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Algebraische Verbandstheorie - Institut für Algebra, Zahlentheorie ...

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<strong><strong>Algebra</strong>ische</strong><br />

<strong>Verbandstheorie</strong><br />

Marcel Erné<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Algebra</strong>, <strong>Zahlentheorie</strong><br />

und Diskrete Mathematik<br />

Leibniz Universität Hannover<br />

erne@math.uni-hannover.de<br />

Wintersemester 2006/2007


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Verbände und Ordnungen 2<br />

1.1 Halbverbände und Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

1.2 Darstellung von Verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

2 Distributivgesetze 11<br />

3 Hüllen, Kerne, Adjunktionen 18<br />

3.1 Hüllen und Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

3.2 Adjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

4 Boolsche Algebren, Heyting-Algebren und Lokale 27<br />

1


Kapitel 1<br />

Verbände und Ordnungen<br />

1.1 Halbverbände und Verbände<br />

Das Verbandskonzept geht auf Dedekind und Schröder zurück (Ende des 19.<br />

Jahrhunderts).<br />

Definition:<br />

Ein Verband ist eine Menge L zusammen mit zwei (binären) Verknüpfungen<br />

⊔ und ⊓, so dass <strong>für</strong> alle x, y, z ∈ L die Gesetze der<br />

Assoziativität: x ⊔ (y ⊔ z) = (x ⊔ y) ⊔ z x ⊓ (y ⊓ z) = (x ⊓ y) ⊓ z<br />

Kommutativität: x ⊔ y = y ⊔ x x ⊓ y = y ⊓ x<br />

gelten.<br />

Absorption: x ⊔ (x ⊓ y) = x x ⊓ (x ⊔ y) = x<br />

Bei Dedekind heißen solche Strukturen Dualgruppen. Der Name Verband<br />

wurde von Fritz Klein (ca. 1930) gewählt. Garrett Birkhoff, der Begründer<br />

der modernen <strong>Verbandstheorie</strong>, prägte den englischen Begriff lattice.<br />

Indem man die beiden Verbandsoperationen getrennt betrachtet, gelangt<br />

man zu folgender<br />

Definition:<br />

Ein Halbverband ist eine kommutative Halbgruppe (d.h. eine Menge H mit<br />

einer assoziativen und kommutativen binären Verknüpfung ⊓), in der jedes<br />

Element idempotent ist, d.h.<br />

x ⊓ x = x.<br />

2


Satz 1.1<br />

(L, ⊔, ⊓) ist genau dann ein Verband, wenn (L, ⊔) und (L, ⊓) Halbverbände<br />

sind, <strong>für</strong> die gilt<br />

x ⊔ y = y ⇔ x = x ⊓ y.<br />

Beweis:<br />

Das Idempotenzgesetz folgt aus der Absorption: Ersetze in der Absorptionsformel<br />

y durch x ⊔ z, dann gilt<br />

x Abs = x ⊔ (x ⊓ y) = x ⊔ (x ⊓ (x ⊔ z)) Abs = x ⊔ x.<br />

Aus x ⊔ y = y folgt außerdem x = x ⊓ (x ⊔ y) = x ⊓ y. Dual <strong>für</strong> ⊓.<br />

Sind umgekehrt (L, ⊔) und (L, ⊓) Halbverbände mit<br />

so ergibt sich wegen<br />

x ⊔ y = y ⇔ x = x ⊓ y,<br />

x ⊔ (x ⊔ y) Ass = (x ⊔ x) ⊔ y Idem = x ⊔ y<br />

die Gleichung x = x ⊓ (x ⊔ y). Dual bekommt man x = x ⊔ (x ⊓ y).<br />

□<br />

Definition:<br />

Eine Ordnung (Halbordnung) ist eine reflexive, transitive und antisymmetrische<br />

Relation ≤ auf einer Menge P , d.h. es gilt<br />

x ≤ x<br />

x ≤ y; y ≤ z ⇒ x ≤ z<br />

x ≤ y; y ≤ x ⇒ x = y<br />

<strong>für</strong> alle x, y, z ∈ P . Das Paar (P, ≤) (oft nur mit P bezeichnet) heißt dann<br />

(halb) geordnete Menge. P d = (P, ≥) mit x ≥ y ⇔ y ≤ x ist die dual<br />

geordnete Menge.<br />

Definition:<br />

Sind je zwei Elemente x, y vergleichbar, d.h. x ≤ y oder y ≤ x, so heißt<br />

die Ordnung ≤ total oder linear und (P, ≤) linear geordnet.<br />

3


Definition:<br />

In einer Antikette sind alle Elemente paarweise unvergleichbar (d.h. =<br />

ist die Ordnung). Analog sind in einer Kette alle Elemente paarweise vergleichbar.<br />

Definition:<br />

Ein Element z ∈ P heißt obere Schranke von Y ⊂ P , falls y ≤ z <strong>für</strong> alle<br />

y ∈ Y gilt. In diesem Fall ist Y nach oben beschränkt.<br />

Dual: untere Schranke, nach unten beschränkt.<br />

Definition:<br />

Eine obere (untere) Schranke z ∈ Y von Y heißt Maximum (Minimum)<br />

oder größtes (kleines) Element von Y . Dagegen erfüllt ein maximales (minimales)<br />

Element m nur die Bedingung<br />

m ≤ y ∈ Y ⇒ m = y.<br />

Definition:<br />

Ein Element s ∈ P heißt Supremum einer Teilmenge Y ⊆ P , in Zeichen<br />

s = ∨ Y , falls s die kleinste obere Schranke von Y ist, d.h. ∀ y ∈ Y (y ≤<br />

z) ⇔ s ≤ z.<br />

Ist s kleinste obere Schranke von zwei Elementen x und y, so schreibt<br />

man s = x ∨ y und nennt s das Supremum von x und y.<br />

Dual definiert man das Infimum i = ∧ Y als größte untere Schranke von<br />

Y (falls sie existiert), und das Infimum zweier Elemente als i = x ∧ y.<br />

Definitionsgemäß gilt also<br />

x ≤ z und y ≤ z ⇔ x ∨ y ≤ z,<br />

w ≤ x und w ≤ y ⇔ w ≤ x ∧ y.<br />

Beispiele: Alle Ordnungen auf ≤ 3 Elementen Dabei sind 1.1, 2.2 und 3.2<br />

Ketten (linear geordnete Mengen) und die einzigen Verbände mit höchstens<br />

drei Elementen. 2.1 und 3.1 sind Antiketten, 3.4 ist ein ∧-Halbverband und<br />

3.5 ein ∨-Halbverband (aber nicht umgekehrt).<br />

Satz 1.2<br />

Es besteht eine Bijektion (L, ≤) ↦→ (L, ∨, ∧) zwischen verbandsgeordneten<br />

Mengen (d.h. solche, in denen je zwei Elemente ein Supremum und ein<br />

Infimum besitzen) und Verbänden.<br />

4


Die Umkehrabbildung (L, ⊔, ⊓) ↦→ (L, ⊑) ordnet jedem Verband eine geordnete<br />

Menge zu, mit<br />

x ⊑ y :⇔ x ⊔ y = y ⇔ x = x ⊓ y. (1.1)<br />

Analog liefern die Zuordnungen (L, ≤) ↦→ (L, ∨) und (L, ≤) ↦→ (L, ∧) jeweils<br />

Bijektionen zwischen geordneten Mengen, indenen je zwei ELemente ein<br />

Supremum bzw. Infimum besitzen und (∨- bzw. ∧-)Halbverbänden.<br />

Beweis: ’⇐’<br />

Trick: x = y ⇔ ∀a (a ≤ x ⇔ a ≤ y)<br />

• Assoziativität<br />

Behauptung: 1 (x ∧ y) ∧ z = 2 inf{x, y, z} = 3 x ∧ (y ∧ z)<br />

Die Gleichheitszeichen gelten, da <strong>für</strong> alle a: a ≤ (1) ⇔ a ≤ (2) und<br />

analog: a ≤ (3) ⇔ a ≤ (2).<br />

• Kommutativität<br />

Ebenso aus dem Trick: a ≤ (x ∧ y) ⇔ a ≤ (y ∧ x), da in der Ordnung<br />

je zwei Elemente (unabhängig von der Reihenfolge) dasselbe Infimum,<br />

bzw. Supremum besitzen.<br />

• Absorption<br />

x ∨ (x ∧ y) ≤ a ⇔ x ≤ a und x ∧ y ≤ a ⇔ x ≤ a,<br />

da x ∧ y ≤ x. Nun liefert der (umgedrehte) Trick angewendet auf den<br />

linken und den rechten Teil der Äquivalenz den Beweis.<br />

Duale Gleichungen folgen analog. Somit ist (L, ∨, ∧) ein Verband, und<br />

die Ordnung .<br />

Beweis: ’⇒’<br />

Sei jetzt (L, ⊔, ⊓) ein Verband und ⊑ definiert durch (1.1). Für die Ordnungseigenschaften<br />

