Diskrete Strukturen - Institut für Algebra, Zahlentheorie und Diskrete ...
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<strong>Diskrete</strong> <strong>Strukturen</strong><br />
Marcel Erné<br />
Universität Hannover<br />
Fakultät <strong>für</strong> Mathematik <strong>und</strong> Physik<br />
Vorlesung<br />
<strong>für</strong><br />
Studierende der Bachelor-Studiengänge<br />
Mathematik <strong>und</strong> Angewandte Informatik<br />
Sommersemester 2006<br />
1. Relationen <strong>und</strong> Digraphen<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Relationen <strong>und</strong> Digraphen 3<br />
1.1 Mengen <strong>und</strong> Mengenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
1.2 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
1.3 Das Relationenprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.4 Diagramme <strong>und</strong> Inzidenzmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.5 Ordnungsrelationen <strong>und</strong> Digraphen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
1.6 Transitive Hülle <strong>und</strong> Nachbarschaftsrelation . . . . . . . . . . . . 13<br />
1.7 Wege <strong>und</strong> Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
1.8 Anhang: Operationen auf Relationen <strong>und</strong> Matrizen . . . . . . . . 22<br />
2
1 Relationen <strong>und</strong> Digraphen<br />
Bevor wir uns diesem wichtigsten Gr<strong>und</strong>konzept der diskreten Mathematik zuwenden,<br />
wollen wir ein paar Definitionen <strong>und</strong> Notationen rekapitulieren, die<br />
immer wieder gebraucht werden.<br />
1.1 Mengen <strong>und</strong> Mengenoperationen<br />
Was eine Menge ist, sagen wir nicht – diese Fragestellung gehört in den Bereich<br />
der Logik <strong>und</strong> axiomatischen Mengenlehre. Wir interpretieren Mengen als Gesamtheit<br />
gewisser Objekte, ihrer Elemente, <strong>und</strong> schreiben x ∈ X, falls x zu der<br />
Menge X gehört; anderenfalls schreiben wir x ∉ X. Die Menge, die genau aus<br />
den Elementen x 1 , ..., x n besteht, bezeichnen wir mit {x 1 , ..., x n }. Allgemeiner<br />
bedeutet {x | E(x)} die Menge aller Elemente x mit einer Eigenschaft E(x).<br />
Somit ist {x 1 , ..., x n } dasselbe wie die Menge {x | ∃ i ≤ n (x = x i )}. ∃ steht <strong>für</strong><br />
den Existenzquantor (“es gibt ...”) <strong>und</strong> ∀ <strong>für</strong> den Allquantor (“<strong>für</strong> alle ...”).<br />
Einige Mengen erhalten festgewählte Symbole. So meinen wir mit<br />
N die Menge der natürlichen Zahlen 1, 2, 3, ... ausschließlich 0<br />
N 0 die Menge der natürlichen Zahlen 0, 1, 2, ... einschließlich 0<br />
Z die Menge der ganzen Zahlen 0, ±1, ±2, ±3, ...<br />
P die Menge der Primzahlen 2, 3, 5, 7, ...<br />
Q die Menge der rationalen Zahlen (Brüche) z n<br />
(z ∈ Z, n ∈ N)<br />
R die Menge der reellen Zahlen.<br />
Mit n bezeichnen wir die Menge {1, 2, ..., n} der ersten n natürlichen Zahlen.<br />
Speziell ist 0 = ∅ die leere Menge, die kein Element enthält.<br />
Aus gegebenen Mengen kann man mit einigen wohlbekannten Konstruktionen<br />
neue bauen. So ist <strong>für</strong> zwei Mengen X <strong>und</strong> Y<br />
X ∪ Y = {x | x ∈ X oder x ∈ Y } ihre Vereinigung,<br />
X ∩ Y = {x | x ∈ X <strong>und</strong> x ∈ Y } ihr Durchschnitt,<br />
X \ Y = {x | x ∈ X <strong>und</strong> x ∉ Y } ihre Differenz,<br />
X △ Y = (X \ Y ) ∪ (Y \ X) ihre symmetrische Differenz.<br />
Wir schreiben Y ⊆ X, falls Y eine Teilmenge von X ist (also jedes Element von<br />
Y auch zu X gehört). Hingegen bedeutet Y ⊂ X, daß Y eine echte Teilmenge<br />
von X ist, also Y ⊆ X <strong>und</strong> X ≠ Y gilt. Die Potenzmenge besteht aus allen<br />
Teilmengen von X:<br />
PX = {Y | Y ⊆ X}.<br />
Eine Teilmenge M von PX wird Mengensystem auf X genannt. Man setzt in<br />
Verallgemeinerung der obigen Definitionen<br />
⋃ M = {x | ∃ Y ∈ M (x ∈ Y )} (Vereinigung von M)<br />
⋂ M = {x | ∀ Y ∈ M (x ∈ Y )} (Durchschnitt von M)<br />
3
1.2 Relationen<br />
Das kartesische Produkt zweier Mengen X <strong>und</strong> Y ist die Menge<br />
X × Y = {(x, y) | x ∈ X, y ∈ Y }<br />
aller geordneten Paare (x, y), deren erste Komponente zu X <strong>und</strong> deren zweite<br />
zu Y gehört. Dabei muß man (x, y) sorgfältig von der Paarmenge {x, y} unterscheiden:<br />
es ist<br />
{x, y} = {y, x}, aber<br />
(x, y) ≠ (y, x), falls x ≠ y.<br />
Zwei geordnete Paare (x, y) <strong>und</strong> (x ′ , y ′ ) sind genau dann gleich, wenn x = x ′<br />
<strong>und</strong> y = y ′ gilt.<br />
(Um eine hieb- <strong>und</strong> stichfeste Definition geordneter Paare zu haben, kann man (x, y) :=<br />
{{x}, {x, y}} setzen; aber diese etwas bizarre Festlegung werden wir nie brauchen.)<br />
Allgemeiner hat man n-fache kartesische Produkte<br />
X 1 × ... × X n = {(x 1 , ..., x n ) | x i ∈ X i (i ≤ n)}<br />
<strong>und</strong> benutzt im Falle lauter gleicher “Faktoren” X = X 1 = ... = X n die Potenzschreibweise<br />
X n = {(x 1 , ..., x n ) | x i ∈ X (i ≤ n)}.<br />
Im Falle X = R ergibt sich so die Darstellung der Punkte des n-dimensionalen<br />
Raumes R n mit Hilfe kartesischer Koordinaten (nach Descartes) – daher der<br />
Name “kartesisches Produkt”.<br />
Anschaulich ist eine Relation ein Beziehung zwischen gewissen Objekten. Da<br />
der Begriff “Beziehung” aber mengentheoretisch nicht faßbar ist, reduziert der<br />
Mathematiker diesen Begriff auf die Gesamtheit aller Paare, die in der jeweiligen<br />
Relation stehen, <strong>und</strong> versteht deshalb unter einer (binären) Relation einfach eine<br />
Menge R von geordneten Paaren. Im Falle R ⊆ X × Y spricht man von einer<br />
Relation zwischen X <strong>und</strong> Y , <strong>und</strong> im Spezialfall R ⊆ X ×X von einer Relation<br />
auf X. Jede Relation R kann als Relation auf einer (nicht eindeutigen) Menge<br />
aufgefaßt werden. Die kleinste solche Menge ist<br />
X = {x | ∃ y ((x, y) ∈ R oder (y, x) ∈ R)}.<br />
Statt (x, y) ∈ R schreibt man einfacher <strong>und</strong> suggestiver xR y <strong>und</strong> meint damit<br />
“x steht in Relation zu y”; entsprechend bedeutet x |R y das Gegenteil (x, y) ∉ R.<br />
Zu jeder Relation R auf X haben wir somit die komplementäre Relation<br />
R c = {(x, y) ∈ X × X | x |R y},<br />
nicht zu verwechseln mit der dualen oder konversen Relation<br />
R d = {(x, y) ∈ X × X | yR x}.<br />
Wegen der Gleichungen R cc = R, R dd = R <strong>und</strong> R cd = R dc gilt<br />
Satz 1.1 Die Operationen c , d <strong>und</strong> cd bilden zusammen mit der Identität (die<br />
