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Mit Schülerinnen und Schülern auf Spurensuche - Archive in NRW

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23. Norddeutscher Kirchenarchivtag, Güstrow, 13./14. Mai 2013<br />

<strong>Mit</strong> <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Schülern</strong> <strong>auf</strong> <strong>Spurensuche</strong> –<br />

Archivische Vorbereitung <strong>und</strong> Begleitung von Geschichtswettbewerben<br />

Dr. Jens Murken,<br />

Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld<br />

1. Impulse für die Kirchenarchivpädagogik<br />

- Archivarbeit mit <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Schüler (SuS) ke<strong>in</strong>e Kür, sondern u.a. Investition <strong>in</strong><br />

die Zukunft der Kirche<br />

- Vgl. Kirchen-Projekte, wie z.B. „<strong>Mit</strong> K<strong>in</strong>dern neu anfangen!“ – Ziel, die religiöse<br />

Sozialisation von K<strong>in</strong>dern durch e<strong>in</strong>e kirchliche Initiative zu unterstützen<br />

(www.ekkw.de/kigo/pdf/<strong>in</strong>itiative_mitk<strong>in</strong>dernneuanfangen.pdf )<br />

- K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d „Entdecker, Forscher, Erf<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Dichter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person“ (H.-M. Lübk<strong>in</strong>g,<br />

Pädagogisches Institut der EKvW)<br />

2. Modi des Lernorts Kirchenarchiv<br />

- punktuell: Archiv als Exkursionsziel (wiederkehrend mit unterschiedlichen Lerngruppen)<br />

- partnerschaftlich: Archiv als außerschulischer Bildungspartner (<strong>auf</strong> Kont<strong>in</strong>uität angelegt)<br />

- ausgewählt: Archiv als Forschungsstelle für freiwillige, <strong>in</strong>dividuelle „besondere<br />

Leistungen“<br />

- <strong>in</strong>frastrukturell: Archiv mit Raumangeboten für schulische Projektarbeit (<strong>in</strong>sb.<br />

Ausstellungsfläche)<br />

- beratend <strong>und</strong> begleitend: Archiv als Kompetenzzentrum (methodisch, theoretisch,<br />

<strong>in</strong>haltlich) für Wettbewerbsarbeit<br />

3. Wettbewerbe <strong>in</strong> Schulen<br />

- Viele Fächer, viele Wettbewerbe<br />

- Sprachwettbewerbe beliebt: weniger zeit<strong>in</strong>tensiv, erfolgversprechender<br />

- Geschichtswettbewerbe<br />

o lokale <strong>und</strong> regionale Wettbewerbe (Freiburg, Bielefeld u.a.m.) mit<br />

unterschiedlichen Anforderungen <strong>und</strong> Altersgrenzen; nicht nur für SuS<br />

o seit 1973: Geschichtswettbewerb des B<strong>und</strong>espräsidenten: deutschlandweit,<br />

½-jährliche Dauer, alle zwei Jahre, mit Oberthema, Altersgrenze: 21 Jahre,<br />

Vorgehen: forschend-entdeckendes Lernen, lokal-/regionalgeschichtlich<br />

ausgerichtet, biografischer/familiengeschichtlicher Bezug<br />

(http://www.geschichtswettbewerb.de)<br />

4. Bed<strong>in</strong>gungen für den kirchenarchivischen Service<br />

- Angebote entsprechend den eigenen archivischen Voraussetzungen realistisch gestalten<br />

(Kapazitäten, Kompetenzen, Infrastruktur, Öffnungszeiten …)!<br />

- Selbstüberforderung vermeiden!<br />

- archivische Kooperation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kommune oder archivischen Fachgruppe leben!<br />

- archivische Konkurrenzen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Kommune vermeiden!<br />

- schulischen Bedarf, Wünsche <strong>und</strong> Anforderungen <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen!<br />

(Zielgruppen: Lehrer, Schüler <strong>und</strong> Eltern befragen, z.B. wegen Fahrtdiensten)<br />

- Bedürfnisse der <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Schüler realistisch verorten: Zeitbedarf zum Essen,<br />

Chillen, Bewegen, Kommunizieren, Forschen beachten – es geht um den ganzen<br />

Menschen, nicht nur um se<strong>in</strong>e archivische/historische Forschungsarbeit!<br />

