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Hanfjournal 03/04

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16<br />

ueberregional<br />

Cannabis-User gibt es viele: Von denen, die gelegentlich mal<br />

(passiv) geraucht, aber nicht inhaliert haben sollen, über die<br />

Fraktion der Hardcore-Kiffer, die sich jeden Tag mindestens<br />

ihre zehn Bongs reißen, bis hin zu denen, die Cannabis in seinem<br />

Facettenreichtum sinnvoll und bewusst für sich anzuwenden<br />

wissen.<br />

Zu Letzteren zählen zwei vom Schicksal gepeinigte<br />

und von Behörden bedrängte Brüder, wohnhaft in<br />

einer kleinen Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in<br />

einem ruhigen Vorort einer kleinen Großstadt.<br />

Schon beim Passieren des Ortseingangs-schildes<br />

bekommt man den Eindruck, dass sich hier<br />

Katz und Maus gute Nacht sagen, man den<br />

Nachbarn noch persönlich kennt und jener<br />

nicht lediglich ein weiterer gesichtsloser<br />

Körper inmitten der anonymen Großstadt<br />

ist. Die Gegend wirkt insgesamt entspannt,<br />

„normal“ und könnte prinzipiell jeder<br />

Vorort in Deutschland sein.<br />

Wer würde auf die Idee kommen, dass es<br />

ausgerechnet hier Menschen gibt, die<br />

aufgrund unglücklicher Schicksale in ihren<br />

Lebensläufen, logisch inkonsequenter Gesetze<br />

und irrationaler Verhaltensweisen<br />

exekutiver Beamter von harmlosen Kiffern<br />

zu gemeingefährlichen Kriminellen werden<br />

können? Nun, gerade der Blickwinkel der<br />

(un)breiten Öffentlichkeit kann diese<br />

Tendenz begünstigen.<br />

Der Text ist ein anregender Impuls für<br />

Menschen in ähnlichen Lebens-lagen,<br />

Ungerechtigkeiten nicht über sich<br />

ergehen zu lassen, sondern genau<br />

umgekehrt, jene nach Außen, in den<br />

öffentlichen Fokus bzw. Diskurs zu<br />

tragen.<br />

Die zwei Betroffenen, um die<br />

es sich in diesem Artikel<br />

handelt, werden angeklagt<br />

Marihuana angebaut zu<br />

haben.<br />

Da wäre einmal „Cheech“ (Name geändert), Frührentner,<br />

Baujahr ’68 mit einer täglichen Medikation von: L-<br />

Polamidon Lösung 10 ml (Levormethadon 50 mg), MST<br />

Ratarddragees (Morphinhemisulfat 200-300 mg), Diazepam<br />

Tabl. (40-50 mg) und einer Vielzahl anderer Chemokeulen bei<br />

unerträglichen Schmerzschüben (Bedarfsmedikation),<br />

die aus Platzgründen nicht alle im Einzelnen<br />

aufgezählt werden können. Bei 1 bis 2<br />

Gramm Gras täglich lässt sich die<br />

aufgeführte Medikation fast halbieren.<br />

Die Bedarfsmedikation lässt sich mit<br />

THC beinahe gänzlich ausschließen.<br />

Angefangen von Alka-Seltzer mit sieben Jahren, über Rohypnol<br />

(Schlafmittel mit starkem Suchteffekt) war er mit 16 bereits voll<br />

drauf. Morgens Schmerzmittel, abends Schlafmittel. Die Psychopharmaka<br />

nehmen seitdem einen hohen Stellenwert in seinem<br />

Leben ein, da er sich dank jener nun wieder einigermaßen den<br />

alltäglichen Dingen im Leben widmen kann. Er nehme konstant<br />

selektierte Mittel ein, die ihn auf einem Level halten, der<br />

lebenswert ist.<br />

„Chong“ will von der Pharmaindustrie unabhängig sein.<br />

Deswegen ist er auf selbstangebautes THC umgestiegen. Warum<br />

er nicht die legale Volksdroge Nummer eins zu Hilfe nehme,<br />

will ich wissen. „Alkohol in Kombination mit Medikamenten,<br />

steht in jeder Packungsbeilage: unter Vorbehalt.“ Diese legale<br />

Methode fällt also flach. Was bleibt also übrig, als auf THC<br />

zurückzugreifen, welches selbstproduziert um ein Vielfaches<br />

günstiger als die benötigten Medikamente ist?<br />

