Thomas Krauskopf Interieur
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Eins: Générique<br />
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(2) AUSFUCK (sic!). Da eine Wohnung erst zum 15. des Monats bezugsfertig<br />
wäre, ließ er sich dem glanzlosen Schick von Deutschlands<br />
vielleicht häßlichstem Platz angedeihen. Doch dem monumentalen<br />
Charme, der für ihn schnell zur Lieblingsstraße der Republik<br />
avancierten Karl-Marx-Allee konnte er sich kaum entziehen. Er<br />
verlor die Buchstabierung, zerschund vor Lachen und fiel bewußtreich<br />
von seiner Parkbank. Leute halfen ihm auf, illusionslose Blicke,<br />
er schwor in seiner Phantasie, daß er nicht auf die Intensivstation<br />
eingeliefert werden wollte. Nur ein Formtief, verquere Lektüre,<br />
das konnte einem Vielleser immer einmal passieren. Welche<br />
Ressorts? Biographie des Existentialismus. Langsame Entschleunigung.<br />
Naturgewalten. Bewußtsein: „Heute, Morgen, Gestern – heute,<br />
Ich, morgen, Du, gestern, Wir.“ Die Leere, das Loch und der<br />
Mangel. Lücken ohne den Glanz eines beruhigenden Selbst; wo –<br />
Existenz? Giacomo: ist gewesen! Nur noch Er. Aber nicht mehr viel<br />
weiter. Sekundäre Angst vor den Schnüren des Primären. Wohin mit<br />
der Prise Leben, jenen schmutzigen Geworfenheiten (in die Welt).<br />
Der pure Existentialismus des Jazz, des Blues, der minimalen<br />
Elektronik. Sternenstaub in den Erinnerungen, unklare Anhaftungen<br />
der nackten leeren Betrübnis, undurchsichtig in allen weiteren erklecklichen<br />
Handlungen: Gegenwillen aufbauen! Aufbrechungen,<br />
vielerlei Schiffe trieben auf dem unwegsamen Ozean der Inzwischenzeit.<br />
Das Wachstum einer Philosophie war unbegrenzt, aber<br />
das Denken in sie hinein war beschränkt. Der Streit der grammatischen<br />
Zeiten ... das historische Perfekt der großen französischen<br />
Romane und die sprachlichen Möglichkeiten der zusammengesetzten<br />
Vergangenheitsform der Moderne, und sein weiteres Insbewußtseinbringen!<br />
Substanz, Materie, Festes. Die Kerne des<br />
Existentiellen, die Härte des Überlebenskampfes. Strukturen und<br />
Differenzen, aufbrauchbar wie kein Charakter, Löcher in der Seele –<br />
gab es Gefühle, gab es die Metaphysik, gab es den Regen, gab es<br />
den Schnee? Gab es die Dinge oder waren sie nur leerer Raum, aufbrauchbare<br />
Subjektivität? Die angestrebten Sachen waren nicht<br />
existent. Die Liebe nichts, die Objektivität war nichts! Musik, Kunst<br />
und Literatur waren das einzige, was es gab, weil nichts davon notwendig<br />
war. Alles andere schien brauchbar zu sein: Geld, Nahrung<br />
und sogar der Abfall, weil selbst damit sich noch Geld verdienen<br />
ließ. Menschen, Tiere und Pflanzen gab es nicht, weil sie notwendig<br />
waren, um die Erde die Erde sein zu lassen. Die Fische ohne die<br />
Fische wären nicht das Meer wie das Meer ohne Fische wäre – oder<br />
wäre das nicht so wie es nunmal wäre: da trete mit einmal ein Ich<br />
hinzu! Wäre das nun GIACOMOS Welt und Inneres?<br />
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