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2 Atome und ihre Bausteine

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2.1 Die Gr<strong>und</strong>gesetze der Chemie; der Atombegriff<br />

2.2 Elektrische Ladung <strong>und</strong> Materie<br />

2.3 Die <strong>Bausteine</strong> der <strong>Atome</strong>: Elektronen, Protonen<br />

<strong>und</strong> Neutronen; Isotope<br />

2.4 Atommasse <strong>und</strong> Stoffmenge; molare Masse<br />

2.5 Das Periodensystem II<br />

2.6 Konzentrationsangaben<br />

2.7 Exkurs: Radioaktivität<br />

2<br />

At ome <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> B au steine


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

2 . 1 D i e G r u n d g e s e t z e d e r C h e m i e ; d e r A t o m b e g r i f f<br />

Bis zum Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts war die Existenz von <strong>Atome</strong>n bei den<br />

Naturwissenschaftlern noch sehr umstritten, obwohl verschiedene Beobachtungen<br />

darauf hingewiesen hatten.<br />

Vor dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert gelang es nicht, exakte Messungen durchzuführen.<br />

Obwohl die Münzprüfer in der damaligen Zeit einfache Waagen verwendeten, war<br />

deren Gebrauch bei den Chemikern noch nicht üblich. Galileo Galilei (1564–1642)<br />

war einer der ersten Wissenschaftler, der sich mit dem Messwesen intensiv beschäftigte.<br />

So entwickelte er u.a. 1586 die erste hydrostatische Waage zur Bestimmung der<br />

Dichten fester <strong>und</strong> flüssiger Medien. Damit war der Weg frei, die Massenverhältnisse<br />

bei chemischen Reaktionen zu bestimmen. Michael W. Lomonossow (1711–<br />

1765) <strong>und</strong> Antoine L. Lavoisier (1743–1794) stellten 1748 bzw. 1782 fest, dass sich<br />

bei einer chemischen Reaktion die Masse der beteiligten Stoffe nicht ändert. Eine<br />

Überprüfung dieser Aussage mit modernsten Waagen, ergab bis zum Bereich von<br />

10 –8 g keine Abweichung.<br />

Bei chemischen Reaktionen ändert sich die Masse der beteiligten Stoffe nicht.<br />

(Gesetz von der Erhaltung der Masse)<br />

Abb. 2.1 Gesetz von der Erhaltung der Masse. Auch nach der Reaktion ist die Waage im Gleichgewicht<br />

32


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Eine weitere Gesetzmässigkeit lässt sich bei der Reaktion zwischen den beiden<br />

elementaren Stoffen Eisen <strong>und</strong> Schwefel beobachten, die in einer exothermen<br />

Reaktion (unter starkem Aufglühen) Eisensulfid bilden. Das Massenverhältnis, in<br />

dem sich die beiden Elemente miteinander verbinden, ist immer konstant, auch bei<br />

mehrmaligem Durchführen des Experiments. In jedem Fall beträgt das Verhältnis<br />

Masse Eisen zur Masse Schwefel ger<strong>und</strong>et 1,74:1.<br />

m 1<br />

m 2 = konstant<br />

Die Reaktion lässt sich durch eine Reaktionsgleichung darstellen. Auf der linken<br />

Seite des Reaktionspfeils stehen die Ausgangsstoffe oder Edukte, auf der rechten<br />

Seite die Endstoffe oder Produkte. Der Pfeil bedeutet «reagieren zu». Die Aggregatzustände<br />

werden mit den Symbolen s (solid engl. = fest), λ (liquid engl. = flüssig) <strong>und</strong><br />

g (gaseous engl. = gasförmig) symbolisiert.<br />

Eisen(s) + Schwefel(s) ➝ Eisensulfid(s)<br />

m 1 m 2<br />

Tabelle 2.1 Experimentell ermittelte Massenverhältnisse für die Reaktion<br />

Eisen + Schwefel<br />

Messung Nummer m(Fe) : m(S)<br />

1 1,73<br />

2 1,76<br />

3 1,72<br />

4 1,74<br />

5 1,77<br />

Mittelwert<br />

1,74<br />

Auch viele andere Elemente reagieren miteinander in einem jeweils bestimmten<br />

Massenverhältnis. Die dabei entstehenden Verbindungen müssen folglich<br />

eine konstante Zusammensetzung aufweisen. Diese Erkenntnis führte in der<br />

zweiten Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts zur Formulierung des Gesetzes der konstanten<br />

Proportionen.<br />

33


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Abb. 2.2 Antoine L. Lavoisier (1743–1794) Abb. 2.3 John Dalton (1760–1844)<br />

Abb. 2.4 Ernest Rutherford (1871–1937) Abb. 2.5 Lorenzo Avogadro (1776–1856)<br />

Abb. 2.6 Julius Lothar Meyer (1830–1895) Abb. 2.7 Dimitrij I. Mendelejew (1834–1907)<br />

34


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Elementare Stoffe verbinden sich in bestimmten Massenverhältnissen.<br />

(Gesetz der konstanten Proportionen)<br />

Ein Beispiel für Elemente, die nicht nur eine, sondern mehrere Verbindungen<br />

miteinander bilden, ist die Reaktion zwischen Stickstoff <strong>und</strong> Sauerstoff. Je nach den<br />

Bedingungen (Druck, Temperatur, Stoffmengen etc.) lassen sich 5 verschiedene<br />

Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen herstellen. Die Bestimmung der Massenverhältnisse<br />

ergab folgendes Ergebnis:<br />

Tab. 2.2 Massenverhältnisse von Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen<br />

Verbindung Masse Sauerstoff in g Masse Stickstoff in g<br />

1 0,571 1<br />

2 1,142 1<br />

3 1,713 1<br />

4 2,284 1<br />

5 2,855 1<br />

Auffällig ist, dass sich die Massen des Sauerstoffs, die sich mit jeweils der<br />

gleichen Masse Stickstoff (1 g) verbinden, ganzzahlige Vielfache der kleinsten Masse<br />

(0,571 g) sind.<br />

Tab. 2.3 Massenverhältnisse von Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen<br />

Verbindung Masse Sauerstoff in g Masse Stickstoff in g<br />

1 1 x 0,571 1<br />

2 2 x 0,571 1<br />

3 3 x 0,571 1<br />

4 4 x 0,571 1<br />

5 5 x 0,571 1<br />

Dieses überraschende Ergebnis lässt sich verstehen, wenn man annimmt,<br />

dass die elementaren Stoffe aus unteilbaren <strong>Atome</strong>n bestehen, die sich folglich nur<br />

in ganzzahligen Verhältnissen miteinander verbinden können.<br />

Die Zusammensetzung der kleinsten Teilchen von Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen,<br />

die sich aus genaueren Untersuchungen ergab, bestätigte die Vorstellung<br />

von <strong>Atome</strong>n.<br />

35


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Tab. 2.4 Namen <strong>und</strong> Atomzahlenverhältnisse von Stickstoff-Sauerstoff-<br />

Verbindungen<br />

Namen der Verbindungen Zusammensetzung der kleinsten Teilchen<br />

Distickstoffoxid N 2 O 1<br />

Stickstoffoxid<br />

NO<br />

Distickstofftrioxid N 2 O 3<br />

Stickstoffdioxid NO 2<br />

Distickstoffpentoxid N 2 O 5<br />

Bei der ersten Verbindung, dem Distickstoffoxid (N 2 O), reagieren 2 Stickstoff-<strong>Atome</strong><br />

mit einem Sauerstoff-Atom. Die Masse eines Sauerstoff-Atoms verteilt<br />

sich folglich auf 2 Stickstoffatome. In einem Stickstoffoxid-Teilchen (NO), in dem<br />

das Atomzahlenverhältnis 1:1 beträgt, trifft die Masse eines Sauerstoff-Atoms auf<br />

ein Stickstoff-Atom, also das Zweifache wie in einem Distickstoffoxid-Teilchen.<br />

Schliesslich ist die Masse des Sauerstoffs in den Stoffen N 2 O 3 , NO 2 <strong>und</strong> N 2 O 5 dreimal,<br />

viermal <strong>und</strong> fünfmal so gross wie im Distickstoffoxid, jeweils bezogen auf die<br />

Masse eines Stickstoff-Atoms.<br />

Bilden zwei elementare Stoffe mehrere Verbindungen miteinander, so gilt:<br />

Die Massen des eines Elements, die sich mit immer der gleichen Masse des anderen<br />

Elements verbinden, stehen im Verhältnis einfacher ganzer Zahlen zueinander.<br />

(Gesetz der multiplen Proportionen)<br />

John Dalton (1760–1844) fand 1804 diese Gesetzmässigkeit, die seine Atomhypothese<br />

stützte, aus Studien über das Verhalten von Gasen. Er nahm an, dass<br />

die kleinsten Teilchen eines elementaren Stoffs, die <strong>Atome</strong> (a gr. = nicht; tome gr.<br />

= Schnitt, Schneiden), bei chemischen Reaktionen weder zerstört noch geschaffen<br />

werden können. <strong>Atome</strong> waren für ihn also nicht teilbar.<br />

Die Existenz von <strong>Atome</strong>n, die heute eine Tatsache ist, erklärt damit auch das<br />

