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GhK-PUBLIK - KOBRA - Universität Kassel

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16. Mai 1995 <strong>GhK</strong>-<strong>PUBLIK</strong><br />

Seite 3<br />

Landgraf setzte seiner Frau ein barockes Denkmal<br />

Das Marmorbad in der <strong>Kassel</strong>er Karlsaue<br />

"<strong>Kassel</strong> besitzt mit dem Marmorbad<br />

ein barockes Gesamtkunstwerk von<br />

bester Qualität. Das im Bestand gefährdete<br />

Objekt bedarf dringend einer<br />

Restaurierung, um nach jahrzehntelanger<br />

Schließung dem Publikum<br />

wieder zugänglich gemacht zu<br />

werden" - so die Aussage von Kerstin<br />

Merkel, wissenschaftliche Assistentin<br />

im Fachbereich Kunstwissenschaft<br />

an der <strong>GhK</strong>. Die Werke<br />

des französischen Bildhauers Pierre-Etienne<br />

Monnot im lnnern des<br />

Pavillons, wurden von der Wissenschaftlerin<br />

untersucht. Seine Ausgestaltung<br />

des zentralen Epitaphes<br />

entschlüsselte sie als "typisch römisches<br />

Gedenkprogramm", ein der<br />

kunstgeschichtlichen Forschung bisher<br />

entgangener Aspekt der Inszenierung.<br />

Wir dokumentieren hier das<br />

Resumee eines Artikels von Kerstin<br />

Merkel. Dieser etwa dreißig Seiten<br />

umfassende Aufsatz erschien 1994<br />

in der Zeitschrift: Die Gartenkunst,<br />

6, Heft 2. Red.<br />

n Zeiten, als eine Ehe aus<br />

IGründen der Staatsraison geschlossen<br />

wurde, galt die Liebe zwischen<br />

den Paaren als etwas bemerkenswertes.<br />

Auch der hessische<br />

~andgraf Karl folgte politischen<br />

Uberlegungen, als er nach dem frühen<br />

Tod seines Bruders, des Erbprinzen<br />

Wilhelm VII., nicht nur den<br />

Herrschaftsanspruch, sondern auch<br />

dessen Verlobte Maria Amalia von<br />

Kurland übernahm. Die Verbindung<br />

der beiden war ungewöhnlich glücklich,<br />

was deutlich aus ihrer Privatkorrespondenz<br />

hervorgeht.<br />

Um so erschütternder war für<br />

Landgraf Karl der plötzliche Tod seiner<br />

Ehefrau. Sie starb 1711 auf der<br />

Fahrt zu einem Kuraufenthalt, den<br />

sie jedes Jahr in Anspruch nahm.<br />

Insgesamt 15 Geburten hatten ihre<br />

Gesundheit stark beansprucht. Mit<br />

großem Aufwand pflegte Karl ihre<br />

Memoria mit einen besonders aufwendigen<br />

Trauerzug, mehreren Gedenkmünzen,<br />

einen extravaganten<br />

Sarkophag und einer Marmorbüste,<br />

der er sein eigenes Portrait hinzugesellte.<br />

Doch die aufwendigste Gedenkstätte<br />

an Maria Amalia sollte<br />

das <strong>Kassel</strong>er Marmorbad werden.<br />

Als Pavillon neben der Orangerie in<br />

der Karlsaue errichtet, wurde das<br />

Bad von dem französischen, in Rom<br />

lebenden Bildhauer Pierre-Etienne<br />

Monnot mit zwölf lebensgroßen<br />

Skulpturen, zehn Marmorreliefs und<br />

einer skulpierten Kuppel geschmückt.<br />

Die Arbeiten dauerten<br />

von 1712 bis 1728.<br />

Die Botschaft der Bilder umfaßt<br />

drei miteinander korrespondierende<br />

Bedeutungsebenen. Erstens die Natur<br />

mit ihren Elementen und ihren<br />

Zyklen, zweitens die Apotheose des<br />

Herrschers und drittens das Gedenkprogramm<br />

für Maria Amalia.<br />

Der die Natur umfassende Themenkreis<br />

fixiert sich im wesentlichen auf<br />

das Element Wasser, wie es in einem<br />

Bad und auch in dem mit Wasserläufen<br />

