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Anja Winkler<br />
<strong>Die</strong> <strong>Dornenfee</strong><br />
© 2013 AAVAA Verlag<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
1. Auflage 2013<br />
Fantasy<br />
Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Hohen<br />
Neuendorf, bei Berlin<br />
Coverbild: Anja Winkler<br />
Printed in Germany<br />
Taschenbuch: ISBN 978-3-8459-0762-8<br />
2
Großdruck: ISBN 978-3-8459-0763-5<br />
eBook epub: ISBN 978-3-8459-0764-2<br />
eBook PDF: ISBN 978-3-8459-0765-9<br />
Son<strong>de</strong>rdruck Mini-<strong>Buch</strong> ohne ISBN<br />
AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin<br />
www.aavaa-verlag.com<br />
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o<strong>de</strong>r zu verschenken!<br />
Alle Personen und Namen innerhalb dieses eBooks<br />
sind frei erfun<strong>de</strong>n. Ähnlichkeiten mit leben<strong>de</strong>n<br />
Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.<br />
3
<strong>Die</strong> Zeit .....<br />
Es war einmal ein Mann,<br />
<strong>de</strong>r wollte die Zeit anhalten.<br />
So ging er hinaus, auf die Hügel<br />
vor <strong>de</strong>r Stadt und sagte:<br />
„Zeit, stillstehen!“<br />
Da kam ein Reiter <strong>de</strong>s Weges<br />
und sagte zu ihm:<br />
“Wenn dies Dein Wunsch ist,<br />
so sei er Dir erfüllt.“<br />
Und er zog seinen Degen<br />
und stach ihn <strong>de</strong>m Mann<br />
in die Brust.<br />
Zu <strong>de</strong>m Toten sagte er sodann:<br />
„Es gibt nur eine Zeit,<br />
4
Deine Zeit;<br />
und ihr Wesen ist Wandlung;<br />
und wer die Verän<strong>de</strong>rung nicht will,<br />
<strong>de</strong>r will auch nicht das Leben.“<br />
Dann ritt er weiter.<br />
– 1976<br />
Georg Danzer<br />
5
Epilog<br />
Fernab von hier, hinter allen Flüssen und Seen,<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Welt, am En<strong>de</strong> aller Zeit, ragt ein<br />
gespenstisches Schloss hoch oben auf <strong>de</strong>m<br />
nebelbehangenen Schieferberg aus <strong>de</strong>m Meer <strong>de</strong>r<br />
Unendlichkeit, aus <strong>de</strong>m Ozean, <strong>de</strong>r keine Ufer hat.<br />
Wenn man genau hinsieht, kann man ab und an<br />
<strong>de</strong>n schmalen Pfad erkennen, über <strong>de</strong>n die<br />
mächtige Festung erreichbar ist.<br />
Der Weg ist gefährlich glatt und ausgewaschen.<br />
<strong>Die</strong> Gischt bricht sich schäumend und donnernd an<br />
ihm, um ihn dann wie<strong>de</strong>r mit ihren tausend Armen<br />
scheinbar in die Tiefe zu ziehen und für eine kleine<br />
Ewigkeit zu begraben.<br />
Das Schloss ist gekrönt von vier Türmen, welche<br />
6
durch einen Zinnenweg miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n<br />
sind. Sie symbolisieren die Macht <strong>de</strong>r<br />
Himmelsrichtungen, die Magie <strong>de</strong>r Elemente.<br />
Das gesamte Gebäu<strong>de</strong> ist mit seltsam schaurigen<br />
Ornamenten und Skulpturen geschmückt, die<br />
bedrohlich in die Tiefe blicken. Ihre Mäuler und<br />
Krallen en<strong>de</strong>n als Pechzinnen, die das Meer<br />
anzuspucken scheinen. Bereit, je<strong>de</strong>n Eindringling<br />
auf <strong>de</strong>r Stelle zu vernichten. Es sind die Dämonen<br />
<strong>de</strong>r Finsternis. <strong>Die</strong> Schatten <strong>de</strong>r Nacht, lauernd auf<br />