nichts verändert) eine vierelementige Gruppe von selbstinversen Abbildungen<br />
auf der Menge RX = P(X ×X) aller Relationen auf X.<br />
4
1.3 Das Relationenprodukt<br />
Sind mehrere Relationen R 1 , ..., R n gegeben (die auch übereinstimmen dürfen),<br />
so schreibt man vereinfachend<br />
x 0 R 1 x 1 R 2 ... x n−1 R n x n statt x 0 R 1 x 1 <strong>und</strong> x 1 R 2 x 2 <strong>und</strong> ... x n−1 R n x n .<br />
Diese Konvention ist uns durchaus geläufig, wenn es sich z.B. um die Relation ≤<br />
(kleiner oder gleich) auf reellen Zahlen handelt, wo häufig Ungleichungsketten<br />
der folgenden Form vorkommen:<br />
x 0 ≤ x 1 ≤ ... ≤ x n .<br />
Für je zwei Relationen R <strong>und</strong> S ist deren Produkt definiert durch<br />
RS = {(x, z) | ∃ y (xR y <strong>und</strong> yS z)}.<br />
Statt RS schreiben wir auch S ◦ R, wobei man die Reihenfolge zu beachten<br />
hat, denn im allgemeinen ist RS von SR verschieden! Dies verallgemeinert die<br />
Verknüpfung G ◦ F zweier Funktionen<br />
F : X −→ Y <strong>und</strong> G : Y −→ Z ,<br />
bei denen es sich ja um spezielle Relationen handelt: Eine Abbildung oder Funktion<br />
zwischen X <strong>und</strong> Y ist eine Relation F ⊆ X × Y , so daß es zu jedem<br />
x ∈ X genau ein y ∈ Y mit xF y gibt; dieses y wird dann landläufig mit F (x)<br />
bezeichnet. Definitionsgemäß gilt demnach<br />
(G ◦ F )(x) = G(F (x)) (erst F , dann G anwenden).<br />
Eine Abbildung F : X −→ Y heißt bekanntlich<br />
injektiv, falls zu jedem y ∈ Y höchstens ein x ∈ X mit y = F (x) existiert,<br />
surjektiv, falls zu jedem y ∈ Y mindestens ein x ∈ X mit y = F (x) existiert,<br />
bijektiv, falls zu jedem y ∈ Y genau ein x ∈ X mit y = F (x) existiert.<br />
(Anmerkung. Der Konvention mancher Autoren, R ◦ S statt RS zu schreiben, wollen<br />
wir nicht folgen, da dies zu heillosem Durcheinander führt, sobald man mit Funktionen<br />
arbeitet. Auch die in manchen Büchern auftauchende Behauptung, das Relationenprodukt<br />
sei nicht immer definiert, ist falsch <strong>und</strong> stiftet unnötige Verwirrung.)<br />
Das Relationenprodukt ist zwar nicht kommutativ, aber stets assoziativ:<br />
R(ST ) = (RS)T .<br />
Denn es gilt<br />
x R(ST ) w ⇔ ∃ y (xR y ST w) ⇔ ∃ y∃ z (xR y S z T w) ⇔ ... x (RS)T w.<br />
Die Diagonale, Identität oder Gleichheitsrelation<br />
∆ X = id X = 1 X = {(x, x) | x ∈ X} = {(x, y) ∈ X ×X |x = y}<br />
agiert als neutrales Element: Für jede Relation R auf X gilt<br />
1 X R = R 1 X = R.<br />
Zusammenfassend haben wir damit:<br />
5
Satz 1.2 Die Relationen auf einer Menge X bilden zusammen mit dem Relationenprodukt<br />
ein Monoid RX, d.h. eine Menge mit einer assoziativen Verknüpfung<br />
<strong>und</strong> einem neutralen Element 1 X .<br />
Außerdem können wir natürlich Vereinigung <strong>und</strong> Durchschnitt von Relationen<br />
bilden. Wir stellen eine Liste von nützlichen Rechenregeln zusammen.<br />
Satz 1.3 Für beliebige Relationen R, S, T gelten die Distributivgesetze:<br />
(R ∪ S)T = RT ∪ ST, T (R ∪ S) = T R ∪ T S ,<br />
(R ∩ S)T ⊆ RT ∩ ST, T (R ∩ S) ⊆ T R ∩ T S ,<br />
aber in den letzten beiden Fällen kann die Inklusion echt sein!<br />
Die Operatoren c <strong>und</strong> d erfüllen folgende Gleichungen:<br />
(R ∪ S) c = R c ∩ S c , (R ∩ S) c = R c ∪ S c ,<br />
(R ∪ S) d = R d ∪ S d , (R ∩ S) d = R d ∩ S d ,<br />
(RS) d = S d R d .<br />
Entsprechendes gilt <strong>für</strong> unendliche Vereinigungen <strong>und</strong> Durchschnitte.<br />
Beweis als Übung!<br />
Wie in jeder Halbgruppe definiert man induktiv Potenzen von Relationen auf<br />
einer Menge X:<br />
R 0 := 1 X , R n+1 := R n R.<br />
Vorsicht: Man muß die Potenzen bezüglich des Relationenprodukts sorgfältig von kartesischen<br />
Potenzen unterscheiden; deshalb schreibt man <strong>für</strong> letztere auch n X statt X n .<br />
Wegen des Assoziativgesetzes darf man bei Relationenprodukten mit mehreren<br />
Faktoren Klammern weglassen. Die Relation R 1 R 2 ...R n besteht anschaulich<br />
aus allen Paaren (x, y), <strong>für</strong> die ein “Weg” (x 0 , x 1 , ..., x n ) existiert mit<br />
x = x 0 R 1 x 1 R 2 ... x n−1 R n x n = y.<br />
Im Spezialfall einer einzigen Relation R = R 1 ... = R n spricht man von R-Wegen.<br />
Der Ausdruck xR n y bedeutet also, daß es einen R-Weg von x nach y gibt.<br />
Die diskrete Mathematik befaßt sich vorrangig mit endlichen <strong>Strukturen</strong>. Gibt<br />
es zu einer Menge X eine natürliche Zahl m <strong>und</strong> eine bijektive Abbildung<br />
f : m −→ X,<br />
so ist X eine endliche Menge <strong>und</strong> m ihre Mächtigkeit oder Kardinalität, bezeichnet<br />
mit |X|; anschaulich ist das die Anzahl der Elemente von X. Man schreibt<br />
dann f i oder x i statt f(i) <strong>und</strong> bekommt damit die Darstellung X = {x 1 , ..., x m }.<br />
Ein n-Tupel x = (x 1 , ..., x n ) ist übrigens nichts anderes als eine Abbildung x von<br />
n in eine Menge, wobei x i = x(i) gesetzt wird. Diese Sichtweise ist sowohl <strong>für</strong><br />
strukturelle Untersuchungen als auch <strong>für</strong> kombinatorische Überlegungen (insbesondere<br />
Abzählungen) häufig von Nutzen. Zum Beispiel gilt<br />
|X n | = |X| n <strong>und</strong> |PX| = 2 |X| .<br />
Beides beweist man durch Induktion nach n.<br />
6
1.4 Diagramme <strong>und</strong> Inzidenzmatrizen<br />
Für Relationen auf einer endlichen Menge X = {x 1 , ..., x m } hat man zwei wichtige<br />
Darstellungsmöglichkeiten: Die eine, mittels Diagrammen, dient der Veranschaulichung<br />
<strong>und</strong> Intuition. Die andere, mittels Inzidenzmatrizen, ist von gr<strong>und</strong>legender<br />
Bedeutung bei der Implementierung im Computer.<br />
In einem (Pfeil-)Diagramm einer Relation R auf X = {x 1 , ..., x m } wählt man<br />
<strong>für</strong> die m Elemente x 1 , ..., x m ebensoviele Punkte der Ebene <strong>und</strong> zeichnet einen<br />
Pfeil von dem Punkt, der x i entspricht, zu dem Punkt, der x j entspricht, falls<br />
x i R x j gilt. Die Inzidenzmatrix D R der Relation R (auch Darstellungsmatrix<br />
oder Adjazenzmatrix genannt) ist diejenige quadratische m×m-Matrix, bei der<br />
in der i-ten Zeile <strong>und</strong> j-ten Spalte eine 1 steht, falls x i R x j gilt, <strong>und</strong> sonst<br />
eine 0. Entsprechend kann man auch nichtquadratische Inzidenzmatrizen <strong>für</strong><br />
Relationen zwischen zwei verschiedenen endlichen Mengen X <strong>und</strong> Y definieren.<br />
Die Darstellungsmatrix D R hängt natürlich nicht nur von der Relation R, sondern<br />