genügt es, daß (L, ⊓) ein Halbverband ist.<br />

• Reflexivität<br />

Folgt direkt aus der Idempotenz.<br />

• Transitivität<br />

x ⊑ y ⊑ z<br />

1.1<br />

⇒ x ⊓ y = x, y ⊓ z = y ⇒ x ⊓ (y ⊓ z) = x<br />

Ass<br />

⇒ (x ⊓ y) ⊓ z = x ⇒ x ⊓ z = x ⇒ x ⊑ z<br />

5


• Antisymmetrie<br />

x ⊑ y ⊑ x ⇒ x ⊓ y = x, y ⊓ x = y<br />

Kom<br />

⇒<br />

x = x ⊓ y = y ⊓ x = y<br />

• Verknüpfungen ⊔, ⊓ sind sup und inf<br />

a ⊑ x ⊓ y ⇔ a ⊓ (x ⊓ y) = a<br />

Ass<br />

⇔ (a ⊓ x) ⊓ y = a (1.2)<br />

Daraus folgt<br />

a ⊓ x<br />

( )<br />

Abs = (a ⊓ x) ⊔ (a ⊓ x) ⊓ y<br />

1.2<br />

= (a ⊓ x) ⊔ a Kom = a ⊔ (a ⊓ x) Abs = a<br />

also einerseits a ⊑ x und analog a ⊓ y = a, d.h. a ⊑ y.<br />

Andererseits folgt aus a⊓x = a und a⊓y = a mit (1.2) direkt a ⊑ x⊓y.<br />

Analog <strong>für</strong> ⊔.<br />

□<br />

Wegen (1.2) unterscheiden wir häufig nicht zwischen Verbänden und verbandsgeordneten<br />

Mengen.<br />

Satz 1.3 Folgende Aussagen über eine geordnete Menge (L, ≤) sind äquivalent:<br />

a) Jede Teilmenge Y hat ein Supremum ∨ Y .<br />

b) Jede Teilmenge Z hat ein Infimum ∧ Z.<br />

c) L hat ein kleinstes Element ⊥/0, und jede nichtleere Teilmenge hat<br />

ein Supremum.<br />

d) L hat ein größtes Element ⊤/1, und jede nichtleere Teilmenge hat ein<br />

Infimum.<br />

e) L hat ⊤ und ⊥ und jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge<br />

hat ein Supremum.<br />

f) L hat ⊤ und ⊥ und jede nichtleere, nach unten beschränkte Teilmenge<br />

hat ein Infimum.<br />

6


Beweis:<br />

a ⇒ b: Sei Y := Z ↓ die Menge der unteren Schranken von Z ⊆ L.<br />

Nach a) hat Y ein Supremum s, welches nach Definition über allen<br />

unteren Schranken von Z liegt. Da aber s auch untere Schranke von<br />

Z ist, ist s = ∨ Z.<br />

b ⇒ a dual<br />

a ⇒ c: ⊥ = ∨ Ø<br />

c ⇒ e: ⊤ = ∨ L<br />

e ⇒ a: L und jede Teilmenge davon ist durch ⊤ nach oben beschränkt,<br />

und ∨ Ø = ⊥.<br />

b ⇒ d ⇒ f ⇒ b dual<br />

□<br />

Definition:<br />

Eine geordnete Menge mit diesen Eigenschaften heißt vollständig(er Verband).<br />

Hat zumindest jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge ein<br />

Supremum, so spricht man von einer bedingt vollständigen geordneten Menge.<br />

Korollar 1.4 Für einen Verband L (mit der Ordnung ≤) sind äquivalent:<br />

a) L ist bedingt vollständig.<br />

b) Der duale Verband L d ist bedingt vollständig.<br />

c) Jede nichtleere, beschränkte Teilmenge hat ein Supremum und ein Infimum.<br />

Beweis:<br />

a ⇒ c und b ⇒ c sind trivial.<br />

c ⇒ a: Sei Y nichtleer und nach oben beschränkt. Wähle y ∈ Y , dann ist<br />

W := {x ∨ y : x ∈ Y } beschränkt und nichtleer (y ∈ W ). Nach<br />

Voraussetzung hat W ein Supremum s. Um zu zeigen, daß s = ∨ Y<br />

gilt, ist nur noch x ≤ s <strong>für</strong> x ∈ Y zu zeigen. Dies gilt, da x ∨ y ∈ W ,<br />

also x ∨ y ≤ s und insbesondere x ≤ s.<br />

c ⇒ b: dual<br />

□<br />

Konvention:<br />

Für zwei Mengen A, B bezeichne A B die Menge aller Abbildungen von<br />

B nach A. Im folgenden wird I <strong>für</strong> eine beliebige Indexmenge verwendet.<br />

Die Potenzmenge von I sei mit ↑P (I) oder 2 I bezeichnet, worin sich die<br />

Größe der Potenzmenge wiederspiegelt. Die Isomorphie der Potenzmenge<br />

7


zur Menge der Abbildungen von I nach {0, 1} ergibt sich, indem man jeder<br />

Teilmenge j ⊂ I ihre characteristische Funktion χJ zuordnet:<br />

χJ(i) =<br />

{ 1 , falls i ∈ J<br />

0 , sonst<br />

.<br />

Beispiele:<br />

1. Eine Antikette ist bedingt vollständig, da nur die einelementigen Teilmengen<br />

beschränkt sind. Je zwei Elemente besitzen weder Supremum<br />

noch Infimum.<br />

2. Das ”<br />

Family Poset“ erfüllt c) aber weder a) noch b), ist<br />

also bedingt vollständig, aber kein Verband, da z.B. die<br />

beiden unteren Elemente keine kleinste obere Schranke<br />

besitzen. Die (nichtleeren) beschränkten Teilmengen dagegen<br />

sind Ketten und haben sogar Minimum und Maximum.<br />

3. (R, ≤) und R M mit dem komponentenweisen ≤ sind bedingt vollständige<br />

Verbände.<br />

4. Ist L bedingt vollständig, so ist ¯L = L ∪ {−∞, ∞} = L ∪ {⊤, ⊥} mit<br />

⊥ ≤ α ≤ ⊤ <strong>für</strong> alle α ∈ L vollständig.<br />

5. Jedes kompakte Intervall [a, b] ⊆ R ist ein vollständiger Verband, analog<br />

[f, g] ⊑ R M .<br />

6. Jeder nichtleere, endliche Verband ist vollständig, ebenso jeder endliche<br />

∨-Halbverband mit kleinstem Element.<br />

7. N, Z, R, etc und Potenzen derselben sind bedingt vollständige Verbände,<br />

aber nicht vollständig (ohne ⊤ und ggf. ⊥). Q ist nicht bedingt vollständig:<br />

{α ∈ Q : x 2 ≤ 2} hat kein Supremum in Q.<br />

8. Ordnung 3.4 (aus der Liste der Ordnungen mit ≤ 3 Elementen, s.o.) ist<br />

ein ∨-Halbverband, 3.5 ein ∧-Halbverband, beide aber kein Verband,<br />

wenn auch bedingt vollständig.<br />

1.2 Darstellung von Verbänden<br />

Definition:<br />

8


Gilt x < y, aber es gibt kein z mit x < z < y, so schreiben wir x ≺ y<br />

und nennen x einen unteren Nachbarn von y, bzw. y einen oberen Nachbarn<br />

von x, und sagen: x und y sind benachbart.<br />

• Bei der graphischen Darstellung von Ordnungen und Verbänden wird<br />

stets nur die Nachbarschaftsrelatiuon eingetragen.<br />

• Für endliche Ordnungen beginnt man mit den minimalen Elementen,<br />

und setzt dann die oberen Nachbarn sukezessive auf.<br />

Beispiel:<br />

Definition:<br />

Ein (unterer) Abschnitt einer geordneten Menge P ist eine Teilmenge A<br />

mit x ≤ y ∈ P ⇒ x ∈ A. Dual sind obere Abschnitte definiert.<br />

Korollar 1.5 Für Y ⊂ P ist<br />

↓ Y := {x ∈ P | ∃ y ∈ Y (x ≤ y)}<br />

der von Y erzeugte untere Abschnitt (d.h. der kleinste, der Y umfasst und<br />

↑ Y := {x ∈ P | ∃ y ∈ Y (y ≤ x)}<br />

ist der von Y erzeugte obere Abschnitt.<br />

Definition:<br />

Für endliches Y ⊂ P (geschrieben Y ⋐ P ) heißt ↓ Y bzw. ↑ Y endlich<br />

erzeugt.<br />

Definition:<br />

Dagegen bezeichnet<br />

Y ↓ := {x ∈ P | ∀ y ∈ Y (x ≤ y)}<br />

die Menge der unteren Schranken (genannt unterer Schnitt), und<br />

Y ↑ := {x ∈ P | ∀ y ∈ Y (y ≤ x)}<br />

die Menge der oberen Schranken (oberer Schnitt) von Y .<br />

9


Korollar 1.6 Für die Hauptideale<br />

gilt also<br />

↓ y =↓ {y} = {x ∈ P | x ≤ y}<br />

↓ Y = ⋃ {↓ y | y ∈ Y }<br />

Y ↓ = ⋂ {↓ y | y ∈ Y }.<br />

Dual <strong>für</strong> obere Abschnitte und Schnitte.<br />

Definition:<br />

Es bezeichne AP die Menge aller (unteren) Abschnitte von P .<br />

10


Kapitel 2<br />

Distributivgesetze<br />

Definition:<br />

Ein Verband heißt distributiv, falls <strong>für</strong> alle x, y, z ∈ L gilt:<br />

x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z).<br />

In Ringen gilt das Distributionsgesetz x(y + z) = xy + xz, aber nicht die<br />

duale“ Formel x + yz = (x + y)(x + z). Hingegen:<br />

”<br />

Satz 2.1 Für einen Verband L sind folgende Eigenschaften äquivalent:<br />

a) L ist distributiv.<br />

a’) L d ist distributiv.<br />

b) x ∧ ∨ Y = ∨ (x ∧ Y ) <strong>für</strong> alle Ø ≠ Y ⋐ L.<br />

c) ∨ Y 1 ∧ · · · ∧ ∨ Y n = ∨ {y 1 ∧ · · · ∧ y n : y i ∈ Y i (i ≤ n)} <strong>für</strong> alle Ø ≠ Y i ⋐<br />