die Saat <strong>de</strong>r längst für immer untergegangenen<br />
Sonne.<br />
Hoch oben an einem je<strong>de</strong>n Giebel sitzt ein<br />
mächtiger Rabe aus schwarzem Stein, <strong>de</strong>r mit<br />
seinen rotglühen<strong>de</strong>n Augen aufmerksam über die<br />
Dächer wacht.<br />
Der Schieferberg ist von <strong>de</strong>r rauen See<br />
ausgewaschen und glatt. Seine steilen, spitzen<br />
Klippen glitzern funkelnd, wie Spiegelsäulen im<br />
silbernen Mondlicht.<br />
Das Meer tobt, die weiße Gischt bricht sich in<br />
unregelmäßigen, machtvollen Intervallen wie<strong>de</strong>r<br />
7
und wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m blanken Felsen.<br />
Das Wasser ist zäh, düster und schmutzig.<br />
Etliche verdorrte Baumstämme und Wrackteile<br />
längst vergessener Schiffe wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Macht<br />
<strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Flut wild durcheinan<strong>de</strong>r gewirbelt.<br />
<strong>Die</strong> Luft ist salzgetränkt und feucht, wie <strong>de</strong>r<br />
Atem im Winter. <strong>Die</strong>ser vergessene Ort wird, seit<br />
die Nacht existiert, vom Licht <strong>de</strong>r Sonne gemie<strong>de</strong>n.<br />
Hinter <strong>de</strong>n meterdicken Mauern <strong>de</strong>r Festung<br />
herrscht eine feuchte, klamme Kälte. Hier regiert<br />
die Dunkelheit, sie ist allgegenwärtig.<br />
Bis auf das Donnern <strong>de</strong>s Win<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r das Meer<br />
zu seinem <strong>Die</strong>ner macht, ist es totenstill.<br />
Der Bo<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n zahllosen Gängen und Hallen<br />
ist blank und eisig. Er wur<strong>de</strong> einst aus<br />
glänzen<strong>de</strong>m, schwarzem Obsidian geschaffen.<br />
An <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n hängen, zwischen einigen<br />
wenigen brennen<strong>de</strong>n Fackeln, die Gemäl<strong>de</strong> von<br />
Rappen, die sich mit wehen<strong>de</strong>n Mähnen<br />
aufbäumen und im kargen Licht <strong>de</strong>s Mon<strong>de</strong>s über<br />
<strong>de</strong>n Wolken durch die Nacht galoppieren.<br />
8
Durch die zerbrochenen Fensterscheiben pfeift<br />
<strong>de</strong>r raue Wind und bläht bedrohlich die schweren<br />
Vorhänge auf.<br />
<strong>Die</strong> mit Stuck und Gemäl<strong>de</strong>n verzierten Decken<br />
sind ungewöhnlich hoch und in sich leicht gewölbt.<br />
Sie erinnern an Kreuzgänge in einem Kloster. Nicht<br />
ein einziger Leuchter ist an ihnen befestigt.<br />
Das Labyrinth <strong>de</strong>r Gänge erscheint endlos. Einige<br />
führen direkt bis ins Zentrum <strong>de</strong>r Festung. Sie<br />
en<strong>de</strong>n als gewun<strong>de</strong>ne Treppen, die steil und<br />
gefährlich hinab führen.<br />
Zerklüftete, ausgetretene Stiegen mün<strong>de</strong>n in<br />
einem Kuppelsaal, über <strong>de</strong>ssen gläserner Decke die<br />
Ewigkeit regiert.<br />
Manche Wege führen ins Nichts und an<strong>de</strong>re<br />
en<strong>de</strong>n fern ab, weit unter <strong>de</strong>m Grund <strong>de</strong>r tosen<strong>de</strong>n<br />
See.<br />
Der Kuppelsaal ist rund und an <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n<br />