und Seen gestalteten Park<br />

sinnvoll erscheint. Das Thema wird<br />

entsprechend verbildlicht: Die Geschichten<br />

spielen an den Ufern von<br />

Teichen und Flüssen, die Handlungsträger<br />

werden in Quellen verwandelt,<br />

von Wasservögeln verführt,<br />

auf Inseln ausgesetzt und beim Baden<br />

überrascht. Das Wasser und die<br />

Vegetation bilden auf den ersten<br />

Blick den Zusammenhalt zwischen<br />

fast allen Skulpturen des Marmorbades.<br />

Zu diesem ersten Themenkreis<br />

der Natur mit seiner animalischen<br />

und auch erotischen Macht gehören<br />

die in den Reliefs und Skulpturen<br />

erzählten amourösen Geschichten<br />

der antiken Götter: Zeus entführt als<br />

Stier Europa und verführt Leda als<br />

Schwan, Perseus rettet Andromeda<br />

vor einem Drachen, Apollo verfolgt<br />

Daphne, Aktäon versucht einen<br />

Blick auf die nackten Nymphen zu<br />

erhaschen, der schöne Narziss verliebt<br />

sich in sein Spiegelbild und<br />

Bacchus wirbt um Ariadne. Es werden<br />

auch die Folgen der Liebschaften<br />

dargestellt: die hochschwangere<br />

Nymphe Kallisto wird von ihren Gefährtinnen<br />

verspottet, während an<br />

anderer Stelle Latona mit ihren kleinen<br />

Zwillingen Apollo und Diana<br />

erscheint. Inmitten der Liebeswerbungen<br />

und -irrungen erheben sich<br />

die Portraits des Landgrafenpaares.<br />

Die harmonische Ehe von Karl und<br />

Maria Amalia steht im Kontext der<br />

erotischen Empfindungen, welche<br />

um die beiden Bildnisse inszeniert<br />

werden. Allerdings enden fast alle<br />

der dargestellten Liebschaften unglücklich<br />

mit ungewollten Schwangerschaften,<br />

Verstoßung und gar<br />

Tod. Lediglich Perseus und Andromeda<br />

sowie Bacchus und Ariadne<br />

finden ihr Glück, und zwar in der<br />

Ehe. Nicht als leidenschaftlicher Verführer,<br />

sondern als heiratswilliger<br />

Retter in der Not treten die beiden<br />

Männer auf. Ist das die Moral von<br />

der Geschieht'? Das Programm<br />

mußte dem Betrachter wie eine Warnung<br />

vor unkalkulierbaren Abenteuern<br />

erscheinen, aus denen groß und<br />

unantastbar das landgräfliche Ehepaar<br />

herausragt.<br />

Die zweite Bedeutungsebene betrifft<br />

die Verherrlichung des Herrschers.<br />

Diese konzentriert sich vor<br />

allem auf den apollinischen Themenkreis,<br />

sei er durch Apollo selbst,<br />

sei er durch seine Schwester Diana<br />

und seine Mutter Latona vertreten,<br />

die alle zum Teil sogar mehrfach im<br />

Marmorbad thematisiert werden.<br />

Apollo, das personifizierte Symbol<br />

des Herrschers, garantiert mit seinem<br />

Sonnenwagen nicht nur Wärme<br />

und Licht, sondern auch die gemäßigte<br />

Regelung der Naturkräfte, dargestellt<br />

durch die Elemente und die<br />

Jahreszeiten in der Kuppel des<br />

Bades.<br />

Die dritte Bedeutungsebene vermittelt<br />

eine private, wenn nicht gar<br />

intime Memoria der toten Maria<br />

Amalia. Zentrum des Gedenkens ist<br />

EINES VON ZEHN ÜBERLEBENSGROSSEN Marmorreliefs im<br />

Bad an der Karlsaue; Landgraf Karl ließ mit diesem eindrucksvollen<br />

Gebäude seiner geliebten Ehefrau Maria Amalia, die nach<br />

einer überaus glücklichen Ehe gestorben war, eine Gedenkstätte<br />

in <strong>Kassel</strong> errichten. Der Bildinhalt des Reliefs- die Verbannung der<br />