Gesetz zur Erhaltung der Masse <strong>und</strong> der konstanten Proportionen.<br />

Atomvorstellung von Dalton:<br />

– Für jedes Element existiert eine kleinste, nicht mehr teilbare Einheit, das Atom.<br />

– Für jedes Element gibt es eine charakteristische Atomart.<br />

– Die verschiedenen Atomarten unterscheiden sich durch <strong>ihre</strong> Massen.<br />

1<br />

Die Anzahl der <strong>Atome</strong>, aus denen die Verbindungen entstanden sind, werden durch Indices angegeben. Damit will man<br />

verdeutlichen, dass es sich nicht um einzelne, voneinander unabhängige <strong>Atome</strong> handelt.<br />

36


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

2 . 2 E l e k t r i s c h e L a d u n g u n d M a t e r i e<br />

Zwei mit einem Seidentuch geriebene Kunststoffstäbe stossen einander ab,<br />

wenn einer davon drehbar aufgehängt ist. Ein geriebener Glasstab hingegen zieht<br />

den Kunststoffstab an. Diese Tatsache war schon im Altertum bekannt. Damals<br />

bemerkte man, dass geriebener Bernstein andere Stoffe wie z.B. Haare anzuziehen<br />

vermag. William Gilbert (1544–1603), der Leibarzt von Königin Elisabeth I. von<br />

England, nannte diese Kraft Ende des 16. Jahrh<strong>und</strong>erst «vis electrica» («elektrische<br />

Kraft»; elektron gr. = Bernstein). In der Folgezeit sprach man als Ursache dieser Erscheinung<br />

von elektrischen Ladungen, die sich von einem Körper auf einen anderen<br />

übertragen lassen.<br />

a<br />

b<br />

Abb. 2.8 a) Abstossende <strong>und</strong> b) anziehende Kräfte zwischen elektrisch geladenen Körpern<br />

Wegen der abstossenden <strong>und</strong> anziehenden Kräfte wird weiter zwischen positiver<br />

<strong>und</strong> negativer elektrischer Ladung unterschieden, die sich gegenseitig aufheben.<br />

Die Grösse der anziehenden bzw. abstossenden Kraft ist proportional dem<br />

Produkt der Ladungen <strong>und</strong> umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands<br />

der Ladungsschwerpunkte zweier geladener Körper. Charles A. de Coulomb (1736–<br />

1806) formulierte diese Abhängigkeit in einem nach ihm benannten Gesetz:<br />

F = k · 1 ·<br />

Q 1 · Q 2<br />

ε r 2<br />

(Coulomb-Gesetz)<br />

F: Kraft; Q 1 bzw. Q 2 : Ladungen; r: Abstand der Ladungsschwerpunkte; ε: Dielektrizitätskonstante<br />

(abhängig vom Material zwischen den beiden geladenen Körpern);<br />

k: Proportionalitätsfaktor, entsprechend dem verwendeten Masssystem für Kraft,<br />

Ladungen <strong>und</strong> Abstand<br />

37


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Überprüft man nochmals die anziehenden bzw. abstossenden Kräfte zwischen<br />

den eingangs erwähnten geriebenen Stäben, so spielt es keine Rolle, wie der<br />

einzelne Stab gehalten wird. Die Kraft wirkt von einem elektrisch geladenen Körper<br />

nach allen Raumrichtungen. Ein solcher Körper wird allseitig von einem Feld umgeben,<br />

das die Kraft auf eine zweite Ladung «vermittelt». Diese Aussage stammt von<br />

Michael Faraday (1791–1867) <strong>und</strong> wurde seitdem beibehalten.<br />

– Elektrisch geladene Körper üben Kräfte aufeinander aus. Gleichartig geladenen<br />

Körper stossen sich ab, ungleichartig geladene ziehen sich an.<br />

– Man unterscheidet zwischen positiver <strong>und</strong> negativer Ladung.<br />

Da durch Reibung verschiedene Materialien elektrisch geladen werden, kann<br />

man vermuten, dass Stoffe aus positiv <strong>und</strong> negativ geladenen Teilchen aufgebaut<br />

sind, deren Ladungen sich normalerweise gerade aufheben. Der Reibungsvorgang<br />

stört dieses Gleichgewicht, indem Ladung entfernt oder hinzugeführt wird. Genauere<br />

Untersuchungen haben ergeben, dass alle natürlich vorkommenden Ladungen<br />

ganzzahlige Vielfache einer kleinsten Ladungsmenge, der elektrischen Elementarladung<br />

e, sind.<br />

Elementarladung (ger<strong>und</strong>et): e = 1,602 · 10 –19 C (Coulomb)<br />

1 Coulomb (C) sind<br />

1<br />

1,602 · 10 –19<br />

= 6,242 · 10 18 Elementarladungen<br />

Elektrischer Strom ist nichts anderes als negativ geladene Teilchen (Elektronen<br />

mit der Ladung -e, Abschnitt 2.3), die durch einen Leiter (z.B. Kupferdraht)<br />

fliessen. Die Ladungsmenge Q (Anzahl negativer Elementarladungen), die pro Zeiteinheit<br />

fliesst, ist die Stromstärke (vergleichbar mit der Anzahl Kubikmeter Wasser,<br />

die pro Sek<strong>und</strong>e durch den Querschnitt eines Flussbetts fliesst):<br />

Aus dem Produkt von Stromstärke I <strong>und</strong> der Zeit t berechnet sich die Ladungsmenge<br />

Q, die während einer bestimmten Zeit geflossen ist [Analog der Wassermenge<br />

(in m 3 ) eines Flusses, die z.B. pro Tag an einem Flussquerschnitt gemessen<br />

wurde].<br />

38


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

– Strom ist bewegte negative Ladung (Elektronen).<br />

– Die Stromstärke I entspricht der Ladungsmenge Q (Anzahl negativer Elementarladungen),<br />

die pro Zeiteinheit durch einen Leiter fliessen.<br />

Stromstärke: Zeichen I; Verknüpfung I = Q ; Einheit C oder A(mpère)<br />

t s<br />

– Ladungsmenge: Zeichen Q; Verknüpfung Q = I · t; Einheit As oder C<br />

– Eine elektrische Spannung zwischen zwei geladenen Körpern kommt dadurch<br />

zustande, dass man auf ihnen eine unterschiedliche, vom Normalzustand abweichende<br />

Ladungsverteilung herstellt.<br />

– Eine elektrische Spannung ist Voraussetzung für das Fliessen eines elektrischen<br />

Stroms.<br />

Spannung: Zeichen U; Einheit V(olt)<br />

2 . 3 D i e B a u s t e i n e d e r A t o m e : E l e k t r o n e n , P r o t o n e n u n d<br />

N e u t r o n e n ; I s o t o p e<br />

Die Entdeckung der Elektronen<br />

Erzeugt man eine hohe elektrische Spannung an zwei Elektroden (z.B. zwei<br />

Metallblechen) in einem evakuierten Glasrohr, so lässt sich an einem Leuchtschirm<br />

eine sonst unsichtbare Strahlung beobachten, die aus dem Metall der glühenden<br />

Kathode (negativer Pol) austritt <strong>und</strong> sich auf die Anode (positiver Pol) zubewegt.<br />

Die englischen Physiker Cromwell F. Varley (1870) <strong>und</strong> Sir William Crooks (1879)<br />

erkannten, dass es sich bei diesen Kathodenstrahlen um Teilchen handeln musste.<br />

Sie bewegen sich geradlinig durch ein Loch in der Anode <strong>und</strong> können anschliessend<br />

von einem elektrischen oder magnetischen Feld abgelenkt werden (Abb. 2.10). Da<br />

diese Teilchen von der Kathode stammen <strong>und</strong> vom positiven Pol angezogen werden,<br />

tragen sie eine negative Ladung.<br />

2.6<br />

Abb. 2.9 Kathodenstrahlrohr<br />

Abb. 2.10 Kathodenstrahlrohr schematisch<br />

39


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Von einer «Glühkathode» (Kathode, die beheizt wird) gelangen Elektronen<br />

zur r<strong>und</strong>en Anode, in deren Mitte sich ein Loch befindet. Die Elektronen, die<br />

durch dieses Loch hindurchfliegen, treffen am Ende der Röhre, in der ein Vakuum<br />

herrscht, auf eine weisse Schicht. Der Aufprall der Elektronen auf diese Schicht erzeugt<br />

Leuchtpunkte.<br />

Sir Josef J. Thomson (1856–1940) bestimmte 1897 mit Hilfe des Kathodenstrahlrohrs<br />

das Verhältnis von Ladung <strong>und</strong> Masse der Teilchen durch Ablenkung<br />

im elektrischen Feld. Der Forscher nahm dabei an, dass die Elektronen, wie sie seit<br />

1881 vom englischen Physiker George J. Stoney (1826–1911) genannt wurden, die<br />

