Mittelstandsanleihen 2013: Pro und Contra - BDO
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4 Beitrag<br />
Motive<br />
Die vorgenannten Zitate machen deutlich, dass insbesondere<br />
zwei Motive bei der Kapitalbeschaffung im Vordergr<strong>und</strong> stehen:<br />
Kapital-/Liquiditätsbedürfnisse <strong>und</strong> eine höhere Unabhängigkeit<br />
von Banken. Kapitalbedürfnisse können wiederum aus<br />
unterschiedlichen Gründen resultieren: Starkes organisches<br />
Wachstum, Diversifikationsstrategien oder der Eintritt in neue<br />
Märkte sind ebenso wie externes Wachstum (M&A) sicherlich<br />
die am häufigsten anzutreffenden Beweggründe. Besteht<br />
zusätzlich der Wunsch oder die Notwendigkeit, die Fremdkapitalseite<br />
zu Lasten der klassischen Kreditfinanzierung durch<br />
Banken umzustrukturieren, stellt die Mittelstandsanleihe als<br />
klassisches Fremdkapital neben dem Schuldscheindarlehen<br />
eine optionale Finanzierungsquelle dar. Durch die allgemein<br />
erwartete Entwicklung, dass die Banken im Zuge der Basel III-<br />
Vorgaben eine restriktivere Kreditvergabepraxis umsetzen<br />
werden (müssen), rücken diese Alternativen zusätzlich in den<br />
Vordergr<strong>und</strong>. Daneben haben die Unternehmen weiterhin die<br />
Möglichkeit der Aufnahme von Eigenkapital (z.B. Private Equity,<br />
IPO, Eigenfinanzierung) oder von Mezzanine-Kapital (z.B. Genussrechte).<br />
<strong>Pro</strong> Mittelstandanleihe<br />
• Keine Änderung der Gesellschafterstruktur oder der Rechtsform<br />
Die Begebung einer Mittelstandsanleihe erfordert ebenso<br />
wie die Aufnahme eines Schuldscheindarlehens nicht die<br />
Änderung der Rechtsform des Unternehmens <strong>und</strong> erspart<br />
somit von vornherein − anders als u.U. ein Börsengang − etwaige<br />
gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen. Ein Blick<br />
auf die praktischen Erfahrungen in den letzten drei Jahren<br />
zeigt auch, dass Emittenten sowohl in der Rechtsform einer<br />
Aktiengesellschaft (z.B. DIC Asset AG, HAHN-Immobilien-<br />
Beteiligungs AG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
(z.B. Valensina GmbH, Semper idem Underberg GmbH),<br />
der Kommanditgesellschaft (z.B. Bastei Lübbe GmbH & Co.<br />
KG, Textilkontor Walter Seidensticker GmbH & Co. KG) oder<br />
sogar als eingetragener Verein (Fußballclub Gelsenkirchen-<br />
Schalke 04 e.V.) den Gang an den Kapitalmarkt gewagt haben.<br />
Zudem führt die Begebung einer Mittelstandsanleihe<br />
auch nicht zu einer Änderung der Beteiligungsstruktur oder<br />
einer Minimierung der bestehenden Stimmrechtsverhältnisse<br />
− beide Umstände bleiben unberührt, was insbesondere<br />
für traditionelle Familienunternehmen oder inhabergeführte<br />
Gesellschaften von Interesse sein kann.<br />
• Flexibilität aufgr<strong>und</strong> eingeschränkter Verwendungspflicht<br />
<strong>und</strong> Besicherung<br />
Oftmals werden <strong>Mittelstandsanleihen</strong> ohne zusätzliche <strong>und</strong><br />
konkrete Besicherung begeben. Hierin unterscheiden sie<br />
sich von klassischen Bankkrediten oder Schuldscheindarlehen,<br />
bei denen regelmäßig die Gewährung von Sicherheiten<br />
<strong>und</strong>/oder die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln bzw.<br />
Finanzrelationen (Covenants) oder Change of Control-Klauseln<br />
für den Fall des Wechsels der Mehrheitsverhältnisse<br />
vorgesehen werden. Insoweit haben oftmals anzutreffende<br />
Sicherungsübereignungen oder Forderungsabtretungen auch<br />
unmittelbaren Einfluss auf den operativen Handlungsspielraum<br />
des Kreditnehmers, der durch die geforderten Sicherheiten<br />
nicht unerheblich eingeschränkt werden kann. Zusätzliche<br />
operative Freiheit bietet die Mittelstandsanleihe gegenüber<br />
Bankdarlehen in Fällen, in denen Bank- oder Schuldscheindarlehen<br />
eine Zweckbindung der Darlehenssumme<br />
vorsehen. Zwar geben Emittenten von <strong>Mittelstandsanleihen</strong><br />
in den Wertpapierprospekten regelmäßig eine beabsichtigte<br />
