen<br />

Aus <strong>de</strong>m Gesträuch,<br />

Feinspinnerei Venusberg im Abendlicht Eines <strong>de</strong>r ältesten Arbeiter-Wohnheime – erbaut 1840, bei <strong>de</strong>r Feinspinnerei Fachwerkhaus zwischen Herold und Spinnerei –<br />

unmittelbar an <strong>de</strong>r Wilisch gelegen<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Goethe<br />

Und Freud und Wonne<br />

Aus je<strong>de</strong>r Brust.<br />

O Erd, o Sonne!<br />

O Glück, o Lust!<br />

O Lieb, o Liebe!<br />

So gol<strong>de</strong>n schön,<br />

Wie Morgenwolken<br />

Auf jenen Höhn!<br />

2011


Weites Wilisch-Tal bei Gelenau mit Blick zur einstigen Spinnerei und zum Gelenauer Gerichtsberg<br />

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30 Juni


Al l es h at s eine Zeit u nd f l iesst Gef un<strong>de</strong>n<br />

Ich ging im Wal<strong>de</strong> Ich grubs mit allen<br />

So für mich hin,<br />

Den Würzlein aus,<br />

Und nichts zu suchen, Zum Garten trug ichs<br />

Das war mein Sinn. Am hübschen Haus.<br />

Gleich hinter <strong>de</strong>m Ort Spinnerei fließt die Wilisch bis Unter-Gelenau<br />

durch eine schmale, reizvolle Auen-Landschaft – unterbrochen nur vom<br />

einstigen Lehrlingswohnheim <strong>de</strong>r Spinnereifabriken. In Unter-Gelenau, dort,<br />

wo sich früher <strong>de</strong>r Bahnhof <strong>de</strong>r Schmalspurbahn befun<strong>de</strong>n hat, mün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />

Dorfbach <strong>de</strong>s Ortes in die Wilisch. Kaum ist <strong>de</strong>r Fluss an <strong>de</strong>n letzten Häusern<br />

von Unter-Gelenau vorbeigeströmt, erreicht er sein weitestes Tal mit einer bis<br />

zirka 200 Meter breiten und idyllischen Auen-Landschaft, von wo aus sich<br />

ein romantischer Blick über die einstige Baumwollspinnerei hinweg bis zum<br />

höchsten Berg <strong>de</strong>s Ortes, <strong>de</strong>m Gerichtsberg eröffnet (Kalen<strong>de</strong>rblatt Juni). An<br />

<strong>de</strong>r Auen-Landschaft führt ein ausgebauter Wan<strong>de</strong>r-Weg vorbei, auf <strong>de</strong>m einst<br />

die Schmalspurbahn schnaufend verkehrte. Gegenüber, auf <strong>de</strong>r rechten Seite<br />

<strong>de</strong>r Wilisch, sind noch letzte Spuren einer Schneidmühle zu besichtigen (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

Juni, Rückseite). Viele spannen<strong>de</strong> Legen<strong>de</strong>n ranken sich um die<br />

einst nicht wenigen Mühlen entlang <strong>de</strong>r Wilisch – weitergegeben und erzählt<br />

von <strong>de</strong>n Alten an die Jungen in <strong>de</strong>n frostigen Winternächten, dicht beieinan<strong>de</strong>r<br />

am warmen Ofen sitzend. So die Legen<strong>de</strong> von Flucht und Entführung <strong>de</strong>s<br />

schönen, aber gut bewachten Töchterleins eines herrischen Mühlenbesitzers,<br />

das in großer Liebe zu einem jungen Offizier mit <strong>de</strong>m Aussehen <strong>de</strong>s behelmten<br />

Liebesgottes entbrennt, <strong>de</strong>r während <strong>de</strong>s 30-jährigen Krieges Quartier in <strong>de</strong>r<br />

Mühle genommen hat und seinerseits die Liebe <strong>de</strong>s Mädchens lei<strong>de</strong>nschaftlich<br />

erwi<strong>de</strong>rt. Er gesteht ihr seine Liebe, sie nimmt das Geständnis mit Erröten<br />

an und sie schwören sich Treue. Für <strong>de</strong>n Moment sind sie glücklich, doch<br />

wie kann man zusammen leben. Sie schmie<strong>de</strong>n heimlich Pläne und entschließen<br />

sich, trotz einer klirrend kalten, schneereichen Winternacht, zu fliehen,<br />

zunächst flussabwärts an <strong>de</strong>r Wilisch entlang, dann hinauf auf die Höhen,<br />

durch tief verschneite Fichten- und Tannenwäl<strong>de</strong>r. Doch die Flucht wird rasch<br />

ent<strong>de</strong>ckt. Man folgt <strong>de</strong>n flüchten<strong>de</strong>n Lieben<strong>de</strong>n und hat ein leichtes Spiel, sie<br />

einzufangen, da ihre Spuren im Schnee sie verraten. Bei<strong>de</strong> erlei<strong>de</strong>n ein fürchterliches<br />

Schicksal: Sie wer<strong>de</strong>n getrennt, <strong>de</strong>r Offizier wird gerichtet, das schöne<br />

Mädchen verfällt darüber, eingesperrt in einer winzigen Dach-Kammer <strong>de</strong>r<br />