zwischen <strong>de</strong>n Treppenaufgängen, ragen riesige<br />
Bücherregale bis fast unter die Decke. Tausend<br />
Werke bekannter Schriftsteller und unzählige sehr<br />
alte Bücher, die in frem<strong>de</strong>n Sprachen geschrieben<br />
9
wur<strong>de</strong>n, teilen sich hier ihren Platz.<br />
Inmitten <strong>de</strong>r großen Glaskuppel hängt, an einer<br />
massiven Kette befestigt, ein schwerer eiserner<br />
Leuchter, <strong>de</strong>ssen hun<strong>de</strong>rt Kerzen <strong>de</strong>n Raum mit<br />
flackern<strong>de</strong>m Licht unheimlich durchströmen.<br />
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Kapitel 1<br />
Genau unter diesem Leuchter stand einst ein<br />
mächtiger Schreibtisch aus Ebenholz, auf <strong>de</strong>m sich<br />
Tintenfass, Fe<strong>de</strong>r, Zirkel, zerknülltes Pergament<br />
und ein dickes, altes, in Le<strong>de</strong>r eingebun<strong>de</strong>nes <strong>Buch</strong><br />
<strong>de</strong>n Platz teilten.<br />
Das Tintenfass war umgekippt. <strong>Die</strong> dunkle<br />
Flüssigkeit zog eine glänzen<strong>de</strong> Spur quer über die<br />
Tischplatte, über zahlreiche Pergamentstücke,<br />
beschrieben mit Formeln, Zeichen und seltsamen<br />
Schriften, bis hin zum Kopfen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tisches, wo<br />
sie in gleichmäßigem Takt auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n tropfte.<br />
Auf einem mächtigen, massivem Lehnstuhl,<br />
bezogen mit schwarzem Le<strong>de</strong>r, saß - das Gesicht<br />
in <strong>de</strong>n blassen, adrigen Hän<strong>de</strong>n vergraben – die<br />
11
mächtige <strong>Dornenfee</strong>.<br />
Über <strong>de</strong>n Dächern <strong>de</strong>s Schlosses stürmte es<br />
gewaltig. Der Wind heulte und pfiff gefährlich um<br />
alle Ecken. Der Regen trommelte in fetten Tropfen<br />
dumpf und laut auf die gläserne Kuppel. Von Zeit<br />
zu Zeit wur<strong>de</strong> es heller und es schien, als wolle <strong>de</strong>r<br />
volle Mond verbissen die Wolken zur Seite<br />
schieben, um neugierig durch die Kuppel in <strong>de</strong>n<br />
Saal blicken zu können.<br />
Nicht weit vom Schreibtisch entfernt, stand ein<br />
verkrüppelter, dürrer Baum, <strong>de</strong>r mitten im Raum,<br />
direkt aus <strong>de</strong>m kahlen Steinbo<strong>de</strong>n wuchs. Auf<br />
einem seiner morschen Äste, <strong>de</strong>ren En<strong>de</strong>n durch<br />
eine zerbrochene Scheibe ins Freie ragten, saßen<br />
zwei große schwarze Kolkraben.<br />
<strong>Die</strong> Vögel waren im Schloss die einzigen<br />
Vertrauten aus Fleisch und Blut, das Auge zur<br />
Welt, die wir real nennen. Sie hatten die Gabe<br />
durch die Zeit reisen zu können und sich in an<strong>de</strong>re<br />
Ebenen zu versetzen.<br />
Sie waren ein Geschenk <strong>de</strong>r Turmwächter, die<br />
sie vor vielen hun<strong>de</strong>rt Jahren aus ihrem Nest in<br />
12
einem abgelegenen Wald in <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
gestohlen hatten. <strong>Die</strong> Tatsache, dass die Vögel in<br />
unsere Welt geboren wur<strong>de</strong>n, machte sie trotz ihres<br />
enorm hohen Alters, als einzige Wesen im Schloss<br />
sterblich. <strong>Die</strong> <strong>Dornenfee</strong> hatte die bei<strong>de</strong>n<br />