auch von der gewählten Bijektion zwischen m <strong>und</strong> X, d.h. von der Nummerierung der<br />
Elemente, ab. Je zwei Darstellungsmatrizen unterscheiden sich durch eine Transformation<br />
mit einer Permutationsmatrix P , bei der in jeder Zeile <strong>und</strong> jeder Spalte genau<br />
eine 1 steht (<strong>und</strong> sonst Nullen). Pfeildiagramme einer Relation sind sogar beliebig<br />
vieldeutig, da ja schon die Wahl der darstellenden Punkte in der Ebene willkürlich ist.<br />
Beispiel 1.4 Die Teilbarkeitsrelation auf der Menge 12 hat dies Pfeildiagramm:<br />
❦✛<br />
12❦<br />
✐<br />
11 ❦1<br />
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✻❅■<br />
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✛ ✔<br />
✄ ❍<br />
10❦<br />
❈❅❘❆<br />
✧<br />
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❆❅<br />
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2 ❈ ❆<br />
❦<br />
✧<br />
✧✙ ✔<br />
✑<br />
❅<br />
❅■ ❆<br />
✄ ❈<br />
✁<br />
❆❯<br />
✛<br />
❅ ✑<br />
✑✔<br />
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✁<br />
❅<br />
❦9<br />
❆<br />
❅ ❈ 3 ❦<br />
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✑<br />
✔<br />
✠<br />
✄<br />
✁❆<br />
✑ ❅ ❈❲ ❄<br />
✑✰ ✔ ✄<br />
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✛<br />
❆<br />
8 ❦ ❅<br />
✔☛ ✄<br />
✁<br />
4<br />
❄<br />
❦<br />
❅<br />
7 ❦ ✄✎ ✁☛ ✠ ❦5<br />
6 ❦<br />
Die Inzidenzmatrix zur natürlichen Nummerierung sieht so aus:<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1<br />
2 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1<br />
3 0 0 1 0 0 1 0 0 1 0 0 1<br />
4 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1<br />
5 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0<br />
6 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1<br />
7 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0<br />
8 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0<br />
9 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0<br />
10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0<br />
11 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0<br />
12 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1<br />
7
Darstellungsmatrizen sind sehr gut geeignet, um verschiedene Operationen<br />
auf Relationen auszuführen (auch mit dem Computer). Offensichtlich gilt <strong>für</strong><br />
jede Relation R ⊆ X × Y = {x 1 , ..., x m } × {y 1 , ..., y n }:<br />
D R c<br />
D R d<br />
= 1 mn − D R , wobei alle Koeffizienten der Matrix 1 mn gleich 1 sind,<br />
= (D R ) t , wobei generell A t die Transponierte der Matrix A bedeutet.<br />
Besonders hilfreich sind Darstellungsmatrizen bei der Berechnung von Produkten<br />
<strong>und</strong> Potenzen. Wir setzen <strong>für</strong> beliebige Zahlen a <strong>und</strong> Matrizen A = (a ij ):<br />
s(a) = 0, falls a ≤ 0, <strong>und</strong> s(a) = 1, falls a > 0, sowie<br />
s(A) = (s(a ij )).<br />
Nun definieren wir ein “reduziertes Matrizenprodukt” durch<br />
A ⊙ B = s(AB), wobei AB das gewöhnliche Matrizenprodukt ist.<br />
Satz 1.5 Für endliche Mengen X, Y, Z sowie beliebige Relationen R ⊆ X ×Y<br />
<strong>und</strong> S ⊆ Y ×Z ist die Darstellungsmatrix des Relationenprodukts das reduzierte<br />
Produkt der einzelnen Darstellungsmatrizen:<br />
D RS = D R ⊙ D S .<br />
Insbesondere gilt im Falle X = Y <strong>für</strong> alle natürlichen Zahlen l:<br />
D R l = s(D R l ).<br />
Genauer gibt der Koeffizient d (l)<br />
l<br />
ij in der i-ten Zeile <strong>und</strong> j-ten Spalte von D R<br />
die Anzahl der R-Wege der Länge l von x i nach x j an.<br />
Beweis. Es sei X = {x 1 , ..., x m }, Y = {y 1 , ..., y n } <strong>und</strong> Z = {z 1 , ..., z p }. Dann<br />
gilt <strong>für</strong> R ⊆ X×Y , S ⊆ Y ×Z <strong>und</strong> das Produkt RS ⊆ X×Z mit den zugehörigen<br />
Darstellungsmatrizen D R = (d R ij ), D S = (d S jk ) <strong>und</strong> D RS = (d RS<br />
ik ):<br />
d RS<br />
ik = 1 ⇔ x i RS z k ⇔ ∃ j (x i R y j S z k ) ⇔ ∃ j (dij R = dS jk = 1)<br />
⇔ ∑ n<br />
j=1 dR ij dS jk ≠ 0 ⇔ s(∑ n<br />
j=1 dR ij dS jk ) = 1.<br />
Dies ist aber gerade der entsprechende Koeffizient in der Matrix D R ⊙ D S .<br />
Nehmen wir nun an, wir hätten <strong>für</strong> alle i <strong>und</strong> j schon gezeigt, daß d (l)<br />
ij die<br />
Anzahl der R-Wege der Länge l von x i nach x j angibt. Ist x i0 R x i1 R ....R x il<br />
ein beliebiger Weg der Länge l mit Start x i = x i0 <strong>und</strong> Ziel x il = x j , so kann<br />
dieser genau dann zu einem Weg x i0 R x i1 R ....R x j R x k der Länge l + 1 von x i<br />
nach x k verlängert werden, wenn d jk = 1 gilt. Die Summe<br />
d l+1<br />
ik<br />
= ∑ n<br />
j=1 d (l)<br />
ij d jk<br />
ist also die Anzahl der R-Wege der Länge l + 1 von x i nach x k , <strong>und</strong> der Induktionschluss<br />
von l auf l + 1 ist vollzogen.<br />
□<br />
In völlig analoger Weise zeigt man, daß die Anzahl der Wege<br />
x i = x i0 R 1 x i1 R 2 ...R l x il = x j<br />
der Länge l von x i nach x j durch den Koeffizienten in der i-ten Zeile <strong>und</strong> j-ten<br />
Spalte der Produktmatrix D R1 ...D Rl gegeben ist.<br />
8
1.5 Ordnungsrelationen <strong>und</strong> Digraphen<br />
Nicht nur in mathematischen Zusammenhängen, sondern auch in fast allen Bereichen<br />
des täglichen Lebens spielen Ordnungsrelationen eine zentrale Rolle.<br />
Die wichtigste Eigenschaft solcher Relationen ist die Transitivität, die besagt,<br />
daß man “weiterschließen” kann: steht x in Relation zu y <strong>und</strong> y in Relation<br />
zu z, so steht auch x in Relation zu z. (Nicht alle Relationen haben diese Eigenschaft:<br />
z.B. folgt aus x ≠ y <strong>und</strong> y ≠ z nicht x ≠ z!) Daneben sind einige<br />
weitere relationentheoretische Eigenschaften von Interesse, die wir im Folgenden<br />
zusammenstellen wollen. Wir sagen, eine Relation R auf X sei<br />
• reflexiv, falls stets xR x gilt,<br />
• irreflexiv, falls nie xR x gilt,<br />
• transitiv, falls aus xR y <strong>und</strong> yR z stets xR z folgt,<br />
• symmetrisch, falls aus xR y stets yR x folgt,<br />
• antisymmetrisch, falls xR y <strong>und</strong> yR x nur <strong>für</strong> x = y möglich ist,<br />
• total, falls xR y oder yR x <strong>für</strong> beliebige x, y ∈ X gilt.<br />
Alle diese Eigenschaften lassen sich mit Hilfe der Operatoren c <strong>und</strong> d sowie<br />
des Relationenprodukts sehr einfach “elementfrei” beschreiben:<br />
Satz 1.6 Für eine Relation R auf X <strong>und</strong> R 0 = id X gilt:<br />