L; (i ≤ n).<br />

d) ∧ { ∨ Y : Y ∈ Y} = ∨ ⋂ Y <strong>für</strong> alle nichtleeren Y ⊆ {↓ F | F ⋐ L}.<br />

e) Es gilt das Mediangesetz<br />

(x ∨ y) ∧ (y ∨ z) ∧ (z ∨ x) = (x ∧ y) ∨ (y ∧ z) ∨ (z ∧ x) =: m. (2.1)<br />

f) Anti-Blocking-Property (verwendet in KI)<br />

x ∧ y ≤ z und x ≤ y ∨ z ⇒ x ≤ z.<br />

11


g) Relative Komplemente sind eindeutig:<br />

x ∨ y = x ∨ z und x ∧ y = x ∧ z ⇒ y = z.<br />

h) L hat keinen Unterverband der Formen Pentagon“, Diamant“.<br />

” ”<br />

i) Alle fünfelementigen Unterverbände sind distributiv.<br />

Beweis:<br />

a ⇔ a ′ :<br />

( ) ( )<br />

(x ∨ y) ∧ (x ∨ z) =<br />

a (x ∨ y) ∧ x ∨ (x ∨ y) ∧ z<br />

(<br />

)<br />

Abs/a<br />

= x ∨ (x ∧ z) ∨ (y ∧ z)<br />

( )<br />

Ass<br />

= x ∨ (x ∧ z) ∨ (y ∧ z)<br />

Abs<br />

= x ∨ (y ∧ z)<br />

a ⇒ b: Induktion<br />

b ⇒ c: Induktion<br />

c ⇒ d: Ist Y = {↓ Y i : i ≤ n}, Y i ⋐ L, so gilt<br />

∧ → ∨<br />

Y =<br />

∧<br />

{<br />

∨<br />

↓ Yi : i ≤ n} = ∧ { ∨ Y i : i ≤ n}<br />

= ∨ {y 1 ∧ · · · ∧ y n : y i ∈ Y i (i ≤ n)} = ∨ ⋂ Y i<br />

, da ⋂ Y =↓ {y 1 ∧ · · · ∧ y n : y i ∈ Y i (i ≤ n)}<br />

a ⇒ e: Mehrfache Anwendung der Distributivitätsbedingung.<br />

a ⇒ f: x = x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z) ≤ z.<br />

f ⇒ g: x ∧ y = y ∧ z ≤ z, x ≤ x ∨ z = y ∨ z ⇒ x ≤ z, und analog z ≤ x,<br />

also z = x.<br />

g ⇒ h: Klar, da in N 5 und M 3 Komplemente nicht eindeutig sind.<br />

h ⇒ i: N 5 und M 3 sind die einzigen nichtdistributiven Verbände mit 5<br />

Elementen.<br />

Die umgekehrten Beweise sind teilweise sehr aufwendig.<br />

□<br />

Definition:<br />

Eine Boolsche <strong>Algebra</strong> ist ein distributiver Verband, in dem es zu jedem<br />

x ein (eindeutiges) Komplement x ⊥ gibt, mit x ∧ x ⊥ = ⊥, x ∨ x ⊥ = ⊤, z.B.<br />

Potenzmengen.<br />

12


Definition:<br />

Ein Lokal oder Rahmen ist ein vollständiger Verband L, so daß<br />

x ∧ ∨ Y = ∨ (x ∧ Y ) (= ∨ {x ∧ y : y ∈ Y })<br />

gilt, <strong>für</strong> alle x ∈ L und Y ⊆ L. Entsprechend gilt <strong>für</strong> ein duales Lokal<br />

x ∨ ∧ Y = ∧ (x ∨ Y ).<br />

Korollar 2.2 Vollständige Boolsche Algebren sind Lokale, da <strong>für</strong> alle a gilt<br />

∨<br />

(x ∧ Y ) ≤ a ⇔ ∀y ∈ Y (x ∧ y ≤ a)<br />

BA ⇔ ∀y ∈ Y (y ≤ a ∨ x ⊥ )<br />

⇔ ∨ Y ≤ a ∨ x ⊥ BA ⇔ x ∧<br />

∨<br />

Y ≤ a.<br />

Konvention:<br />

Für einen Operator (oder eine Abbildung) Φ bezeichne Φ → Y die Bildmenge<br />

{ΦY : Y ∈ Y}. Insbesondere ist also ∨→ Y = { ∨ Y : Y ∈ Y} <strong>für</strong><br />

die Supremum-Abbildung ∨ : ↑P (L) ↦→ L eines vollständigen Verbandes.<br />

Korollar 2.3 Ist L ein Lokal und Y, Z ⊆ L, Y = {↓ Y i : i = 1, . . . n} =<br />

{x : ∃y ∈ Y i ; x ≤ y} ein endliches System unterer Abschnitte, so gilt<br />

∨<br />

Y1 ∧ · · · ∧ ∨ Y n = ∨ {y 1 ∧ · · · ∧ y n : y i ∈ Y i (i ≤ n)}<br />

<strong>für</strong> alle Y i ⊆ L; (i ≤ n), und<br />

∨ ⋂<br />

Y =<br />

∧ ∨ →<br />

Y.<br />

Umgekehrt folgt aus diesen Gleichungen, daß L ein Lokal ist.<br />

Bemerkung:<br />

Im Unterschied zu distributiven Verbänden (Satz 2.1 c und d) gelten<br />

die Gleichungen hier auch <strong>für</strong> die leere Menge und endlich viele unendliche<br />

Mengen Y i .<br />

Beweis:<br />

Die erste Gleichung folgt direkt aus der Definition des Lokals:<br />

∨<br />

Y ∧<br />

∨<br />

Z =<br />

∨<br />

(Y ∧<br />

∨<br />

Z) =<br />

∨<br />

(Y ∧ Z),<br />

die Zweite kommt dadurch zustande, daß bei unteren Abschnitten der mengentheoretische<br />

Durchschnitt gleich dem verbandstheoretischen Infimum ist.<br />

13


□<br />

Definition:<br />

Ein vollständiger Verband L heißt volldistributiv, falls <strong>für</strong> jedes System<br />

Y unterer Abschnitte gilt:<br />

∨ ⋂ ∧ ∨ →<br />

Y = Y.<br />

Satz 2.4 Es gilt <strong>für</strong> jeden vollständigen Verband L:<br />

L volldistributiv ⇔ L d volldistributiv ⇔<br />

∀ x, y ∈ L (x ≰ y ⇒ ∃ p, q ∈ L : p ≰ y, x ≰ q, ↑ p ∪ ↓ q = L) (2.2)<br />

Beweis:<br />

Sei L volldistributiv, A x = ⋂ {↓ A = A : x ≤ ∨ A}, dann gilt x = ∨ A x ,<br />

da<br />

X = ∧ { ∨ ↓ A : x ≤ ∨ A} == ∨ ⋂ {↓ A = A : x ≤ ∨ A} = ∨ A x .<br />

Wegen x ≰ y gibt es ein p ∈ A x mit p ≤ y. Setze q = ∨ (L\ ↑ p). Dann<br />

gilt ↑ p∪ ↓ q = L (da L\ ↑ p ⊆↓ q), und x ≰ q (da sonst a x ⊆ L\ ↑ p im<br />

Widerspruch zu p ∈ A x ).<br />

Gelte umgekehrt (2.2) speziell <strong>für</strong> x = ∧ ∨→ Y, y = ∧ ⋂ Y. Dann ist<br />

