Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst
Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst
Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
2<br />
Unsere Bilder.<br />
Berlin in BerHn - Berlin ausserhalb! Diese bildliche<br />
Teilung markiert am besten den harakter des Augustmonates<br />
unserer Metropole. Lm ommer gleicht Berlin<br />
einem trome, aus dessen BeU gewaltige Fluten abgeleitet<br />
werden <strong>und</strong> deI· doch an Wasserreicbtulu nicht~ zu YCrlieren<br />
scheint. Armeen Erholung · suchender Bürger<br />
trägt das Dampfross in die Ferne, aber in immer gleich<br />
grossem Volumen fliesst der alte Strom grossstädlischen<br />
Lehens weiler. - An die Spitze derjenigen photographischen<br />
Aufnahmen, die uns Berlin zu Hause zeigen, bringen wir<br />
das Bild des Kriegsministers von Einem <strong>und</strong> zwar in<br />
dem komfortablen Milieu seiner vornehmen, dem Frieden<br />
geweihten Häuslichkeit. chon in fr über Jugend traten die<br />
militäriscben Fähigkeiten des Kriegsministers zu Tage, in<br />
rascher r-lintereinanderfolge rückte er von einer Position zur<br />
anderen <strong>und</strong> als vor einigen Jahren der Ministersesselfrei wurde,<br />
wurde ihm vom obersten Kriegsherrn das Ministerportefeuille<br />
anvertraut. - Eine Pers··nlichkeit, die sich ebenfalls der<br />
Gunst des I aisers erfreute, ist der Oberstallmeister des<br />
Kaisers, Excellenz Graf v. Wedel, der zum 1. Oktober<br />
von seinem Amte zurücktreten wird. Man bedauert den<br />
Rücktritt aufdchtig in der <strong>Berliner</strong> Gesellschaft, denn in<br />
ihr hatte er nur Fre<strong>und</strong>e. v. Wedel ist jetzt 67 Jabre alt;<br />
er wurde 1838 als der Sohn eines hannoverschen hohen<br />
Verwaltungsbeamten, des Geheimrates <strong>und</strong> Mitgliedes des<br />
könig!. hannover'schen taatsrates in der Abteilung <strong>für</strong><br />
innere Verwaltung, Grafen KaTl v. Wedel, geboren.<br />
An Stelle des Grafen von Wedel wird nun am<br />
1. Oktober Freiherr IIugo von Reischach treten. Heu<br />
v. Reischach, der Spross einer alten württembergischen<br />
Familie <strong>und</strong> mütterlicherseits der Enkel des verstorbenen<br />
Ban!':iers Peter Bonn in Frankfurt a. M. hat eine interessante<br />
Karriere hinter sich. Als Offizier bei dem Garde du Korps<br />
in Potsdam zum Vortänzer auf den Hofbällen gewählt, zeigte<br />
er solche Gewandtheit, dass seine Ueberuabme in den Hofdienst<br />
erfolgte. - Einen Tag der Ehre bedeutete <strong>für</strong> nnsere<br />
Ber!. Wissenschaft im allgemeinen <strong>und</strong> flir den Geh. Rat, Prof,<br />
Dr. Kar! Eduard Sachau, den Direktor deo eminars <strong>für</strong><br />
orientaliscbe Sprachen, im Besonderen der 20. Juli, denn·<br />
an diesem Tage feierte der Gelehrte seinen 60. Geburtstag<br />
<strong>und</strong> die Huldigungen die man ihm erwies, waren ein<br />
ehrendes Zeugnis fiir ihn, den Gelehrten der litterarum<br />
rerum <strong>und</strong> in ihm <strong>für</strong> die Wissenschaft <strong>und</strong> die Jünger der<br />
Wissenschaft selbst. - Ein weniger erfreuliches Ereignis<br />
im Reiche der Wissenscbaft ist der Rücktritt des Geh. Reg.<br />
Rats, Professor Dr. Dilthey, des gefeierten Dozenten der<br />
Pbylosophie an der <strong>Berliner</strong> Universität, von ~einer Lehrtätigkeit.<br />
Der Verlust <strong>für</strong> die akademische Jugend wird<br />
allerdings durch die Aussicht gemildert, dass die ungestörte<br />
Musse dem Gelehrten Gelegenheit gibt, sich nun der<br />