Nymphe Kailiste durch Diana - könnte als "Warnung vor unkalkulierbaren<br />

Abenteuern" verstanden werden. Dieses Motiv kontrastiert<br />

mit der ehelichen Treue des landgräflichen Ehepaares, die<br />

als Ideal betont werden soll, so die Interpretation der Kunsthistorikerin<br />

Kerstin Merkel.<br />

ihr Epitaph, das Erinnerungsmal an<br />

die Verstorbene. Ihr Portrait in Form<br />

einer riesigen Gemme wird von zwei<br />

Putti getragen und von Personifikationen<br />

des Friedens, der Wahrheit,<br />

der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit<br />

umrahmt. Es handelt sich<br />

dabei um eine Illustration von Psalm<br />

84, 11-12: "Barmherzigkeit und<br />

Wahrheit begegnen einander, Gerechtigkeit<br />

und Friede treffen sich.<br />

Die Wahrheit sprießt aus der Erde<br />

hervor, und die Gerechtigkeit schaut<br />

vom Himmel herab." Der Bildhauer<br />

griff hier auf ein typisch römisches<br />

Gedenkprogramm zurück, das von<br />

Bernini mehrfach in Grabdenkmälern<br />

insziniert wurde. Es sollte dem<br />

Betrachter vermitteln, daß die Verstorbene<br />

das Paradies wiedergefunden<br />

hat. Bisher wurde das Programm<br />

nicht als Totenmemoria erkannt.<br />

Flankiert wird das Relief von<br />

den beiden lebensgroßen Skulpturen<br />

der Venus und des Paris. Die<br />

ungewöhnliche Kombination dieses<br />

profan-heidnischen Themas mit einem<br />

Ephitaph und seiner christlichen<br />

Psalmenillustration verkörpert<br />

die Gedenkstätte für des Landgrafen<br />

Karls verstorbene Venus.<br />

Im <strong>Kassel</strong>er Marmorbad vollendete<br />

Monnot des Landgrafen Privat­<br />

Memoria für Maria Amalia. Dabei<br />

wurde das Gedenkprogramm sinnvoll<br />

mit der Naturikonographie verknüpft.<br />

Das Werden und Vergehen<br />

der Natur als Metapher für die Wiedergeburt<br />

im christlichen Sinne<br />

bringt einen positiven Aspekt in das<br />

Totengedenken. Das erotische Ambiente,<br />

in das Maria Amalias Epitaph<br />

gebettet ist, kann nur als Kompliment<br />

an die Ehefrau gedeutet werden,<br />

an deren "liebreichen Umgang"<br />

sich der Landgraf auch nach 39<br />

Jahren "herzlich vergnügter Ehe"<br />

erinnert.<br />

Kerstin Merket<br />

Wettbewerb des Forums Typografie<br />

Die schönsten Daumenkinos<br />

182 Daumenkinos waren von der<br />

Jury mit sorgfältigem Künstlerblick<br />

zu betrachten und auszuwählen: So<br />