L\ ↑ p ∉ Y (da sonst<br />

□<br />

Bemerkung:<br />

Die letzte Bedingung lässt sich auch als ∀z ∈ L : (p ≤ z oder z ≤ q)<br />

schreiben, wodurch die zweifach verschachtelte Definition der Volldistributivität<br />

durch einen Ausdruck erster Stufe (Quantoren nur bei Elementen)<br />

beschrieben werden kann.<br />

Beispiele:<br />

1) Jede vollständige Kette ist nach Satz 2.4 volldistributiv. Desgleichen<br />

jedes Produkt vollständiger Ketten, z.B. die Menge [0, 1] I (I beliebig).<br />

Ebenso vollständige Unterverbände. Insbesondere <strong>für</strong> zwei Funktionen<br />

f, g das Intervall“ [f, g] = {h : f ≤ h ≤ g} = ∏ ”<br />

i∈I<br />

[f(i), g(i)], sofern<br />

dieses nicht leer ist (d.h. f ≤ g).<br />

2) R R ist nicht volldistributiv, da nicht vollständig.<br />

3) Jeder Abschnittsverband AP ist volldistributiv, da hier Vereinigung =<br />

Supremum und Durchschnitt = Infimum sind.<br />

14


4) ↑P (I) ist volldistributiv <strong>für</strong> eine beliebige Menge I, da die Potenzmenge<br />

isomorph ist zu 2 I = [0, 1] I .<br />

5) Jede Topologie ist ein Lokal , da hier ∨ ≡ ⋃ , ∧ ≡ ⋂ und<br />

denn<br />

U ∩ ⋃ Y = ⋃ {U ∩ V : V ∈ Y},<br />

x ∈ U ∩ ⋃ Y ⇔ x ∈ U und ∃V ∈ Y : (x ∈ V )<br />

⇔ ∃V ∈ Y : (x ∈ U und x ∈ V )<br />

⇔ ∃V ∈ Y : (x ∈ U ∩ V ) ⇔ x ∈ ⋃ {U ∩ V : V ∈ Y}.<br />

6) Eine Topologie ist selten ein duales Lokal. So ist z.B. eine T 1 -Topologie<br />

T , die ein duales Lokal ist, bereits diskret. Sei L = T c der Verband<br />

der abgeschlossenen Mengen und L sei ein Lokal. Verbandstheoretisch<br />

ist der Abschluss das Supremum der einpunktigen Teilmengen:<br />

Ā = ⋃ } {{a} : a ∈ A = ∨ {<br />

}<br />

{a} : a ∈ A .<br />

Und <strong>für</strong> x ∈ X gilt:<br />

{x} ∩ Ā = {x} ∩ ∨ {{a} : a ∈ A<br />

} Lokal<br />

= ∨ }<br />

{{x} ∩ {a} : a ∈ A<br />

und dies ist die leere Menge <strong>für</strong> alle x ∉ A, also ist A = Ā.<br />

7) Die Scott-Topologie oder obere Topologie auf [0, 1] n besteht aus allen<br />

euklidisch offenen oberen Abschnitten und ist die größte Topologie, in<br />

der alle Hauptideale ↓ y = [0, y] abgeschlossen sind. Sie ist volldistributiv,<br />

aber nicht T 1 .<br />

8) Lokale, die nicht isomorph zu einer Topologie sind (gäbe es keine solchen<br />

Lokale, so würde die Theorie der Lokale gleich der der Topologien<br />

sein, und man könnte sie sich sparen), sind z.B. alle vollständigen Boolschen<br />

Algebren ohne Atome. Die einzigen Boolschen T 0 -Topologien<br />

sind die Potenzmengen, denn in einer solchen Topologie ist jede einpunktige<br />

Menge als Durchschnitt aller offenen = abgeschlossenen Mengen<br />

abgeschlossen, also auch offen.<br />

Eine vollständige, atomlose Boolsche <strong>Algebra</strong> ist L/N , mit der Menge<br />

der Lebesgue-meßbaren Mengen L und dem Ideal der Nullmengen N .<br />

Einelementige Mengen (die als Atome in Frage kämen) und sogar endliche<br />

Mengen werden hier mit der leeren Menge Ø = ⊥ identifiziert,<br />

da sie dieser fast überall gleich sind.<br />

15


9) Weitere vollständige Boolsche Algebren (und damit Lokale) sind alle<br />

Verbände regulär offener Mengen topologischer Räume. Eine Menge<br />

A ist regulär offen, wenn der offene Kern des Abschlusses gleich der<br />

Ausgangsmenge ist.<br />

Definition:<br />

Ein Verband L heißt modular, falls das Distribtivitätsgesetz <strong>für</strong> je drei<br />

Elemente gilt, von denen zwei vergleichbar sind.<br />

16


Bemerkung:<br />

Dies ist weniger als Distributivität. Die Zusatzbedingung lässt sich auch<br />

so ausdrücken:<br />

(x ∧ y) ∨ z = x ∧ (y ∨ z), falls x ≥ z.<br />

Dabei ist die Forderung x ≥ y aus Symmetriegründen alternativ, während<br />

die Gleichung <strong>für</strong> x ≤ y, bzw. x ≤ z trivialerweise erfüllt ist (wende Absorption<br />

an). Ebenso gilt die Distributivität automatisch, wenn nur y und z<br />

vergleichbar sind.<br />

Dedekind hat eine weitere Darstellung in reiner Gleichungsform vorgestellt:<br />

( )<br />

(x ∧ y) ∨ (x ∧ z) = x ∧ y ∨ (x ∧ z) .<br />

Dies folgt sofort aus der Übersetzung z = x ∧ z ⇔ z ≤ x.<br />

Satz 2.5 (Dedekind 1900)<br />

Für einen Verband L sind äquivalent<br />

a) L ist modular.<br />

b) Das Distriubtivitätsgesetz gilt <strong>für</strong> je drei Elemente, von denen zwei<br />

vergleichbar sind.<br />

c) Aus z ≤ x, x ∨ y = y ∨ z und x ∧ y = y ∧ z folgt x = z.<br />

d) L enthält kein Pentagon (N 5 ) als Unterverband.<br />

e) Für x, y, z ∈ L gilt<br />

x ∧<br />

( )<br />

y ∨ (x ∧ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z).<br />

Beweis:<br />

a ⇒ b: Ist z ≤ x, so gilt x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z) nach a). Analog,<br />

falls y ≤ z. Gilt hingegen x ≤ y oder x ≤ z, so sind beide Seiten<br />

gleich x. Im Falle y ≤ z oder z ≤ y kommt auf beiden Seiten<br />

x ∧ y heraus.<br />

b ⇒ a: z ≤ x ⇒ x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z) = (x ∧ y) ∨ z<br />

a ⇒ c: x = x ∧ (x ∨ y) = x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ z = (x ∧ z) ∨ z = z<br />

c ⇒ d: Das Pentagon widerspricht c).<br />

d ⇒ a: Es ist stets ˜z := (x ∧ y) ∨ z ≤ x ∧ (y ∨ z) =: ˜x. Wäre ˜z ≤ ˜x, so<br />

ergäbe sich ein Pentagon:<br />

a ⇔ e: Folgt aus der Übersetzung x = x ∧ x ⇔ z ≤ x.<br />

17<br />


Kapitel 3<br />

Hüllen, Kerne, Adjunktionen<br />

3.1 Hüllen und Kerne<br />

Definition:<br />

Ein Hüllenoperator auf einer Menge X ist eine Abbildung Γ : ↑P (X) →<br />

↑P (X) mit<br />

Y ⊆ Γ(Z) ⇐⇒ Γ(Y ) ⊆ Γ(Z).<br />

Schreibweise: Y statt Γ(Y ).<br />

Dual ist ein Kernoperator auf X eine Abbildung K : ↑P (X) → P p(X)<br />

mit<br />

K(Y ) ⊆ Z ⇐⇒ K(Y ) ⊆ K(Z).<br />

Schreibweise: Y ◦ statt K(Y ).<br />

Eine Abbildung Φ : ↑P (X) → ↑P (X) bewahrt (endliche, gerichtete Vereinigungen),<br />

falls <strong>für</strong> (endlich, gerichtete) Y ⊆ ↑P (X) gilt:<br />

(⋃ )<br />

Φ Y = ⋃ Φ → (X)<br />

Eine quasigeordnete Menge ist gerichtet, falls jede endliche Teilmenge eine<br />

obere Schranke hat.<br />

Ein Hüllenoperator heißt topologisch, falls er endliche, algebraisch, falls<br />

er gerichtete und A-topologische, falls er beliebige Vereinigungen bewahrt.<br />

Eine A-Topopologie ist algebraisch und topologisch.<br />

Beispiele:<br />

18


1) Der euklidische Abschluss im R n ist topologisch, aber nicht algebraisch.<br />

⋃ { }<br />

[ 1<br />

n , 1] |n ∈ N = ] 0, 1 ] = [ 0, 1 ] ,<br />

⋃ { }<br />

[ 1<br />

aber<br />

n , 1] |n ∈ N = ] 0, 1 ]<br />

2) Die lineare Hülle ist algebraisch, aber nicht topologisch (in beliebigen<br />

Vektorräumen).<br />

{(x, y)|y = 0} ∪ {(x, y)|x = 0} = {(x, y)|x = 0 und y = 0}<br />

≠ {(x, y)|x = 0 oder y = 0}<br />

Also ist der Hüllenoperator nicht topologisch, aber algebraisch:<br />

Sei Y ein gerichtetes System von Teilmengen des Vektroraums V . Dann<br />

gilt<br />

< ⋃ Y >= ⋃ {<br />

< Y > |Y ∈ Y<br />

}<br />

denn <strong>für</strong> Linaearkombinationen braucht man nur endlich viele Elemente.<br />