Mühle, <strong>de</strong>m Wahnsinn. Nur manchmal, in kalten mondhellen Nächten, so die<br />

Legen<strong>de</strong>, soll klagen<strong>de</strong>r, flehen<strong>de</strong>r und herzzerreißen<strong>de</strong>r Gesang vom Mühlen-<br />

Dach durch das Tal <strong>de</strong>r Wilisch geklungen sein… Doch das ist lange her, die<br />

Mühlen sind verstummt und in langen kalten Winternächten erzählt man sich<br />

wohl keine Legen<strong>de</strong>n mehr. So hat alles seine Zeit und fließt, auch mit <strong>de</strong>r<br />

Wilisch, unaufhaltsam dahin.<br />

Im Schatten sah ich<br />

Ein Blümchen stehn,<br />

Wie Sterne leuchtend,<br />

Wie Äuglein schön.<br />

Ich wollt es brechen,<br />

Da sagt’ es fein:<br />

Soll ich zum Welken<br />

Gebrochen sein?<br />

Und pflanzt es wie<strong>de</strong>r<br />

Am stillen Ort;<br />

Nun zweigt es immer<br />

Und blüht so fort.<br />

Stille <strong>de</strong>s Winters – Fachwerkhaus an <strong>de</strong>r Wilisch Vergangen – Spuren einer Schneidmühle an <strong>de</strong>r Wilisch, unweit von Gelenau<br />

Einsam gelegenes Fachwerkhaus nahe <strong>de</strong>r Wilisch – im Frühdunst<br />

<strong>de</strong>s beginnen<strong>de</strong>n Sommers<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Goethe<br />

2011


Die Wilisch rauscht im Tal an Unter-Gelenau vorbei – Blick auf Unter-Gelenau<br />

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31 Juli


Vom langen, fr ucht bar en Dor f Wechsel<br />

Die Wilisch fließt von <strong>de</strong>r Spinnerei nach Gelenau (geile, fruchtbare Aue) –<br />

genauer: an Unter-Gelenau vorbei. Das Dorf schlängelt sich über eine<br />

Länge von sechs Kilometern entlang eines Seitentales <strong>de</strong>r Wilisch – mit einem<br />

Höhenunterschied von zirka 250 Metern. Deshalb spricht man häufig<br />

von Unter-Gelenau (370 Meter Höhe) und Ober-Gelenau (620 Meter Höhe).<br />

Der Dorfbach <strong>de</strong>s Ortes mün<strong>de</strong>t in die Wilisch. Gegenwärtig leben über 4 500<br />

Menschen in Gelenau.<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>s Ortes reicht bis ins 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt zurück. Gelenau wird<br />

im Jahre 1273 urkundlich zum ersten Mal erwähnt. Gerichtsberg, Galgenberg<br />

und Kegelsberg sind die be<strong>de</strong>utendsten Erhebungen <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. Zumin<strong>de</strong>st<br />

die Namen Gerichtsberg und Galgenberg lassen erahnen, was sich hier im<br />

Mittelalter möglicherweise ereignet hat. Heute genießt man von diesen Höhen<br />

aus romantische Ausblicke auf <strong>de</strong>n Ort und seine waldreiche Umgebung. So<br />

auch von seinen südlichen Höhen aus auf Unter-Gelenau mit <strong>de</strong>m burgartigen<br />

Industriebau <strong>de</strong>r einstigen Baumwollspinnerei, <strong>de</strong>n schieferge<strong>de</strong>ckten Häusern<br />

und <strong>de</strong>m erahnbaren Wilisch-Tal mit <strong>de</strong>r weiten Auenlandschaft am Ausgang<br />

<strong>de</strong>s Ortes nach Grießbach (Kalen<strong>de</strong>rblatt Juni). Wirtschaftlich ist <strong>de</strong>r Ort im<br />

Verlaufe seiner Geschichte vielfältig geprägt wor<strong>de</strong>n. Der Bogen spannt sich<br />

von <strong>de</strong>r Landwirtschaft über das Handwerk und die Strumpfwirkerei bis hin<br />

zu Spinnereien und Strumpffabriken im Industrie-Zeitalter. Die industriell<br />

geprägte Landwirtschaft, das Handwerk sowie Dienstleistungsunternehmen<br />

dominieren heute das wirtschaftliche Geschehen. Kulturell hat Gelenau seinen<br />

Bewohnern o<strong>de</strong>r Besuchern vielfältige Kultur- und Sportmöglichkeiten<br />

zu bieten. Eine beson<strong>de</strong>re Sehenswürdigkeit <strong>de</strong>s Ortes ist die von 1580 bis<br />

1581 erbaute Dorfkirche, <strong>de</strong>ren äußere Gestalt sich über die Jahrhun<strong>de</strong>rte hinweg<br />

nicht verän<strong>de</strong>rt hat – bis auf Turm und Sakristei. Sie enthält auch im<br />

Innenraum viel Sehenswertes, beispielsweise das Sandstein-Epitaphium, <strong>de</strong>n<br />

Taufstein und die Kanzel – geschaffen im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt vom Freiberger<br />

Künstler Andreas Lorentz.<br />

Es ist Sommer an <strong>de</strong>r Wilisch gewor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r manchmal kühle, verregnete Tage,<br />

dann aber auch wie<strong>de</strong>r eine schwüle Hitze mit kräftigen Gewittern bringt.<br />