Elementarladung tragen.<br />

Verhältnis Elementarladung zur Masse eines Elektrons:<br />

e = 1,759 · 10<br />

11 C<br />

m e<br />

kg<br />

e: Elementarladung; m e : Masse eines Elektrons; C: Einheit der Ladungsmenge (Abschnitt<br />

2.2)<br />

Nachdem Robert A. Millikan (1868–1953) in den Jahren 1909 bis 1913 die<br />

Elementarladung e bestimmt hatte, liess sich mit der Beziehung von Thomson die<br />

Elektronenmasse m e berechnen:<br />

e = 1,602 · 10 –19 C<br />

m e = 1,602 · 10–19 = 9,107 · 10 –31 kg bzw. m e = 9,107 · 10 –28 g<br />

1,759 · 10 11<br />

Elektronen müssen also Bestandteil der <strong>Atome</strong> sein, in diesem Fall der <strong>Atome</strong> des<br />

Kathodenmaterials.<br />

Die Entdeckung der Protonen<br />

1886 verwendete Eugen Goldstein (1850–1930) ein Kathodenstrahlrohr (Abb.<br />

2.11), das ein Loch (einen Kanal) in der Kathode enthielt (Kanalstrahlrohr). Als Füllgas<br />

benutzte er Wasserstoff. Beim Anlegen einer Spannung konnte Goldstein beobachten,<br />

dass neben den Kathodenstrahlen auch Strahlen in die Kathode einfielen<br />

(Kanalstrahlen). Die Ladung dieser Teilchen musste demnach derjenigen der Elektronen<br />

entgegengesetzt sein. Thomson sprach 1907 von einer positiven Strahlung.<br />

Man konnte schliesslich feststellen, dass die Ladung der Protonen (protos gr. = der<br />

Erste), wie Ernest Rutherford (1871–1937) die Teilchen 1920 nannte, die positive Elementarladung<br />

tragen <strong>und</strong> 1837 (r<strong>und</strong> 2000) mal schwerer als die Elektronen sind.<br />

40


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Mit dieser Entdeckung verdichtete sich die Vermutung, dass die <strong>Atome</strong> der<br />

elementaren Stoffe aus Protonen <strong>und</strong> Elektronen aufgebaut sein müssen. Da die Elemente<br />

elektrisch neutral sind, entspricht die Anzahl der Protonen in einem Atom<br />

der Elektronenzahl. Rutherford vermutete 1921 die Existenz von ungeladenen Teilchen<br />

als weiteren Baustein der <strong>Atome</strong>. W. Bothe <strong>und</strong> W. Becker beobachteten 1931<br />

beim Beschuss des Elements Beryllium mit α-Teilchen, die von radioaktiven Elementen<br />

freigesetzt werden (Abschnitt 2.7), eine durchdringende, sehr energiereiche<br />

Strahlung, die nicht durch ein elektrisches Feld abgelenkt werden konnte. Sir James<br />

Chadwick (1891–1974) zeigte 1922, dass es sich dabei um Neutronen handelte mit<br />

etwa der gleichen Masse wie die der Protonen.<br />

– Die <strong>Atome</strong> der elementaren Stoffe sind aus den drei Elementarteilchen Protonen,<br />

Neutronen <strong>und</strong> Elektronen aufgebaut.<br />

– Die elektrisch neutralen <strong>Atome</strong> enthalten gleich viele Protonen wie Elektronen.<br />

2.6<br />

Elementarteilchen Symbol Masse in g Ladung<br />

Elektron e – 9,107 · 10 –28 –e<br />

Proton p + 1,673 · 10 –24 +e<br />

Neutron n 1,676 · 10 –24 neutral<br />

Die Versuchsanordnung von Goldstein wurde für die Bestimmung der Atommassen<br />

sehr wichtig. Die von der Kathode ausgehenden Elektronen stossen mit den<br />

2.8<br />

<strong>Atome</strong>n des Füllgases im Kanalstrahlrohr zusammen <strong>und</strong> schlagen diesen ein Elektron<br />

weg. Dadurch entstehen einfach positiv geladene Teilchen. Ein Teil von ihnen<br />

fliegt durch das Loch der negativen Elektrode. Mit Hilfe von elektrischen Feldern<br />

lässt sich je nach der beobachteten Ablenkung die Masse der Teilchen ermitteln.<br />

2.9<br />

Abb. 2.11 Kanalstrahlrohr<br />

Abb. 2.12 Entdeckung der Isotope<br />

41


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Thomson benutzte 1910 diese Versuchsanordnung (Abb. 2.12), um die Masse<br />

einfacher Elemente zu bestimmen. Als der Forscher einen Strahl positiv geladener<br />

Neon-<strong>Atome</strong> untersuchte, konnte er zwei verschieden schwere Teilchen beobachten.<br />

Die Folgerung daraus war, dass es Neon-<strong>Atome</strong> verschiedener Masse gibt.<br />

Das Element Neon besteht also nicht aus völlig identischen <strong>Atome</strong>n, sondern aus<br />

einer Mischung von verschieden schweren <strong>Atome</strong>n, die jedoch, wie man inzwischen<br />

wusste, alle gleich viele Protonen besitzen. Frederick Soddy (1877–1956) prägte 1913<br />

für diese <strong>Atome</strong>, die eine unterschiedliche Anzahl von Neutronen aufweisen, den<br />

Namen Isotope (isos gr. = gleich; topos gr. = Ort) oder isotope Nuklide, da sie den<br />

gleichen Platz im Periodensystem einnehmen. Unter einem Nuklid versteht man ein<br />

Atom mit bestimmter Protonen- <strong>und</strong> Neutronenzahl.<br />

Zur Unterscheidung von isotopen Nukliden ist es nötig, die Anzahl Protonen<br />

<strong>und</strong> Neutronen des entsprechenden Atoms anzugeben. Es ist üblich, statt der Neutronenzahl<br />

die Summe von Protonen <strong>und</strong> Neutronen, die Nukleonenzahl A 2 , mit<br />

dem Elementsymbol zu verknüpfen:<br />

A<br />

– Z Elementsymbol oder Elementsymbol-A<br />

A: Nukleonenzahl = Summe von Protonen <strong>und</strong> Neutronen<br />

Z: Protonenzahl = Ordnungszahl (Kernladungszahl), bestimmt die Stellung eines<br />

Elements im Periodensystem<br />

– Die Anzahl Neutronen ergibt sich aus der Differenz von Nukleonen- <strong>und</strong> Protonenzahl<br />

Beispiel: Neon<br />

20 10 Ne oder Ne-20: 10 p + , 10 e – , 10 n<br />

22 10 Ne oder Ne-22: 10 p + , 10 e – , 12 n<br />

Bei den natürlich vorkommenden Elementen unterscheidet man Reinelemente<br />

mit nur einer Nuklidart von den Mischelementen, die mindestens zwei (nicht<br />

radioaktiven) isotope Nuklide enthalten. Reinelemente, von denen es nur 20 gibt,<br />

sind z.B. Aluminium, Beryllium, Fluor, Gold, Iod <strong>und</strong> Natrium.<br />

– Ein Element besteht aus <strong>Atome</strong>n derselben Protonenzahl.<br />

– Isotope Nuklide (Isotope) sind <strong>Atome</strong> des gleichen Elements, die sich nur durch<br />

die Neutronenzahl voneinander unterscheiden.<br />

– <strong>Atome</strong> mit einer bestimmten Protonen- <strong>und</strong> Neutronenzahl heissen Nuklide.<br />

– Reinelemente besitzen nur eine Nuklidart, Mischelemente bestehen aus mindestens<br />

zwei isotopen Nukliden.<br />

2 Nukleonenzahl deswegen, weil sich die Protonen <strong>und</strong> Neutronen im Kern (nucleus lat.= Kern) befinden.<br />

42


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

– Nukleonenzahl A (immer eine ganze Zahl): Summe von Protonen <strong>und</strong> Neutronen<br />

eines Atoms<br />

– Protonenzahl (auch Ordnungszahl oder Kernladungszahl) Z: Anzahl Protonen<br />

eines Atoms<br />

– Neutronenzahl: Nukleonenzahl - Protonenzahl<br />

Die Elemente mit allen <strong>ihre</strong>n isotopen Nukliden sind in einer Nuklidkarte<br />

zusammengestellt, aus der sich u.a. Ordnungszahl, Neutronenzahl <strong>und</strong> Massenzahl<br />