Vollendung seiner wissenschaftlichen Arbeiten, beispielsweise<br />
der Fertigstellung der, Biographie Schldermachers",<br />
eines l'vlonumentalwerkes <strong>für</strong> die Kenntnis des Geisteslebens<br />
der Romantik, zu widmen. - Wir wenden uns ellllgen<br />
Persönlichkeiten zu, die mehr oder weniger als Fürsten<br />
<strong>und</strong> Fiirstiunen der <strong>Kunst</strong>, als künstliche <strong>und</strong> künstlerische<br />
Majestäten eine Rolle spielen. Beginne ich mit<br />
Josef Kainz, dem vor einigen Wochen gelegentlich seines<br />
Gastspiels am <strong>Berliner</strong> Theater Berlin zu Füssen lag, so<br />
be?arf es zur Feststellung seiner imperialen Souveränität<br />
kemer näheren Details, aber auch die künstlerischen<br />
Fähigkeiten . der Frau Aenny Hindermann vom<br />
Hamburger Stadttheater <strong>und</strong> der Miss Thea Doree, die mit<br />
g.rossem Erfolg am Neuen König!. Operntheater gastieren,<br />
sllld zu r~sch hier in der Metropole zur Geltung gekommen<br />
als dass dIe Bedeutung der beiden Künstlerinnen unterschätzt<br />
werdm könnte. Besonders weiss Miss Doree die ihre<br />
RoUen in einem eleganten Französisch wied:rgitit, mit<br />
einer schönen SinnenleidenschaIt die Figuren zu beleben. -<br />
Auch die Täuzerin Miss Isadora Duncan, die unser<br />
Bild mit ihren cbülerinnen vor ihrer Villa im Grunewald<br />
zeigt, reiht sich den Persönl ichkeiten an, deren YÜnstp.,<br />
gleichwohl es nur pantomimische sind, voll <strong>und</strong> ganz<br />
gewürdigt werden, andel·s jedoch verhält es sich mit<br />
der <strong>Kunst</strong> der Madame du D ion, dcr kün~t1ichen<br />
Kaiserin, resp. Ex-Kaiserin auf dem Brettl. Madame<br />
ein Dion, die Gemahlin jacques Lebaudys 1, des uogekrönten<br />
Kaisers der Sahara, die von dem lannenhaften Cäsar der<br />
vVüste in Triest verlassen wurde, tauschte leichten Herzens<br />
den imaginären Kaiserthron mit dem Brettl, um als Chansonette<br />
ihre kaiserliche Persönlichkeit zur Schau zu stellen. Sie<br />
versagte als IGinstlerin im Passage theater, dagegen<br />
befriedigte sie die allerdings der Knnst, sogar der Brettlkunst,<br />
gänzlich fernliegende Scbaulust. - Auf Seite 6<br />
haben wir noch zweier Persönlichkeiten zu gedenken, deren<br />
beider vor km·zer Zeit erfolgter Tod die <strong>Berliner</strong> Hofkreise<br />
<strong>und</strong> die Gesellschaft in tiefe TI·auer versetzte. Generalmajor<br />
Hoyer v. Rotenheim, der Kommandant von Berlin,<br />
starb im Alter von nicht ganz 56 Jahreu. Vor wenigen<br />
Wochen noch empfing der Verstorbene, wie erinnerlich, die<br />
Kronprinzessin bei ihrem Einzug an dem Brandenburger<br />
Tore, wenige Tage später warf ihn ein schweres Darmleiden<br />
auf das Krankenlager. Geh. Kommerzienrat Adolf Frentz el,<br />
der langjährige Präsident des 1-Iand~lstages, Mitglied des<br />
preussischen Herrenhauses, ist im Sanatorium Hubertus in<br />
Schlachtensee nach längerem Leiden einem Scblaganfall<br />
erlegen. 111 dem Dahillgeschiedellen verliert die elt!utsche<br />
Kaufmannschaft einen warmen Förderer ihrer Interessen. -<br />
Wenn wir zn Beginn Jer Schilderungen unserer Bilder<br />
behauptet haben, dass auch im Sommer zur Reisezeit · das<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Leben</strong> an Fülle nichts einbüsst, so findet deI· Ungläubige<br />
eine konkrete Bestätigung in der plastischen Wiedergabe<br />
des Strassenlebens, das sich zwischen der Leipziger <strong>und</strong><br />
der Potsdamer Strasse, zwischen der Königgrätzer <strong>und</strong> divel sen<br />