Und: <strong>de</strong>n mil<strong>de</strong>n Sommertag mit seinen formenreichen Sommerwolken im<br />

Spiel von Licht und Schatten, die über die reifen<strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>r, Wiesen und Wäl<strong>de</strong>r<br />

wie mächtige Gestalten hinweg ziehen. Ein großartiges Schauspiel für <strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>r Muße hat, zuzuschauen und zu lauschen – vielleicht auf einer bunten Wiese<br />

an <strong>de</strong>r murmelnd dahin fließen<strong>de</strong>n Wilisch liegend.<br />

Rote Villa über <strong>de</strong>r Wilisch und Blick auf <strong>de</strong>n Ortsteil Wiltzsch Mäan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Wilisch – an Unter-Gelenau vorbei<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Auf Kieseln im Bache da lieg’ ich, wie helle!<br />

Verbreite die Arme <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Welle,<br />

Und buhlerisch drückt sie die sehnen<strong>de</strong> Brust;<br />

Dann führt sie <strong>de</strong>r Leichtsinn im Strome danie<strong>de</strong>r;<br />

Es naht sich die zweite, sie streichelt mich wie<strong>de</strong>r:<br />

So fühl’ ich die Freu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r wechseln<strong>de</strong>n Lust.<br />

Und doch, und so traurig, verschleifst du vergebens<br />

Die köstlichen Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s eilen<strong>de</strong>n Lebens,<br />

Weil dich das geliebteste Mädchen vergißt!<br />

O ruf’ sie zurücke die vorigen Zeiten!<br />

Es küßt sich so süße die Lippe <strong>de</strong>r Zweiten,<br />

Als kaum sich die Lippe <strong>de</strong>r Ersten geküßt.<br />

Goethe<br />

Blick über das Wilisch-Tal bis zur Augustusburg vor Sonnenaufgang<br />

2011


Romantische Brücke über die mäan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Wilisch – zwischen Gelenau und Grießbach<br />

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Von Wil isch-Br ücken August<br />

Auf <strong>de</strong>m Wege nach Grießbach, am Ausgang <strong>de</strong>s weiten Tales bei Gelenau,<br />

plätschert die Wilisch mit geringem Fall durch eine kleine, kunstvoll<br />

gestaltete, von hohen Bäumen und dichten Sträuchern eingerahmte Stein-<br />

Bogenbrücke, über die die schmale und durch das Tal sich win<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wilischtalstraße<br />

verläuft (Kalen<strong>de</strong>rblatt August). Flussabwärts steigt hier rechtsseitig<br />

ein steiler, mit Hochwald bewachsener Hang auf, <strong>de</strong>ssen kleinere und<br />

größere Riesel die Wilisch speisen. Linksseitig zieht sich eine reizen<strong>de</strong>, sich<br />

rasch verengen<strong>de</strong> und vor <strong>de</strong>n ersten Häusern <strong>de</strong>s Ortes Grießbach auflösen<strong>de</strong><br />

Auenlandschaft mit einem Weiher hin. Wan<strong>de</strong>rt man über <strong>de</strong>n schattigen<br />

Waldweg, rechts flussabwärts und hoch <strong>de</strong>r Wilisch, die man fast immer im<br />

Blick behält, gelangt man nach kürzester Zeit zu <strong>de</strong>n stillgelegten, von Birken<br />

bewachsenen, aber immer noch imposanten Kalköfen-Ruinen von Grießbach,<br />

wo einst Kalk – in zwei nahe gelegenen Kalkbrüchen abgebaut – bis ins Jahr<br />

1926 gebrannt wor<strong>de</strong>n ist. Die Haltestelle Grießbach <strong>de</strong>r Schmalspurbahn<br />

hat sich flussabwärts, auf <strong>de</strong>r rechten Seite, direkt oberhalb eines Hanges <strong>de</strong>r<br />

Wilisch befun<strong>de</strong>n. Das Wilisch-Tal verengt sich hier, wird schmal. Steile,<br />

bewal<strong>de</strong>te Hänge und Höhen, links und rechts <strong>de</strong>s Flusses mit imposanten<br />

Felsen und Felsklippen hoch aufragend, nur schmale Wiesen, keine Auen-<br />

Landschaften prägen jetzt das Flussbild.<br />

Brücken über die Wilisch gibt es von ihrem Quellgebiet bis zur Mündung<br />

nicht wenige. Meistens sind es sehenswerte Stein-Bogenbrücken über die wichtige<br />

Verkehrsa<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Region führen und die auf Grund <strong>de</strong>r Breite <strong>de</strong>r Wilisch<br />

kaum mehr als 50 Meter lang sind. Beson<strong>de</strong>rs reizvoll für <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>rer<br />

sind jene, manchmal kaum zehn Meter langen Wilisch-Brücken, die nur für<br />

ihn geschaffen zu sein scheinen. Dazu zählen auch stabile, handwerklich gut<br />

gestaltete und sehenswerte Holz-Brücken – vor allem zwischen Grießbach und<br />

Wilischthal. Beeindrucken<strong>de</strong> Spuren vor allem von Eisen-Brücken über die<br />

