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Thomas Krauskopf Interieur

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Eins: Générique<br />

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(8) Ja, sein buntes, dickes japanisches Comic (kaum würde jemand<br />

denken, daß ein Mann mit seinem jugendlichen Habitus ein Familienvater<br />

wäre, obwohl er kompromißlos korrekt gekleidet war, und<br />

ganz nach Bank aussah), von welchem er ab und an aufblickte und<br />

die anderen Mitreisenden in seiner unmittelbaren Sitznachbarschaft<br />

musterte. Was heißt Berlin (wo er jetzt vielleicht lebte, aber wer<br />

weiß schon ob eine solche Metropole überhaupt existierte – Paris,<br />

London, Tokio, New York, Hongkong, Moskau, Singapur, Sydney,<br />

Kairo) ... Städte in denen er längst gewesen sein könnte. Das Urbane<br />

war sein unbedingtes Elixier! Giacomo war heute nett aufgelegt. Er<br />

stürmte des öfteren ins Büro und erzählte Witze mit Tiefgang. Ein<br />

Held im Comic verlor einen Arm, aber seine Kraft verdoppelte sich,<br />

wenn dem gleichen Helden der Kopf abgeschlagen würde, hieße es,<br />

daß sich die Denkleistung entsprechend potenzierte, doch wie ginge<br />

das ohne Hirn am rechten Fleck? Ein metaphysisches Problem war<br />

die Zelle Gehirn sowieso, doch ganz ohne Spekulation ließ sich<br />

dieser große organische Apparat, wie der Mensch nunmal einer ist,<br />

kaum ergründen. Welchen Regeln zufolge brachen die Grenzen auf,<br />

der Schubkraft Sein mußte der Mensch ein alltäglicher Akrobat sein.<br />

Ein vielgründiger Seiltanz ohne festen Draht und ohne Vertrag. Giacomo<br />

brachte den Japaner zum Schmunzeln, ein beherztes Lachen<br />

ließ seine Mentalität nicht zu. Nur nicht verrechnen. Giacomo war<br />

letzte Woche 41 Jahre alt geworden: »So alt wie meine<br />

Schuhgröße«, lautete sein nüchternes, aber die Kollegen erheiterndes<br />

Urteil. Es wurde angestoßen, wenige Tage später also, Giacomo<br />

hatte Urlaub und war heute den ersten Tag wieder in der Firma.<br />

Heute, das heißt, Berlin, ehemalige Hauptstadt der DDR, am<br />

Montag, den 5. März 2001. Er war eines dieser Glückskinder, die<br />

am 29. Februar Geburtstag haben, und deshalb nur alle vier Jahre<br />

das korrekte Datum einzuhalten vermögen, während sonst in den<br />

Nichtschaltjahren bedenkenlos auf den 1. März jenes zwischen den<br />

Sommerolympiaden liegenden Tages zurückgegriffen wurde. Um<br />

diese Details machte sich Giacomo schon lange keine Gedanken<br />

mehr. Er verbrachte seinen Geburtstag hingegen beim Winterurlaub<br />

in den Schweizer Alpen und verlebte mit seinen beiden mitgereisten<br />

Bekannten einen satten Herrenabend, der nach einem feuchtfröhlichen<br />

Essen in einer tiefverschneiten Schihütte und der anschließenden<br />

Schlittenabfahrt, in einer dieser diversen Diskothequen<br />

des Ortes in den Armen einer jüngeren, weiblichen Person endete.<br />

Jazzy Gefühle nach der großen Sause durch die Dekadenz der<br />

Einfachheit, alles nur eine Frage der ungeheuren Zelebration der<br />

richtigen Beschirrung, fürwahr!<br />

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