Verwendung des Emissionserlöses an, aber verpflichtend ist<br />
dies nicht, so dass auch keine Sanktionen bei ggf. operativ<br />
erforderlicher anderweitiger Verwendung drohen.<br />
• Zulassungsvoraussetzungen <strong>und</strong> Folgepflichten geringer<br />
als bei der Emission von Aktien<br />
Objektiv betrachtet ist das Konstrukt der Mittelstandsanleihe<br />
insofern keine neue Erfindung, als dass Schuldverschreibungen<br />
seit Jahren von Unternehmen als Finanzierungsbaustein<br />
genutzt werden. Dass Emissionen von <strong>Mittelstandsanleihen</strong><br />
dennoch seit 2010 so häufig zu beobachten sind, liegt daran,<br />
dass verschiedene öffentliche Kapitalmarktplätze eigene<br />
Segmente für die Emissionen von Anleihen mit deutlich niedrigeren<br />
Mindestvolumina im Vergleich zu klassischen Unternehmensanleihen<br />
eingeführt <strong>und</strong> damit zu einer verbreiterten<br />
Basis von potenziellen Anlegern beigetragen haben. Hierzu<br />
zählen die Börse Stuttgart („Bondm“), die Deutsche Börse<br />
in Frankfurt („Prime Standard“), die Börse Düsseldorf („der<br />
mittelstandsmarkt“), die Börse Hamburg/Hannover („Mittelstandsbörse<br />
Deutschland“) sowie die Börse München<br />
(„m:access“). Damit unterliegen die potenziellen Emittenten<br />
von notierten <strong>Mittelstandsanleihen</strong> zwar zugleich der Wertpapierprospektpflicht<br />
sowie einem Genehmigungsprozess<br />
durch die B<strong>und</strong>esanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(BaFin). Gegenüber der Emission von Aktien sind jedoch sowohl<br />
die Zulassungsvoraussetzungen als auch die aus einer<br />
Notierung resultierenden Folgepflichten gr<strong>und</strong>sätzlich weniger<br />
streng als bei/nach einem IPO. Die Folgepflichten eines<br />
Schuldscheindarlehens richten sich nach den vertraglich<br />
vereinbarten Regularien <strong>und</strong> können daher in einer weiten<br />
Bandbreite variieren.<br />
• Unabhängigkeit von klassischen Kreditgebern/Diversifikation<br />
der Finanzierungsstruktur<br />
Die klassische Unternehmensfinanzierung baut insbesondere<br />
auf kreditgebende Banken. Durch Börsen als vertrauensvolle<br />
(weil reglementierte) Handelsplattformen wird<br />
der potenzielle Adressatenkreis durch die Mittelstandsanleihe<br />
erheblich erweitert: Neben Privatanlegern oder<br />
„family&friends“ kommen insbesondere institutionelle Investoren,<br />
Vermögensverwalter, Family Offices, aber auch<br />
Versicherungen <strong>und</strong> Pensionskassen in Betracht, wenngleich<br />
das konkrete Gr<strong>und</strong>interesse der letztgenannten<br />
Gruppen regelmäßig auch vom beabsichtigten Emissionsvolumen<br />
angeregt wird (oder nicht).<br />
• Laufzeit von <strong>Mittelstandsanleihen</strong> vs. klassischen Krediten<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass die Laufzeiten der <strong>Mittelstandsanleihen</strong><br />
regelmäßig mit fünf bis sieben Jahren <strong>und</strong> mit einer<br />
endfälligen Tilgung ausgestaltet werden, ermöglichen sie<br />
eine laufzeitgeb<strong>und</strong>ene Planungssicherheit, die sie gegenüber<br />
einer oftmals kurzfristigeren Bankenfinanzierung vorteilhaft<br />
erscheinen lassen. Eine Anleihe ist im Gegensatz zu einer<br />
klassischen Kreditfinanzierung regelmäßig außerhalb eines<br />
Insolvenzszenarios unkündbar. Zudem bietet die Mittelstandsanleihe<br />
insofern eine gewisse Flexibilität, als dass zum einen<br />
Volumen zwischen zehn Mio. € <strong>und</strong> 200 Mio. € zu beobachten<br />
sind, <strong>und</strong> zum anderen auch Folgeemissionen bzw. Aufstockungen<br />
möglich <strong>und</strong> gebräuchlich sind. Im Sinne des Letzteren<br />
seien beispielhaft die notierten Schuldverschreibungen<br />
der Air Berlin PLC genannt, welche im November 2010 (Volumen:<br />
200 Mio. €), im April 2011 (Volumen: 150 Mio. €) sowie<br />
im November 2011 <strong>und</strong> 2012 (Volumen: 100 Mio. € plus<br />
Finanzierung im Mittelstand<br />
02/<strong>2013</strong>