anderen sich hier kreuzenden oder endenden Strassen abspielt.<br />
Es zeugt von dem ausserordentlichen Gescbick des<br />
<strong>Berliner</strong>s, dass bei der Ueberlastung des Potsdamer<br />
PI a tzes die meisten Menschen mit ges<strong>und</strong>en Gliedern<br />
zwischen kommenden, stehenden, abfahrenden Wagen, hindurch<br />
sich schlängelnd, von Bürgersteig zu Bürgersteig<br />
gelangen. - Wir wenden uns jetzt mit Interesse der<br />
Werkstätte des Bildhauers I-lug 0 Berwald zu, der<br />
an der Marmorbüste der Kronprinzessin Cecilie beschäftigt<br />
ist, die er schon in ihrer Brautzeit porträtierte, - um<br />
dann die Berlin!'r ausserhalb,in Bädern, in den Sommerfrischen<br />
aufsusuchen. Berlin in Pyrmont. Imaltberühmten tahl<strong>und</strong><br />
Moorbad P yrmont, das schouim 15. Jahrh<strong>und</strong>ert "ein edeler,<br />
beiliger Brunnen von grossem Ansehen war" <strong>und</strong> unter<br />
dessen vielh<strong>und</strong>ertjährigen Linden Kaiser <strong>und</strong> Könige, wie<br />
u. a. Peter der Grosse, . Friedrich der Gr05se, Königin Luise<br />
wandelten, findet sich alljährlich eine grosse <strong>Berliner</strong> Colonie<br />
ein, zu dem die Theater kein kleines ontingent stellen.<br />
Man h·inkt Stahl- <strong>und</strong> Soolquelle, badet Stahl, Soole oder<br />
Moor <strong>und</strong> isst dann bei Johannes Rasmussen, einem wirklich<br />
erstklassigen Redtaurant, wie man es kaum in einem<br />
der grossen Weltbäder finden kann. Am Nachmittag geht<br />
es 11 ugs in den unmittelbar an Pyrmont anstossenden herrlichen<br />
Teutoburger Wald <strong>und</strong> abends noch in die .,Giftbude",<br />
wo man ein famoses Pilsener bekommt. Auch ein reizendes<br />
Theater giebt es dort, in dem schon Goethe als Zuscbauer<br />
sass, <strong>und</strong> an welchem Lortziog, der hier "Czar <strong>und</strong> Zimmermann"<br />
componirte, als Capellmeister wirkte. Unter Direktor<br />
Adalbert BrÜIDmer's Leitung werden sehr gute Vorstellungen<br />
geboten. Und dann · ist · in Pyrmont noch ein Plätzchen,<br />
wie es <strong>für</strong> kneipfröhliche Gesellen nicht schöner <strong>und</strong> gemüthlicher<br />
gedacht werden kann. Die "Spelunke", eine im<br />
Jahre 1870 von einem <strong>Berliner</strong>, Paetel, gegründete urfidele<br />
<strong>und</strong> originelle Frühschoppen-Gesellschaft tagt alltäglich von<br />
12-2 Uhr in ihrem eigenem Heim unter dem Vorsitze<br />
ibres PI·äsidenten Theodor Francke, dem bekannten Komiker<br />
vom abaTet "Roland von Berlin." Mit wie viel Humor<br />
<strong>und</strong> Laune Francke als GI·osswürdcnträger der "Spelunke"<br />
amtirt - das lässt sich nicht beschreiben; man muss es<br />
selbst erleben. Also bill, es sind nur 5 St<strong>und</strong>en Fahl·tl -<br />
"Auf nach dem schönen Westcrlancl", diesen Ruf brauchen<br />
wir allerdings nicht ertönen zu lassen. Werfell wir einen<br />
Blick auf die Szenerien <strong>und</strong> Gruppenbilder, die das Sommerleben<br />
in Westerland charakterisieren, so ergiebt sieb, dass<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>und</strong> besonde rs der Künstler Berlins nicht<br />
erst der Anregung bedarf, um dort seinen Aufenthalt zu<br />
nehmen. Komponisten, änger, Opernsängerinnen, Schauspieler,<br />
Schriftsteller, Schauspielerinnen wie mitten in der<br />
Metropole, so fi nden wir sie hier im Ensemi:,lle wieder,<br />
allerdings nicbt in <strong>Berliner</strong> . alonkostümen, sondern in den<br />
sommerlich bequemen Bäder- <strong>und</strong> noch bequemeren Badekostümen.<br />