3) Die Operation ↓ ist A-topologisch.<br />

Definition:<br />

Eine Hüllenoperation auf einer geordneten Menge P ist eine Abbildung<br />

γ : P → P mit<br />

y ≤ γ(z) ⇐⇒ γ(y) ≤ γ(z).<br />

Eine Kernoperation auf einer geordneten Menge P ist eine Abbildung γ :<br />

P → P mit<br />

y ≥ γ(z) ⇐⇒ γ(y) ≥ γ(z).<br />

Satz 3.1 Eine Abbildung γ : P → P ist genau dann eine Hüllenopertion,<br />

wenn gilt:<br />

1.) x ≤ γ(x) (extensiv, expansiv)<br />

2.) x ≤ y ⇒ γ(x) ≤ γ(y) (ordnungserhaltend, isoton)<br />

3.) γ(γ(x)) = γ(x) (idempotent)<br />

Eine Abbildung γ : P → P ist genau dann eine Kernopertion, wenn gilt:<br />

1.) x ≥ γ(x) (kontraktiv, regressiv)<br />

2.) x ≥ y ⇒ γ(x) ≥ γ(y) (ordnungserhaltend, isoton)<br />

3.) γ(γ(x) = γ(x) (idempotent)<br />

19


Mit − ist γ(x) = x, x ≤ x, x ≤ y ⇒ x ≤ y, x = x.<br />

Beweis: ’⇒’<br />

Sei γ eine Hüllenoperation.<br />

1.) γ(x) ≤ γ(x) ⇒ x ≤ γ(x)<br />

2.) x ≤ y trans ⇒ x ≤ γ(y) def<br />

⇒ γ(x) ≤ γ(y)<br />

3.) γ(x) ≤ γ(γ(x))(extensiv), γ(x) ≤ γ(x) Def.<br />

⇒ γ(γ(x)) ≤ γ(x).<br />

Beweis: ’⇐’<br />

Sei umgekehrt γ extensiv, isoton und idempotent.<br />

Wegen der Extensivität folgt aus γ(y) ≤ γ(z) bereits y ≤ γ(z); gilt andererseits<br />

y ≤ γ(z), so gilt wegen der Isotonie γ(y) ≤ γ(γ(z)) = γ(z) aufgrund<br />

der Idempotenz.<br />

□<br />

Definition:<br />

Ein Hüllenbereich einer geordneten Menge P ist eine Teilmenge H derart,<br />

dass zu jedem x ∈ P ein kleinstes x ∈ H mit x ≤ x existiert. Ein<br />

Kernbereich einer geordneten Menge P ist eine Teilmenge H derart, dass zu<br />

jedem x ∈ P ein kleinstes x ◦ ∈ H mit x ≥x ◦ existiert.<br />

Beispiele:<br />

1) Runden auf n Stellen nach oben: Hüllenoperation<br />

nach unten: Kernoperation<br />

2) Es sei (N 0 , |) die durch die Teilerrelation geordnete Menge. Dann ist<br />

die Abbildung<br />

n ↦→ ∏ p<br />

p∈P<br />

p|n<br />

eine Kernoperation.<br />

3) Die identische Abbildung id : P → P ist die einzige Abbildung, die<br />

sowohl Hüllen- als auch Kernoperation ist.<br />

Satz 3.2 Die Zuordnung γ ↦→ γ → (P ) ist ein dualer Isomorphismus zwischen<br />

der geordeneten Menge aller Hüllenoperationen und der Menge ( durch<br />

⊆ geordneten ) aller Hüllenbereiche. Dasselbe gilt dual <strong>für</strong> Kernoperationen.<br />

Beweis:<br />

(i) γ → (P ) = H ist ein Hüllenbereich, denn <strong>für</strong> x ∈ P ist x = γ(x) das<br />

20


” ⇐=“: y ∈ H ⇒ y = γ H (y) ≥ γ H<br />

′ (y)<br />

kleinste Element von H über x.<br />

(ii) Für jeden Hüllenbereich H ⊆ P definiert<br />

{ P → P<br />

γ H :<br />

x ↦→ x := min{h ∈ H|x ≤ h}<br />

eine Hüllenoperation, da y ≤ z ∈ H ⇐⇒ y ≤ z ist.<br />

(iii) Für H = γ → (P ) ist γ = γ H .<br />

γ(x) ∈ H ⇒ γ H (x) = x ≤ γ(x)<br />

und h ∈ H & x ≤ h ⇒ ∃y ∈ P ( h = γ(y) )<br />

Also ist γ H (x) = γ(x).<br />

(iv) Für einen Hüllenbereich H gilt: H = γH → (P ).<br />

⇒<br />

γ(x) ≤ γ(y) = h<br />

x ∈ H ⇒ γ H (x) = x ∈ γ → H (P )<br />

x ∈ γ → h (P ) ⇒ ∃y ∈ P ( x = γ H (y) ∈ H ) .<br />

(v) H ⊆ H ′ ⇐⇒ γ H<br />

′ ≤ γ H :<br />

” =⇒“: Das Minimum kann höchstns kleiner werden, da Y ⊆ Y ′ ⇒ min Y ≤<br />

min Y ′<br />

ist.<br />

γ H extensiv<br />

⇒<br />

y = γ H<br />

′ (y) ∈ H<br />

Satz 3.3 Eine Hüllenopertaion γ : L → L bewahrt genau dann beliebige<br />

(endliche, gerichtete) Suprema, wenn der Hüllenbereich H = γ → (P ) abgeschlossen<br />

gegen (endliche, gerichtete ) beliebige Suprema ist.<br />

Beweis: ’⇐’<br />

Es bewahre γ Suprema. Dann gilt <strong>für</strong> beliebige (endliche, gerichtete)<br />

Y ⊆ H:<br />

(∨ )<br />

γ Y = ∨ γ → (Y )<br />

= ∨ Y (F ixpunkt)<br />

□<br />

21


⇒ ∨ Y ∈ H. Beachte γ → (L) = {x|γ(x) = x} = F ix γ.<br />

Beweis: ’⇒’<br />

Umgekehrt sei H gegen Suprema abgeschlossen. Für beliebige (endliche,<br />

gerichtete) Y ⊆ L ist auch γ → (Y ) beliebig (endlich, gerichtet) und eine<br />

Teilmenge von H. Wegen der Isotonie von γ gilt: γ → (Y ) ≤ γ( ∨ Y ), da y ≤<br />

( ∨ Y ) <strong>für</strong> alle y ∈ Y ist. Andererseits folgt aus γ → (Y ) ≤ s auch γ( ∨ Y ) ≤ s,<br />

da ∨ γ → (Y ) ∈ H und ∨ γ → (Y ) ≤ s sowie ∨ Y extensiv<br />

≤ ∨ γ → (Y ) = h =<br />

γ(h) ∈ H. Also ist γ( ∨ Y ) ≤ h ≤ s. Das heißt γ( ∨ Y ) ist kleinste obere<br />

Schranke von γ → (Y ).<br />

Beispiele:<br />

□<br />

1) Der Abschnittsoperator ↓ bewahrt beliebige Vereinigungen, da das System<br />

der Abschnitte abgeschlossen gegen Vereinigungen ist.<br />

2) Ein Hüllenoperator ist genau dann topologisch (d.h. er bewahrt endliche<br />

Vereinigungen), wenn seine Bildmenge eine duale Topologie (d.h.<br />

abgeschlossen gegen beliebige Durchschnitt und endliche Vereingungen<br />

ist) ist.<br />

3) Ein Hüllenoperator bewahrt genau dann gerichtete Vereinigungen, wenn<br />

seine Bildmenge ein algebraisches Hüllensystem ( d.h. abgeschossen<br />

gegen gerichtete Vereinigungen ist) ist.<br />

Korollar 3.4 Die Zuordnung γ ↦→ γ → (L) ist eine Bijektion zwischen<br />

1) Hüllenoperator, die beliebige Vereingiungen bewahren, und Hüllenbereichen,<br />

die gegen beliebige Vereinigungen abgeschlossen sind.<br />

2) Hüllenoperator, die endliche Vereingiungen bewahren, und Hüllenbereichen,<br />

die gegen endliche Vereinigungen abgeschlossen sind.<br />

3) Hüllenoperator, die gerichtete Vereingiungen bewahren, und Hüllenbereichen,<br />

die gegen gerichtete Vereinigungen abgeschlossen sind.<br />

Satz 3.5 In einem vollständigen Verband sind die Hüllenbereiche genau die<br />

gegen Durchschnitt abgeschlossenen Teilmengen. Insbesondere sind Hüllensysteme<br />

gegen Durchschnittsbildung abgeschlossene System.<br />

Beweis: ’⇒’<br />

22


Es sei H ⊆ L und H ∨–abgeschlossen. Dann ist <strong>für</strong> jedes x ∈ L<br />

∨<br />

{y ∈ H|x ≤ y} = γH (x)<br />

das kleinste über x liegende Element von H.<br />

Beweis: ’⇐’<br />

Umgekehrt ist jeder Hüllenverband gegen Suprema ∨ abgeschlossen. Sei<br />

Y ⊆ H, X = ∨ Y . Dann existiert ein kleinstes h ∈ H mit x ≤ h. Da h ≤ y<br />

<strong>für</strong> alle y ∈ Y ⊆ H ist, ist h ≤ x. Somit ist x = ∨Y = h ∈ H.<br />