ablesen lassen (Abb. 2.13).<br />

Protonenzahl P=Z<br />

8<br />

O<br />

15.9994<br />

C 0 12 0 13 0 14 0 15 C 0 16 12<br />

99.762<br />

C 0 17 12<br />

0.038<br />

C 0 18 12<br />

0.200<br />

7<br />

N<br />

14.00674<br />

N 11 C N 12 N 13 N 14 N 15<br />

99.634 0.366<br />

C N 12 16 C N 12 17<br />

6<br />

C<br />

12.011<br />

C 8 C 9 C 10 C 11 C 12<br />

98.90<br />

C 13<br />

1.10<br />

C 14<br />

C 15 C 12 16<br />

5<br />

B<br />

10.811<br />

B 7 B 8 B 9 B 10<br />

19.9<br />

B 11<br />

80.1<br />

B 12 B 13 B 14 B 15<br />

4<br />

Be<br />

9.012182<br />

Be 6 Be 7 Be 8 Be 9<br />

100<br />

Be 10 Be 11 Be 12 Be 14<br />

3<br />

Li<br />

6.941<br />

Li 5 Li 6<br />

7.5<br />

Li 7<br />

92.5<br />

Li 8 Li 9 Li 10 Li 11<br />

2<br />

He<br />

4.0026<br />

He 3<br />

0.000137<br />

He 4<br />

99.999863<br />

He 5 He 6 He 7 He 8 He 9<br />

1<br />

H<br />

1.00794<br />

H 1<br />

99.985<br />

H 2<br />

0.015<br />

H 3<br />

Neutronenzahl N<br />

0<br />

1<br />

2 3 4 5 6<br />

7 8 9 10<br />

β + -Zerfall<br />

β – -Zerfall<br />

Stabiles Nuklid<br />

Abb. 2.13 Ausschnitt aus einer Nuklidkarte H bis O (gekürzt)<br />

H 2 stabile isotope Nuklide, 1 H <strong>und</strong> 2 H<br />

He 2 stabile isotope Nuklide, 3 He <strong>und</strong> 4 He<br />

Li 2 stabile isotope Nuklide, 6 Li <strong>und</strong> 7 Li<br />

Be 1 stabiles Nuklid (Reinelement)<br />

B 2 stabile isotope Nuklide, 10 Be <strong>und</strong> 11 Be<br />

C 2 stabile isotope Nuklide, 12 C <strong>und</strong> 13 C<br />

N 2 stabile isotope Nuklide, 14 N <strong>und</strong> 15 N<br />

O 3 stabile isotope Nuklide, 17 O <strong>und</strong> 18 O<br />

43


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Die schwarz unterlegten Nuklide sind stabil, alle anderen radioaktiv (2.7). Die<br />

Zahlen unter den Elementsymbolen geben die prozentuale Zusammensetzung der<br />

(stabilen) Nuklide in einem Mischelement an, die immer konstant ist.<br />

Beispiel: Sauerstoff O<br />

Tabelle 2.5 Isotope des Elements Sauerstoff<br />

Nuklid Protonenzahl Neutronenzahl Atom-% im natürlichen Mischelement<br />

16 O 8 8 99,762<br />

17 O 8 9 0,038<br />

18 O 8 10 0,200<br />

Quarks<br />

Aus Streuversuchen von hochbeschleunigten, fast mit Lichtgeschwindigkeit<br />

fliegenden Elektronen an Protonen <strong>und</strong> Neutronen ergab sich, dass diese Elementarteilchen<br />

eine Struktur besitzen. Sie setzen sich aus jeweils drei elektrisch geladenen<br />

<strong>Bausteine</strong>n zusammen, die nach Gell-Mann als Quarks bezeichnet werden.<br />

Das Proton besteht aus einem d- <strong>und</strong> zwei u-Quarks, während das Neutron aus<br />

zwei d- <strong>und</strong> einem u-Quark aufgebaut ist. Beide Typen von Quarks sind elektrisch<br />

geladen <strong>und</strong> zwar trägt das d-Quark 1/3 einer negativen, das u-Quark 2/3 einer positiven<br />

Elementarladung. Die Masse eines Quarks entspricht etwa 1/3 der Protonenbzw.<br />

Neutronenmasse. Die zwischen den Quarks wirkenden Kräfte werden bei sehr<br />

kleinen Abständen (< 10 –16 m) sehr klein, sind im Bereich von 10 –16 bis 10 –15 m grösser<br />

<strong>und</strong> bleiben bei Abständen > 10 –15 m konstant. In den Protonen <strong>und</strong> Neutronen<br />

können sich die Quarks deshalb beinahe frei bewegen, so lange ihr gegenseitiger<br />

Abstand nicht zu gross wird. Es ist ihnen aber unmöglich, sich ganz voneinander<br />

wegzubewegen.<br />

Diese Hinweise sollen zeigen, dass die «Elementarbausteine» Protonen <strong>und</strong><br />

Neutronen keine wirklichen Elementarteilchen sind. Trotzdem dürfen sie für den<br />

Abb. 2.14 Schematische Darstellung eines beschleunigten Elektrons an den Quarks eines Protons<br />

44


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

gesamten Bereich der Chemie als solche betrachtet werden, denn sie bleiben als<br />

Bestandteile von <strong>Atome</strong>n völlig stabil.<br />

Tabelle 2.6 Grössenverhältnisse von Protonen <strong>und</strong> Quarks<br />

Durchmesser<br />

Proton<br />

10 –16 m<br />

Quark<br />

10 –18 m<br />

2 . 4 A t o m m a s s e u n d S t o f f m e n g e ; m o l a r e M a s s e<br />

Der Weg im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert zur Bestimmung der Atommassen war<br />

lang <strong>und</strong> äusserst schwierig, da diese nur auf komplizierten Umwegen gef<strong>und</strong>en<br />

werden konnten. Heute ist es möglich, mit Hilfe von Massenspektrometern, die<br />

prinzipiell wie ein Kanalstrahlrohr funktionieren (Abschnitt 2.3), die Massen von<br />

<strong>Atome</strong>n direkt zu bestimmen. Dabei verdampft man die Elemente <strong>und</strong> erhitzt sie<br />

so stark, dass durch den Beschuss mit Elektronen elektrisch positiv geladene <strong>Atome</strong><br />

(Ionen) entstehen. Diese lassen sich mit Hilfe von elektrischen <strong>und</strong> magnetischen<br />

Kräften zu einem Strahl bündeln <strong>und</strong> ablenken. Ionen mit kleinerer Masse werden<br />

stärker, solche mit grösserer Masse schwächer abgelenkt. Aus den gemessenen Ablenkungswinkeln<br />

kann die Masse der Ionen sehr genau bestimmt werden.<br />

So beträgt z.B. die Masse eines Wasserstoff-Atoms m A (H) = 1,68 · 10 –24 g. Bei<br />

der Verwendung der Masseneinheit Gramm ergeben sich für die Massen der <strong>Atome</strong><br />

sehr kleine, unhandliche Zahlen. Man setzte deshalb eine neue Einheit fest, die ato-<br />

Ionisierung <strong>und</strong><br />

Beschleunigung<br />

der Ionen<br />

Trennung nach<br />

Masse <strong>und</strong> Ladung<br />

Probenzufuhr<br />

Hochvakuum<br />

Probe<br />

Abb. 2.15 Aufbau eines Massenspektrometers (schematisch)<br />

Nachweis der Ionen<br />

<strong>und</strong> Registrierung<br />

45


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

mare Masseneinheit u, von engl. unit = Einheit. Sie wurde ursprünglich der Masse<br />

eines Wasserstoff-Atoms gleichgesetzt, heute aber aus praktischen Gründen als ein<br />

Zwölftel der Masse des Kohlenstoffnuklids C-12, dem man die Masse 12 u zuschrieb,<br />

definiert. Da die Masse eines C-12-Nuklids m A ( 12 C) = 1,993 · 10 –23 g beträgt, gilt:<br />

1u = 1,993 · 10–23 = 1,661 · 10 –24 g<br />

12<br />

Die Masse eines Atoms in Atommasseneinheiten bedeutet also, um wie viel<br />

mal schwerer ein Atom ist als ein Zwölftel der Masse eines C-12 Nuklids. Multipliziert<br />

man die Massenangabe im Periodensystem mit 1,66 · 10 –24 g, so ergibt sich die<br />

Atommasse in der Einheit Gramm. Ein Goldatom ist somit 196,97 mal schwerer als<br />

ein Zwölftel der Masse eines C-12 Nuklids <strong>und</strong> besitzt deshalb die Masse m A (Au) =<br />

196,97 · 1,66·10 –24 g = 3,27 · 10 –22 g.<br />

– Atommasse:<br />

Zeichen: m A Einheit: atomare Masseneinheit u oder Gramm g<br />

– Die atomare Masseneinheit 1 u ist definitionsgemäss der zwölfte Teil der Masse<br />

eines 12 C-Nuklids.<br />

1u = m A (C-12) g = 1,661 · 10 –24 g<br />

12<br />

Damit ist die Möglichkeit gegeben, die Masse der Atombausteine sowie der<br />

<strong>Atome</strong> der elementaren Stoffe in zwei verschiedenen Einheiten anzugeben:<br />

Tabelle 2.7 Massen der Atombausteine sowie der <strong>Atome</strong> H, C, O <strong>und</strong> Ag<br />

in u bzw. g<br />

Symbol Masse in u 3 Masse in g<br />

Proton p + 1,007 1,673 · 10 –24<br />

Neutron n 1,009 1,676 · 10 –24<br />

Elektron e – 0,000548 9,107 · 10 –28<br />

Wasserstoff-Atom H 1,008 1,674 · 10 –24<br />

Kohlenstoff-Atom C 12,011 1,995 · 10 –23<br />

Sauerstoff-Atom O 15,999 2,658 · 10 –23<br />

Silber-Atom Ag 107,870 1,792 · 10 –22<br />

3 Die Angaben für die Atommassen im Periodensystem sind normalerweise ger<strong>und</strong>ete Zahlen. Genauere Werte findet<br />

man im Anhang.<br />

46


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Da die elementaren Stoffe Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff <strong>und</strong> Silber Mischelemente<br />

sind, geben die tabellierten Werte im Periodensystem <strong>und</strong> im Anhang<br />

den Mittelwert entsprechend der prozentualen Zusammensetzung der Isotope an.<br />