1


5. Archivarische Beteiligung an Geschichtswettbewerben<br />

- empirische Gr<strong>und</strong>lage für kritische Reflektion des archivischen Engagements:<br />

Arbeitsberichte des Geschichtswettbewerbs des B<strong>und</strong>espräsidenten (GW)<br />

- GW-Arbeitsberichte dokumentieren<br />

a) Begeisterung, Forscherdrang <strong>und</strong> Erträge der Schülerarbeiten,<br />

b) Probleme bei <strong>und</strong> Kritik an der Durchführung (<strong>und</strong> an der archivischen Unterstützung)<br />

- kaum e<strong>in</strong>e Preisarbeit beim Geschichtswettbewerb des B<strong>und</strong>espräsidenten kam ohne<br />

Archivquellen aus<br />

- Impulse <strong>und</strong> Beteiligungsformen der Archivare/Archivar<strong>in</strong>nen:<br />

o 1. Impulsgeber/-<strong>in</strong><br />

„Angeregt durch die Bemerkung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch des Gießener Stadtarchivars über<br />

die jüdischen Bewohner Gießens, daß für e<strong>in</strong>e detailliertere Darstellung notwendige<br />

Quellen wie z.B. Erlebnisberichte von Opfern fehlten, suchen die Verfasser<br />

Interviewpartner anhand der Namenslisten, die <strong>in</strong> der Darstellung des Archivars<br />

abgedruckt s<strong>in</strong>d.“ (GW 1983: Alltag im NS)<br />

o 2. Vorarbeiter/-<strong>in</strong><br />

„Auf lokalhistorische Vorarbeiten <strong>und</strong> Archivf<strong>und</strong>e zurückgreifend zeichnen die<br />

beiden Verfasser<strong>in</strong>nen im größten Teil ihrer Arbeit die Geschichte der Juden <strong>in</strong><br />

Saarburg seit dem <strong>Mit</strong>telalter nach.“ (GW 1993: Denkmal: Er<strong>in</strong>nerung – Mahnung<br />

– Ärgernis)<br />

o 3. Forschungspartner/-<strong>in</strong><br />

„Selbst e<strong>in</strong> örtlicher Archivar bef<strong>in</strong>det sich bei se<strong>in</strong>en Forschungen zu diesem Ort<br />

nach Bek<strong>und</strong>en der Autor<strong>in</strong>nen ‚<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sackgasse‘.“ (GW 1983: Alltag im NS)<br />

o 4. Helfer/-<strong>in</strong><br />

„Weitere Recherchen stellen [die Schüler] im Geme<strong>in</strong>dearchiv an, wo sie mit<br />

Unterstützung des Archivars etwas über die lokalen jüdischen Traditionen hören,<br />

die bis <strong>in</strong>s 17. Jahrh<strong>und</strong>ert zurückführen.“ (GW 1989: Unser Ort – Heimat für<br />

Fremde?)<br />

o 5. Experte/Expert<strong>in</strong><br />

„Durch Interviews mit Fischern, Archivaren, Heimatpflegern <strong>und</strong> E<strong>in</strong>baum-<br />

Experten tragen die Verf. Informationen über Bau <strong>und</strong> Benutzung der<br />

verschw<strong>und</strong>enen Verkehrsmittel zusammen.“ (GW 1991: Tempo, Tempo …<br />

Mensch <strong>und</strong> Verkehr <strong>in</strong> der Geschichte)<br />

o 6. Tutor/-<strong>in</strong><br />

„Der Tutor hatte als Ortsarchivar den Sch[ülern] den Zugang zum Thema geebnet<br />

<strong>und</strong> die Arbeitsschritte vorstrukturiert.“ (GW 2001: Genutzt, geliebt, getötet: Tiere<br />

<strong>in</strong> unserer Geschichte)<br />

o 7. H<strong>in</strong>dernis<br />

„Der zweite Teil der Arbeit befaßt sich mit der Verfolgung von Kritikern des NS-<br />

Systems aus religiösen <strong>und</strong> politischen Gründen, dabei wird die Rolle der<br />

Denunziation im Nationalsozialismus deutlich. Im Arbeitsbericht berichten die<br />

Schüler über Beh<strong>in</strong>derungen ihrer Forschungsarbeit; wichtiges Archivmaterial war<br />