Wilisch fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Schmalspurbahn interessierte Wan<strong>de</strong>rer<br />

in <strong>de</strong>n einstigen großen Industriewerken an <strong>de</strong>r Wilisch – beispielsweise<br />

auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r aufgegebenen Papierfabrik in Wilischthal (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

September, Rückseite). Dazu gehört auch die hoch über die Zschopau gebaute<br />

Schmalspurbahn-Brücke beim Bahnhof Wilischthal, an <strong>de</strong>r Mündung <strong>de</strong>r<br />

Wilisch in die Zschopau (Kalen<strong>de</strong>rblatt November, Rückseite) – ein faszinieren<strong>de</strong>s<br />

Industrie-Denkmal <strong>de</strong>r ganz beson<strong>de</strong>ren Art.<br />

Winter-Romantik an <strong>de</strong>r Wilisch Spuren von Kalköfen bei Grießbach Vom Tal bis auf die Berge – Viehzucht an <strong>de</strong>r Wilisch Pittoreske Villa in Grießbach<br />

Das war <strong>de</strong>s Sommers schönster Tag,<br />

Nun klingt er vor <strong>de</strong>m stillen Haus<br />

In Duft und süßem Vogelschlag<br />

Unwie<strong>de</strong>rbringlich leise aus.<br />

In dieser Stun<strong>de</strong> goldnen Born<br />

Gießt schwelgerisch in roter Pracht<br />

Der Sommer aus sein volles Horn<br />

Und feiert seine letzte Nacht.<br />

Hermann Hesse<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

2011


Romantischer, nahe an <strong>de</strong>r Wilisch gelegener Waldhof, unweit von Gelenau – Gaststätte und Pension<br />

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Vom Tafel n und Becher n und Geniessen a n <strong>de</strong>r Wil isch Sept ember<br />

Durstige und hungrige Wan<strong>de</strong>rer fin<strong>de</strong>n auf ihrer Spazierreise entlang<br />

<strong>de</strong>r Wilisch manch einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gaststätte und Schänke und Kneipe<br />

– ausgestaltet im Erzgebirgsstil und mit einer Küche, die auf Traditionen<br />

<strong>de</strong>r Region setzt. Ein beson<strong>de</strong>res Kleinod durch Lage, Architektur <strong>de</strong>s Anwesens,<br />

innere Ausgestaltung und Gastlichkeit ist <strong>de</strong>r Waldhof – Gaststätte<br />

und Pension, mitten im Wald, nahe <strong>de</strong>r Wilisch und ihrer weiten Auen-<br />

Landschaft bei Gelenau gelegen (Kalen<strong>de</strong>rblatt September). Der rechte Ort<br />

zum Rasten ist <strong>de</strong>r Waldhof nicht nur <strong>de</strong>shalb, weil man die Fußreise an<br />

<strong>de</strong>r Wilisch flussabwärts entlang zur Hälfte zurückgelegt hat und man eine<br />

Wan<strong>de</strong>rpause benötigt, son<strong>de</strong>rn weil er auch eine Sehenswürdigkeit an <strong>de</strong>r<br />

Wilisch darstellt. Der Wan<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r vor Tafeln und Bechern im Waldhof<br />

noch eine reizvolle Aussicht auf <strong>de</strong>n lieblichen Ort Gelenau und das Seitental<br />

<strong>de</strong>r Wilisch haben möchte, biegt in Unter-Gelenau vor <strong>de</strong>m einstigen<br />

Bahnhof <strong>de</strong>r Schmalspurbahn nach rechts ab, überquert <strong>de</strong>n Fluss und<br />

läuft auf einem ansteigen<strong>de</strong>n Waldweg in nordöstlicher Richtung hoch bis<br />

zu einer schönen roten Villa (Kalen<strong>de</strong>rblatt Juli, Rückseite). Über Dächer,<br />

Baumwipfel und die Wilisch schweift <strong>de</strong>r Blick von hier zum sanft sich erheben<strong>de</strong>n<br />

Ort und über die malerische Landschaft <strong>de</strong>s Seitentales <strong>de</strong>r Wilisch,<br />

die man im Tal meint rauschen zu hören. Auf diesem Waldweg wan<strong>de</strong>rt<br />

man weiter und gelangt nach kurzer Zeit zum Waldhof, <strong>de</strong>r in einem kleinen<br />

Nebental <strong>de</strong>r Wilisch in <strong>de</strong>n umgeben<strong>de</strong>n Wald idyllisch sich einfügt,<br />

ja einhüllt und an <strong>de</strong>ssen Anwesen ein Bächlein steil in Richtung Wilisch<br />

vorbei und hinab plätschert.<br />

Die eigentliche Geschichte <strong>de</strong>s Waldhofes beginnt im Jahre 1928. Auf <strong>de</strong>ssen<br />

Grundstück haben sich einst ein Kalkwerk, ein Schacht für <strong>de</strong>n Abbau <strong>de</strong>r<br />

hier vorhan<strong>de</strong>nen Kalksteinlager und ein Kalkofen zum Brennen <strong>de</strong>s Kalkes<br />

befun<strong>de</strong>n – Spuren davon sind heute noch zu ent<strong>de</strong>cken. Den Quellen nach<br />

hieß <strong>de</strong>r Schacht Humboldt-Schacht, sinnvoll benannt nach Alexan<strong>de</strong>r von<br />