aufgezogen und ihnen seinerzeit die Namen „Jora“<br />
und „Kurik“ gegeben.<br />
<strong>Die</strong> Stimmung war zum Zerreißen gespannt, lies<br />
die Luft in <strong>de</strong>r Kuppel knistern – lauter, als das<br />
Feuer im Kamin es vermochte.<br />
Dicht aneinan<strong>de</strong>r gedrückt saßen die Raben da,<br />
das Gefie<strong>de</strong>r aufgeplustert und dösten friedlich vor<br />
sich hin.<br />
Plötzlich und abrupt erhob sich die <strong>Dornenfee</strong><br />
mit einem heftigen Ruck von ihrem Platz. Der<br />
Stuhl, auf <strong>de</strong>m sie saß, krachte donnernd zu<br />
Bo<strong>de</strong>n. Ihre geballte Faust fuhr so heftig auf <strong>de</strong>n<br />
Tisch, dass die Raben erschrocken aufflatterten<br />
und geschwind durch das zerbrochene Fenster, am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Astes, nach draußen flüchteten.<br />
Mit großen Schritten eilte sie geschwind eine <strong>de</strong>r<br />
Treppen hinauf und verschwand durch eine Tür<br />
13
aus <strong>de</strong>m Raum.<br />
Das schwarze Gewand, <strong>de</strong>ssen große Kapuze sie<br />
tief in die Stirn gezogen hatte, wehte lang und<br />
flatternd hinter ihr her. Sie erinnerte selbst an einen<br />
schwarzen Vogel, <strong>de</strong>r geräuschlos durch die Nacht<br />
gleitet.<br />
Gesenkten Hauptes lief sie zielstrebig durch die<br />
endlosen, dunklen Gänge, ohne <strong>de</strong>n Blick zu<br />
erheben, hastete eine mächtige ausgetretene<br />
Steintreppe empor, die zu einer weiteren, massiven<br />
Tür führte, welche sie mit einem festen Fußtritt<br />
aufstieß.<br />
Eine weitere Treppe krümmte sich durch <strong>de</strong>n<br />
Turm nach oben. <strong>Die</strong> Fenster hier hatten längst<br />
kein Glas mehr und so peitschte <strong>de</strong>r Wind <strong>de</strong>n<br />
Regen durch alle Ritzen.<br />
Sie jagte die Stufen empor, bis sie endlich die<br />
oberste Plattform <strong>de</strong>s Turmes erreichte, die von<br />
spitzen Zinnen umgeben war.<br />
Gänzlich atemlos, nach Luft ringend blieb sie im<br />
Zentrum <strong>de</strong>r Fläche stehen, breitete die Arme aus<br />
und sah <strong>de</strong>m Mond in sein zerfurchtes Gesicht.<br />
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Sie legte ihren Kopf tief in <strong>de</strong>n Nacken, wobei sie<br />
die Kapuze verlor. Ihr herabfallen<strong>de</strong>s, langes Haar<br />
erinnerte an die wil<strong>de</strong>n Mähnen <strong>de</strong>r Rappen auf<br />
<strong>de</strong>n Gemäl<strong>de</strong>n.<br />
Da stand sie, war im Nu bis auf die Haut<br />
durchnässt und starrte in <strong>de</strong>n Himmel.<br />
Das Haar klebte ihr strähnig im Gesicht und zog<br />
kleine Rinnsale hinter sich her. Ihre<br />
bernsteinfarbenen Augen funkelten wie tausend<br />
Lichter und man vermochte nicht zu sagen, ob es<br />
nur <strong>de</strong>r Regen war, <strong>de</strong>r sie weinen ließ.<br />
Sie begann sich im Kreis zu drehen. Schneller<br />
und immer schneller, mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m<br />
Himmel greifend, bis ein jäher Schrei, wie die<br />
Klinge eines Schwertes, die Nacht zerschnitt.<br />
Der Mond hatte sich <strong>de</strong>rweil geschwind hinter<br />
einer pechschwarzen Wolke versteckt.<br />
Dann wur<strong>de</strong> es dunkel.<br />
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