<strong>auf</strong> e<strong>in</strong>mal un<strong>auf</strong>f<strong>in</strong>dbar; e<strong>in</strong> Archivar unterstellte ihnen ‚Dreck- <strong>und</strong> Wühlarbeit‘<br />

usw.“ (GW 1981, Alltag im NS)<br />

Obige Zitate aus der Datenbank der Körber-Stiftung zu den vergangenen<br />

Geschichtswettbewerben des B<strong>und</strong>espräsidenten (http://www.koerberstiftung.de/bildung/geschichtswettbewerb/datenbank.html).<br />

2


6. Checkliste: Archivische Begleitung von Geschichtswettbewerben<br />

- <strong>Archive</strong> s<strong>in</strong>d noch nicht als außerschulische Lernorte etabliert, werden im schulischen<br />

Alltag noch nicht derart genutzt, wie es denkbar/wünschenswert/möglich wäre<br />

1. Archivische Vorbereitung<br />

- Oberthema <strong>in</strong>nerarchivisch kommunizieren<br />

- Themenvorschläge <strong>und</strong> Quellenh<strong>in</strong>weise sammeln (<strong>in</strong> Form von Kurzregesten o.Ä.)<br />

- Absprachen über Themen mit anderen örtlichen <strong>Archive</strong>n koord<strong>in</strong>ieren (zumal<br />

lokalgeschichtlicher Bezug mitunter für Landeskirchenarchive schwer umsetzbar ist)<br />

- Themenvorschläge veröffentlichen (onl<strong>in</strong>e), Wettbewerbsfristen beachten (z.B. 1. Sept.)<br />

2. Vorfeldarbeit <strong>und</strong> Netzwerkbildung<br />

- Netzwerk mit <strong>Schülern</strong> <strong>und</strong> Lehrern (Fachgruppenleitern, Bekannten etc.) <strong>auf</strong>bauen<br />

- Zeitzeugen <strong>in</strong>s Netzwerk e<strong>in</strong>beziehen (entsprechende Kontakte durch <strong>Archive</strong> vermitteln)<br />

- Lehrerworkshops <strong>und</strong> Tutorenworkshops durchführen, mit organisieren, unterstützen –<br />

dies auch zwischen den Wettbewerbsphasen!<br />

- Schülerworkshops durchführen oder begleiten<br />

o im Rahmen von Projektkursen<br />

o im Rahmen von Projektwochen<br />

- Methoden der Wettbewerbsarbeit <strong>in</strong> der Archivpädagogik wettbewerbsunabhängig<br />

regelmäßig vermitteln<br />

o forschend-entdeckendes Lernen: selbstständiges Formulieren von Fragen<br />

(strukturiert, geführt, offen, learn<strong>in</strong>g cycle)<br />

o lokal-/regionalgeschichtliche Bezüge herstellen<br />

o biografisches/familienbiografisches Vorgehen<br />

3. Archivpraxis: <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Schüler (SuS) im Archiv<br />

Archivbesuch bedeutet für <strong>Archive</strong> <strong>und</strong> SuS e<strong>in</strong>en hohen Zeit- <strong>und</strong> Organisations<strong>auf</strong>wand<br />

- Überforderungsgefahr beim archivischen Erstkontakt<br />

o Archiv = fremde Institution mit unbekannten Regeln<br />

o Tektonik <strong>und</strong> Systematik schwer verständlich<br />

o Arbeit mit F<strong>in</strong>dbüchern fällt schwer (daher nicht nur Auskunft aus F<strong>in</strong>dbüchern,<br />

sondern Akten lesen/Quellenstudium vorbereiten, um Frustrationen zu vermeiden)<br />

- Nutzungsbed<strong>in</strong>gungen erläutern <strong>und</strong> e<strong>in</strong>üben (Recht <strong>auf</strong> Irrtümer zuerkennen)!<br />

- Öffnungszeiten flexibel handhaben (ggfls. abends, <strong>in</strong> den Ferien, am Wochenende)!<br />

- Term<strong>in</strong>e / Besuchsst<strong>und</strong>en vere<strong>in</strong>baren!<br />

- feste archivische Ansprechpartner benennen; Kontaktdaten austauschen<br />

- Beiträger/SuS kennen lernen <strong>und</strong> zum Kennenlernen des Archivs e<strong>in</strong>laden<br />

- Abbrecher unter den Wettbewerbsteilnehmern „<strong>auf</strong>fangen“, Zwischenergebnisse sichern!<br />