Thielscher, Schanzer, Winterstein, Anna Müller <br />
Linke, Julius Fre<strong>und</strong> - wer zählt dieKtinstler, weiss die<br />
Namen der Herrn vom Bau <strong>und</strong> aller Damen? Anch der<br />
Aufentbalt in Heringsdorf an der Ostsee bedarf nicht erst<br />
einer Schilderung in leuchtenden Farben, um VOll den<br />
<strong>Berliner</strong>n als Kurort ausersehen zu werden - schon jalne<br />
lang ist Heringsdorf eines der beliebtesten O~tseebäder,<br />
freilich nicbt vor Jahrzehnten, da war es anders. 'Wie<br />
sich die Verhältnisse umgestaltet haben, davon legen ein<br />
beredtes Zeugnis unsere Bilder ab: H eringsdo rf je tz t<br />
<strong>und</strong> Heringsdod vor fünfzig Jahren. - Wie charakteristisch<br />
- damals ergötzte man sich noch am Reifenspiel<br />
- heute ist das Losungswort: .Auf zum Tennis".<br />
Wir weisen noch auf das Ferienstimmungsbild : "B erlin er<br />
HalbIerienkolonie" hin, das uns el ie Berlinel· Jugend<br />
unter Leitung des tadtverordneten Hel·mann Plischk:e,<br />
des Sp iritus rektors in den BeslI·ebungen der kommunalen<br />
KinderIürsorge, auf der Exkursio n zur Badeanstalt uod<br />
zum Spielplatz zeigt, auf die charakteristischen sonnigen<br />
Scenen des Familienbades im Tegeler ee, um zum<br />
Schluss den Mallen einiger Bühnengrössen Alt-Berlins.<br />
unsere Huldigung zu briJlgen. Zu den bevorxugsten Komikern<br />
<strong>und</strong> Charakter- darstellern seiner Zeit gehörte Au g u s t<br />
W eir aue h, von seiner wirksamen, jedoch kaTikaturfreien<br />
Komik, die z. B. in einer seiner beliebtesten Rollen, in der des.<br />
"Kieselack" zumAusdruck kam, erzählt man sich noch heute ; sie<br />
wirkte vorbildlich. - Die humoristische<strong>Kunst</strong>, des vor wenigen<br />
Jahren verstorbenen Emil Thomas iJlsbesondere seine<br />
Darstellung als Kalchas in der "Schönen Helena" lebt<br />
noch zu sehr in unserem Gedä(;htnis, als dass sie einer erinnernden<br />
Würdigung bedarf. - An die grosse Zeit der<br />
klassigen Posse <strong>und</strong> Volksstücke knüpfen sich auch die<br />
Namen aller übrigen hier bildlich wiedergegebenen Darsteller.<br />
arI Helmerding ist ein gebol·ener <strong>Berliner</strong>, Theodor<br />
Reusche ei n geborener Hamburger, August Neumann<br />
ein geborener Dresdner; Hehnel·ding hatte sich 1878 von<br />
der Bühne zurückgezogen, Neumann starb als reicher<br />
Privatier in Sondershausen, Reusche verunglückte als Mitglied<br />
des Wiener Burgtheatel·s auf seiner Sommervilla, indem,<br />
der Balkon unter ihm zusammenbrach <strong>und</strong> er binabstürzte.<br />
Zu diesen bedeutenden Darstellern gehörte auch Juli uso<br />
Ascher <strong>und</strong> zu den populärsten in Berlill der in Breslau<br />
geborene <strong>und</strong> in Wien verstorbene F ri tz B eck man n.<br />
Dieser Künstler hatte auch einige Rollen <strong>für</strong> sieh geschrieben,.<br />
z. B. der .Eckensteher Nante". Die auf unserem Bilde<br />
eine Figur aus .Bruder Liederlich" darstellende Künstlerin<br />
An na Schramm ragt aus der grossen Epoche der Volks-·<br />
stücke noch in unsere Zeit hinein <strong>und</strong> wirkt gegenwärtig an·<br />
der Kg!. Hofbühne. Anna Schramm war in den sechsiger<br />
Jahren die erklärte Soubrette Berlins, den grössten Erfolg er-·<br />
zielte sie in dem berühmten Volksstück .Drei Paar Schuhe".<br />
Die Künstlerin, deren Eltern aus Norddeutschland stammten.<br />
war in Reichenberg in Böhmen geboren, sie wirkte bereits.<br />
als kleiner Genius in Zauberstücken an derHofbühnezuDessau.<br />
Ber'llster:'Il~ nwersky_<br />
'.