Beispiel: Kohlenstoff<br />

12 6 C: 98,90 Atom-% im natürlichen Mischelement<br />

13 6 C: 1,10 Atom-% im natürlichen Mischelement<br />

Damit ist die «gewogene» Atommasse:<br />

m A (C) = 12 u · 98,90 % + 13 u · 1,10 % = 12,011 u<br />

100 % 100 %<br />

Die Betrachtung der <strong>Atome</strong> von Elementen darf nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass es sich bei den Eigenschaften der elementaren Stoffe um Eigenschaften<br />

einer grossen Anzahl Teilchen handelt. So ist es z.B. müssig zu fragen, ob ein Kohlenstoff-Atom<br />

schwarz ist wie Graphit oder durchsichtig wie Diamant (Abschnitt<br />

4.5). Entsprechendes gilt für die Schmelz- <strong>und</strong> Siedetemperaturen. <strong>Atome</strong> haben<br />

keine derartigen Fixpunkte. Diese Eigenschaften treten erst dann auf, wenn sich eine<br />

grössere Anzahl Kohlenstoff-<strong>Atome</strong> zu Graphit oder Diamant verb<strong>und</strong>en haben.<br />

Für die Naturwissenschaftler ist es daher wichtig, von Stoffportionen die Masse (m),<br />

die Teilchenzahl (N), das Volumen (V) etc. rasch zur Verfügung zu haben. Mit Hilfe<br />

der Atommassen lassen sich diese Eigenschaften leicht bestimmen.<br />

Teilchenzahl: Zeichen: N Einheit: Stück, Moleküle, Ionen ...<br />

Beispiel:<br />

Wie viele C-12 Nuklide sind in 12 g 12 C?<br />

Masse von 1 12 C-Nuklid: m A ( 12 C) = 12 · 1,66 · 10 –24 g = 1,992 · 10 –23 g<br />

Anzahl 12 C-Nuklide in 12 g 12 C:<br />

N( 12 C) = Gesamtmasse<br />

Masse eines Nuklids<br />

12 g<br />

= = 6,02 · 10 23 12 C-Nuklide<br />

1,992 · 10 –23 g<br />

Derartige Überlegungen gelten natürlich für die <strong>Atome</strong> aller übrigen Elemente,<br />

unabhängig davon, ob es sich um ein Misch- oder Reinelement handelt.<br />

Multipliziert man die Masse eines Atoms mit 6,02 · 10 23 , so kann der Zahlenwert der<br />

Atommasse auch mit der Einheit Gramm verwendet werden.<br />

Die Masse von 6,02 · 10 23 <strong>Atome</strong>n mit der Einheit Gramm entspricht dem Zahlenwert<br />

der im Periodensystem angegebenen Atommasse.<br />

47


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Beispiele:<br />

Tabelle 2.8 Massen der Elemente Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff,<br />

Silber<br />

Element Masse eines Atoms in g Masse von 6,02 · 10 23 <strong>Atome</strong>n in g<br />

Wasserstoff 1,674 · 10 –24 1,008<br />

Kohlenstoff 1,995 · 10 –23 12,011<br />

Sauerstoff 2.658 · 10 –23 15,999<br />

Silber 1,792 · 10 –22 107,870<br />

Im internationalen Einheitssystem (SI-System; Système International d’Unités)<br />

wird die Stoffmenge (genauer: die Teilchenmenge) von 6,02 · 10 23 Teilchen als<br />

1 Mol bezeichnet. Man hat damit eine Grösse der Stoffmenge (eigentlich der Teilchenmenge)<br />

geschaffen, das Mol mit dem Zeichen n <strong>und</strong> der Einheit mol. Die Anzahl<br />

Teilchen pro Mol heisst molare Teilchenzahl (Avogadro-Konstante N A ; Lorenzo<br />

Avogadro, 1776–1856), <strong>ihre</strong> Einheit ist 1/mol. Grössen, die sich auf die Stoffmenge<br />

1 Mol beziehen, heissen molare Grössen. Dementsprechend ist die molare Masse M<br />

die Masse pro Mol mit der Einheit g/mol. Sie entspricht zahlenmässig der Atommasse.<br />

Basiseinheit der Stoffmenge<br />

– Die Stoffmenge 1 Mol enthält so viele Teilchen wie in 12 g 12 C <strong>Atome</strong> enthalten<br />

sind.<br />

Zeichen: n Einheit: mol<br />

– Eine Stoffportion mit der Stoffmenge 1 Mol enthält 6,02 · 10 23 Teilchen, <strong>ihre</strong><br />

Masse (in g) entspricht dem gleichen Zahlenwert wie die Teilchenmasse (in u).<br />

– Die molare Masse M ist die Masse pro Mol einer Stoffportion mit der Einheit<br />

g/mol.<br />

Zeichen: M Einheit g/mol Verknüpfung M = m n<br />

– Die Anzahl Teilchen pro Mol heisst molare Teilchenzahl (Avogadro-Konstante)<br />

Zeichen: N A Einheit: 1/mol Verknüpfung N A = N<br />

n<br />

(eigentlich: Anzahl<br />

Teilchen pro mol)<br />

N A = 6,02 · 10 23 1/mol<br />

48


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Bestimmung der Formel einer Verbindung<br />

Mit Hilfe von Teilchenzahl bzw. Stoffmenge lässt sich das Atomzahlenverhältnis<br />

berechnen, in dem zwei Elemente miteinander reagieren.<br />

Beispiel:<br />

In welchem Atomzahlenverhältnis verbinden sich die beiden Elemente Eisen<br />

<strong>und</strong> Schwefel?<br />

Im Abschnitt 2.1 ergab das Massenverhältnis, in dem beide Stoffe miteinander<br />

reagieren, m(Fe):m(S) = 1,74:1; 1,74 g Eisen reagieren mit 1 g Schwefel.<br />

Berechnung mit der Anzahl Eisen- <strong>und</strong> Schwefel-<strong>Atome</strong> in 1,74 g Eisen bzw. 1 g<br />

Schwefel:<br />

– Anzahl Eisen-<strong>Atome</strong> in 1,74 g Eisen:<br />

55,85 g Eisen (1 mol) enthalten 6,02 · 10 23 Fe-<strong>Atome</strong><br />

1,74 g Eisen enthalten N(Fe) <strong>Atome</strong><br />

N(Fe) = 1,74 g · 6,02 · 1023 = 1,88 · 10 22 Fe-<strong>Atome</strong><br />

55,85 g<br />

– Anzahl Schwefel-<strong>Atome</strong> in 1 g Schwefel<br />

32,06 g Schwefel (1 mol) enthalten 6,02 · 10 23 S-<strong>Atome</strong><br />

1 g Schwefel enthält N(S) <strong>Atome</strong><br />

N(S) = 1 g · 6,02 · 1023 = 1,88 · 10 22 S-<strong>Atome</strong><br />

32,06 g<br />

Eisen <strong>und</strong> Schwefel verbinden sich folglich im Atomzahlenverhältnis<br />

N(Fe) = 1,88 · 1022 = 1<br />

N(S) 1,88 · 10 22<br />

Formel der Verbindung Eisensulfid: FeS<br />

Berechnung mit den Stoffmengen Eisen <strong>und</strong> Schwefel:<br />

– 55,85 g Eisen entsprechen der Stoffmenge n = 1 mol<br />

1,74 g Eisen entsprechen der Stoffmenge n<br />

n(Fe) = 1,74 g · 1 mol = 0,0312 mol Eisen<br />

55,85 g<br />

– 32,06 g Schwefel entsprechen der Stoffmenge n = 1 mol<br />

1 g Schwefel entspricht der Stoffmenge n<br />

n(S) = 1 g · 1 mol = 0,0312 mol Schwefel<br />

32,06 g<br />

49


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Eisen <strong>und</strong> Schwefel verbinden sich im Stoffmengenverhältnis<br />

0,0312 = 1; damit ist auch das Atomzahlenverhältnis N(Fe):N(S) = 1:1.<br />

0.0312<br />

Für die im Abschnitt 2.1 bereits formulierte Wortgleichung lassen sich nun<br />

die Symbole <strong>und</strong> Formeln verwenden:<br />

Eisen(s) + Schwefel(s) ➝ Eisensulfid(s)<br />

Fe(s) + S(s) ➝ FeS(s)<br />

– Elemente werden durch Symbole, Verbindungen mit Hilfe von Formeln dargestellt.<br />

– Das Atomzahlenverhältnis in einer Formel gibt man durch Indices rechts von<br />

den Symbolen an (eine 1 wird dabei nicht geschrieben).<br />

Tabelle 2.9 Zeichen, Verknüpfung <strong>und</strong> Einheit verschiedener Grössen<br />