Humboldt (1769 bis 1859), <strong>de</strong>m be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Naturforscher. Das Kalkwerk<br />

ist im Jahre 1908 stillgelegt und das dazu gehören<strong>de</strong> Gelän<strong>de</strong> 1928 verkauft<br />

wor<strong>de</strong>n. Dessen Wirtschaftsgebäu<strong>de</strong> sind dann En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1920er und Anfang<br />

<strong>de</strong>r 1930er Jahre durch die neuen Eigentümer im Stile eines Jagdhauses zum<br />

Waldhof umgestaltet wor<strong>de</strong>n. Heute bietet die Gaststätte mit Wintergarten<br />

Platz für zirka 50 Gäste. Im Sommer lädt ein Freisitz zum Tafeln und Bechern<br />

ein. Die im Landhausstil eingerichtete Pension bietet Übernachtungsmöglichkeiten<br />

für etwa 16 Personen.<br />

Der Garten trauert,<br />

Kühl sinkt in die Blumen <strong>de</strong>r Regen.<br />

Der Sommer schauert<br />

Still seinem En<strong>de</strong> entgegen.<br />

Gol<strong>de</strong>n tropft Blatt um Blatt<br />

Nie<strong>de</strong>r vom hohen Akazienbaum.<br />

Sommer lächelt erstaunt und matt<br />

In <strong>de</strong>n sterben<strong>de</strong>n Gartentraum.<br />

Lange noch bei <strong>de</strong>n Rosen<br />

Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh.<br />

Langsam tut er die großen,<br />

Müdgewor<strong>de</strong>nen Augen zu.<br />

Hermann Hesse<br />

Waldhof im Schneetreiben Pachhütt – Künstlerwerkstatt an <strong>de</strong>r Wilisch in Wilischthal Vergangen – Spuren einer Brücke für die Schmalspurbahn in Wilischthal<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

2011


Herbst an <strong>de</strong>r Wilisch in Wilischthal – unweit ihrer Mündung in die Zschopau<br />

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Am Unt er l auf d er Wil isch Her bst t ag<br />

Grießbach verlassend win<strong>de</strong>t sich die Wilisch bis zu ihrer Mündung in die<br />

Zschopau bei Wilischthal durch ein enges Tal mit sehenswerten Steilhängen,<br />

hohen Bäumen und dichten Sträuchern sowie für das Erzgebirge typischen<br />

Fachwerk-Häusern – einige davon unmittelbar an <strong>de</strong>r Wilisch stehend.<br />

Der ausgebaute und bequeme Wan<strong>de</strong>rweg, einst Strecke <strong>de</strong>r Schmalspurbahn,<br />

führt bis zum Ort Schlößchen direkt an <strong>de</strong>r Wilisch entlang, die meist ruhig<br />

und friedlich auf ihrem Unterlauf dahin plätschert – nur ab und an durch<br />

Spuren kleiner Wehre gestaut, um dann bei <strong>de</strong>ren Überfließen kurzzeitig in<br />

ihrem Lauf beschleunigt zu wer<strong>de</strong>n, kleine weiße, rauschen<strong>de</strong> Wellen bil<strong>de</strong>nd.<br />

Der erkun<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wan<strong>de</strong>rer sollte dort, wo <strong>de</strong>r bequeme Weg an <strong>de</strong>r Wilisch en<strong>de</strong>t,<br />

versuchen weiterzugehen. Läuft er eine kleine Strecke auf einem schmalen,<br />

ansteigen<strong>de</strong>n Weg bergauf, kann er schon bald über einen steilen, verwil<strong>de</strong>rten<br />

Tal-Hang wie<strong>de</strong>r zum Fluss hinuntersteigen, wo er mit einigen Überraschungen<br />

belohnt wird. Da ist zum einen die Aussicht über die Wilisch hinweg zu<br />

<strong>de</strong>n letzten Spuren <strong>de</strong>r einstigen Wilischthaler Papierfabrik, die in <strong>de</strong>n Farben<br />

<strong>de</strong>s Herbstes getaucht o<strong>de</strong>r eingehüllt in eine Winter-Landschaft wie ein verwunschener<br />

Ort erscheint (Kalen<strong>de</strong>rblatt Oktober, Rückseite). Ferner <strong>de</strong>r zuwachsen<strong>de</strong><br />

Bahndamm <strong>de</strong>r Schmalspurbahn und die inzwischen romantisch<br />

wirken<strong>de</strong>n, für die Anschlussbahngleise in das einstige Werk erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Eisen-Brücken über die Wilisch. Aber es klingt an diesem Ort noch etwas an<strong>de</strong>res<br />

mit, etwas, das Vergehen, Bleiben und Wer<strong>de</strong>n auf eine tröstliche Weise<br />

spiegelt. Von solchen und ähnlichen Gedanken belebt, gelangt man im Ort<br />

Wilischthal, nahe <strong>de</strong>r Wilisch-Mündung, zu einer großen Wehr-Anlage <strong>de</strong>s<br />

Flusses (Kalen<strong>de</strong>rblatt Oktober), die für die Wasserversorgung <strong>de</strong>r einstigen<br />

Papierfabrik und das Betreiben <strong>de</strong>r Öl- und Mahlmühle lebenswichtig war.<br />