„Cannabis hat mir in meinem Leben mehr<br />

geholfen, als bisher angenommen. Was mir<br />

Schaden zugefügt hat, waren die ständigen<br />

Uppers und Downers in der Vergangenheit“<br />

erzählt mir einer der beiden. Deshalb geht’s<br />

im Sommer nach Essen. Auf der<br />

www.pottdemo.de am 26. Juni wird es<br />

Redebeiträge von Tillmann Holzer<br />

(Vorstandvorsitzender des VfD), Dr. Franjo<br />

Grotenhermen (NOVA-Institut und IACM)<br />

und von einem der polytoxikophilen<br />

Brüder als Betroffenen geben, der seine<br />

Leiden schildern will.<br />

Beide wollen damit ein<br />

Zeichen in Richtung<br />

Legalisierung setzen.<br />

Allerdings fordern sie<br />

eine vernünftige und<br />

nicht eine totale<br />

Legalisierung von<br />

Cannabis. „Es gibt<br />

genug von denen,<br />

die es damit übertreiben,<br />

nicht klarkommen<br />

oder<br />

auch zu jung<br />

damit anfangen.<br />

Darum geht es<br />

uns nicht!<br />

Kiffer wie du und ich<br />

Die Leidens-Geschichte zweier polytoxikophiler Brüder<br />

Zumindest hätte man, laut Berichten der lokalen Presse, eine<br />

„ganze Plantage“ in der Wohnung gefunden, die nicht einmal<br />

eine Größe von 30 Quadratmeter aufweist. Von „Plantage“<br />

kann also keine Rede sein. Zudem berichteten die lokalen<br />

Medien nicht über den tatsächlichen THC-Gehalt der Pflanzen.<br />

Das hätte auch keine Schlagzeile gebracht, da die verkümmerten<br />

„Bonsai-Pflänzchen“ von Milben befallen waren. Stattdessen<br />

war die dramatische Rede von ca. 200 Pflanzen.<br />

In einem solchen Falle ist es nur selbstverständlich, wenn unser<br />

„Freund und Helfer“, die Polizei, die Wohnung stürmt, Handgelenke<br />

mit engen Handschellen quetscht und mit der Pistole<br />

um Ruhe bittet. Natürlich in Zivil und ohne auch nur ein Wort<br />

darüber zu verlieren, worum es eigentlich geht, geschweige<br />

denn die Rechte vorzulesen. Bücher, teure Fachliteratur sowie<br />

diverse Küchenartikel (Kaffeemühle), dürfen da selbstverständlich<br />

auch ohne weiteres beschlagnahmt werden. Sadistische<br />

Verhaltensweisen, wie Erniedrigung, Sprücheklopfen, Aufziehen<br />

und mehrmaliges Eindringen in die Privatsphäre der zwei<br />

Geschwister werden dabei nicht als Schikane, sondern unter<br />

dem Begriff „Polizeipsychologie“ oder „Raucherpolizei“<br />

subsummiert.<br />

Doch warum, frage ich mich als seriöser und rasender Reporter,<br />

nimmt man diese Risiken auf sich, wenn doch bekannt ist, dass<br />

der Anbau von Marihuana in Deutschland mit radikal-repressiven<br />

Maßnahmen sanktioniert wird, selbst wenn man den<br />

Status „Frührentner“ innehätte?<br />

Die Antwort(en): Selbstversorgung und „Polytoxikophilie“<br />

(=Drogenmischkonsumenten).<br />

„Chong“ (Name ebenfalls geändert), Baujahr ’69 ist<br />

angewiesen auf flüssiges Codein, hat ein äußerst unangenehmes<br />

Leiden im Genital-Bereich und wurde trotz operativ entfernter<br />

Milz beim Bund auf „T2“ gestuft. Auf dem Lande groß<br />

geworden kannte er zunächst nichts anderes, als sich mit<br />

Alkohol ins Koma zu saufen.<br />

Man braucht kein Fachexperte zu sein um zu erkennen, dass<br />

es sich bei diesen Opiaten um Schmerzhemmer und Symptomblocker<br />

handelt. „Wir sind Morphinisten“ äußert sich einer der<br />

beiden, als es mir einen Moment lang die Sprache verschlägt.<br />

Dann erblicke ich einen Haufen mit Aktenordnern und Unmengen<br />

von Papier. Ein ganzer Kubikmeter, mindestens zehn<br />

DIN A4-Ordner, voll mit Krankenakten.<br />

Zuvor befolgten sie ärztlich verordnete Medikationen bzw.<br />