viele Einsendungen brachte der<br />

Wettbewerbsaufruf an Studierende<br />

in gestalterischen Hochschulen, typografische<br />

Daumenkinos herzustellen.<br />

Studierende der Visuellen<br />

Kommunikation der <strong>GhK</strong> hatten im<br />

Vorfeld des "Forums Typografie<br />

1995", das vom 9. bis 11. Juni in<br />

<strong>Kassel</strong> stattfinden wird, dazu aufgerufen.<br />

Dann werden die zehn schönsten<br />

Daumenkinos nicht nur ausgestellt,<br />

sondern sogar als Film vorgeführt.<br />

Die hochkarätige Jury, die am<br />

3. Februar in <strong>Kassel</strong> das Ergebnis<br />

des Daumenkino-Wettbewerbs begutachtete,<br />

bestand aus Prof. Anna<br />

Berkenbusch, Berlin, Prof. Paul<br />

Driessen, <strong>Kassel</strong>, Prof. Gerd<br />

Fleischmann, Bielefeld, Prof. Hans<br />

Hillmann, Frankfurt und Anke Schabacker,<br />

Bremen.<br />

Zehn Arbeiten wählte die Jury für<br />

die Veröffentlichung in Buchform<br />

aus. Die Realisation wird möglich<br />

durch das Engagement des Verlags<br />

Hermann Schmidt aus Mainz, der<br />

schon seit Jahren viele Publikationen<br />

des Forums Typografie unterstützt<br />

hat.<br />

Während des "Forums Typografie"<br />

sollen die gedruckten Exemplare<br />

bereits vorliegen. Dann werden<br />

auch alle 182 Daumenkinos würdig<br />

ausgestellt. Die Einsender der zehn<br />

ausgewählten Daumenkinos sind:<br />

Sylke Janetzky, Darmagen; Tim Ulrich,<br />

Essen; Markus Dreßen, Leipzig;<br />

Angela Metge, Rödinghausen;<br />

Eberhard Norden, Wuppertal; An ja<br />

Schulze, Düsseldorf; Heidi Willkomm,<br />

Halifax (Kanada); Lisa Eidt,<br />

Essen; Helge Rieder, Düsseldorf;<br />

Luitgard Feck, Trier.<br />

Michael Heckert<br />

DIE DAUMENKINO-JURY bei der Arbeit: Anke Schabacher,<br />

Bremen; Prof. Hans Hillmann, Frankfurt, Michael Heckert, <strong>Kassel</strong><br />

und Prof. Paul Driessen, <strong>Kassel</strong> (s. Bericht)<br />

BUCHWERKE heißt eine Ausstellung von Brigitte Uttar Kornetzky<br />

in der <strong>GhK</strong>-Bibliothek vom 3. bis 30. Juni. Eröffnung: 2. Juni, 19 Uhr<br />

im Eulensaal der Murhard'schen Bibliothek. Ort: Murhard'sche<br />

Bibliothek/Eulensaal und Bibliothek der Gesamthochschule am<br />

Holländischen Platz. Im Bild: Buch des Gastes - 1993 aus Stein<br />

gefertigt.<br />

p<br />

Berufsbild der Hochschullehrer I Eine Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung<br />