- Raumnutzung, Quellennutzung üben/verabreden<br />

- Tutoren/Lehrer kontaktieren <strong>und</strong> Kontakt halten: engagierte Lehrer/-<strong>in</strong>nen ausf<strong>in</strong>dig<br />

machen, die den außerschulischen Lernort Archiv zu ihrer Sache machen<br />

- archivische <strong>und</strong> historische Beratung zur besseren Quellennutzung sowie Quellenauswahl<br />

- Primärquellenschock-Hilfe anbieten (Lesekompetenz, nicht aggregierte Infos etc.)<br />

- ggfls. Quelleneditionen als vorbereitete Angebote erstellen<br />

- Archivarbeit mit aggregierten Quellengattungen beg<strong>in</strong>nen lassen:<br />

Zeitungsausschnittssammlungen, Chroniken, Sachakten, Register, Amtsblätter,<br />

Berichtsserien, Synodalprotokolle<br />

4. Gr<strong>und</strong>haltung/E<strong>in</strong>stellung gegenüber <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Schülern</strong> im Archiv<br />

- Archivbesuche zum Erfolg machen <strong>und</strong> nicht die Verwirrung vergrößern<br />

- SuS ernst nehmen, nicht herablassend se<strong>in</strong>, <strong>auf</strong>munternd agieren<br />

- SuS forschen affektiv, was Archivare motivieren sollte<br />

- SuS = künftige Erwachsene <strong>und</strong> Steuerzahler<br />

- <strong>Archive</strong>n dient es, wenn sie ihren Bildungs<strong>auf</strong>trag produktiv wahrnehmen<br />

- <strong>Archive</strong> haben bei Geschichtswettbewerben die Chance, ihre eigene Klientel zu formen!<br />

3


7. Weiterführende Literatur:<br />

- Stefan Fr<strong>in</strong>dt <strong>und</strong> Ludwig Brake: Schülererfahrungen <strong>in</strong> der Archivarbeit: Zur Rolle <strong>und</strong><br />

Bedeutung der Kommunalarchive beim Geschichtswettbewerb des B<strong>und</strong>espräsidenten,<br />

<strong>in</strong>: Marcus Stumpf /Kathar<strong>in</strong>a Tiemann (Hg.): Profilierung der Kommunalarchive durch<br />

Historische Bildungsarbeit. Beiträge des 18. Fortbildungssem<strong>in</strong>ars der B<strong>und</strong>eskonferenz<br />

der Kommunalarchive (BKK) <strong>in</strong> Wolfsburg vom 9.-11. November 2009, Münster 2010,<br />

93-109.<br />

- Roswitha L<strong>in</strong>k: „Heute geh’n wir <strong>in</strong>s Archiv …“. Lernangebote im außerschulischen<br />

Lernort Archiv, <strong>in</strong>: Lernen aus der Geschichte, 3.9.2012, <strong>in</strong>: http://lernen-aus-dergeschichte.de/Lernen-<strong>und</strong>-Lehren/content/10640<br />

- Wolfgang Jacobmeyer: Schülererfahrungen bei der <strong>Spurensuche</strong> im Archiv, <strong>in</strong>: Robert<br />

Kretzschmar (Red.): <strong>Archive</strong> <strong>und</strong> Forschung. Referate des 73. Deutschen Archivtags<br />

2002 <strong>in</strong> Trier, Siegburg 2003, 365-376.<br />

- Günter Heidt/Simone Arends/Holger Brittnacher/Sandra Pr<strong>in</strong>z: Lange Wege – kurzer<br />

Draht. Grenz-<strong>Archive</strong>rfahrungen von <strong>Schüler<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Schülern</strong> e<strong>in</strong>es Gymnasiums im<br />

äußersten Westen von Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, <strong>in</strong>: Robert Kretzschmar (Red.): <strong>Archive</strong> <strong>und</strong><br />

Forschung. Referate des 73. Deutschen Archivtags 2002 <strong>in</strong> Trier, Siegburg 2003, 387-<br />

398.<br />

Kontakt<br />

Dr. Jens Murken<br />

Evangelische Kirche von Westfalen<br />

Landeskirchliches Archiv<br />

Bethelplatz 2<br />

33617 Bielefeld<br />

jens.murken@lka.ekvw.de<br />

www.archiv-ekvw.de<br />

http://www.facebook.com/archivekvw<br />

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