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über die gleichen Einflussmöglichkeiten wie Ihr Ankläger, J. J. Tschudi. verfügen<br />
können. wäre der Prozess anders veriaufen.<br />
Eine mögliche Schwängerung von Tschudi Iiess sich nicht nachweisen, kann<br />
aber nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. Es fehlen wichtige Protokolle.<br />
Die damalige publizistische Verabeitung des Göldi-Handels brachte nur wenig<br />
Neues ans Licht. Der Grund ist darin zu suchen, dass die meisten Artikelschreiber<br />
ihre Angaben aus anderen Zeitungen oder aus Lehmanns Briefen holten und nur<br />
selten an den Grund der Quellen gingen.<br />
Es ist festzuhalten, dass trotz schärfster Zensurbestimmungen in der Schweiz<br />
der Handel im deutschsprachigen Ausland bekannt wurde und auf diesem Umweg<br />
die von der Glarner Obrigkeit gefürchtete Publizität erreichen konnte.<br />
Die wirkliche Lebens- und Leidensgeschichte der Anna Göldi ist alles andere<br />
als ein logischer Ablauf von kausal bedingten Ereignissen.<br />
In der damaligen<br />
Presse, die Briefe Lehmanns <strong>mit</strong> eingeschlossen, wurde aber eine Kausalität<br />
hergestellt, welcher man sich auch heute kaum entziehen kann.<br />
Sozialhistorisch betrachtet war der Göldi-Handel ein idealer Aniass, die Willkür<br />
und die Borniertheit der Obrigkeit allgemein anzuklagen, das Fehlen einer<br />
allgemeingültigen Vernunft aufzuzeigen und eine Veränderung aufgrund dieses<br />
absurden Justizmordes zu fordern.<br />
Der psychologisch relevante Inhalt des Göldi-Handels ist ein immer<br />
wiederkehrendes Phänomen. Eine integre Person wird durch ·unerklärliche".<br />
scheinbar logische, Ereignisse diskriminiert, dehumanisiert und so<strong>mit</strong> der<br />
Verfolgung preisgegeben. Diese wird durch die Stimmung im sozialen Umfeld<br />
gestaltet und kann sich tödlich für die betreffende Person auswirken.<br />
6.2 Zusammenfassung<br />
Der Fall Anna Göldi ereig<strong>net</strong>e sich in einer Zell, die vom Umbruch in allen<br />
Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens gekennzeich<strong>net</strong> war. Der Grund<br />
für das grosse Echo auf diesen Fall ist in der Spannung zu suchen, die zwischen<br />
alter öffentlicher Ordnug, alter Rechtsprechung und kirchlicher Moralvorstellung<br />
einerseits und dem aufklärerischen Gedankengut andererseits herrschte.<br />
Anna Göidi lebte zwischen 1734 und 1782 in der Zürcher Herrschaft Sax und im<br />
Kanton Glarus. Sie verbrachte ihre Zell als Dientmagd. Sie gebar drei uneheliche<br />
Kinder. wobei ihr der Tod des zweiten als Kindsmord angelastet wurde. An ihrer