Zufriedenheit und Balance zwischen Forschung und Lehre<br />

ie en tet B vom<br />

. 19. 4. 19Q5) stellten Jurgen<br />

Enders und lßrich TeiChlervom<br />

WISSenschaftlichen Zentrum für<br />

Berufs- und Hochschulforschung<br />

der <strong>GhK</strong> im Februar in Bonn<br />

Ergebnisse ihrer Studie zum Berufsbild<br />

dör .Lehre(ldeh 1,.1hd Forschenden<br />

an Hochschulen der<br />

Öffentlichkeit vor 1 • Das darauf<br />

folgende lebhafte Presseecho<br />

konnte z.T. den Eindruck erwekken,<br />

daß die Autoren in ihrer.<br />

Untersuchung den deutschen<br />

Hochschullehrern ln punkto<br />

Selbstkritik sensationell "schlechte<br />

Noten" erteUen. Dies sind jedoch<br />

Befunde, die siqh bei genauer<br />

Betrachtung aus den Untersuchungsergebnissen<br />

nicht ableiten<br />

lassen.<br />

Die Studie gibt einen Überblick<br />

über die wichtigsten Ergebnisse des<br />

1992 durchgeführten "International<br />

Survey on the Acadmie Profession"<br />

zur Einschätzung der Situation des<br />

Hochschullehrerberufs in der Bundesrepublik<br />

Deutschland aus international<br />

vergleichender Perspektive.<br />

Mit Hilfe einer schriftlichen Befragung<br />

waren im Rahmen dieser Untersuchung<br />

die Beschäftigungs- und<br />

Arbeitsbedingungen, die beruflichen<br />

Aktivitäten sowie die Einstellungen<br />

dieser Berufsgruppe zu ihren Aufgaben,<br />

Handlungsbedingungen und<br />

zum Verhältnis von Hochschule und<br />

Gesellschaft untersucht worden.<br />

Angeregt und koordiniert wurde<br />

die Untersuchung von der Carnegie<br />

Foundation for the Advancement of<br />

Teaching (Princeton, N. J., USA).<br />

Der Bericht stützt sich auf die Auswertung<br />

von insgesamt 19 000 Fragebogen<br />

aus 13 Ländern: Australien,<br />

Brasilien, Chile, Deutschland,<br />

Großbritannien, Hongkong, Israel,<br />

Japan, Korea, Mexiko, die Niederlande,<br />

Schweden und die USA. Zielgruppe<br />

der Befragung waren alle in<br />

Forschung und Lehre beschäftigten<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

des jeweiligen Landes an<br />

Hochschulen, deren üblicher Studienabschluß<br />

zumindest einem bachelor's<br />

entspricht. Die Erhebung in<br />

Deutschland wurde vom Wissenschaftlichen<br />

Zentrum für Berufs- und<br />

Hochschulforschung der <strong>Universität</strong><br />

Gesamthochschule <strong>Kassel</strong> durchgeführt,<br />

die Mittel dafür stellte der Bundesminister<br />

für Bildung und Wissenschaft<br />

zur Verfügung. Die Antworten<br />

der 2 801 deutschen Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler können,<br />

obwohl die Rücklaufquote mit<br />

28 Prozent im internationalen Vergleich<br />

ausgesprochen niedrig lag,<br />

als weitgehend repräsentativ für die<br />

Hochschulen in den alten Bundesländern<br />

angesehen werden.<br />

Die deutschen Befragten wurden<br />

in drei Gruppen gegliedert: <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