Beispiel:<br />

Alle Hüllenbereiche der Verbände<br />

□<br />

bilden ein Hüllensystem, also einen vollständigen Verband, der nicht modular<br />

ist, da ein Pentagon enthalten ist, aber semimodular,<br />

das heißt, es gilt a ≺ a ∨ b ⇒ a ∧ b ≺ b.<br />

3.2 Adjunktionen<br />

Definition:<br />

Eine Adjunktion zwischen geordneten Mengen P und Q ist ein Paar von<br />

Abbildungen<br />

P<br />

ρ<br />

↼ ⇁λ Q<br />

, mit λ(p) ≤ q ⇐⇒ p ≤ ρ(q).<br />

Galois–Verbindungen zwischen P und Q sind Adjunktionen zwischen P d<br />

und Q, das heißt:<br />

(ϕ, ψ) Galois Verbingung ⇐⇒ ( q ≤ ψ(p) ⇔ p ≤ ϕ(q) )<br />

Es sind dann ϕ ◦ ψ, ψ ◦ ϕ Hüllenoperationen.<br />

ρ<br />

↼<br />

Satz 3.6 Es seien P und Q geordnete Mengen. Dann gilt P ⇁λ Q genau dann,<br />

wenn λ, ρ isoton sind, λ◦ρ eine Kernoperation und ρ◦λ eine Hüllenoperation<br />

ist. Eigentlich genügt bereits, dass λ ◦ ρ kontraktiv und ρ ◦ λ extensiv ist. Die<br />

Abbildungen entlang der diagonalen Pfeile sind surjektiv restringiert. Ferner<br />

gilt λ ◦ ρ ◦ λ = λ und ρ ◦ λ ◦ ρ = ρ, die sogenannte Pseudoinversen.<br />

23


Beweis: ’⇒’:<br />

Wegen der Isotonie gilt<br />

Wegen der Isotonie von λ gilt<br />

Weiter gilt:<br />

p ∈ P ⇒ λ(p) ≤ λ(p) ⇐⇒ p ≤ ρ ◦ λ(p)<br />

q ∈ Q ⇒ ρ(q) ≤ ρ(q) ⇐⇒ λ ◦ ρ(q) = q<br />

p ≤ p ′ ⇒ p ≤ ρ ◦ λ(p ′ ) ⇒ λ(p) ≤ λ(p ′ )<br />

q ≤ q ′ ⇒ q ≤ λ ◦ ρ(q ′ ) ⇒ ρ(q) ≤ ρ(q ′ )<br />

id ≤ ρ ◦ λ ⇒ λ ≤ λρλ<br />

⇒<br />

ρ ≤ ρλρ.<br />

λ ◦ ρ ≤ ⇒ λ ◦ ρ ◦ λ<br />

⇒<br />

ρ ◦ λ ◦ ρ ≤ ρ<br />

Somit ist λ ◦ ρ ◦ λ = λ, ρ ◦ λ ◦ ρ = ρ und λ ◦ ρ ◦ λ ◦ ρ = λ ◦ ρ, ρ ◦ λ ◦ ρ ◦ λ = ρλ.<br />

Also ist λ ◦ ρ kontraktiv, isoton und idempotent und ρ ◦ λ extensiv, isoton<br />

un idempotent.<br />

Beweis: ’⇐’:<br />

Sei λ , ρ isoton, λ ◦ ρ kontraktiv und ρ ◦ λ extensiv. Dann ist<br />

λ(p) ≤ q<br />

ρ anwenden<br />

=⇒ ρ ◦ λ(p) ≤ ρ(q) ext. =⇒ p ≤ ρ(q)<br />

λ anwenden<br />

=⇒ λ(p) ≤ λ ◦ ρ(q) kontr. =⇒ λ(p) ≤ q.<br />

□<br />

Korollar 3.7<br />

(ϕ, ψ) ist Galoisverbingung ⇐⇒ ϕ, ψ antiton<br />

&<br />

ϕ ◦ ψ, ψ ◦ ϕ Hüllenoperationen<br />

Satz 3.8 Für eine Abbildung λ : P → Q zwischen geordneten Mengen sind<br />

äquivalent:<br />

1) λ ist residuiert, das heißt, Urbilder von Hauptidealen ( ↓ q = {x|x ≤<br />

q}) sind Hauptideale.<br />

24


ρ<br />

↼<br />

2) Es gibt (genau) eine Abbildung ρ : Q → P mit P ⇁λ Q. Diese ist gegeben<br />

durch<br />

{ Q → P<br />

ρ :<br />

q ↦→ ∨ {p ∈ P |λ(p) ≤ q}<br />

Diese Bedingungen implizieren:<br />

3) λ bewahrt Suprema.<br />

Wenn P vollständig ist, so gelten auch die umgekehrten Implikationen ( von<br />

(c) nach (a), (b) ).<br />

Beweis:<br />

a ⇒ b: Die Menge {p ∈ P |λ(p) ≤ q} = λ ← (↓ q) ist ein Hauptideal ↓ ρ(q)<br />

und dann gilt:<br />

λ(p) ≤ q ⇐⇒ p ≤ ρ(q).<br />

Eindeutigkeit (notwendigerweise): ρ(q) = max λ ← (↓ q).<br />

b ⇒ a: Wegen ( ↼ ⇁ ) ist λ← (↓ q) =↓ ρ(q) ein Hauptideal.<br />

a ⇒ c: p = ∨ Y in P. Dann ist<br />

λ(p) ≤ q ⇔ p ≤ ρ(q)<br />

⇔ ∀y ∈ Y ( y ≤ ρ(q) )<br />

⇒ λ(p) = ∨ λ to (Y )<br />

↔ ∀y ∈ Y ( λ(p) ≤ q )<br />

Also ist λ(p) = ∨ λ → (Y ).<br />

c ⇒ a: Es ist P vollständig und λ bewahrt Suprema. Es ist zu ueigen,<br />

∀p q<br />

(<br />

λ ← (q) =↓ p q<br />

)<br />

.<br />

Setze:<br />

p q = ∨ {p ∈ P |λ(p) ≤ q}<br />

Dann folgt<br />

λ(p q ) = ∨ {p ∈ P |λ(p) ≤ q} ≤ q<br />

Das heißt p q = max{p ∈ P |λ(p) ≤ q}, also ↓ p q = λ ← (↓ q).<br />

□<br />

25


Korollar 3.9 Für ρ : Q → P sind äquivalent:<br />

1) ρ ist residual, das heißt Urbilder Huaptideale (↑ p) sind duale Hauptideale.<br />

2) Es gibt genau ein λ mit P<br />

Dies impliziert:<br />

3) ρ bewahrt Infima.<br />

ρ<br />

↼ ⇁λ Q.<br />

Die Umkehrung gilt, falls Q vollständig ist.<br />

Korollar 3.10 Für ϕ : P → Q sind äquivalent:<br />

1) Urbilder von Hauptidealen sind duale Hauptideale.<br />

2) Es gibt genau ein ψ, so dass (ϕ, ψ) eine Galoisverbindung ist.<br />

Dies impliziert:<br />

3) ϕ( ∨ Y ) = ∧ ϕ → (Y ).<br />

Die Umkehrung gilt, falls P vollständig ist.<br />

Satz 3.11 Jürgen Schmitt (1950)<br />

ρ<br />

↼<br />

Ist P ⇁λ Q eine Adjunktion, so ist ˜P<br />

˜ρ<br />

↼<br />

Q. mit ⇁˜λ ˜P = ρ → (Q) und ˜Q = λ → (P )<br />

ein Paar zueinander inversen Isomorphismen, wobei ˜λ(p) = λ(p) und ˜ρ(q) =<br />

ρ(q) ist.<br />

Sind umgekehrt ˜λ : ˜P → ˜Q und ˜ρ : ˜Q → ˜P zueinander inverse Isomorphismen<br />

zwischen einem Hüllenbereich ˜P ⊆ P und einem Kernbereich ˜Q ⊆ Q,<br />

ρ<br />

↼<br />

so gibt es ganeu eine Adjunktion P ⇁λ Q, so dass das Diagramm ?? kommutiert.<br />

26


Kapitel 4<br />

Boolsche Algebren,<br />

Heyting-Algebren und Lokale<br />

Definition:<br />

Ein komplementierter, distributiver Verband heißt Boolscher Verband.<br />

Man nennt ihn weiterhin Boolsche <strong>Algebra</strong> (BA), falls die nullstelliigen Operationen<br />

0 = ⊥ und 1 = ⊤, sowie die einstellige Komplementoperation ′<br />

hinzugenommen werden.<br />

Die Theorie der BA geht eigentlich auf Ernst Schröder und nicht auf<br />

George Boole zurück. Boole betrachtete nur Summen disjunktiver Klassen<br />

(vgl. Grassmann; bei Boole fehlt die Idempotenz der Summation x+x = x).<br />

Literatur: Der Operationskreis des Logik Kalkuls - 1877; E. Schröder<br />

Schröders Axiome, die auch wir im folgenden voraussetzen werden, sind<br />

die Kommutations- und Assoziationsgesetze, sowie die Idempotenzgesetze.<br />

Dies ergibt eine Struktur, die (mit zwei Halbverbandsoperationen) später<br />

bisemilattice genannt wurde.<br />

Hinzu kommt ein Distributionsgesetz x(y+z) = xy+xz, woraus das duale<br />

Gesetz folgen sollte; hierzu ist aber ein weiteres Axiom notwendig (s.u.).<br />

Beispiel:<br />

Sei (S, +) = (S, ·) ein Halbverband, dann erfüllt (S, +, ·) alle bisherigen<br />

