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4.3. Lineare Gleichungssysteme

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<strong>4.3.</strong> <strong>Lineare</strong> <strong>Gleichungssysteme</strong><br />

<strong>Lineare</strong> Gleichungen und Hyperebenen<br />

In allen Bereichen der Natur- ind Ingenieurwissenschaften und sogar in vielen Situationen des<br />

täglichen Lebens geht es darum, Gleichungen zu lösen (auch wenn manche Ahnungslose das noch<br />

nicht bemerkt haben). Eine relativ einfache Struktur haben diejenigen Gleichungen, in denen die<br />

Unbekannten nur "linear" vorkommen. Eine solche Gleichung hat also die Form<br />

a 1<br />

x 1<br />

+ ... + a n<br />

x n<br />

=<br />

und wir wissen schon, daß dies für den Fall n =<br />

b<br />

3 eine Ebene beschreibt (sofern nicht alle a j<br />

gleich<br />

0 sind). In höheren Dimensionen spricht man von Hyperebenen. Für n = 2 bekommt man<br />

allerdings eine Gerade, und für n = 1 sogar nur einen Punkt.<br />

Beispiel 1: Ein Dreiecksausschnitt der Ebene<br />

x 1<br />

+ x 2<br />

+ x 3<br />

= 1<br />

entsteht durch die Zusatzbedingung, dass alle Koordinaten x j<br />

zwischen 0 und 1 liegen. Im Bilde:<br />

<strong>Lineare</strong> <strong>Gleichungssysteme</strong><br />

bestehen aus mehreren linearen Gleichungen, haben also die Form<br />

a 1,<br />

1<br />

x 1<br />

+ ... + a 1,<br />

n<br />

x n<br />

= b 1<br />

: :<br />

: :<br />

a m,<br />

1<br />

x 1<br />

+ ... + a m,<br />

n<br />

x n<br />

= b m<br />

Hier macht sich nun die Matrizenschreibweise bezahlt. In dieser lautet das System kurz und<br />

bündig:<br />

A x = b.<br />

Dabei ist A = [ a j,<br />

k<br />

] eine Matrix aus K ( m x n )<br />

, b eine Spalte aus K m<br />

und x eine unbekannte Spalte aus<br />

K n<br />

. Wir haben schon erwähnt, daß die Lösungsmengen linearer Gleichungen genau die<br />

Hyperebenen sind. Daraus folgt sofort, daß die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems<br />

(also die Menge der simultanen Lösungen für alle beteiligten Gleichungen) ein Durchschnitt von<br />

Hyperebenen ist, und umgekehrt. Aber wie sehen solche Durchschnitte explizit aus?


Der Durchschnitt zweier Ebenen ist eine Gerade oder leer, und der Durchschnitt dreier Ebenen ist<br />

je nach Lage eine Gerade, ein Punkt oder leer.<br />

Beispiel 2: Schnitte von drei Ebenen<br />

Gerade<br />

Punkt<br />

leer<br />

Als "Lösungsräume" kommen also im dreidimensionalen Fall in Frage:<br />

die leere Menge,<br />

Punkte, Geraden, Ebenen<br />

und der ganze Raum.<br />

Gibt es vielleicht noch weitere Möglichkeiten? Wir werden sehen, daß das zumindest für n = 3<br />

nicht der Fall ist.