(insgesamt 682 Befragte),<br />

Mittelbauangehörige an <strong>Universität</strong>en<br />

( 1875 Befragte) und<br />

Fachhochschulprofessoren (244 Befragte,<br />

einschließlich weniger wissenschaftlicher<br />

Bediensteter an<br />

Fachhochschulen).<br />

Keine Lust zur Lehre?<br />

Manche der öffentlich diskutierten<br />

Probleme in der Lehre werden durch<br />

die Aussagen der deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

über ihre Lehrund<br />

Forschungstätigkeit relativiert<br />

oder ganz in Frage gestellt. Gegen<br />

die These, daß eine einseitige Forschungsorientierung<br />

der Professoren<br />

vom deutschen <strong>Universität</strong>ssystem<br />

gefördert wird, sprechen einige<br />

Befunde:<br />

- Der größte Teil der deutschen<br />

<strong>Universität</strong>sprofessoren versteht<br />

sich als zugleich forschungs- und<br />

lehrorientiert, wobei etwa zwei<br />

Drittel der Befragten stärker die<br />

Forschung und ein Drittel stärker<br />

die Lehre betont. Eindeutige Präferenzen<br />

nur für die Forschung<br />

oder nur für die Lehre waren die<br />

Ausnahme. Verglichen mit ihren<br />

Kollegen in den europäischen und<br />

z. T. auch in den außereuropäischen<br />

Ländern, die in die Untersuchung<br />

einbezogen waren, legen<br />

die deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

allerdings ein stärkeres<br />

Gewicht auf die Lehre.<br />

- 34 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen<br />

die deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

im Jahresdurchschnitt<br />

mit Aufgaben, die sie ihrer<br />

Lehrfunktion zurechnen; dazu<br />

zählen Vor- und Nachbereitung<br />

sowie Durchführung von Lehrveranstaltungen,<br />

Prüfungen, Sprechstunden,<br />

Beratungen usw. Damit<br />

liegen sie über dem Durchschnitt<br />

der untersuchten Länder.<br />

- Ein überraschender Befund ist<br />

auch, daß sich 83 Prozent der<br />

deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

für ihre Arbeit als Lehrende<br />

gut ausgebildet bzw. qualifiziert<br />

halten, etwas häufiger, als sie<br />

dies für ihre Forschungsaufgaben<br />

angeben.<br />

Keine Zeit zur Forschung?<br />

Ebenfalls nicht bestätigt werden<br />

konnte die Befürchtung, daß die steigenden<br />

Studierendenzahlen bei<br />

gleichzeitiger Stagnation der Stellenzahlen<br />

zu Lasten der Forschungsaktivitäten<br />

geht. Die deutschen<br />

<strong>Universität</strong>sprofessoren verbringen<br />

im Durchschnitt während<br />

der Vorlesungszeit 29 Prozent und<br />

über das ganze Jahr gesehen 37<br />

Prozent ihrer Arbeitszeit mit Forschungsaufgaben.<br />

Allerdings sind<br />

hierzulande etwas weniger Professoren<br />

in Forschungsprojekten tätig<br />

bzw. erhalten weniger externe Forschungsmittel<br />

als in den anderen<br />

europäischen Ländern und in den<br />

USA. Auch mit den materiellen und<br />

personellen Ressourcen für Forschung<br />

und Lehre scheinen die<br />

deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

nicht durchweg unzufrieden zu sein,<br />

neben ihren Kollegen aus den USA,<br />

Hongkong, den Niederlanden und<br />

Schweden zählen sie zu denjenigen,<br />

die in keinem der im Fragebogen<br />

angesprochenen Bereiche überwiegend<br />

Mängel konstatieren.<br />

Insgesamt zufrieden?<br />

Mit ihrer beruflichen Situation insgesamt<br />

sind immerhin fast zwei Drittel<br />

der deutschen <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

zufrieden. Hinsichtlich der Zufriedenheit<br />

mit dem Einkommen finden<br />

sie sich an Platz drei, hinter<br />

ihren Kollegen aus Hongkong und<br />

den Niederlanden. Das Bild ist allerdings<br />

auch nicht völlig ungetrübt: 41<br />

Prozent d:n deutschen <strong>Universität</strong>sprofessore:-~<br />

- das entspricht etwa<br />

dem Durchschnitt dieser Befragtengruppe<br />

in den untersuchten Ländern<br />

- empfinden ihren Beruf als persönlich<br />

belastend.<br />

Mittelbauangehörige:<br />

Beschäftigungsunsicherheit<br />

Die Struktur des Mittelbaus an deutschen<br />

<strong>Universität</strong>en ist im internationalen<br />

Vergleich in mancherlei Hinsicht<br />

ungewöhnlich: Hier werden<br />

mehr nicht-promovierte jüngere Wissenschaftler<br />