Gesetze, inklusive des dualen Distributionsgesetz x + yz = (x + y)(x + z).<br />

Weiterhin haben wir aus der Komplementiertheit die Komplementgesetze<br />

∀ x∃ x ′ : xx ′ = 0, x + x ′ = 1.<br />

27


Hieraus folgen sofort x · 0 = 0,<br />

x + 1 = 1, da<br />

x · 0 kompl<br />

= xxx ′ idem = xx<br />

′ kompl<br />

= 0,<br />

(entsprechend dual, im weiteren 0’- und 1’-Gesetze genannt) und x+0 = x·1,<br />

da<br />

x + 0 idem = xx + 0 kompl<br />

= xx + xx ′ distr<br />

= x(x + x ′ ) kompl<br />

= x · 1.<br />

Wie das obige Beispiel zeigt folgt daraus nicht, daß x + 0 = x · 1 = x,<br />

daher setzen wir auch dies als Axiom voraus (0-Gesetz oder 1-Gesetz).<br />

Korollar 4.1 Es gilt die Absorbtion.<br />

Beweis:<br />

a(a + b) distr = aa + ab idem = a + ab distr = a(1 + b) 1′<br />

= a1 1 = a<br />

und<br />

a + ab 1 = a1 + ab distr = a(1 + b) 1′ ,1<br />

= a.<br />

Nun folgt auch das duale Distributionsgesetz:<br />

□<br />

(a+b)(a+c) distr = aa+ac+ba+bc idem = a+ac+ab+bc abs = a+ab+bc abs = a+bc.<br />

Lemma 4.2 In einem boolschen Verband L gibt es zu je zwei Elementen x<br />

und z genau ein Element z\x, so daß <strong>für</strong> alle y ∈ L gilt<br />

z ≤ x ∨ y ⇔ z\x ≤ y.<br />

Das Element z\x ist die mengentheoretische Differenz; wir setzen z\x =<br />

z ∧ x ′ .<br />

Beweis: ’⇒’<br />

Beweis: ’⇐’<br />

z\x = z ∧ x ′ vorr<br />

≤ (x ∨ y) ∧ x ′<br />

distr<br />

= (x ∧ x ′ ) ∨ (y ∧ x ′ ) kompl<br />

= 0 ∨ (y ∧ x ′ ) 0 = y ∧ x ′ abs<br />

≤ y<br />

z 1 = z ∧ 1 kompl<br />

= z ∧ (x ∨ x ′ ) distr = (z ∧ x) ∨ (z ∧ x ′ ) vorr<br />

≤ x ∨ y.<br />

Die Eindeutigkeit liegt in der Definition begründet.<br />

28


□<br />

Dual gilt: In einem Boolschen Verband gibt es zu je zwei Elementen x, z<br />

genau ein Element x → z, so daß <strong>für</strong> alle y ∈ L gilt<br />

x ∧ y ≤ z ⇔ y ≤ x → z.<br />

Definition:<br />

In einem ∧-Halbverband S mit ⊥ heißt ein Element x ⊥ Pseudokomplement<br />

oder ∧-Komplement von x, falls<br />

x ∧ y = ⊥ ⇔ y ≤ x → z.<br />

Für das duale Pseudokomplement oder ∨-Komplement x ⊤ in ∨-Halbverbändern<br />

gilt entsprechend<br />

x ∨ y = ⊤ ⇔ y ≥ x ⊤ .<br />

Beispiele:<br />

1) In einem Boolschen Verband ist das eindeutige Komplement sowohl<br />

∧- als auch ∨-Kopmlement, und wie wir später sehen werden ist ein<br />

Verband, bei dem das ∧- gleich dem ∨-Komplement ist, boolsch.<br />

2) Das Pentagon ist ∧- und ∨-komplementiert, aber nicht boolsch, da die<br />

Komplemente nicht gleich sind (y ⊥ = x ≠ z = y ⊤ ).<br />

3) Der Diamant ist weder ∧- noch ∨-komplementiert an den drei mittleren<br />

Atomen.<br />

4) Jeder endliche distributive Verband ist ∧- und ∨-komplementiert, aber<br />

nicht unbedingt boolsch (Beweis später).<br />

5) Der Teilerverband T 0 ist distributiv und ∨−, aber nicht ∧-komplementiert.<br />

Desgleichen (N 0 × N 0 ) ∪ ∞.<br />

6) Jede Topologie ist ∧-komplementiert aber selten ∨-komplementiert.<br />

Für offenes U ⊆ X ist (X\U) ◦ das ∧-Komplement.<br />

Definition:<br />

Gilt <strong>für</strong> je drei Elemente x, z und x → z aus einem ∧-Halbverband S<br />

x ∧ y ≤ z ⇔ y ≤ x → z<br />

<strong>für</strong> alle y ∈ S, so heißt x → z relatives Pseudokomplement oder relatives<br />

∧-Komplement von x bezüglich z.<br />

29


Schreibweisen: x z (Spezialfall: x ⊥ ), z x (Ähnlichkeit zur Menge der Funktionen<br />

von x nach z), z : x (als komplementierte Funktion zu ∧ = ·) oder x ⋆ z<br />

(weil dies keine weitere Bedeutung impliziert).<br />

Dual definiert sich das relative ∨−Komplement z\x.<br />

Lemma 4.3 Jeder relativ ∧-komplementierte ∧-Halbverband mit ⊥ ist ∧-<br />

komplementiert. Es ist x z das größte Element von I z x := {y ∈ S : x ∧ y ≤ z}<br />

Bemerkung: Die Umkehrung gilt nicht (Pentagon).<br />

Lemma 4.4 Folgende Aussagen sind <strong>für</strong> einen Verband L äauivalent:<br />

a) Jedes I z x ist ein Ideal in L.<br />

b) y 1 , y 2 ∈ I z x ⇒ y 1 ∨ y 2 ∈ I z x<br />

c) X ∧ y 1 ≤ z und x ∧ y 2 ≤ z ⇒ x ∧ (y 1 ∨ y 2 ) ≤ z, und insbesondere<br />

z = (x ∧ y 1 ) ∨ (x ∧ y 2 )<br />

d) L ist distributiv.<br />

Also folgt aus der Existenz aller z − ∧-Komplemente die Distributivität.<br />

Im folgenden betrachten wir allgemeiner eine Halbgruppe S anstelle eines<br />

Halbverbands. Definition:<br />

Eine (links) residuierte Halbgruppe ist eine Halbgruppe S mit einer Irdnung<br />

≤, so daß zu x, z ∈ S ein eindeutiges z : x existiert mit<br />

xy ≤ z ⇔ y ≤ z : x.<br />

D.h. die (links-)Translationen λ x : y ↦→ xy haben obere Adjungierte ρ x :<br />

z ↦→ z : x.<br />

Beispiele:<br />

1 z − ∧-komplementierte Halbverbände<br />

2 Geordnete Gruppen mit isotonen Translationen, z.B. (Z, +, ≤) oder<br />

(R, ·, ≤)<br />

Korollar 4.5 In einer residuierten Halbgruppe S gilt:<br />

1) Die Links-Translationen bewahlren beliebige Suprema. Ist S ein vollständiger<br />

Verband, so gilt auch die Umkehrung.<br />

30


2) Falls die Multiplikation kommutativ ist, hat man <strong>für</strong> jede Abbildung<br />

Ψ z : x ↦→ x : z eine Galois-Verbindung (Ψ z , Ψ z ). Insbesondere gilt<br />

dann z : ∨ W = ∧ {z : x| x ∈ W }.<br />

Beweis:<br />

1) klar, da untere Adjungtionen Suprema bewahren.<br />

2) x ≤ Ψ z (y) = z : y ⇔ yx ≤ z ⇔ xy ≤ z ⇔ y ≤ z : y = Ψ z (x)<br />

Umkehrung: Falls λ x beliebige Suprema bewahrt, so hat es im vollständigen<br />

Fall eine obere Adjungierte.<br />

□<br />

Motivation:<br />

Die Intuitionisten lehnen die Äquivalenz (p → q) ⇔ (¬p ∨ q) ab. Etwas,<br />

daß nicht wahr ist, muß also nicht unbedingt falsch sein. Mit der Folgerung<br />

→ als neues Operatorsymbol, kann man die Negation weglassen, da es nun<br />

anstelle von falsch“ (≠ p) den Begriff widerlegbar“ (p → ⊥) gibt.<br />

” ”<br />

Im folgenden betrachten wir das verbandstheoretische Modell der intuitionstischen<br />

Logik:<br />

Definition:<br />

Ein realtiv pseudokomplementierter Halbverband heißt Brouwerscher<br />

Verband.<br />

Wir betrachten schwächer einen pseudokomplementierten Halbverband<br />

S.<br />

Korollar 4.6 Die Funktion Ψ : S → S, x ↦→ x ⊥ liefert eine Galoisverbindung<br />