Affine Teilräume<br />

eines Vektorraums V sind entweder leer oder von der Form<br />

a + U = a + R u 1<br />

+ ... + R u k<br />

mit einem "Ortsvektor" a und "Richtungsvektoren" u 1<br />

,..., u k<br />

.<br />

Punkte, Geraden, Ebenen und der Gesamtraum sind also Beispiele affiner Teilräume. Ein affiner<br />

Teilraum ist nur dann ein Unterraum, wenn er den Nullvektor enthält!<br />

Aus einem konkreten Lösungsverfahren wird sich ergeben:<br />

Die affinen Teilräume sind genau<br />

(1) die Durchschnitte von Hyperebenen<br />

(2) die Lösungsmengen linearer <strong>Gleichungssysteme</strong><br />

(3) die Lösungsmengen von f(x) = b für lineare Abbildungen f und Vektoren b<br />

(4) die Teilmengen A , die mit a und b auch alle "Affinkombinationen"<br />

s a + t b mit s + t = 1 enthalten.<br />

Der Differenzraum<br />

zweier affiner Räume A und B besteht aus allen Differenzen a − b mit a aus A und b aus B.<br />

Er ist wieder ein affiner Teilraum, wie man mit Hilfe von (4) sofort nachprüft.<br />

Die Bildung von Differenzräumen erleichtert viele Rechnungen! Zum Beispiel ist der Abstand<br />

zwischen A und B definitionsgemäß der Abstand des Differenzraumes A − B vom Ursprung 0, den<br />

man im Falle einer Ebene mit der Hesseschen Normalform herausbekommt.<br />

Beispiel 3: Der Abstand zweier Geraden<br />

G = a + R u und H = b + R v<br />

ist der Abstand des Differenzraumes<br />

G − H = a − b + R u + R v<br />

vom Ursprung. Für<br />

a = ( 1, 0,<br />

0 ), b = ( 0, 1,<br />

0 ), u = ( 0, 1,<br />

0 ),<br />

v = ( 0, 0,<br />

1 )<br />

ergibt sich beispielsweise der Normalenvektor<br />

n = u x v = ( 1, 0,<br />

0)<br />

und die folgende Normalform für<br />

n x = n ( a − b ) = 1,<br />

also der Abstand<br />

d ( G,<br />

H ) = d ( G − H,<br />

0)<br />

= 1.<br />

G − H:


Das Eliminationsverfahren nach Gauß-Jordan<br />

Um ein konkret vorgegebenes lineares Gleichungssystem<br />

A x = b<br />

zu vereinfachen und schließlich zu lösen (oder seine Unlösbarkeit festzustellen), erlaubt man<br />

elementare Zeilenumformungen:<br />

(1) Zeilenvertauschungen,<br />

(2) Multiplikation einer Zeile mit einer von 0 verschiedenen Zahl,<br />

(3) Addition eines Vielfachen einer Zeile zu einer anderen.<br />

Der Zeilenraum<br />

einer Matrix ist der Unterraum, der von den Zeilen der Matrix erzeugt wird.<br />

Der Lösungsraum<br />

eines linearen Gleichungsystems Ax = b ist der affine Teilraum, der aus allen Lösungvektoren<br />

besteht.<br />

Bei elementaren Zeilenumformungen bleibt sowohl der Zeilenraum als auch der Lösungsraum<br />

unverändert (sofern man alle Umformungen nicht nur auf die Matrix A, sondern auch auf die rechte<br />

Seite b anwendet).<br />

Mit dem folgenden, nach den Mathematikern Gauß und Jordan benannten Verfahren erzeugt man<br />

so viele Nullen in der Matrix, daß die Lösung am Schluß "vom Himmel fällt". Dazu brauchen wir<br />

aber erst einmal<br />

Schritt 1: Regentropfen<br />

Mit Hilfe der Umformungen (1) und (2) bringt man eine 1 in die linke obere Ecke. Jetzt addiert<br />

man nach (3) Vielfache der ersten Zeile zu den darunterliegenden, so daß alle Elemente unter der<br />

ersten 1 zu 0 werden ("Regentropfen"). Falls die gesamte erste Spalte nur Nullen enthielt, geht man<br />

gleich zur zweiten Spalte über.<br />

Nun verfährt man mit der nächsten Spalte ebenso, indem man zunächst eine 1 an die zweitoberste<br />

Stelle bringt - oder, falls alle Elemente der zweiten Spalte außer dem obersten 0 sind, zur dritten<br />