Eine Besichtigung <strong>de</strong>s Wehres und seiner Anlage lohnt sich nicht nur, weil es<br />

von längst vergangenen Zeiten erzählt, son<strong>de</strong>rn weil es auch zu je<strong>de</strong>r Jahreszeit<br />

im Zusammenspiel mit <strong>de</strong>r Landschaft ein sehenswertes Ereignis bil<strong>de</strong>t – beson<strong>de</strong>rs<br />

in <strong>de</strong>r Farbenfülle <strong>de</strong>r bewal<strong>de</strong>ten Höhe im Herbst, die hinter <strong>de</strong>m<br />

Wehr steil aufsteigt. Der Wan<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r die Wilisch über eine kleine Holzbrücke<br />

beim Ort Schlößchen überquert, läuft an einem alten Fachwerkhaus vorbei,<br />

direkt auf das schöne Anwesen <strong>de</strong>s Waldhotels Schlößchen zu (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

Oktober, Rückseite). Er wird in <strong>de</strong>r gemütlichen Schänke rasten, um sich<br />

danach auf <strong>de</strong>n kurzen Weg zum imposanten Wilisch-Wehr beziehungsweise<br />

zur Wilisch-Mündung zu begeben.<br />

HERR: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.<br />

Leg <strong>de</strong>inen Schatten auf die Sonnenuhren,<br />

und auf <strong>de</strong>n Fluren laß die Win<strong>de</strong> los.<br />

Befiehl <strong>de</strong>n letzten Früchten voll zu sein;<br />

gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,<br />

dränge sie zur Vollendung hin und jage<br />

die letzte Süße in <strong>de</strong>n schweren Wein.<br />

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.<br />

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,<br />

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben<br />

und wird in <strong>de</strong>n Alleen hin und her<br />

unruhig wan<strong>de</strong>rn, wenn die Blätter treiben.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Industriebau an <strong>de</strong>r Wilisch bei Wilischthal Waldhotel Schlößchen – nahe <strong>de</strong>r Wilisch-Mündung in die Zschopau gelegen Aufgegeben – letzte Spuren <strong>de</strong>r Papierfabrik in Wilischthal<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

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Herbst-Nebel über Wilisch und Wilisch-Tal bei Gelenau<br />

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Spät her bst a n <strong>de</strong>r Wil isch Ich l ebe mein Leben<br />

Dort zu stehen, wo die Wilisch in die Zschopau bei Wilischthal mün<strong>de</strong>t,<br />

ist immer ein zauberhafter Anblick – ganz gleich, ob im mil<strong>de</strong>n Sonnenlicht<br />

eines Frühlingsnachmittages, an einem warmen Sommerabend, in <strong>de</strong>r<br />

Farbenpracht eines dunstigen Herbstmorgens o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kälte eines schneereichen<br />

Wintermittages (Kalen<strong>de</strong>r-Titelblatt).<br />

Es ist Herbst an <strong>de</strong>r Wilisch gewor<strong>de</strong>n. Die Fichten stehen dunkelgrün und<br />

glanzlos. Die Blätter <strong>de</strong>r Bäume liegen schon längst als nasses Laub auf <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong>. Auch die Lärchen sind kahl und schmucklos. Nur die Eiche, in Mythen<br />

und Sagen oft ein heiliger Baum und nicht selten von bestaunenswerter<br />

Gestalt, hält ihr Laubwerk noch fest – braun und welk und unansehnlich –<br />

bis zum Frühling. Der Herbst hat seine Arbeit gründlich getan. Mit starken<br />

Win<strong>de</strong>n, tagelangem Regen, Kälte. Über das Land an <strong>de</strong>r Wilisch ist eine Zeit<br />

<strong>de</strong>r trüben, dunklen und kurzen Tage gekommen – mit grauen, tief ziehen<strong>de</strong>n<br />

Wolken. Und dann gibt es ab und an diese mil<strong>de</strong>n Nebel-Frühen, an <strong>de</strong>nen<br />

man nicht nur erlebt, wie bei Sonnenaufgang ein verwirren<strong>de</strong>s Licht durch <strong>de</strong>n<br />

weißen Nebel dringt, son<strong>de</strong>rn wie er sich sachte und unmerklich erst auf <strong>de</strong>n<br />

Höhen, dann in <strong>de</strong>n Tälern auflöst. Nur über <strong>de</strong>m Wilisch-Tal, über <strong>de</strong>m Fluss<br />

spannt sich, wie von Zauberhand gezogen, noch eine Zeit lang ein schmales,<br />

langes und weißes Nebelband (Kalen<strong>de</strong>rblatt November). Dem Nebel-Morgen<br />

ist ein glanzvoller, klarer und heiterer Spät-Herbsttag entstiegen. Es ist, als ob<br />

die Natur plötzlich auf eine wun<strong>de</strong>rsame Weise still stän<strong>de</strong>, sich nicht entschei<strong>de</strong>n<br />

könne, wohin die Reise gehen soll o<strong>de</strong>r als ob sie <strong>de</strong>n durch die Menschen<br />

oft als schmerzlich empfun<strong>de</strong>nen Abschied von Sommer und Herbst durch<br />

einen solch lichten Tag lin<strong>de</strong>rn wolle. Doch die Reise geht vielleicht schon am<br />

nächsten Morgen weiter. Der Winter klopft an – mit Raureif in <strong>de</strong>n Wilisch-<br />