Grösse Zeichen Verknüpfung Einheit<br />

Masse m kg; g<br />

Atommasse m A 1u = 1,661 · 10 –24 g u; g; kg<br />

Teilchenzahl N N = Masse Stück, Moleküle,<br />

Teilchenmasse Ionen ...<br />

molare Teilchenzahl N A N A = N 6,02 · 10 23 /mol<br />

n<br />

(Avogadro-Konstante)<br />

molare Masse M M = m g/mol<br />

n<br />

Stoffmenge n n = m mol<br />

M<br />

50


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

2 . 5 D a s P e r i o d e n s y s t e m I I<br />

Seinen Ursprung hat das Periodensystem in einer von Johann W. Döbereiner<br />

(1780–1849) 1829 gemachten Einteilung, in der er die damals bekannten Elemente zu<br />

chemisch ähnlichen Gruppen zusammenfasste. Dimitrij I. Mendelejew (1834–1907)<br />

<strong>und</strong> Julius Lothar Meyer (1830–1895) führten schliesslich die Ordnungszahl ein, um<br />

Unregelmässigkeiten in der Elementabfolge auszugleichen, die aufgr<strong>und</strong> der Anordnung<br />

nach Massen bzw. nach den chemischen Eigenschaften entstanden waren (z.B.<br />

Ar/K; Co/Ni; Te/I).<br />

Mit der Erkenntnis, dass ein Atom aus <strong>Atome</strong>n mit gleicher Protonenzahl<br />

besteht, erhielt die Ordnungszahl <strong>ihre</strong> eigentliche Bedeutung. Das Periodensystem<br />

wurde damit zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für die Wissenschaft, das es erlaubt,<br />

zahlreiche Aussagen über die Elemente zu machen.<br />

Beispiele:<br />

– Fluor (Reinelement)<br />

Symbol: F<br />

Protonenzahl (Ordnungszahl, Kernladungszahl): Z = 9<br />

Atommasse: m A (F) = 18,99840 u bzw. 3,156 · 10 –23 g<br />

Nukleonenzahl 4 : A = 19<br />

Neutronenzahl: N(n) = 19 – 9 = 10<br />

Molare Masse: M(F) = 18,99840 g/mol<br />

– Kohlenstoff<br />

Symbol: C<br />

Protonenzahl: Z = 6<br />

Atommasse: m A (C) = 12,01115 u bzw. 1,995 · 10 –23 g<br />

Die Massen- <strong>und</strong> Neutronenzahl für die verschiedenen (stabilen) Nuklide<br />

erhält man aus der Isotopentafel (Abschnitt 2.3; Abb. 2.13)<br />

12 6 C-Nuklid: 6 p + <strong>und</strong> 6 n<br />

13 6 C-Nuklid: 6 p + <strong>und</strong> 7 n<br />

Molare Masse: M(C) = 12,011 g/mol<br />

In vielen Periodensystemen sind ausserdem noch weiter Angaben über die<br />

Elemente zu finden, wie Schmelztemperatur (t m ), Siedetemperatur (t b ); Dichte (ρ);<br />

Aggregatzustand (s, l, g); Nichtmetall; Metall; Halbmetall; Radioaktivität etc.<br />

4 Lagern sich Atombausteine zu einem Atom zusammen, so geht dabei etwas Masse in Form von Energie verloren (Massendefekt).<br />

Mit Ausnahme von Beryllium haben alle Reinelemente Atommassen, die deshalb ein wenig unterhalb einer<br />

ganzen Zahl liegen. Diese ganze Zahl entspricht der Nukleonenzahl.<br />

51


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

2 . 6 K o n z e n t r a t i o n s a n g a b e n<br />

Der Begriff Konzentration wird v.a. zur Bezeichnung der Zusammensetzung<br />

von Gemischen verwendet. Man versteht darunter jeden Quotienten, der das Volumen<br />

der Mischung im Nenner enthält: Stoffmengenkonzentration (c; n/V), Volumenkonzentration<br />

(σ; V i /V; wird in Prozenten angegeben) <strong>und</strong> Massenkonzentration<br />

(β; m i /V; wird ebenfalls in Prozenten ausgedrückt). Daneben ist auch der<br />

Massengehalt gebräuchlich, der das Verhältnis der Masse des gelösten Stoffs zur<br />

Masse der Lösung liefert (ω; m i /m; in Prozenten).<br />

Stoffmengenkonzentration c<br />

Das wichtigste in der Chemie verwendete Konzentrationsmass ist die Stoffmengenkonzentration<br />

c, früher auch als Molarität bezeichnet. Sie gibt die Anzahl<br />

Mol n eines Stoffs an, die in 1 Liter Lösung enthalten sind.<br />

– Stoffmengenkonzentration = Stoffmenge des gelösten Stoffs<br />

Volumen der Lösung<br />

– Zeichen: c Verknüpfung: c = n Einheit: mol<br />

V<br />

L<br />

Beispiel: Eine Natriumchloridlösung mit c(NaCl) = 1 mol/L enthält in einem<br />

Liter Lösung 1 mol NaCl (Natriumchlorid, Kochsalz). Da Natriumchlorid aus Na + -<br />

<strong>und</strong> Cl – Ionen besteht, beträgt die Konzentration der beiden Ionen je c = 1 mol/L.<br />

Volumenkonzentration σ<br />

Die Volumenkonzentration σ (Sigma)wird oft für die Mischung von 2 Flüssigkeiten<br />

verwendet. Der Zahlenwert gibt an, wie viel Prozent das Volumen des gelösten<br />

Stoffs vom Gesamtvolumen der Lösung ausmacht.<br />

– Volumenkonzentration = Volumen des gelösten Stoffs · 100 %<br />

Volumen der Lösung<br />

– Zeichen: σ Verknüpfung: σ = V i · 100 Einheit: %<br />

V<br />

– V i = Volumen des gelösten Stoffs<br />

Beispiel: In einem Liter eines 5%igen Biers, σ (Bier) = 5%, sind 50 mL Ethanol<br />

(«Alkohol») enthalten.<br />

52


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Massenkonzentration β<br />

Aus dem Quotienten der Masse des gelösten Stoffs <strong>und</strong> dem Volumen der<br />

Lösung erhält man die Massenkonzentration β (Beta).<br />

– Massenkonzentration =<br />

Masse des gelösten Stoffs<br />

Volumen der Lösung<br />

– Zeichen: β Verknüpfung: β = m i<br />

Einheit: g<br />

V<br />

L<br />

– m i : Masse des gelösten Stoffs<br />

Beispiel: Angaben auf einer Flasche Evian©: β (Ca 2+ ) = 78 mg/L, β (Mg 2+ ) =<br />

24 mg/L, β (Na + ) = 5 mg/L, β (K + ) = 1 mg/L, β (Cl – ) = 4,5 mg/L<br />

Obwohl die Massenkonzentration eng mit der Dichte verknüpft ist, sollte<br />

man für die beiden Grössen nicht das gleiche Zeichen verwenden. Die Dichte bezieht<br />

sich auf das Volumen der reinen Komponenten <strong>und</strong> nicht auf das Volumen der<br />

Mischphase, die diese Komponente enthält. Dies lässt sich an den beiden Definitionsgleichungen<br />

erkennen:<br />

Dichte:<br />

Massenkonzentration<br />

ρ (Ko) = m(Ko)<br />

V(Ko)<br />

β (Ko) = m(Ko)<br />

V(Lsg)<br />

wobei Ko = Komponente <strong>und</strong> Lsg = Lösung<br />

Massengehalt (Massenanteil) ω<br />

Auch der Massengehalt (Massenanteil) ω (Omega) eines gelösten Stoffs wird<br />

oft in Prozenten angegeben. Der Zahlenwert sagt aus, wie viel Prozent die Masse des<br />

gelösten Stoffs an der Gesamtmasse der Lösung beträgt.<br />

– Massengehalt =<br />

Masse des gelösten Stoffs · 100 %<br />

Masse der Lösung<br />

– Zeichen: ω Verknüpfung: ω = m i<br />

· 100 Einheit: %<br />

m<br />

– m i : Masse des gelösten Stoffs<br />

Beispiel: Eine 20%ige Kochsalzlösung, ω[NaCl(aq)] = 20 %, enthält 20 g Kochsalz<br />

auf 100 g Lösung.<br />

53


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

2 . 7 E x k u r s : R a d i o a k t i v i t ä t<br />

In den letzten Jahren des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zeigten Forschungsergebnisse,<br />

dass bestimmte Uranverbindungen in schwarzes Papier eingewickeltes Fotopapier<br />

schwärzen <strong>und</strong> Gase elektrisch leitfähig machen. Maria Curie (1867–1934) untersuchte<br />

als Studentin die von ihr so genannte Radioaktivität. Mit <strong>ihre</strong>m Mann Pierre<br />