R ist reflexiv ⇔ R 0 ⊆ R<br />
R ist irreflexiv ⇔ R 0 ⊆ R c<br />
R ist transitiv ⇔ R 2 ⊆ R<br />
R ist symmetrisch ⇔ R d ⊆ R<br />
R ist antisymmetrisch ⇔ R d ⊆ R c ∪ R 0<br />
R ist total ⇔ R c ⊆ R d<br />
Man nennt eine Relation R auf X<br />
• Quasiordnung, falls R reflexiv <strong>und</strong> transitiv ist,<br />
• Äquivalenzrelation, falls R reflexiv, transitiv <strong>und</strong> symmetrisch ist,<br />
• (Halb-)Ordnung, falls R reflexiv, transitiv <strong>und</strong> antisymmetrisch ist,<br />
• lineare Ordnung, falls R eine totale Ordnung ist.<br />
Ein Digraph ist Paar (X, R), bestehend aus einer Menge X (von Knoten oder<br />
Ecken) <strong>und</strong> einer beliebigen Relation R auf X (der Inzidenzrelation); die auf<br />
der Diagonale liegenden Paare (x, x)∈R nennen wir Schleifen. Das Paar (X, R)<br />
heißt quasi-, halb- oder linear geordnete Menge, je nachdem, ob R eine Quasi-,<br />
Halb- oder lineare Ordnung ist. Nichtleere linear geordnete Mengen heißen auch<br />
Ketten. Ein (ungerichteter) Graph hat eine symmetrische Inzidenzrelation; die<br />
Paare (x, y) ∈ R, oder vereinfachend die entsprechenden Zweiermengen {x, y},<br />
heißen in diesem Fall Kanten; von einem schlichten oder schleifenlosen Graphen<br />
spricht man, wenn seine Relation irreflexiv <strong>und</strong> symmetrisch ist.<br />
9
Außer der offensichtlichen Tatsache, daß totale Relationen stets reflexiv sind,<br />
bestehen keinerlei Implikationen zwischen den zuvor eingeführten sechs Eigenschaften.<br />
Wir wollen das anhand eines mit Beispielen angereicherten Implikationsdiagramms<br />
belegen. Schleifen deuten wir durch schwarz ausgefüllte Kreise<br />
an.<br />
Beispiele 1.7 Eigenschaften von Relationen<br />
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❅<br />
❞ <br />
lineare<br />
Allrelation<br />
✁☛ ✁✕ ✲✛ ❆❑ ❆❯ ❞ ❞ relation<br />
Gleichheits-<br />
Ordnung ✁✕ ✲❆❯<br />
<br />
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❞<br />
Ordnung<br />
Äquivalenzrelation<br />
❞<br />
✛✁✕ ❆❯ <br />
✲✛✁✕ ❆❑ ❞ ✁✕ ✲❆❯<br />
❞ ✁✕ ❆❑ <br />
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❛ ❛❛ ❳ ✦<br />
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❛❛ ✦<br />
<br />
✦ <br />
✦✦✦✦ ❳ ❛❛❛❛<br />
❳❳<br />
✦❳<br />
❞<br />
✦✦✦✦ ❛<br />
❛❛ ◗<br />
❛❛❛<br />
✦<br />
❞<br />
✦✦✦✦ ✘✘<br />
❞<br />
✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘<br />
✲✛ ❞<br />
❛❛❛❛ ◗<br />
✦<br />
total<br />
Quasiordnung<br />
◗ ◗ ✦<br />
❞<br />
✦✦✦✦<br />
✲✛✁✕<br />
❞ ✲✛✁✕ ❞ ✁✕ ❆❯ ❞ ✁☛ ✁✕ ❆❑ ❆❯ ❞ ✲✛✁✕ ❆❑ ❞<br />
❛❛<br />
✦<br />
reflexiv irreflexiv ❛ ❛❛❛<br />
❅antisymm.<br />
<br />
❅ ✦ ❞<br />
✦✦✦✦ symm. transitiv<br />
✲✛✁✕ ❞<br />
Relation<br />
In jedem Quadrat ist das Pfeildiagramm einer Relation skizziert, die alle auf<br />
absteigenden Linien erreichbaren Eigenschaften inklusive der zum jeweiligen<br />
Quadrat gehörigen besitzt, aber keine der übrigen in dem Gesamtdiagramm<br />
vorkommenden Eigenschaften.<br />
Beispiele 1.8 (1) Auf jedem System von Mengen ist die Teilmengenrelation ⊆<br />
eine Ordnung, aber meist nicht linear (d.h. total). Im Prinzip kann man alle<br />
Ordnungen R mit Hilfe von ⊆ beschreiben: Mit<br />
Ry = {x|xR y}<br />
gilt nämlich:<br />
xR y ⇔ Rx ⊆ Ry.<br />
10
(2) Die Relation ≤ auf der Menge R der reellen Zahlen oder einer beliebigen<br />
Teilmenge, z.B. N, Z oder Q ist eine lineare Ordnung. Die Relation < (“echt<br />
kleiner”) ist transitiv <strong>und</strong> irreflexiv, also keine Ordnung. Solche Relationen nennt<br />
man strikte Ordnungen.<br />
(3) Auf einer endlichen Menge gibt es genauso viele lineare Ordnungen wie<br />
Permutationen: Ist X = {x 1 , ..., x m } <strong>und</strong> σ eine Permutation von m, so wird<br />
durch<br />
x i ≤ σ x j<br />
⇔ σ(i) ≤ σ(j)<br />
eine lineare Ordnung definiert, <strong>und</strong> jede lineare Ordnung entsteht auf diese Weise<br />
aus genau einer Permutation (Beweis durch Induktion).<br />
(4) Auf der Menge der ganzen Zahlen ist die Teilbarkeitsrelation | eine Quasiordnung,<br />
aber keine Ordnung: Die Antisymmetrie ist wegen z | −z <strong>und</strong> −z | z<br />
verletzt. Hingegen ist die Teilbarkeitsrelation auf jeder Menge von natürlichen<br />
Zahlen eine Ordnung.<br />
(5) Für eine beliebige Abbildung f : X −→ Y wird durch<br />
x ∼ f y ⇔ f(x) = f(y)<br />
eine Äquivalenzrelation definiert.<br />
Daß man auf diese Weise alle Äquivalenzrelationen erhält, zeigt der folgende<br />
Satz 1.9 Für jede Äquivalenzrelation S auf X ist die Menge der Äquivalenzklassen<br />
xS = {y|xS y} eine Partition von X (d.h. eine Zerlegung in paarweise<br />
disjunkte nichtleere Teilmengen von X). Umgekehrt entsteht jede Partition Z auf<br />
diese Weise aus genau einer Äquivalenzrelation: Die “kanonische Surjektion”<br />
f : X −→ Z mit f(x) = Z, falls x in Z liegt, induziert eine Äquivalenzrelation<br />
∼ f , deren Klassen genau die ursprüngliche Partition bilden.<br />
Der Beweis dieses <strong>und</strong> des nächsten Satzes ist eine Übungsaufgabe.<br />
Satz 1.10 Für eine beliebige Quasiordnung Q ist Q ∩ Q d eine Äquivalenzrelation.<br />
Jede Quasiordnung entsteht auf genau eine Weise aus einer Äquivalenzrelation<br />
S <strong>und</strong> einer Ordnung R auf der zugehörigen Partition, indem man diese<br />
durch Q = {(x, y)|(xS, yS) ∈ R} festlegt. Man kann also jede Quasiordnung auf<br />
eindeutige Weise aus einer Äquivalenzrelation <strong>und</strong> einer Ordnung zusammensetzen.<br />
Ordnungen bezeichnet man häufig statt mit Buchstaben mit dem suggestiveren<br />
Symbol ≤, darf dies aber natürlich nicht mit der üblichen “kleiner-odergleich”-Relation<br />
auf den reellen Zahlen durcheinander bringen. Um Verwechslungen<br />
auszuschließen, bietet sich das neutrale Symbol ⊑ an. Man schreibt<br />
x < y <strong>für</strong> x ≤ y ≠ x, x ≥ y <strong>für</strong> y ≤ x, <strong>und</strong> x > y <strong>für</strong> y < x, bzw.<br />
x ⊏ y <strong>für</strong> x ⊏ y ≠ x, x ⊒ y <strong>für</strong> y ⊑ x, <strong>und</strong> x ⊐ y <strong>für</strong> y ⊏ x.<br />
Betrachtet man auf einer Menge simultan mehrere Ordnungen, so sollte man <strong>für</strong><br />
diese tunlichst unterschiedliche Symbole verwenden. Für Äquivalenzrelationen<br />
ist das Symbol ∼ gebräuchlich.<br />
11
Statt Ordnungen betrachtet man häufig auch sogenannte strikte Ordnungen;<br />
das sind irreflexive <strong>und</strong> transitive (<strong>und</strong> folglich auch antisymmetrische) Relationen.<br />
Der Übergang von Ordnungen zu strikten Ordnungen <strong>und</strong> umgekehrt<br />