Spalte übergeht:


Man setzt das Verfahren fort, bis eine "Zeilenstufenform" entstanden ist, bei der unterhalb der<br />

Stufen nur Nullen und an den Stufenabsätzen jeweils Einsen stehen.<br />

Schritt 2: Querschuß<br />

Man testet alle Nullzeilen daraufhin, ob auch die rechte Spalte in gleicher Höhe eine Null hat.<br />

Wenn nicht, ist man fertig: Das Gleichungssystem hat keine Lösung (warum?) Andernfalls kann<br />

man natürlich alle Nullzeilen weglassen, da sie keine Information liefern. Das Ergebnis ist eine<br />

Basis für der Zeilenraum der Matrix A.


Schritt 3: Luftblasen<br />

Nun erzeugt man mit dem gleichen Verfahren wie in Schritt 1, diesmal allerdings von unten nach<br />

oben, Nullen über den "Stufen-Einsen".<br />

Schritt 4: Einschub<br />

Jede fehlende Stufe wird durch Einschieben eines negativen Einheitsvektors ergänzt, so daß am<br />

Schluß eine vollständige Diagonaltreppe ensteht, auf der nur die Werte 1 und -1 stehen.<br />

Schritt 5: Streichresultat<br />

Man streicht alle Spalten mit einer positiven "Stufen-Eins".<br />

Der Lösungsraum ist dann gegeben durch die Spaltendarstellung<br />

L = R u 1<br />

+ ... + R u k<br />

+ c ,<br />

wobei u 1<br />

,..., u k<br />

diejenigen Spalten sind, bei denen das Diagonalelement gleich -1 ist, und c die<br />

zuletzt enstandene rechte Spalte bezeichnet.


Homogene lineare <strong>Gleichungssysteme</strong><br />

sind von der Form<br />

A x = 0<br />

und haben die Eigenschaft, dass der Lösungsraum L ein Unterraum des Spaltenraumes K m<br />

ist. In<br />

diesem Fall besteht der Zeilenraum genau aus denjenigen Vektoren, die auf allen Lösungsvektoren<br />

senkrecht stehen (also mit diesen das Skalarprodukt 0 haben). Allgemeiner definieren wir:<br />

Der Orthogonalraum<br />

eines Unterraums U des Spaltenraumes R m<br />

besteht aus allen Vektoren, die auf sämtlichen Vektoren<br />

aus U senkrecht stehen.<br />

Ist B = (b 1<br />

, ..., b n<br />

) eine geordnete Basis von U, so kann man sie als mxn-Matrix auffassen, und der<br />

Orthogonalraum zu U ist einfach der Lösungsraum des homogenen Gleichungssystems<br />

B T x = 0.<br />

Umgekehrt ist für jedes homogene Gleichungssystem A x =<br />

Orthogonalraum des Spaltenraumes von A T .<br />

0 der Lösungsraum der<br />

Beispiel 3: Basis eines Orthogonalraumes zur Raumdiagonalen<br />

Gesucht ist eine Basis des Orthogonalraumes zu der Geraden durch (1,1,1).<br />

⎡ x 1<br />

⎤<br />

[ 1 1 1]<br />

x 2<br />

=<br />

⎢<br />

⎣ x ⎦<br />

⎥<br />

0<br />

3<br />

Nur der vorletzte und letzte Schritt des Gauß-Jordan-Verfahrens ist hier noch zu vollziehen.


