heinz strunk - Quartier
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Kultur lilia nour<br />
Lilia Nour in ihrem Atelier: Die Böden<br />
der alten Speicher bieten genügend Platz<br />
für ihre großformatigen Arbeiten<br />
wenigsten Betrachtern dürfte aufgefallen sein, dass die vermeintlich<br />
japanischen Kirschblüten darin in Wirklichkeit Apfelblüten<br />
waren – eine Kindheitserinnerung an die Datscha ihrer<br />
Familie in Tatarstan!<br />
Aktuell befasst sich die Künstlerin mit einem ganz anderen<br />
Thema: der russischen Avantgarde. So beherrscht eine Studie<br />
des russischen Dichters und Agitators Wladimir Majakowski<br />
die eine Wand des Ateliers. Das überlebensgroße Porträt ist<br />
reduziert auf elementare Licht- und Schattenflächen in Braunund<br />
Beigetönen, wirkt fast skizzenhaft. Erst beim Nähertreten<br />
bemerkt man, mit welcher Akribie auch hier Schicht auf<br />
Schicht größtenteils selbst angemischter Farben aufgetragen<br />
und wie mit schwungvollen Kreidestrichen einzelne Details<br />
herausgearbeitet wurden. Auch Motive, derer sich der Sozialistische<br />
Realismus bedient hat – Sportlerinnen beim kollektiven<br />
Turnen –, verarbeitet Nour zu großformatigen Werken.<br />
Vergeblich sucht man nach einer ironischen Brechung; die<br />
Unbekümmertheit, mit der sich die Künstlerin diese Ästhetik<br />
zunutze macht, mag zunächst befremdlich wirken. Andererseits<br />
spiegelt sich genau diese Unbekümmertheit wider in der<br />
Leichtigkeit der Umsetzung – sie befreit das Motiv von jeder<br />
pathetischen Schwere. Für Nour ist es ein Weg, Erinnerungen<br />
zu wecken, die eng verknüpft sind mit der Suche nach ihrer<br />
persönlichen und künstlerischen Identität. „Ich will“, sagt sie,<br />
„das Glücksgefühl meiner Kindheit zurückholen.“<br />
Und so sieht man beim Verlassen des Ateliers auch die<br />
Lenin-Büste in anderem Licht: Der Revolutionär als Souvenir –<br />
das ist ironische Brechung genug!<br />
Einen Eindruck von Lilia Nours Werken bekommt man auf<br />
ihrer Website www.lilia-nour.de.<br />
ausgabe 23, september – november 2013<br />
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