geschieht einfach durch den Wechsel zwischen ≤ <strong>und</strong>
1.6 Transitive Hülle <strong>und</strong> Nachbarschaftsrelation<br />
Aus einer gegebenen Relation R kann man durch einfache Konstruktionen neue<br />
Relationen mit erwünschten Eigenschaften gewinnen, so zum Beispiel<br />
R = = R ∪ R 0 , die reflexive Hülle<br />
R≠ = R \ R 0 , den irreflexiven Kern<br />
R → = ⋃ {R n : n ∈ N}, die transitive Hülle<br />
R ∧ = ⋃ {R n : n ∈ N 0 } = R 0 ∪ R → , die reflexiv-transitive Hülle<br />
R s<br />
= R ∪ R d , die symmetrische Hülle oder Vergleichbarkeitsrelation<br />
R s<br />
= R ∩ R d , den symmetrischen Kern oder die Symmetrisierung.<br />
Diese Namensgebungen werden motiviert durch den folgenden<br />
Satz 1.12 Für eine beliebige Relation R auf X gilt:<br />
(1) Die reflexive Hülle ist die kleinste R umfassende reflexive Relation.<br />
(2) Der irreflexive Kern ist die größte in R enthaltene irreflexive Relation.<br />
(3) Die transitive Hülle ist die kleinste R umfassende transitive Relation.<br />
(4) Die reflexiv-transitive Hülle ist die kleinste R umfassende Quasiordnung.<br />
(5) Die symmetrische Hülle ist die kleinste symmetrische Relation S ⊇ R.<br />
(6) Der symmetrische Kern ist die größte symmetrische Relation S ⊆ R.<br />
(7) Die Relation R s∧ ist die kleinste R umfassende Äquivalenrelation.<br />
Beweis: (1) <strong>und</strong> (2) sind offensichtlich <strong>und</strong> leicht zu begründen: man nimmt<br />
einfach alle Schleifen hinzu bzw. weg.<br />
(3) R → ist transitiv: Aufgr<strong>und</strong> des Distributivgesetzes (vgl. Satz 1.3) gilt<br />
(R → ) 2 = ( ⋃ {R n : n ∈ N}) 2 = ⋃ {R m+n : m, n ∈ N} ⊆ ⋃ {R n : n ∈ N} = R → .<br />
Ist T eine beliebige transitive Relation mit R⊆T , so ergibt sich induktiv R n ⊆T ,<br />
da aus R n ⊆ T auch R n+1 = R n R ⊆ T T ⊆ T folgt. Daher ist auch die transitive<br />
Hülle R → = ⋃ {R n : n ∈ N} in T enthalten.<br />
(4) Aus (3) folgt: (R ∧ ) 2 = (R 0 ∪R → ) 2 = R 0 ∪R → ∪(R → ) 2 ⊆ R 0 ∪R → = R ∧ . Ist<br />
Q eine beliebige Quasiordnung mit R ⊆ Q, so schließen wir R ∧ = R 0 ∪R → ⊆ Q.<br />
(5) Wegen (R s ) d = (R∪R d ) d = R d ∪R dd = R d ∪R = R s ist R s symmetrisch. Für<br />
beliebige symmetrische Relationen S ⊇ R ergibt sich R s = R∪R d ⊆ S ∪S d = S.<br />
(6) beweist man analog.<br />
(7) Wir zeigen zuerst: Ist S symmetrisch, so auch S → <strong>und</strong> folglich S ∧ :<br />
(S → ) d = ( ⋃ {S n |n ∈ N}) d = ⋃ {(S n ) d |n ∈ N} = ⋃ {S n |n ∈ N} = S → .<br />
Nach (5) ist S = R s symmetrisch, <strong>und</strong> nach (4) ist Q = S ∧ eine Quasiordnung;<br />
nach dem zuvor Gezeigten ist sie auch symmetrisch. Für jede Äquivalenzrelation<br />
S mit R ⊆ S folgt R s ⊆ S s = S <strong>und</strong> daraus R s∧ ⊆ S ∧ = S.<br />
□<br />
13
Im Prinzip muß man zur Berechnung der (reflexiv-)transitiven Hülle beliebig<br />
hohe Potenzen der Relation berechnen. Im Falle einer endlichen Gr<strong>und</strong>menge<br />
X = {x 1 , ..., x m } genügt es allerdings, bis zur (m−1)-ten Potenz zu gehen:<br />
Satz 1.13 Die reflexiv-transitive Hülle einer Relation R auf X ={x 1 , ..., x m } ist<br />
R ∧ = R 0 ∪ R ∪ R 2 ∪ ... ∪ R n = (id X ∪ R) n <strong>für</strong> alle n ≥ m−1.<br />
Ihre Darstellungsmatrix ist daher gleich s((E + D R ) n ) <strong>für</strong> jedes n ≥ m−1.<br />
Beweis: Es reicht zu zeigen, daß zu (x, y) ∈ R n mit n ≥ m ein k < n mit<br />
(x, y) ∈ R k existiert (durch Iteration erreicht man dann schließlich k < m).<br />
Es gelte also x = x 0 R x 1 ...x n−1 R x n = y; wegen n ≥ m sind mindestens zwei<br />
der n+1 Folgenglieder gleich, etwa x i = x j <strong>für</strong> i < j. Aber dann gilt bereits<br />
x = x 0 R x 1 ...x i = x j R x j+1 ...R x n = y, also (x, y) ∈ R k <strong>für</strong> k = n−(j−i) < n.<br />
□<br />
In der Praxis wird man versuchen, mit möglichst wenigen Matrizenmultiplikationen<br />
auszukommen. Am ökonomischsten ist es, das kleinste k mit 2 k ≥ m−1<br />
zu wählen <strong>und</strong> dann k-mal zu quadrieren:<br />
D 0 = E + D R , D j+1 = D j 2<br />
⇒ D k = (E + D R ) n mit n = 2 k ≥ m−1.<br />
Bezeichnen ld den Logarithmus zur Basis 2 (“dyadischer Logarithmus”), so<br />
braucht man demnach weniger als ld(m) + 1 Multiplikationen, um die Darstellungsmatrix<br />
der transitiven Hülle zu berechnen!<br />
Die anschauliche Bedeutung der reflexiv-transitiven Hülle besteht darin, daß<br />
man durch sie sofort die Existenz von Wegen feststellen kann:<br />
xR ∧ y gilt genau dann, wenn ein R-Weg von x nach y existiert.<br />
R ∧ entsteht also durch Ergänzen aller Pfeile, die “indirekte” Wege beschreiben.<br />
In gewissem Sinne umgekehrt verfahren wir, wenn wir zur Nachbarschaftsrelation<br />
übergehen; im Falle einer Ordnung R ist sie gegeben durch<br />
R ∨ = R≠ \ R≠2 .<br />
Wir wollen diese Konstruktion des “Weglassens von indirekten Wegen” auf beliebige<br />
Relationen R erweitern <strong>und</strong> setzen deshalb<br />
R ∨ = R≠ \ ⋃ {R≠n |n > 1}.<br />
Die so entstehenden Relationen erfassen wir durch folgende Definition: Ist eine<br />
Relation S <strong>für</strong> alle natürlichen Zahlen n ≠ 1 disjunkt zu S n , so sprechen wir<br />
von einer Diagramm-Relation <strong>und</strong> nennen (X, S) ein (Ordnungs-)Diagramm.<br />
Konkret bedeutet dies, daß S keine Schleifen hat, also irreflexiv ist (n = 0!),<br />
<strong>und</strong> daß niemals xS y gilt, wenn es einen “indirekten” S-Weg von x nach y gibt<br />
(n>1!)<br />
❞✲<br />
❞ ✁✕<br />
. . .‖<br />
❞<br />
❞ ✁✕ ❆❯ ❞<br />
. . ✲.<br />
✁☛❞<br />
14
Während ein gezeichnetes Diagramm einer geordneten Menge natürlich in<br />
keiner Weise eindeutig bestimmt ist, ermöglicht die exakte Definition von Diagrammen<br />
eine eindeutige Zuordnung zwischen Ordnungen <strong>und</strong> Diagrammen.<br />
Gegenüber den anschaulicheren, aber in gewissem Sinne unpräzisen graphischen<br />
Diagrammen haben die mathematisch definierten Diagramme mehrere eklatante<br />
Vorteile :<br />
sie sind eindeutig durch die jeweilige Relation bestimmt,<br />
man kann mit ihnen (oder ihren Darstellungsmatrizen) rechnen,<br />
die entsprechende Ordnung läßt sich aus ihnen rekonstruieren.<br />
Satz 1.14 Für jede Relation R auf X ist (X, R ∨ ) ein Diagramm. Jede endliche<br />
Ordnung R ist die reflexiv-transitive Hülle ihrer Nachbarschaftsrelation:<br />
R = R ∨∧ .<br />
Beweis: Definitionsgemäß ist R ∨ stets irreflexiv, also R ∩ R 0 = ∅. Für n > 1 gilt<br />
R ∨ ∩ (R ∨ ) n ⊆R ∨ ∩ (R≠) n = ∅, ebenfalls nach Definition von R ∨ .<br />
Für eine Ordnung R ist die Inklusion R ∨∧ ⊆ R klar wegen R ∨ ⊆ R = R ∧ .<br />