Curie (1859–1906) erkannte sie 1898 die radioaktiven Eigenschaften der von ihnen<br />

entdeckten Elemente Polonium <strong>und</strong> Radium. Ernest Rutherford (1871–1937) stellte<br />

schliesslich mit Frederik Soddy (1877–1956) im Jahre 1902 fest, dass es sich bei<br />

der Radioaktivität um eine Atomumwandlung handelt, bei der Energie freigesetzt<br />

wird. Die beiden Forscher entdeckten zwei unterschiedliche Arten von Strahlen:<br />

Die α-Strahlen, die die Hälfte <strong>ihre</strong>r Energie verloren, nachdem sie durch eine 1/50<br />

mm dicke Aluminium-Folie hindurchgegangen waren. Bei den β-Strahlen war dies<br />

hingegen erst bei einer ½ mm dicken Folie der Fall. Schliesslich fand man 1900,<br />

dass radioaktive Elemente eine noch viel stärkere Strahlung aussenden können, die<br />

γ-Strahlen.<br />

α-, β- <strong>und</strong> γ-Strahlen α-Strahlen γ-Strahlen β-Strahlen<br />

elektrisches Feld<br />

Radioaktiver Stoff<br />

Bleiblock<br />

Bleiblock<br />

Abb. 2.16 Ionisierende (radioaktive) 5 Strahlung im elektrischen Feld<br />

Die <strong>Atome</strong> der meisten radioaktiven Elemente senden α-Strahlen (doppelt<br />

positiv geladene Heliumatome) oder β-Strahlen (Elektronen) aus. α-Zerfall erniedrigt<br />

die Ordnungszahl um zwei <strong>und</strong> die Massenzahl um vier Einheiten. Aus dem Ra-<br />

5 Gebräuchlicher, aber nicht korrekter Name, da die α- <strong>und</strong> β-Teilchen nicht selber radioaktiv sind, d.h. keine Strahlung<br />

aussenden. Entsprechend <strong>ihre</strong>n Eigenschaften, Gase leitfähig zu machen, werden sie als ionisierende Strahlung bezeichnet.<br />

54


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

dium-Nuklid 226 88 Ra entsteht ein Nuklid des Elements Radon 222 86 Rn. Die Elektronen<br />

beim β-Zerfall bilden sich durch Umwandlung eines Neutrons in ein Proton, wobei<br />

die Ordnungszahl des betreffenden Atoms um eins steigt, ohne dass dessen Masse<br />

nennenswert verändert wird. So entsteht aus dem Caesium-Nuklid 137 55 Cs ein Nuklid<br />

des Bariums 137 56 Ba. Die nicht korpuskulare γ-Strahlung ist eine elektromagnetische<br />

Strahlung von sehr kurzer Wellenlänge (extrem kurzwelliges Röntgenlicht). Sie entspricht<br />

jenem Energiebetrag, der beim Zerfall der <strong>Atome</strong> frei wird <strong>und</strong> nicht als<br />

kinetische Energie für die Bewegung der α- oder ϐ-Teilchen nötig ist.<br />

Tabelle 2.10 Natürliche Zerfallsreihe von U-238<br />

238 U - α ➝ 234 Th - β ➝ 234 Pa - β ➝ 234 U - α ➝ 230 Th - α ➝ 226 Ra - α ➝ 222 Rn - α ➝<br />

218 Po - α ➝ 214 Pb - β ➝ 214 Bi - β ➝ 214 Po - α ➝ 210 Pb - β ➝ 210 Bi - β ➝ 210 Po - α ➝<br />

206 Pb<br />

Tabelle 2.11 Ionisierende Strahlung<br />

Ionisierende Strahlung: Masse Ladung Beschreibung<br />

α-Strahlen: 4 u 2+ He 2+<br />

β-Strahlen 1 u 1– Elektronen<br />

1886<br />

γ-Strahlen – – kurzwelliges<br />

Röntgenlicht<br />

Atomumwandlung durch α- <strong>und</strong> β-Strahlen:<br />

A Z A – α ➝ A Z – – 4 2 A<br />

A Z A – β ➝ A Z +1 A<br />

Der Zerfall verläuft bei einzelnen Elementen unterschiedlich rasch <strong>und</strong> kann<br />

in keiner Weise beeinflusst werden. Ein Mass für seine Geschwindigkeit ist die Halbwertszeit,<br />

d.h. die Zeit, in der die Hälfte einer bestimmten Menge eines radioaktiven<br />

Elements zerfallen ist. Die Halbwertszeit stellt für jede radioaktive Atomart eine<br />

charakteristische Grösse dar. Sie bewegt sich zwischen 10 9 Jahren <strong>und</strong> 10 –7 Sek<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> entspricht der Stabilität eines Atomkerns. Je länger die Halbwertszeit, desto<br />

stabiler sind die Atomkerne.<br />

55


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

m<br />

1<br />

2 0 2 -1 2 -2 2 -3 2 -4 2 -5 2 -6 2 -7<br />

Li<br />

0.5<br />

He<br />

0.25<br />

0.125<br />

0.0625<br />

0.03125<br />

0<br />

1<br />

2 3 4 5 6 7 T½<br />

Abb. 2.17 Zusammenhang zwischen Halbwertszeit <strong>und</strong> Massenänderung einer gegebenen Stoffportion<br />

(T 1/2: Halbwertszeit)<br />

Der Verlauf der Kurve in Abb. 2.17 wird durch die Funktion m t<br />

= 2 T 1/2<br />

beschrieben.<br />

0 m<br />

m t : Masse der radioaktiven <strong>Atome</strong> zur Zeit t<br />

m 0 : Masse der radioaktiven <strong>Atome</strong> zur Zeit t = 0<br />

t: abgelaufene Zeit<br />

T 1/2 : Halbwertszeit der radioaktiven <strong>Atome</strong><br />

Tabelle 2.12 Halbwertszeiten einiger natürlicher radioaktiver <strong>Atome</strong><br />

Atomart (Nuklid) Halbwertszeit ausgesandte Strahlung<br />

238 U 4,468 · 10 9 a α, γ<br />

226 Ra 1600 a α, γ<br />

210 Po 138, 38 d α, γ<br />

137 Cs 30,1 a β<br />

60 Co 5,272 a β<br />

90 Sr 25,5 a β<br />

131 I 0,04 d β<br />

14 C 5730 a β<br />

–t<br />

56


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

40 60 80 100 120 t<br />

1.0<br />

226 Ra<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

m 0<br />

0 20<br />

137 Cs<br />

90 Sr<br />

60 Co<br />

Abb. 2.18 Graphische Darstellung der Halbwertszeiten von 226 Ra, 137 Cs, 90 Sr <strong>und</strong> 60 Co<br />

14 C-Methode zur Altersbestimmung<br />

Radioaktive Isotope lassen sich zur Bestimmung des Alters von kohlenstoffhaltigem<br />

Material (organische Stoffe) verwenden (Radiocarbon-Methode). Natürlicher<br />

Kohlenstoff enthält in sehr geringen Mengen das radioaktive Nuklid 14 C, das<br />

durch Einwirkung von Neutronen aus der Höhenstrahlung auf atmosphärischen<br />

Stickstoff entsteht.<br />

14 0 14 1 7 N + 1 n ➝ 6 C +<br />

p Bildung von 14 C<br />

14 6 C ➝<br />

14 7 N + e – Zerfall von 14 C<br />

Weil sich im Laufe der Erdgeschichte ein Gleichgewicht zwischen dem radioaktiven<br />

Zerfall von 14 C <strong>und</strong> seiner Neubildung aus Stickstoff eingestellt hat, ist<br />

in der Luft ein konstanter Gehalt an radioaktivem Kohlenstoffdioxid (einer Verbindung<br />

aus Kohlenstoff <strong>und</strong> Sauerstoff, CO 2 ) vorhanden. Die Pflanzen nehmen für die<br />

Kohlenstoffdioxid-Assimilation radioaktives (mit 14 C) <strong>und</strong> inaktives (mit 12 C) Kohlenstoffdioxid<br />

ohne Unterschied auf <strong>und</strong> bilden daraus Stärke oder Cellulose. Lebewesen,<br />

die sich von den Pflanzen ernähren, lagern den Kohlenstoff in ihr Gewebe<br />

ein, wobei das Verhältnis zwischen radioaktivem <strong>und</strong> inaktivem Kohlenstoff gleich<br />

bleibt wie in der Atmosphäre. Nach dem Absterben der Pflanze oder des Tiers hört<br />

der Stoffwechsel auf, <strong>und</strong> der Gehalt an 14 C sinkt als Folge des radioaktiven Zerfalls.<br />

Durch die Bestimmung der Radioaktivität einer Kohlenstoffprobe aus Holz, Kohle,<br />

57


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Knochen, Haut, Horn oder anderen pflanzlichen oder tierischen Überresten lässt<br />

sich deshalb die Zeit bestimmen, die seit der Bindung des Kohlenstoffdioxids aus<br />

der Atmosphäre verstrichen ist. Die 14 C-Methode erlaubt eine Datierung von Gegenständen<br />

bis etwa 50 000 Jahre in die Vergangenheit zurück.<br />

Beispiel:<br />

– In einem Gramm Kohlenstoff eines Lebewesens zerfallen pro Minute 15,3 14 C-<br />