Auen, auf Fel<strong>de</strong>rn, Wiesen und Sträuchern, auf Dächern und Zäunen, mit<br />

vereisten Bäumen, vergol<strong>de</strong>t durch die kalte Novembersonne. Die Natur hat<br />

wie<strong>de</strong>r einmal gezaubert. Durch eine dünne weiße Pracht, die die Hoffnung<br />

und Freu<strong>de</strong> auf einen schneereichen, kalten Winter wach ruft. So verlieren<br />

allmählich die trüben, nasskalten und kurzen Tage ihren Schrecken – nicht<br />

nur wegen <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n lichten Wintertage, son<strong>de</strong>rn auch wegen <strong>de</strong>r<br />

nahen<strong>de</strong>n, leuchten<strong>de</strong>n und kerzenreichen Adventszeit mit ihrer traditionellen<br />

und beson<strong>de</strong>ren Herrlichkeit im Erzgebirge, in <strong>de</strong>n Dörfern und Städten entlang<br />

<strong>de</strong>r Wilisch.<br />

Erinnernd an die im Krieg 1914 bis 1918 Gefallenen Brücken-Denkmal <strong>de</strong>r Schmalspurbahn über die Zschopau – Früher Winter an <strong>de</strong>r Wilisch<br />

vor <strong>de</strong>r Wilisch-Mündung<br />

Ich lebe mein Leben in wachsen<strong>de</strong>n Ringen,<br />

die sich über die Dinge ziehn.<br />

Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n letzten vielleicht nicht vollbringen,<br />

aber versuchen will ich ihn.<br />

Ich kreise um Gott, um <strong>de</strong>n uralten Turm,<br />

und ich kreise jahrtausen<strong>de</strong>lang;<br />

und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke,<br />

ein Sturm o<strong>de</strong>r ein großer Gesang.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

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Schloß Wil<strong>de</strong>ck in Zschopau – unweit vom Ort Zschopau mün<strong>de</strong>t die Wilisch in die Zschopau<br />

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Von <strong>de</strong>r Wil isch z ur Z schopau Advent<br />

Die Wilisch mün<strong>de</strong>t, durch eine alte Stein-Bogenbrücke mal reißend, mal<br />

nur wie ein Bächlein fließend, in die nicht selten tosen<strong>de</strong> Zschopau bei<br />

Wilischthal (Kalen<strong>de</strong>rtitelblatt, Rückseite) – ein Fluss, <strong>de</strong>r am Nordhang <strong>de</strong>s<br />

Fichtelberges entspringt und eine Länge von fast <strong>13</strong>0 Kilometern erreicht. Unweit<br />

<strong>de</strong>r Wilisch-Mündung befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r 1866 eröffnete und noch heute<br />

existieren<strong>de</strong> Bahnhof <strong>de</strong>r Zschopautalbahn Flöha-Annaberg, von <strong>de</strong>m aus auch<br />

die von 1886 bis 1972 entlang <strong>de</strong>r Wilisch verkehren<strong>de</strong>n Schmalspurbahn ihren<br />

Ausgangspunkt genommen hat. Die Zschopau, durch ein enges bewal<strong>de</strong>tes<br />

Tal mit steilen und felsigen Höhen fließend und nahe am Wasser entlang von<br />

einem festen Wald-Weg begleitet, erreicht schon nach wenigen Kilometern das<br />

gleichnamige, mittelalterlich geprägte Städtchen Zschopau, vielleicht das I<strong>de</strong>al<br />

eines Erzgebirgsstädtchens in <strong>de</strong>m heute zirka 10 500 Menschen leben. Bereits<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong>13</strong>. Jahrhun<strong>de</strong>rts urkundlich als Stadt bezeichnet, beginnt die Siedlungsgeschichte<br />

an diesem Ort viel früher – im Zusammenhang mit einer von<br />

Halle über Leipzig und nach Böhmen führen<strong>de</strong>n alten Salzstraße (Böhmische<br />

Steige genannt), die hier – durch Furt o<strong>de</strong>r Brücke bewerkstelligt – <strong>de</strong>n Fluss<br />

überquert hat. Zu Sicherung und Schutz <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>lsstraße über die Zschopau<br />

baut man auf einen Felssporn einen Wach- und Wehrturm (wahrscheinlich<br />

Mitte <strong>de</strong>s 12. Jahrhun<strong>de</strong>rts), später eine Burg, die Mitte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

zu einem Jagdschloss im Renaissance-Stil umgebaut wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten sind, aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n, weitere Um-, Aus- und<br />

Anbauten am Schloss Wil<strong>de</strong>ck vorgenommen wor<strong>de</strong>n, so dass <strong>de</strong>r Betrachter<br />

heute eine imposante Schlossanlage mit verschie<strong>de</strong>nen Baustilen wahrnehmen<br />

kann, die sich zu einer sehenswerten und lehrreichen Einheit fügen (Kalen<strong>de</strong>rblatt<br />

Dezember). Im Schloss fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Besucher verschie<strong>de</strong>ne Museen und eine<br />