Für die umgekehrte Inklusion braucht man die Endlichkeit: Zu jedem Paar<br />
(x, y) ∈ R≠ findet man ein maximales n, so daß x = x 0 R x 1 ...R x n = y mit<br />
paarweise verschiedenen x 0 , x 1 , ..., x n gilt. Wegen der Maximalität von n muß<br />
an allen Stellen statt R sogar R ∨ stehen (sonst könnte man noch weitere Elemente<br />
interpolieren <strong>und</strong> die Länge des R-Weges vergrößern; hier kommt die<br />
Antisymmetrie zum Tragen). Also haben wir bereits (x, y) ∈ R ∨∧ . □<br />
Beispiele 1.15 (1) Für die Relation ≤ auf Z oder N ist die Nachbarschaftsrelation<br />
gegeben durch x ≤ ∨ y ⇔ y = x+1, <strong>und</strong> offenbar ist < die transitive <strong>und</strong> ≤<br />
die reflexiv-transitive Hülle dieser Relation, obwohl die Gr<strong>und</strong>menge unendlich<br />
ist.<br />
(2) Bezüglich der Mengeninklusion als Ordnung ist eine Menge dann <strong>und</strong> nur<br />
dann oberer Nachbar einer anderen, wenn sie genau ein Element mehr hat. Die<br />
Mengeninklusion ⊆ auf einer Potenzmenge erfüllt daher nur dann die Gleichung<br />
⊆ = ⊆ ∨∧ , wenn die Gr<strong>und</strong>menge endlich war.<br />
(3) Für die lineare Ordnung ≤ auf R oder Q ist die Nachbarschaftrelation<br />
leer (wegen der Dichte: zwischen je zwei Elementen liegt ein weiteres). Also ist<br />
die Behauptung R ∧ = R ∨∧ <strong>für</strong> unendliche Relationen hochgradig falsch!<br />
Mit ähnlichen Argumenten wie zu Satz 1.14 zeigt man schließlich:<br />
Satz 1.16 Für jede Diagramm-Relation S ist die reflexiv-transitive Hülle S ∧<br />
eine Ordnung, <strong>und</strong> S ist deren Nachbarschaftsrelation:<br />
S = S ∧∨ .<br />
Somit entsprechen endliche geordnete Mengen <strong>und</strong> endliche Diagramme einander<br />
bijektiv.<br />
15
1.7 Wege <strong>und</strong> Zusammenhang<br />
Bei R-Wegen (x 0 , ..., x n ) unterscheidet man zwischen offenen Wegen, bei denen<br />
Anfangs- <strong>und</strong> Endpunkt verschieden sind (x 0 ≠ x n ), <strong>und</strong> geschlossenen Wegen,<br />
die wieder zum Anfangspunkt zurückführen (x 0 = x n ).<br />
❞<br />
❞✲ ❞ ✁✕ ❆❯ ❞<br />
❞✲<br />
offen<br />
❞ ✁✕<br />
x 0 x n−1<br />
❞ ✁☛❞ ✲ ❞ x n<br />
❞ ✁✕ ✛<br />
x 0<br />
❞<br />
❞ ✁✕ ❆❯ ❞<br />
❞ ✁☛❞<br />
x n−1<br />
geschlossen (Zykel)<br />
Einen geschlossenen Weg (x 0 , x 1 , ..., x n ), bei dem die Knoten x 1 , ..., x n paarweise<br />
verschieden sind, nennt man einen Zykel der Länge n (er hat n Knoten <strong>und</strong><br />
n Pfeile). In einem Zykel darf also kein Knoten “mehrfach durchlaufen werden”,<br />
während dies bei geschlossenen Wegen durchaus erlaubt ist.<br />
❞x 3 ❞ x 8<br />
x x ❞✛ ❞ ✁☛ ❆❑ 1 ❞ ✲x 2 ❞ ✁✕ ❆❯ x 4 ❞<br />
✁✕ 10 x 9<br />
❞ ✁✕ ✛ ❞ ✁☛❞ ✲ ❞ ✁✕ x 0 = x 12 x 11 x5<br />
x 6<br />
x 7<br />
geschlossen<br />
kein Zykel<br />
Die Zykel der Länge 0 sind die Schleifen, alle anderen heißen echte Zykel.<br />
Ein Diraph oder seine Relation heißt azyklisch, wenn es keine echten Zykel gibt.<br />
Offenbar ist (x 0 , ..., x k , ..., x 0 ) dann <strong>und</strong> nur dann ein echter Zykel in (X, R),<br />
wenn x 0 R ∧ x k R ∧ x 0 gilt, also die Antisymmetrie von R ∧ verletzt ist. Damit<br />
bekommen wir sofort:<br />
Satz 1.17 Eine Relation R ist genau dann azyklisch, wenn ihre (reflexiv-)<br />
transitive Hülle antisymmetrisch, d.h. eine Ordnung ist. Äquivalent dazu ist<br />
R 0 ∩ R≠n = ∅ <strong>für</strong> alle n ∈ N.<br />
Zwischen azyklischen Relationen <strong>und</strong> Diagramm-Relationen besteht eine<br />
große Ähnlichkeit; letztere sind stets azyklisch, aber nicht umgekehrt: Jede Ordnung<br />
<strong>und</strong> erst recht jede strikte Ordnung ist nach Satz 1.17 azyklisch, aber Ordnungen<br />
sind niemals Diagramm-Relationen (warum?), <strong>und</strong> auch strikte Ordnungen<br />
sind nur selten Diagramm-Relationen (wann genau?)<br />
Beispiel 1.18 Eine strikt geordnete Menge, die gleich ihrem Diagramm ist.<br />
❞ ❞ ❞ ❞<br />
❞ ✁✕ ❆❑ ❞ ✁✕ ❆❑ ❞ ✁✕ ❆❑ ❞ ✁✕ ❆❑ ❞<br />
16
Neben den “gerichteten“ Wegen x 0 R x 1 ...R x n , bei denen alle Pfeile die gleiche<br />
Richtung haben, betrachtet man in der Graphentheorie sehr häufig auch<br />
“ungerichtete” Wege, bei denen es nicht auf die Richtungen der einzelnen Pfeile<br />
ankommt. Formal sind das genau die R s -Wege, wobei<br />
R s = R ∪ R d<br />
die Vergleichbarkeitsrelation, d.h. die symmetrische Hülle von R ist. Sie “vergißt<br />
die Richtung der Pfeile” <strong>und</strong> gibt nur an, ob zwei Element zueinander in Relation<br />
stehen (egal in welcher Richtung). Im Falle xR s y sagt man, x <strong>und</strong> y seien<br />
(bezüglich R) vergleichbar.<br />
Wie wir in Satz 1.12 (7) gezeigt haben, ist die reflexiv-transitive Hülle von R s<br />
die kleinste Äquivalenzrelation, die R umfaßt. Also bedeutet x R s∧ y, daß x <strong>und</strong><br />
y durch einen ungerichteten R-Weg verb<strong>und</strong>en sind. Die Äquivalenzklassen der<br />
Relation R s∧ nennt man Zusammenhangskomponenten oder Wegkomponenten<br />
des Digraphen (X, R). Zwei Elemente liegen also genau dann in der gleichen<br />
Komponente, wenn sie durch einen ungerichteten Weg verb<strong>und</strong>en sind. Gibt es<br />
nur eine einzige Komponente, nennt man den Digraphen oder seine Relation<br />
zusammenhängend. Dies bedeutet offenbar, daß R s∧ die Allrelation X ×X ist.<br />
Eine geordnete Menge mit einem größten oder kleinsten Element (siehe unten)<br />
ist stets zusammenhängend. Unter den Äquivalenzrelationen ist natürlich<br />
nur die Allrelation zusammenhängend.<br />
Beispiele 1.19 Auf einer 3-elementigen Menge gibt es<br />
<br />
6 lineare Ordnungen<br />
<br />
✂❇ 3 nichtlineare Ordnungen mit größtem Element<br />
<br />
❇✂<br />
3 nichtlineare Ordnungen mit kleinstem Element<br />
<br />
6 nichtlineare unzusammenhängende Ordnungen<br />
<br />
<br />
<br />
6 totale, nicht antisymmetrische Quasiordnungen<br />
<br />
3 nichttriviale Äquivalenzrelationen<br />
die Gleichheitsrelation<br />
<br />
die Allrelation<br />
also insgesamt 29 Quasiordnungen, von denen 19 Ordnungen <strong>und</strong> auch 19 zusammenhängend<br />
sind. Aber das ist ein glücklicher Zufall! Auf vier Elementen<br />
gibt es bereits<br />
355 Quasiordnungen,<br />
233 zusammenhängende Quasiordnungen <strong>und</strong><br />
219 Ordnungen.<br />
17
Allgemeiner nennt man eine Teilmenge Y eines Digraphen zusammenhängend,<br />
wenn je zwei ihrer Elemente durch einen ganz in Y verlaufenden<br />
ungerichteten Weg verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Beispiel 1.20 In dem nachfolgend dargestellten Digraphen ist die Teilmenge<br />