beschäftigt als in anderen<br />

Ländern, außerdem liegt ihr Aufgabenbareich<br />

stärker in der Forschung<br />

als in der Lehre, während<br />

diese Gruppe in den anderen Ländern,<br />

die in der Untersuchung zum<br />

Vergleich herangezogen wurden,<br />

stärker in der Lehre engagiert ist als<br />

die Professoren.<br />

Die Mittelbauangehörigen an <strong>Universität</strong>en<br />

in Deutschland stimmen<br />

in vielen Einschätzungen mit den<br />

Professoren überein: zum Steilenwert<br />

ihres Fachs und ihrer Hochschule<br />

für sie selbst; zur Bedeutung<br />

wissenschaftlicher Freiheit; zur Frage,<br />

was die Hochschule für die Gesellschaft<br />

leisten soll; zur Qualifikation<br />

der Studierenden und zur Hochschulverwaltung<br />

lassen sich keine<br />

oder nur geringfügige Unterschiede<br />

finden. Ganz im Gegensatz zu dieser<br />

erstaunlichen Übereinstimmung<br />

sind nur halb so viele Mittelbauangehörige<br />

(32 %) wie Professoren insgesamt<br />

zufrieden mit ihrer beruflichen<br />

Situation. Eine ähnlich große<br />

Diskrepanz zwischen der Einschätzung<br />

der <strong>Universität</strong>sprofessoren<br />

und der der Mittelbauangehörigen<br />

findet sich in keinem anderen der<br />

hier behandelten Länder.<br />

Zwei Problembereiche sind es vor<br />

allem, die dieses Ausmaß an Unzufriedenheit<br />

erklären. Zum einen ist<br />

die Beschäftigungssituation des Mittelbaus<br />

besonders prekär: Die Quote<br />

der unbefristet Beschäftigten<br />

(21 %) ist die geringste in allen 13<br />

untersuchten Ländern. Ausdrücklich<br />

kritisiert werden von den Befragten<br />

außerdem die geringen Chanc.~n<br />

zum beruflichen Aufstieg. Zum anderen<br />

sind die deutschen Mittelbauangehörigen<br />

in ihrer Tätigkeit offenbar<br />

besonders abhängig. Sie schätzen<br />

ihren Gestaltungsspielraum bei<br />

Forschungs- und Lehraktivitäten<br />

und auch ihren persönlichen Einfluß<br />

auf hochschulpolitische Entscheidungen<br />

an ihrer Institution am geringsten<br />

von den Befragten in allen<br />

anderen untersuchten Ländern ein.<br />

Fachhochschulprofessoren:<br />

Weder Begeisterung noch<br />

Klage<br />

Die deutschen Fachhochschulprofessoren<br />

haben mit durchschnittlich<br />

17 Stunden in der Woche im Vergleich<br />

der in die Untersuchung einbezogenen<br />

Länder die weitaus<br />

höchste Zahl von Lehrstunden. Im<br />

Jahresdurchschnitt verwenden sie<br />

62 Prozent ihrer Arbeitszeit für die<br />

Lehre; der Aufwand von 17 Prozent<br />

für die Forschung ist allerdings nur<br />

unwesentlich geringer als bei den<br />

Dozenten britischer polytechnics.<br />

33 Prozent der deutschen Fachhochschulprofessoren<br />

berichten,<br />

daß sie in Forschungsprojekten tätig<br />

sind, und 24 Prozent, daß ihnen<br />

dazu hochschulexterne Mittel zur<br />

Verfügung stehen. Angesichts der<br />

traditionellen Funktionsbestimmung<br />

der Fachhochschulen mag dies viel<br />

erscheinen, es ist jedoch wenig im<br />

Vergleich zu den 75 Prozent der<br />

Dozenten an vergleichbaren britischen<br />

und 78 Prozent an schwedischen<br />

Institutionen, die in Forschungsprojekten<br />

tätig sind.<br />

Die durchschnittliche wöchentliche<br />

Arbeitszeit der Fachhochschulprofessoren<br />

ist mit 45 Stunden in der<br />

Vorlesungszeit und 33 Stunden in<br />

der vorlesungsfreien Zeit weitaus<br />

geringer als die der Professoren an<br />

<strong>Universität</strong>en (durchschnittlich 53<br />

Stunden wöchentliche Arbeitszeit im<br />

Semester und 48 Stunden in der<br />

vorlesungsfreien Zeit). Auch ist der<br />

Anteil der Fachhochschulprofessoren,<br />

die sich zufrieden zu ihrer beruflichen<br />

Situation äußern, mit 49 Prozent<br />

um einiges geringer als der der<br />

<strong>Universität</strong>sprofessoren; insbesondere<br />

das Gehalt scheint keinen Anlaß<br />

zur Zufriedenheit zu geben (hier<br />

äußern sich 35% zufrieden im Vergleich<br />

zu 64% der <strong>Universität</strong>sprofessoren).<br />

Schließlich gehen die<br />

Fachhochschulprofessoren vergleichsweise<br />

häufig (40 %) einer bezahlten<br />

Tätigkeit außerhalb der<br />

Fortsetzung auf S. 7

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