⎡1 1 1⎤<br />

0 -1 0<br />

⎢ ⎥<br />

⎣0 0 -1⎦<br />

⎡ 1⎤<br />

⎡<br />

L = R<br />

-1<br />

+ R<br />

⎢ ⎥ ⎢<br />

⎣ 0⎦<br />

⎣<br />

1⎤<br />

0<br />

⎥<br />

-1⎦<br />

Der Orthogonalraum hierzu wird von der Ausgangszeile (1,1,1) erzeugt. Das kann man durch<br />

nochmaliges Lösen eines Gleichungssystems bestätigen. Wir schreiben die Basisvektoren des<br />

Lösungsraumes L als Zeilen:<br />

⎡1 -1 0⎤<br />

A := ⎢ ⎥<br />

⎣1 0 -1⎦<br />

Regentropfen: Subtraktion der ersten von der zweiten Zeile liefert<br />

⎡1 -1 0⎤<br />

⎢ ⎥<br />

⎣0 1 -1⎦<br />

Luftblasen: Addition der zweiten Zeile zur ersten ergibt<br />

⎡1 0 -1⎤<br />

⎢ ⎥<br />

⎣0 1 -1⎦<br />

Einschub: Ergänzen durch den negativen dritten Einheitsvektor führt auf die quadratische Matrix ...<br />

⎡1 0 -1⎤<br />

0 1 -1<br />

⎢ ⎥<br />

⎣0 0 -1⎦<br />

... und deren letzte Spalte erzeugt den Lösungsraum von A x = 0.<br />

Das ist bis auf das Vorzeichen wieder der (transponierte) ursprüngliche Vektor.<br />

Ein ziemlich läppisches Beispiel; aber es demonstriert Schritt für Schritt das<br />

Gauß-Jordan-Verfahren.<br />

Beispiel 4: Symmetrische Durchlaufmatrizen<br />

Etwas anspruchsvoller sind die <strong>Gleichungssysteme</strong> A x =<br />

A = [ a jk<br />

] , wobei a jk<br />

= j + k − 1 .<br />

⎡1 2 3 4 5⎤<br />

2 3 4 5 6<br />

3 4 5 6 7<br />

4 5 6 7 8<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣5 6 7 8 9⎦<br />

b mit den quadratischen Matrizen<br />

Wir lassen die Regentropfen fallen, subtrahieren also Vielfache der ersten Zeile von den anderen<br />

Zeilen:


⎡1 2 3 4 5⎤<br />

0 -1 -2 -3 -4<br />

0 -2 -4 -6 -8<br />

0 -3 -6 -9 -12<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣0 -4 -8 -12 -16⎦<br />

Multiplikation der zweiten bis fünften Zeile mit -1:<br />

⎡1 2 3 4 5⎤<br />

0 1 2 3 4<br />

0 2 4 6 8<br />

0 3 6 9 12<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣0 4 8 12 16⎦<br />

Addition von negativen Vielfachen der zweiten Zeile zu den darunterliegenden ...<br />

⎡1 2 3 4 5⎤<br />

0 1 2 3 4<br />

0 0 0 0 0<br />

0 0 0 0 0<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣0 0 0 0 0⎦<br />

erzeugt eine Menge Nullzeilen. Wir lassen sie weg und erhalten eine Basis des Zeilenraumes:<br />

Bleibt noch ein Luftblasenschritt:<br />

Jetzt der Einschub:<br />

⎡1 2 3 4 5⎤<br />

B := ⎢<br />

⎥<br />

⎣0 1 2 3 4⎦<br />

⎡1 0 -1 -2 -3⎤<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣0 1 2 3 4⎦<br />

⎡1 0 -1 -2 -3⎤<br />

0 1 2 3 4<br />

0 0 -1 0 0<br />

0 0 0 -1 0<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣0 0 0 0 -1⎦<br />

Und schließlich führt Streichen der Spalten mit Diagonal-Einsen auf eine Basis des<br />

Lösungsraumes.<br />

Probe:<br />

⎡-1 -2 -3⎤<br />

2 3 4<br />

L :=<br />

-1 0 0<br />

0 -1 0<br />

⎢ ⎥<br />

⎣ 0 0 -1⎦<br />

B L =<br />

⎡ ⎣ ⎢ 0 0 0⎤<br />

⎥<br />

0 0 0⎦

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