Nuklide. Wie alt ist eine Gewebeprobe, von der noch 7,7 <strong>Atome</strong> pro Minute<br />

zerfallen?<br />

Da die Radioaktivität um die Hälfte zurückgegangen ist (die Masse der radioaktiven<br />

Nuklide hat sich halbiert), beträgt das Alter des Stoffs gerade die Halbwertszeit<br />

von 14 C, nämlich 5730 Jahre.<br />

–t<br />

Mit Hilfe der Gleichung m t<br />

= 2 T 12<br />

(Abb. 2.17) lässt sich das Alter für beliebige<br />

m o<br />

Massenveränderungen <strong>und</strong> radioaktive <strong>Atome</strong> berechnen (für m t <strong>und</strong> m 0 können<br />

auch die Stoffmengen n t <strong>und</strong> n 0 bzw. die Anzahl radioaktiver Nuklide N t <strong>und</strong><br />

N 0 eingesetzt werden).<br />

Für vorliegende Aufgabe gilt:<br />

N 0 = 15,3; N t = 7,7<br />

–t<br />

N t = 2<br />

T1/2<br />

N o<br />

➝<br />

–t<br />

7,7 = 2<br />

5730 / log<br />

15,3<br />

log 7,7 = –t · log 2 ➝<br />

15,3 5730<br />

–0,3 = – –t · 0.3 ➝<br />

5730<br />

t = 5730 a<br />

58


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

Ü B U N G E N Z U M K A P I T E L 2<br />

2.1 Kohlenstoff <strong>und</strong> Wasserstoff können verschiedene Verbindungen miteinander bilden.<br />

Die Massenverhältnisse bei derartigen Versuchen wurden wie folgt gemessen:<br />

Massenverhältnis Wasserstoff: Kohlenstoff<br />

m(H) in g m(C) in g<br />

0,0839 : 1<br />

0,168 : 1<br />

0,252 : 1<br />

0,336 : 1<br />

Weshalb bestätigen diese Messungen die Atomhypothese von Dalton?<br />

2.2 Welcher Versuch führt zur Erkenntnis, dass es zwei verschiedene Ladungen gibt?<br />

2.3 Wie verändert sich die elektrostatische Kraft zwischen zwei elektrisch geladenen Körpern,<br />

wenn der Abstand vervierfacht <strong>und</strong> die Ladung jedes Körpers verdoppelt wird.<br />

2.4 Die zwischen zwei elektrisch geladenen Körpern herrschende Kraft soll dreimal<br />

grösser (fünfmal kleiner; siebenmal grösser) werden. Welche Änderung ist nötig,<br />

wenn die Ladungen der beiden Körper konstant bleiben sollen?<br />

2.5 In der Hauptstromleitung eines Haushalts erreicht die Stromstärke einen Wert von<br />

6,15 A (verschiedene elektrische Geräte sind gleichzeitig eingeschaltet). Wie gross ist<br />

die Ladungsmenge Q, die in einer St<strong>und</strong>e durch den Stromzähler fliesst?<br />

2.6 In einem kleinen, tragbaren Radiogerät fliesst ein Strom mit der Stärke I = 25 mA.<br />

Wie lange dauert es, bis die Batterie die Ladungsmenge Q = 2 C durch den Stromkreis<br />

befördert hat?<br />

2.7 Viele Elemente bestehen aus <strong>Atome</strong>n gleicher Protonen-, aber unterschiedlicher<br />

Neutronenzahl (Isotope). Welches Experiment führte zur Entdeckung der Isotope?<br />

2.8 Berechnen Sie das gewogene Mittel der Isotope 14 N: 99,63 % <strong>und</strong> 15 N: 0,37 %.<br />

2.9 Worin unterscheidet sich ein Kathodenstrahlrohr von einem Kanalstrahlrohr im<br />

Aufbau?<br />

Welche Entdeckungen wurden mit diesen beiden Röhren gemacht (kurze Beschreibung<br />

des Experiments; Interpretation)?<br />

2.10 a) geg: N = 3 · 10 30 <strong>Atome</strong>; ges: n = ?<br />

b) geg: n = 4,75 mol; ges: N = ?<br />

2.11 Gegeben ist das Element Quecksilber (im Periodensystem Nr. 80).<br />

a) Welche Masse besitzt ein Quecksilberatom in u bzw. in g?<br />

b) Wie viele <strong>Atome</strong> Quecksilber sind in 200,59 g Quecksilber enthalten?<br />

c) Wie viele <strong>Atome</strong> Quecksilber enthalten 2,5 mol Quecksilber?<br />

59


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

2.12 In einem Liter einer Flüssigkeit (reiner Stoff) sind 17,133 mol des entsprechenden<br />

Stoffs enthalten. Die Masse dieses Liters beträgt 789,3 g. Welche Masse besitzt ein<br />

Teilchen des Stoffs (in Gramm)?<br />

2.13 Definieren Sie die Begriffe Stoffmenge <strong>und</strong> atomare Masseneinheit <strong>und</strong> zeigen Sie,<br />

welcher Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen besteht.<br />

2.14 Gegeben sind 200 g Eisen.<br />

a) Um wie viel Mol handelt es sich?<br />

b) Wie viele <strong>Atome</strong> sind in 200 g Eisen enthalten?<br />

2.15 Wie lautet die Formel der Verbindung, wenn 1 g Magnesium mit 2,913 g Chlor reagiert?<br />

2.16 Die schwedische Industriestadt Västerås liegt 1470 km von Bern entfernt. Der Radius<br />

eines Platin-Atoms beträgt 137,3 · 10 –12 m.<br />

a) Wie viele Platin-<strong>Atome</strong> haben hintereinander zwischen den beiden Städten<br />

Platz?<br />

b) Welcher Stoffmenge (n) entspricht diese Anzahl Platin-<strong>Atome</strong>?<br />

c) Welche Masse besitzt diese Stoffmenge Platin?<br />

2.17 Ergänzen Sie die folgende Tabelle (für jeweils ein Atom):<br />

Element Nukleonen Anzahl Anzahl Anzahl Masse eines<br />

zahl Protonen Elektronen Neutronen Atoms in g<br />

Quecksilber 201 80<br />

Sauerstoff 16 8<br />

Calcium 40 20<br />

Wasserstoff 1 1<br />

2.18 Ergänzen Sie die folgende Tabelle (für jeweils ein Atom):<br />

Element Atommasse in u Anzahl Anzahl Anzahl<br />

(ger<strong>und</strong>et) Protonen Elektronen Neutronen<br />

201 80<br />

16 8<br />

40 20<br />

1 1<br />

60


2 A t o m e u n d i h r e B a u s t e i n e<br />

2.19 Ordnen Sie jedem der 7 Nuklidsymbole in der linken Spalte die zugehörige Eigenschaft<br />

zu (rechte Spalte), indem sie die beiden Spalten mit einem Strich verbinden.<br />

(Zu jedem Symbol passt genau eine Eigenschaft.)<br />

32 S Neutronenzahl = 22<br />

35 Cl Nukleonenzahl = 35<br />

18 O Protonenzahl = Neutronenzahl<br />

1 H Ordnungszahl = 8<br />

40 Ar Protonenzahl = 35<br />

31 P Besitzt 15 Elektronen<br />

80 Br Neutronenzahl = 0<br />

2.20 Quecksilber hat eine Dichte von 13,6 g/cm 3 .<br />

a) Welche Stoffmengenkonzentration (mol/L) hat reines Quecksilber?<br />

b) Welches Volumen nehmen 100 g Quecksilber ein?<br />

c) Welche Masse besitzt ein halber Liter Quecksilber?<br />

2.21 In den Naturwissenschaften wird die Konzentration eines Stoffs oft in Mol pro Liter<br />

(mol/L; Stoffmengenkonzentration) angegeben. Wie gross ist die Stoffmengenkonzentration<br />

von reinem Wasser? (Formel eines kleinsten Wasserteilchens: H 2 O. Die<br />

Masse von 1 Liter Wasser beträgt 1000 g.)<br />

2.22 Wie lässt sich zeigen, dass die von radioaktiven Elementen ausgehenden Strahlen<br />

sowohl aus positiv wie auch aus negativ geladenen Teilchen bestehen?<br />

2.23 Wenn man α- <strong>und</strong> β-Strahlen durch ein enges Fenster in eine Kammer schiesst, so<br />

reichert sich in der Kammer allmählich Heliumgas an. Wie kommt es zur Bildung<br />

der neutralen Heliumatome?<br />

2.24 Im Jahre 1902 isolierte Marie Curie 0,1 g Radium ( 226 Ra). Wie viel ist von dieser<br />

Masse heute noch vorhanden?<br />

2.25 Im Grabe des ägyptischen Pharaos Sneferu (um 2625 v. Chr.) fand man einen Balken<br />

aus Zedernholz. Der Kohlenstoff, der aus diesem Balken gewonnen wurde, wies einen<br />

Zerfall von 8 14 C-Nuklide pro Minute <strong>und</strong> Gramm auf. Wie alt ist der Balken?<br />

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