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Hartmut Traub - Die Drei

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»Steiner ohne Goethe« (T, 208ff.) gemeint ist:<br />

das Emanzipationsbestreben gegenüber dem<br />

geistigen Übervater Goethe.<br />

<br />

<br />

Woods Schlussbetrachtung kann ich mich nun<br />

weitgehend anschließen. <strong>Die</strong> mir darin noch<br />

einmal vorgehaltenen »schwerwiegenden Mängel«<br />

meines Buches hoffe ich durch meine Ausführungen<br />

als Missverständnisse aufgeklärt<br />

und aufgehoben zu haben.<br />

Mit dem Schlusszitat aus Fichtes Über Geist und<br />

Buchstab (W2, 59) berührt Wood noch einmal<br />

das strittige Thema Gefühl und Geist – dieses<br />

Mal nicht bei Steiner, sondern bei Fichte. Leider<br />

gibt er uns mit der Auswahl dieses Zitats nur<br />

die halbe Wahrheit zum Thema – ja, nicht einmal<br />

diese. Denn sicher trifft es zu, dass eine Berufung<br />

auf das »Wahrheitsgefühl« im Zeitalter<br />

von Zweifel und Skepsis kein sicheres Beweismittel<br />

für die Richtigkeit von Urteilen darstellt.<br />

Es bedarf der Aufklärung und Entwicklung, der<br />

Bestimmung und Beurteilung, der Erhebung<br />

zu deutlichem Bewusstsein, also zu dem, was<br />

Fichte Geist nennt. Sicher ist auch zutreffend,<br />

dass eine trotzige Berufung auf das Gefühl eine<br />

Haltung der Geistlosigkeit offenbart und darin<br />

eine »reichhaltige und nie versiegende Quelle<br />

aller Schwärmerei liegt« (W2). Ebenso wahr<br />

aber sind zwei weitere Aspekte der Bedeutung<br />

des Gefühls in Fichtes – und auch in Steiners<br />

Philosophie. <strong>Die</strong>se Aspekte hier auszubreiten<br />

ist nicht der Ort. Durch einige Zitate kann jedoch<br />

auf diese weitergehenden Bedeutungen<br />

des Gefühls in der Philosophie Fichtes aufmerksam<br />

gemacht werden. <strong>Die</strong> ersten beiden Stellen<br />

verweisen auf das Gefühl als dem notwendigen<br />

Realitätskern des Denkens, um dieses vor der<br />

Gefahr bloßer Spekulation zu schützen und<br />

um theoretische Erkenntnisse wieder ins Leben<br />

einfließen zu lassen. In seiner Wissenschaftslehre<br />

(1805) heißt es kritisch über die Philosophie<br />

Kants: »Kant [...] und alle seine Nachfolger<br />

[haben] bis die[sen] Tag das Gefühl aus der<br />

Spekulation verwiesen. [...] Drum sind diese<br />

Spekulationen insgesammt leer«. 9 Und 1799<br />

schrieb Fichte: »Unsere Philosophie macht<br />

[...] das Leben, das System der Gefühle und<br />

des Begehrens zum Höchsten und lässt der Erkenntniss<br />

überall nur das Zusehen. [...] Wenn<br />

daher durch Philosophie oder Räsonnement<br />

die Realität einer Erkenntnis erwiesen werden<br />

soll, so muss ein Gefühl [...] aufgezeigt werden,<br />

an welches diese Erkenntnis unmittelbar sich<br />

anschließt. Das freie Räsonnement kann den<br />

Inhalt desselben nur durchdringen, läutern, das<br />

Mannigfaltige desselben trennen und verknüpfen,<br />

und den Gebrauch desselben erleichtern,<br />

es in die Gewalt des Bewusstseins bringen; aber<br />

sie [die Philosophie] kann es nicht vermehren,<br />

seinen Stoff vergrößern oder anders machen.<br />

[...] Nur das Unmittelbare ist daher wahr, das<br />

Vermittelte nur, insofern es sich auf jenes gründet;<br />

darüber hinaus liegt das Gebiet der Chimären<br />

und Hirngespinste«. 10<br />

Das folgende Zitat richtet sich auf das Ziel der<br />

(wissenschaftlichen) Erkenntnis im <strong>Die</strong>nst dessen,<br />

was Steiner die existenzielle »Erhöhung<br />

des Daseinswertes« und Fichte das individualitätsbezogene<br />

»selige Leben« genannt hat. Eine<br />

Philosophie, die mehr sein will als Wahrheitserkenntnis,<br />

wird beim Thema »Glückseligkeit«<br />

nicht um die Frage nach dem damit verbundenen<br />

Lebensgefühl herum kommen. Beide<br />

Autoren haben sich dieser Thematik gestellt.<br />

Für Fichte, dem Wood hier das letzte Wort einräumt,<br />

gilt in dieser Frage: »Und so hätten wir<br />

denn die Grundzüge zu dem Gemählde des<br />

seligen Lebens, so weit ein solches Gemählde<br />

möglich ist, in einem Punct vereinigt. <strong>Die</strong> Seligkeit<br />

selbst besteht in der Liebe, und in der ewigen<br />

Befriedigung der Liebe, und ist der Reflexion<br />

unzugänglich: der Begriff kann dieselbe nur<br />

negativ ausdrücken, so auch unsere Beschreibung,<br />

die in Begriffen einhergeht. Wir können<br />

nur zeigen, dass der Selige des Schmerzes, der<br />

Mühe, der Entbehrung frei ist; worin seine Se-<br />

8 Rudolf Steiner: Briefe, a.a.O., S. 93.<br />

9 J. G. Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie<br />

der Wissenschaften, Band II, S. 300; Hervorhebung<br />

H.T.<br />

10 J. G. Fichte: Sämtliche Werke, Berlin 1845/1846,<br />

Band V, S. 352.<br />

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