(Ψ, Ψ).<br />

Insbesondere ist Ψ 2 : S → S, x ↦→ x ⊥⊥ eine Hüllenoperation.<br />

Satz 4.7 (Rechenregeln <strong>für</strong> Pseudokomplemente)<br />

a) x ≤ y ⇒ y ⊥ ≤ x ⊥ ⇒ x ⊥⊥ ≤ y ⊥⊥<br />

b) x ≤ x ⊥⊥<br />

c) x ⊥ = x ⊥⊥⊥<br />

d) x ⊥ ∧ x = ⊥ = x ⊥ ∧ x ⊥⊥<br />

e) x ∧ (x ∧ y) ⊥ = x ∧ y ⊥<br />

f) (x ∧ y) ⊥ = (x ∧ y ⊥⊥ ) = (x ⊥⊥ ∧ y ⊥⊥ )<br />

g) (x ∧ y) ⊥⊥ = x ⊥⊥ ∧ y ⊥⊥ 31


Beweis:<br />

a) aus Galouisverbindung<br />

b) aus Hüllenoperator<br />

c) folgt aus a und b<br />

d)<br />

e) Es gilt x ∧ y ≤ y a ⇒ y ⊥ ≤ (x ∧ y) ⊥ ⇒ x ∧ y ⊥ ≤ x ∧ (x ∧ y) ⊥ . Nach d<br />

gilt (x ∧ y) ∧ (x ∧ y) ⊥ = ⊥ also folgt x ∧ (x ∧ y) ⊥ ≤ y ⊥ , ≤ x, x ∧ y ⊥ .<br />

f) Nach b ist x ∧ y ≤ x ∧ y ⊥⊥ also ist nach a (x ∧ y ⊥⊥ )y ⊥ ≤ (x ∧ y) ⊥ .<br />

Aus d und e folgt nun x∧(x∧y) ⊥ ∧y ⊥⊥ e = x∧y ⊥ ∧y ⊥⊥ d = x∧⊥ = ⊥<br />

und daraus (x ∧ y) ⊥ ≤ (x ∧ y ⊥⊥ ) ⊥ .<br />

Wiederholt <strong>für</strong> x ⊥⊥ .<br />

g) Aus f ergibt sich (x ∧ y) ⊥⊥ = (x ⊥⊥ ∧ y ⊥⊥ ) ⊥⊥ = x ⊥⊥ ∧ y ⊥⊥ , da x ⊥⊥<br />

und y ⊥⊥ Hüllenelemente sind und Hüllenoperationen gegen Infima<br />

abgeschlossen sind.<br />

□<br />

Beispiel:<br />

Der gezeigte Halbverband ist distributiv und endlich, also brouwersch<br />

und insbesondere pseudokomplementiert. Wird dieser auf die Menge der<br />

Pseudokomplemente eingeschränkt, so ergibt sich ein Boolscher Verband.<br />

Dies ist zum einen erstaunlich, da die Distributivität erhalten bleibt, während<br />

Eigenschaften wie Komplementiertheit und Supremum kostenlos dazukommen,<br />

und zum zweiten, da dies auf jede Einschränkung auf Pseudokomplemente<br />

(Skelett) zutrifft, wie der folgende Satz beweist.<br />

Satz 4.8 (Glivenko 1928; Frink 1963)<br />

Für jeden (∧-)pseudokomplementierten Halbverband ist die Abbildung<br />

Ψ 2 : S → S; x ↦→ x ⊥⊥ eine ∧-bewahrende Hüllenoperation. Der zugehörige<br />

Hüllenbereich (Skelett)<br />

S ⊥⊥ = S ⊥ = {x ⊥ : x ∈ S} = {y ∈ S : y = y ⊥⊥ }<br />

ist ein Boolscher Verband mit Komplement x ⊥ und Supremum<br />

s := x ⊥ ∨ y = (x ⊥ ∧ y ⊥ ) ⊥ .<br />

Beweis:<br />

Es sind ⊥ und ⊤ zueinander komplementär, daher sind beide in jedem<br />

Falle in S ⊥ enthalten.<br />

Zunächst: x ⊥ ∧ y ⊥ ≤ x ⊥ , y ⊥ 4.7a ⇒ x ⊥⊥ , y ⊥⊥ ≤ (x ⊥ ∧ y ⊥ ) ⊥ = s. Da<br />

x = x ⊥⊥ in S ⊥ ist also s obere Schranke von x und y.<br />

32


Weiterhin: Ist x, y ≤ z = z ⊥⊥ , so folgt z ⊥ ≤ x ⊥ , y ⊥ , also z ⊥ ≤ x ⊥ ∧ y ⊥ .<br />

Mit (4.7) a ist s also die kleinste obere Schranke und damit das Supremum.<br />

Nach (4.7) d ist x ⊥ ∧ x ⊥⊥ = ⊥ also ist x ⊥ ⊥ ∨ x ⊥⊥ = (x ⊥⊥ ∧ x ⊥⊥⊥ ) ⊥ =<br />

⊥ ⊥ = ⊤, also ist x ⊥ das Komplement von x.<br />

Schließlich ist ist das Skelett brouwersch, denn es gibt ein relatives Pseudokomplement<br />

y z := (y ∧ z ⊥ ) ⊥ .<br />

x ∧ y ≤ z<br />

in S ⊥<br />

⇔ x ∧ y ≤ z ⊥⊥ ⇔ x ∧ (y ∧ z ⊥ ) = ⊥ ⇔ x ≤ y z .<br />

Brouwersch ist insbesondere distributiv, damit schließlich ist das Skelett S ⊥<br />

ein Boolscher Verband.<br />

Korollar 4.9 Falls S ein Verband ist, ist die Abbildung x ↦→ x ⊥⊥ ein Verbandshomomorphismus<br />

von S auf S ⊥ .<br />

Beweis: Wegen (4.7) f bewahrt die Abbildung Infima, wegen der Definition<br />

von ⊥ ∨ Suprema und als untere Adjungierte sogar beliebige Suprema.<br />

Korollar 4.10 Ist L ein Lokal (insbesondere pseudokomplementiert), so ist<br />

Ψ 2 : L → L ⊥ ein Lokal-Homomorphismus auf einem vollständigen Boolschen<br />

Verband.<br />

Exkurs: Regulär offene Mengen<br />

Regulär offene Mengen sind diejenigen offenen Mengen, die gleich dem<br />

offenen Kern ihren Abschlusses sind. Die Menge ist nicht gegen Vereinigungen<br />

abgeschlossen; so sind in R die Intervalle (a, b) und (b, c) zwar jeweils<br />

offen, aber der Kern des abschlusses beiden Mengen enthält zusätzlich den<br />

Punkt b, somit ist die Vereinigung der beiden offenen Intervalle keine regulär<br />

offene Menge.<br />

Verbandstheoretisch aber ist die Vereinigung das Supremum, welches<br />

seinerseits als Kern des Abschlusses definiert ist; damit ist der Verband der<br />

regulär offenen Mengen gegen Vereinigung abgeschlossen.<br />

Beliebige Durchschnitte offener Mengen müssen nicht einmal offen sein.<br />

Verbandstheoretisch aber ist das Infimum der Kern des Durchschnitts, und<br />

□<br />

□<br />

33


dieser ist offen.<br />

Das Komplement ist U ⊥ = (X\U) ◦ und<br />

U ⊥⊥ =<br />

(X\(X\U) ◦) ◦ ( ) ◦ ◦<br />

= X\(X\U) = U .<br />

Korollar 4.11 Für jede Topologie T auf X ist das System T ⊥⊥ = {U ∈<br />

◦<br />

X : U = U ⊥⊥ = U} der regulär offenen Mengen ein vollständiger Boolscher<br />

Verband.<br />

Satz 4.12 Sei φ : S → S ein idempotenter ∧-Homomorphismus eines ∧-<br />

Halbverbands S und<br />

F φ = {x ∈ S : x = φ(x)} = φ → S<br />

seine Fixpunktmenge. Dann ist F φ wieder ein ∧-Halbverband. Falls S vollständig<br />

ist, au ist es auch F φ . Ist x z ein Pseudokomplement von x bezüglich z in S,<br />

so ist φ(x z ) ein Pseudokomplement von x bezüglich z in F φ .<br />

Beweis:<br />

Abgeschlossenheit gegen Infima: φ(x) ∧ φ(y) = φ(x ∧ y) ∈ F φ .<br />

Pseudokomplement: Ist x das Supremum von Y ⊆ F φ in S, so ist φ(x)<br />

das Supremum von φ → Y = Y in F φ : Für y ∈ Y ist φ(y) ≤ φ(x), da φ isoton<br />

ist. Also ist φ(x) obere Schranke, z.Z. kleinste! Ist z eine obere Schranke von<br />

Y in F φ , so folgt x ≤ z, also auch φ(x) ≤ φ(z) = z. x ∧ y ≤ z ⇔ y ≤ x z .<br />

Für x, y, z ∈ F φ folgt x ∧ y ≤ z ⇒ y = φ(y) ≤ φ(x z ). Also<br />

x ∧ y ≤ x ∧ φ(x z ) = φ(x) ∧ φ(x z ) = φ(x ∧ y z ) ≤ φ(z) = z.<br />

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