Bibliothek mit langer Geschichte. Vom einstigen Wehr- und Wachturm hat<br />

man eine weite Aussicht. Der Blick schweift über das romantische Erzgebirge,<br />

die im Tal fließen<strong>de</strong> Zschopau, überspannt durch eine <strong>de</strong>r schönsten Brücken<br />

im Erzgebirge, die mittelalterlich geprägte Stadt mit ihrem historischen Markt,<br />

<strong>de</strong>m alten Rathaus und die nach<strong>de</strong>nklichen alten Häuser mit Fachwerkgiebeln<br />

und Barockdächern. Auch hin zur einstigen spätgotischen Stadt-Kirche<br />

St. Martin aus <strong>de</strong>m 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt, die 1748 nahezu vollständig abgebrannt<br />

und 1751 im Stil <strong>de</strong>s Dresdner Barock wie<strong>de</strong>r aufgebaut wor<strong>de</strong>n ist. Die Kirche<br />

besitzt eine hörenswerte und kraftvolle Barockorgel, erbaut 1753 bis 1755 von<br />

Jacob Oertel, Zeitgenosse <strong>de</strong>s berühmten Orgelbauers <strong>de</strong>s Barocks, Gottfried<br />

Silbermann (1683 bis 1753).<br />

Es treibt <strong>de</strong>r Wind im Winterwal<strong>de</strong><br />

die Flockenher<strong>de</strong> wie ein Hirt,<br />

und manche Tanne ahnt, wie bal<strong>de</strong><br />

sie fromm und lichterheilig wird;<br />

und lauscht hinaus. Den weißen Wegen<br />

streckt sie die Zweige hin – bereit,<br />

und wehrt <strong>de</strong>m Wind und wächst entgegen<br />

<strong>de</strong>r einen Nacht <strong>de</strong>r Herrlichkeit.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Blick zum Schloss Wil<strong>de</strong>ck in Zschopau Blick auf das winterliche Zschopau Blick auf die zugefrorene Zschopau Weihnachts-Pyrami<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Marktplatz<br />

in Zschopau<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

2011


Die Wilisch durchfließt Herold – Blick auf <strong>de</strong>n Ort im Vor-Frühling<br />

Romant isches Er zgebir ge<br />

An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte<br />

Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf, Jahnsbach, Thum, Herold,<br />

Spinnerei, Gelenau, Wilischthal, Zschopau<br />

Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse,<br />

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31 August<br />

Romantische Brücke über die mäan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Wilisch – zwischen Gelenau und Grießbach Romantischer, nahe an <strong>de</strong>r Wilisch gelegener Waldhof, unweit von Gelenau – Gaststätte und Pension<br />

Schloß Wil<strong>de</strong>ck in Zschopau – unweit vom Ort Zschopau mün<strong>de</strong>t die Wilisch in die Zschopau<br />

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Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf im Winter – Blick zum Sauberg und auf <strong>de</strong>n Ort<br />

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31 Mai<br />

Klassischer Industriebau direkt an <strong>de</strong>r Wilisch – im Ort Spinnerei Weites Wilisch-Tal bei Gelenau mit Blick zur einstigen Spinnerei und zum Gelenauer Gerichtsberg<br />

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28 Februar<br />

Prachtvolle Kirche in Jahnsbach – von <strong>de</strong>n Greifensteinen aus gesehen<br />

Thum im Morgenlicht – Abschied vom Winter<br />

Romant isches Er zgebir ge An <strong>de</strong>r Wil isch e nt l ang<br />

Landschaften und Orte | Mit Gedichten von Goethe, Hermann Hesse, Novalis und Rilke<br />

Bernd Bräuer Verlag, Leipzig<br />

Fotos: Dr. Bernd Bräuer<br />

Gestaltung: Dr. Bernd Bräuer, Jörn Schütze<br />

Satz und Layout: Jörn Schütze<br />

Druck: Druckerei Gebrü<strong>de</strong>r Schütze GbR, Wolkenstein<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-98<strong>13</strong>802-0-0<br />

www.bernd<strong>braeuer</strong>verlag.<strong>de</strong><br />

Herbst an <strong>de</strong>r Wilisch in Wilischthal – unweit ihrer Mündung in die Zschopau<br />

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31 Oktober<br />

Die Wilisch rauscht im Tal an Unter-Gelenau vorbei – Blick auf Unter-Gelenau<br />

Herbst-Nebel über Wilisch und Wilisch-Tal bei Gelenau<br />

2011<br />

Literaturverzeichnis:<br />

Titelbild: Die Wilisch mün<strong>de</strong>t in die Zschopau bei Wilischthal.<br />

Das mittlere Zschopaugebiet. Berlin 1977.<br />

Goethe, Johann Wolfgang, Gedichte in zeitlicher Abfolge. 1999.<br />

Häupel, Stephan, Schramm, Eberhard, Schmalspurbahnen um Thum. Nordhorn 2002.<br />

Hesse, Hermann, Die Gedichte. 1977. – Novalis, Gedichte. Leipzig 1987.<br />

Rilke, Rainer Maria, Die Gedichte. 2003.<br />

www.amtsberg.eu, www.ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf.<strong>de</strong>, www.gelenau.<strong>de</strong>, www.jahnsbach-erzgebirge.<strong>de</strong>,<br />

www.stadt-thum.<strong>de</strong>, www.zschopau.<strong>de</strong><br />

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