Y total unzusammenhängend, d.h. keine zwei ihrer Punkte sind innerhalb von<br />
Y durch einen Weg verb<strong>und</strong>en, obwohl es zwischen je zwei ihrer Elemente sogar<br />
einen gerichteten Weg in dem gesamten Digraphen gibt.<br />
❞ ❞<br />
❆❯<br />
❞ ✁ ✁✁✕ ❞ ✁✕ ❆❯<br />
Y ❞<br />
✛ ❆❯ ❞<br />
Satz 1.21 Die Komponenten eines Digraphen sind die maximalen zusammenhängenden<br />
Teilmengen. Diese bilden also eine Partition des Digraphen.<br />
Beweis: Sei K eine Komponente des Digraphen (X, R), d.h. eine<br />
Äquivalenzklasse xS bezüglich der Wegerelation S = R s∧ . Dann sind je zwei<br />
Elemente dieser Klasse mit x durch einen (ungerichteten) R-Weg verb<strong>und</strong>en. Da<br />
man Wege “aneinanderhängen” kann, sind diese Elemente dann auch untereinander<br />
durch einen Weg verb<strong>und</strong>en; <strong>und</strong> da Elemente außerhalb der Komponente<br />
nicht mit x verb<strong>und</strong>en sind, müssen diese Wege ganz in K verlaufen; mit anderen<br />
Worten, K ist maximal zusammenhängend.<br />
Sei umgekehrt K eine maximale zusammenhängende Teilmenge. Da einpunktige<br />
Mengen sicher zusammenhängend sind, können wir ein x aus K wählen. Nun<br />
ist jedes Element aus K mit x durch einen Weg verb<strong>und</strong>en, also jedenfalls in<br />
der Komponente xS enthalten. Da diese ebenfalls zusammenhängend ist, folgt<br />
aus der Maximalität von K bereits K = xS.<br />
□<br />
Abschließend wollen wir kurz andeuten, wann <strong>und</strong> wie man zusammenhängende<br />
Teilstücke “zusammenkleben” kann. Dazu definieren wir <strong>für</strong> jeden<br />
Digraphen (X, R) eine Zusammenhangsrelation ⊲⊳ R auf dem System P(X) \ {∅}<br />
aller nichtleeren Teilmengen durch<br />
Y ⊲⊳ R Z ⇔ es gibt y ∈ Y <strong>und</strong> z ∈ Z mit y = z oder yR z oder z R y.<br />
Dann kann man das folgende sehr allgemeine Resultat beweisen:<br />
Satz 1.22 Es sei (X, R) ein beliebiger Digraph, d.h. R eine Relation auf X.<br />
(1) Eine Teilmenge Z von X ist genau dann zusammenhängend, wenn die<br />
Beziehung Y ⊲⊳ R Z \ Y <strong>für</strong> jede nichtleere echte Teilmenge Y von Z erfüllt ist.<br />
(2) X sei die Vereinigung eines Systems Z zusammenhängender nichtleerer<br />
Teilmengen. Der Digraph (X, R) ist genau dann zusammenhängend, wenn Z<br />
bezüglich der Relation ⊲⊳ R zusammenhängend ist.<br />
18
Zum Abschluß wollen wir versuchen zu präzisieren, was unter “<strong>Diskrete</strong>r<br />
Ordnungstheorie” zu verstehen sein könnte. In der angewandten Mathematik<br />
versteht man unter “Diskretisierung” grob gesprochen die Zurückführung auf<br />
endliche <strong>Strukturen</strong>, Prozesse oder Algorithmen.<br />
Andererseits wird der Begriff “diskret” häufig als Gegenstück zu “kontinuierlich”<br />
gesehen. Die Analysis ist eine typische Wissenschaft der kontinuierlichen<br />
<strong>Strukturen</strong> (“stetig” bedeutet ja im Wesentlichen das gleiche wie “kontinuierlich”).<br />
Dort wird eine Teilmenge des n-dimensionalen Raumes R n diskret<br />
genannt, wenn jeder ihrer Punkte eine Umgebung besitzt, die keinen anderen<br />
Punkt der Menge enthält. Es gibt also keine Häufungspunkte in dieser Menge.<br />
Analog betrachtet man die Menge Z der ganzen Zahlen <strong>und</strong> jede ihrer Teilmengen<br />
(z.B. N <strong>und</strong> N 0 ) ordnungstheoretisch als diskrete Struktur, während<br />
die Menge R der reellen Zahlen <strong>und</strong> “dichte” Teilmengen wie Q oder die Menge<br />
D der dyadischen Brüche (deren Nenner Zweierpotenzen sind) als “kontinuierlich”<br />
angesehen werden. Wie wir früher bemerkt haben, ist einer der wesentlichen<br />
Unterschiede zwischen Z <strong>und</strong> dichten Mengen wie R, Q oder D, daß die<br />
Ordnung ≤ auf Z durch ihre Nachbarschaftsrelation vollständig bestimmt ist<br />
(nämlich als deren reflexiv-transitive Hülle), während es in dicht geordneten<br />
Mengen überhaupt keine benachbarten Elemente gibt.<br />
Aufbauend auf diesen elementaren Feststellungen, wollen wir einen Digraphen<br />
(X, R) oder seine Relation R endlich verkettet nennen, falls zu jedem<br />
(x, y) ∈ R ein maximaler R≠-Weg von x nach y existiert, d.h. einer, der nicht<br />
Teilfolge eines anderen R≠-Weges ist. Die maximalen R≠-Wege sind offenbar<br />
genau die R ∨ -Wege, wobei R ∨ wie in Abschnitt 1.6 die Nachbarschaftsrelation<br />
bezeichnet.<br />
x 1<br />
❞ ✲ ❞ x (x 0 , x 1 , x 2 , x 3 , x 4 ) maximal<br />
✻ ❞ ✲ ❞ ❄<br />
2✲ ❞ (x 0 , x 3 , x 4 ) nicht maximal<br />
x 0 x3 x4<br />
Eine Relation R ist demnach genau dann endlich verkettet, wenn sie in der<br />
reflexiv-transitiven Hülle ihrer Nachbarschaftsrelation enthalten ist, in Zeichen:<br />
R ⊆ R ∨∧ .<br />
Anschaulich bedeutet endliche Verkettung, daß man keinen Weg immer weiter<br />
“verfeinern” kann. Endlich verkettete Ordnungen verdienen den Namen diskrete<br />
Ordnungen, denn man gelangt von einem Element zu einem größeren stets über<br />
einen endlichen Weg, dessen einzelne Schritte benachbarte Elemente verbinden.<br />
Das bedeutet nicht, daß alle Ketten zwischen zwei Punkten endlich sein müssen!<br />
Umgekehrt ist aber jede endliche Ordnung sicher diskret.<br />
✦<br />
❞<br />
❛❛<br />
❞ ✦ ✦✦✦ ❛❛❛<br />
❞ ✧ ✧✧ <br />
❜<br />
❜<br />
❞ ♣ ♣ ♣<br />
❅ ♣ ♣❅♣ ♣ ❞ ❜ ❞ ❞<br />
❅ ❅ ❅ <br />
❅<br />
❅<br />
❅ ❞ <br />
❅<br />
❅<br />
❅ ❞ <br />
❅ ❞ <br />
19
In der allgemeinen Graphentheorie wäre es nicht sehr sinnvoll, endlich verkettete<br />
Digraphen diskret zu nennen; denn es gibt viele endliche Digraphen, die<br />
diese Eigenschaft nicht haben, nämlich solche mit echten Zykeln:<br />
Satz 1.23 Jede endlich verkettete Relation ist azyklisch, <strong>und</strong> umgekehrt ist jede<br />
endliche azyklische Relation auch endlich verkettet.<br />
Beweis: Ist x 0 R x 1 ...R x k = x 0 ein echter Zykel, so ist sicher kein R≠-Weg<br />
x 0 R y 1 ...R y n = x 1 von x 0 nach x 1 maximal, denn x 0 R y 1 ...R y n R x 2 ...R x k R x 1<br />
ist ebenfalls ein (längerer) R≠-Weg. Bei endlich verketteten Relationen sind also<br />
echte Zykel ausgeschlossen.<br />
Sei nun R endlich <strong>und</strong> azyklisch. Zu (x, y) ∈ R gibt es dann eine maximale<br />
endliche Menge {x 0 , ..., x n } mit x = x 0 R...R x n = y. Dieser Weg ist bereits ein<br />
maximaler R-Weg von x nach y, denn wäre x 0 R...R x k R y 1 ...R x k+1 R...R x n ein<br />
längerer Weg, so müßte y 1 mit einem der x i übereinstimmen, <strong>und</strong> man könnte<br />
einen echten Zykel herausschneiden.<br />
□<br />
Die folgende Notation erweist sich als sehr bequem, sowohl bei einigen Begriffsbildungen,<br />