starteten diverse substanzinduzierte Selbstexperimente aller<br />

Art. Beide haben erst mit ca. 20 Jahren das erste Mal gekifft.<br />

„Wir sind quasi Spätzünder.“ sagen sie. Sie entdeckten die<br />

Wirkung des THC erst, nachdem sie harte Drogen zu sich<br />

genommen haben und eben nicht davor. Von der Einstiegsdroge<br />

Cannabis kann also keine Rede sein. Doch nach dem ersten<br />

Joint wurde alles anders. Cheech und Chong schafften sich<br />

Literatur an und machten sich Gedanken darüber, wie und wo<br />

was wirkte. Seitdem lesen sie die Beipackzettel aufmerksamer<br />

und widmen sich vermehrt ihren humoristischen und kreativen<br />

Seiten.<br />

„Cheech“ nimmt seit fast zwei Jahrzehnten Opioide (Opiate)<br />

zu sich, weil er seit seiner Kindheit am ganzen Körper an<br />

chronischen Schmerzschüben und Schlafstörungen leidet. Hinzu<br />

kamen im Laufe der Jahre diverse OPs in und an sämtlichen<br />

Körperöffnungen.<br />

Wir sind nicht dafür, dass Cannabis freigegeben wird für 14-<br />

Jährige.“ Nachvollziehbar, da man argumentieren könnte, dass<br />

in einem solchen Alter die Psyche eines jungen Menschen noch<br />

nicht ausgereift und willensstark genug ist. In einem solchen<br />

Alter wird möglicherweise nur geringfügig bewusst über den<br />

Gebrauch des grünen Krauts zwecks kontrollierter und gezielter<br />

Anwendung reflektiert. „ Ein Alter von 21 wäre realistischer.<br />

Die Pubertätsphase muss ausgeklungen sein. Andererseits<br />

muss es Obergrenzen geben, damit die Leute nicht (zu) bekifft<br />

durch die Gegend fahren.“ Man soll ja auch nicht durch die<br />

Gegend „fliegen“, sondern am Straßenverkehr teilnehmen, mit<br />

einem möglichst nüchternen Sinn für die Realität. „Substanzaufklärung<br />

ist da besonders wichtig. Unsere Eltern hatten mit<br />

[illegalisierten - Anm. d. Red.] Drogen überhaupt nichts zu<br />

tun. Deswegen haben wir keine Ahnung von der Materie<br />

gehabt.“<br />

Deshalb der Appell an alle ähnlich betroffenen Kiffer: Habt<br />

Mut und outet euch! Ihr seid nicht alleine!! Fälle wie „Cheech<br />

und Chong“ sind nur ein Beispiel von vielen auf der Spitze<br />

des deutschen Hanfbergs.<br />

Jedoch sind viele aufgrund der Angst vor repressiven<br />

Maßnahmen seitens der Exekutive, der Staatsanwaltschaft und<br />

der Deutschen Drogenpolitik, stark eingeschüchtert. Aber es<br />

gibt Möglichkeiten selber etwas zu bewegen und sich nicht<br />

nur wie ein Verbrecher behandeln zu lassen.<br />

Schreibt beispielsweise Briefe mit eurer Leidens-Geschichte an<br />

die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marion Caspers-<br />

Merk (siehe auch Seite 06) poststelle@bmg.bund.de, denn jede<br />

Meinung zählt!<br />

Schreibt an redktion.pot@hanfjournal.de wenn ihr ein<br />

Sprachrohr sucht, einen progressiven Einfluss auf das BtMG<br />

und das öffentliche Bild von Cannabis auszuüben.<br />

Adam Zawadzki<br />

Wanted<br />

Gesucht:<br />

Ziel:<br />

Methode:<br />

Wo:<br />

Belohnung:<br />

Trend- und szeneläden ohne Hanf Journale<br />

zukünftige Auslage des Hanf Journals<br />

Anzeigen (beim Hanf Journal, auf keinen<br />

Fall bei der Polizei)<br />

zentrale@hanfjournal.de<br />

kleine Geschenke (z.B.: Drehmaschiene,<br />

Grinder, CDs, ...)<br />

Das Hanf Journal sucht Head- und Growshops die noch keine Hanf Journale auslegen. Kennt ihr einen Shop der<br />

das noch nicht tut, dann gibt uns die Adresse und wir kümmern uns darum das ihr auch in diesem Shop Hanf<br />

Journale bekommt. Für fachdienliche Hinweise warten kifferfreundliche Belohnungen.

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