als auch in vielen Beweisen: Für eine beliebige Relation R sei<br />
R ≥k = ⋃ {R n |n ≥ k}.<br />
Speziell ist<br />
R ≥0 = R ∧ die reflexiv-transitive Hülle,<br />
R ≥1 = R → die transitive Hülle,<br />
R ≥2 = RR →<br />
<strong>und</strong> generell<br />
R ≥k+l = R ≥k R ≥l sowie R ≥kl = (R ≥k ) ≥l ,<br />
wie man jeweils durch Induktion zeigt. Ebenfalls mit Induktion ergibt sich <strong>für</strong><br />
die transitive Hülle T = R → :<br />
T ≥k = R ≥k (k ∈ N).<br />
R selbst ist genau dann transitiv (also identisch mit T ), wenn<br />
R ≥2 ⊆ R.<br />
Sinnvollerweise wird man deshalb eine Relation intransitiv nennen, falls<br />
R ≥2 ⊆ R c .<br />
Aber diese Bedingung bedeutet ja nichts anderes als R ∩ R n = ∅ <strong>für</strong> n > 1, <strong>und</strong><br />
der Fall n = 0, also die Irreflexivität, folgt daraus unmittelbar. Daher sind die<br />
intransitiven Relationen genau die Diagramm-Relationen. Da eine intransitive<br />
Relation R irreflexiv <strong>und</strong> disjunkt zu R ≥2 ist, folgt<br />
R ∨ = R \ R ≥2 = R.<br />
Wie wir früher sahen, ist andererseits R ∨ <strong>für</strong> jede Relation R eine Diagramm-<br />
Relation, d.h. intransitiv. Daraus schließen wir:<br />
Satz 1.24 Die intransitiven Relationen sind diejenigen, die mit ihrer Nachbarschaftsrelation<br />
übereinstimmen. Jede intransitive Relation ist endlich verkettet.<br />
20
Denn bei intransitiven Relationen R ist definitionsgemäß jeder R≠-Weg schon<br />
maximal. Nun zu zwei sehr kurzen Charakterisierungen:<br />
Satz 1.25 Für jede endlich verkettete Relation R gilt R ∨ = R ∧∨ <strong>und</strong> R ∧ =<br />
R ∨∧ .<br />
Für eine beliebige Relation R gilt:<br />
(1) R = R ∧∨ ⇔ R ist intransitiv,<br />
(2) R = R ∨∧ ⇔ R ist eine diskrete Ordnung.<br />
Beweis: Da R nach Satz 1.23 azyklisch ist, gilt R 0 ∩R ≥2 = ∅ <strong>und</strong> (R ∧ )≠ = R≠→ .<br />
Unter Ausnutzung der Transitivität von R ∧ berechnen wir:<br />
R ∧∨ = R≠→ \ (R≠→ ) 2 = R≠≥1 \ R≠≥2 = R≠ \ R≠≥2 = R ∨ .<br />
R ∧ ⊆ R ∨∧ folgt aus der <strong>für</strong> endlich verkettete Relationen charakteristischen<br />
Inklusion R ⊆R ∨∧ , <strong>und</strong> R ∨∧ ⊆R ∧ aus der allgemein gültigen Inklusion R ∨ ⊆ R.<br />
Speziell ergibt sich mit Satz 1.24: R = R ∧∨ ⇔ R = R ∨ ⇔ R ist intransitiv.<br />
Andererseits gilt <strong>für</strong> eine diskrete (endlich verkettete) Ordnung R = R ∧ = R ∨∧ ,<br />
<strong>und</strong> umgekehrt folgt aus der Gleichung R = R ∨∧ , daß R sowohl eine Quasiordnung<br />
als auch endlich verkettet, insbesondere antisymmetrisch ist. □<br />
Aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Überlegungen bestehen folgende Implikationen:<br />
endliche Ordnung ⇒ diskrete Ordnung ⇒ Ordnung ⇒ transitiv<br />
⇓<br />
intransitiv ⇒ endlich verkettet ⇒ azyklisch ⇒ antisymmetrisch<br />
Zusammenfassend gelangen wir zu folgendem Hauptergebnis, welches den<br />
umkehrbaren Wechsel zwischen diskreten Ordnungen <strong>und</strong> ihren intransitiven<br />
Diagramm-Relationen erlaubt:<br />
Folgerung 1.26 (1) Die Nachbarschaftsrelation R ∨ einer diskreten Ordnung R<br />
ist intransitiv, <strong>und</strong> R ist ihre transitive Hülle: R = R ∨∧ .<br />
(2) Die reflexiv-transitive Hülle S ∧ einer intransitiven Relation S ist eine diskrete<br />
Ordnung, <strong>und</strong> S ist deren Nachbarschaftsrelation: S = S ∧∨ .<br />
(3) Die Zuordnungen R ↦→ R ∨ and S ↦→ S ∧ liefern zueinander inverse Bijektionen<br />
zwischen diskreten Ordnungen <strong>und</strong> intransitiven Relationen.<br />
Nennen wir schließlich zwei Relationen R <strong>und</strong> S auf X weg-äquivalent, falls<br />
jeder R-Weg zwischen zwei Punkten sich durch einen S-Weg ersetzen läßt <strong>und</strong><br />
umgekehrt, so erhalten wir eine Äquivalenzrelation auf der Menge der endlich<br />
verketteten Relationen, <strong>und</strong> Satz 1.25 liefert die<br />
Folgerung 1.27 Für jede endlich verkettete Relation R ist<br />
– R ∧ die größte weg-äquivalente Relation,<br />
– R ∨ die kleinste weg-äquivalente Relation,<br />
<strong>und</strong> die Äquivalenzklasse von R enthält alle Relationen zwischen R ∨ <strong>und</strong> R ∧ .<br />
⇓<br />
21
1.8 Anhang: Operationen auf Relationen <strong>und</strong> Matrizen<br />
Wir stellen auf dieser Seite noch einmal alle relevanten Operationen zusammen,<br />
die wir in diesem Kapitel auf Relationen angewandt haben, <strong>und</strong> geben die jeweils<br />
entsprechende Operation auf den Darstellungsmatrizen an.<br />
R ⊆ X ×Y Relationen D R = A = (a ij ) Matrizen<br />
S ⊆ Y ×Z D S = B = (b ij )<br />
Operation Beschreibung Operation Beschreibung<br />
Dualisierung R d = {(x, y)|(y, x) ∈ R} Transposition A t = (a ji )<br />
Komplement R c = {(x, y)|(x, y) ∉ R} Negation A c = (1 − a ij )<br />
Produkt RS = {(x, z)|∃ y (xR ySz)} reduziertes Produkt A ⊙ B = s(AB)<br />
Potenz R k = R...R (k-mal) reduzierte Potenz A ○k = s(A k )<br />
nullte Potenz R 0 = id X Einheitsmatrix E = (1−s(|i−j|))<br />
reflexive Hülle R = = R ∪ R 0 Diagonal-Addition s(A + E)<br />
irreflexiver Kern R≠ = R \ R 0 Diagonal-Subtraktion s(A − E)<br />
Hyperpotenz R ≥k = ⋃ {R l : l ≥ k} Geometr. Reihe ab k s( ∑ l≥k Al )<br />
transitive Hülle R → = R ≥1 Geometr. Reihe ab 1 s( ∑ l≥1 Al )<br />
refl.-trans. Hülle R ∧ = R ≥0 Geometr. Reihe ab 0 s( ∑ l≥0 Al )<br />
Durchschnitt R ∩ S elementweises Produkt A ⊓ B = (a ij b ij )<br />
Vereinigung R ∪ S reduzierte Summe A ⊔ B = (s(a ij +b ij ))<br />
Differenz R \ S reduzierte Differenz A ¬ B = (s(a ij −b ij ))<br />
symmetr. Hülle R s = R ∪ R d obere Symmetrisierung A ⊔ A t<br />
symmetr. Kern R s = R ∩ R d untere Symmetrisierung A ⊓ A t<br />
Nachbar.-relation<br />
R ∨ = R≠ \ R≠≥2<br />
neg. geometr. Reihe<br />
A ¬ ∑ k≠1<br />
s(A − E)k<br />
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Literatur<br />
M. Erné, Einführung in die Ordnungstheorie, B.-I.-Wissenschaftsverlag, Bibliographisches<br />
<strong>Institut</strong>, Mannheim 1982<br />
(enthält nur den relationentheoretischen Teil)<br />
R. Haggarty, <strong>Diskrete</strong> Mathematik <strong>für</strong> Informatiker, Pearson Studium,<br />
Addison-Wesley, München, 2004<br />
(sehr elementar)<br />
Th. Ihringer, <strong>Diskrete</strong> Mathematik, Heldermann Velag, Berlin 2002<br />
(mittlerer Umfang <strong>und</strong> Schwierigkeitsgrad)<br />
J. Matoušek <strong>und</strong> J. Nešetřil, <strong>Diskrete</strong> Mathematik, Springer-Verlag, Berlin 2000<br />
(sehr ausführlich)<br />
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