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5.3. Richtungsableitungen und partielle Ableitungen

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<strong>5.3.</strong> <strong>Richtungsableitungen</strong> <strong>und</strong> <strong>partielle</strong> <strong>Ableitungen</strong><br />

Generell vorgegeben sei eine Funktion f von einer Teilmenge A der Ebene R 2 (oder des Raumes<br />

R 3 oder sogar des n-dimensionalen Raumes R n ) nach R . Weiter sei a ein fester Punkt im Inneren<br />

von A.<br />

<strong>Richtungsableitungen</strong><br />

Die Richtungsableitung von f im Punkt a nach einem Vektor v (aus R n ) ist die Ableitung der<br />

Funktion<br />

g( t ) = f ( a + t v )<br />

nach t im Punkt 0 (sofern sie existiert). Anschaulich beschreibt diese Funktion im Fall n = 2 die<br />

Schnittkurve des zu f gehörigen Funktionsgebirges mit der senkrechten Ebene durch den Punkt a in<br />

Richtung v.<br />

Man bezeichnet die Richtungsableitung mit<br />

∂<br />

∂v f( a ) oder f v ( a )<br />

<strong>und</strong> erhält sie als Grenzwert<br />

∂<br />

=<br />

∂v f( a ) lim f ( a + t v ) − f( a )<br />

.<br />

t → 0 t<br />

Ist v ein Einheitsvektor, so spricht man auch von der Ableitung in Richtung (von) v.<br />

Wie üblich bezeichnen wir im Falle n = 2 (bzw. n = 3) die Koordinaten eines festen Vektors häufig<br />

mit x 0<br />

<strong>und</strong> y 0<br />

(sowie ggf. z 0<br />

) statt mit a 1<br />

, a 2<br />

usw. Bei den Richtungsvektoren v behalten wir aber die<br />

Koordinatenschreibweise v 1<br />

,v 2<br />

, v 3<br />

... bei.<br />

Der Zusammenhang mit der totalen Ableitung f ' ist sehr einfach:<br />

Satz 1. Ist f im Punkt a differenzierbar, so existieren dort alle <strong>Richtungsableitungen</strong>, <strong>und</strong> es gilt<br />

∂<br />

f<br />

∂v ( a ) = f '(a)v (Skalarprodukt der Zeile f '(a) mit der Spalte v !).<br />

Denn in dem Grenzwert<br />

∂<br />

=<br />

∂v f( a ) lim f ( a + t v ) − f( a )<br />

t → 0 t<br />

o( t v)<br />

kann man f ( a + t v ) − f( a ) durch f ' (a) t v + o( t v ) ersetzen, <strong>und</strong> wegen lim = 0 bleibt nach<br />

t → 0 t<br />

Kürzen von t nur noch f '(a)v übrig.<br />

Beispiel 1: Wir betrachten nochmals die im Nullpunkt (stetig) durch f ( 0,<br />

0)<br />

= 0 ergänzte<br />

Batman-Funktion<br />

x 3 + y 3<br />

f ( x,<br />

y)<br />

=<br />

x + y<br />

Die <strong>Richtungsableitungen</strong> im Nullpunkt sind sämtlich gleich 0:


d<br />

=<br />

dv f ( 0,<br />

0)<br />

lim →<br />

t 0<br />

3 3<br />

( t v 1<br />

) + ( t v 2<br />

)<br />

⎛<br />

= f ( v , ) =<br />

t ( t v 1<br />

+ t v 2<br />

) 1<br />

v t 2 ⎞<br />

2 ⎜ lim ⎟<br />

⎝ t ⎠<br />

t → 0<br />

0.<br />

Offenbar hat die Schnittkurve im Punkt ( 1.5,<br />

0) einen Knick. Dort sollte die Richtungsableitung<br />

nach v = ( 1,<br />

2) also nicht existieren.<br />

In der Tat sind linksseitiger <strong>und</strong> rechtsseitiger Grenzwert des Differenzenquotienten<br />

f ( a + t v ) − f( a )<br />

hier verschieden:<br />

t<br />

lim<br />

t → 0-<br />

( 1.5 + t )<br />

3 + 8 t 3<br />

1.5 + t + 2 t<br />

t<br />

− 2.25<br />

( 1.5 + t )<br />

3 + 8 t 3<br />

− 2.25<br />

1.5 + t + 2 t<br />

= 6. , lim<br />

= 0.<br />

t<br />

t → 0+<br />

Entlang der x-Achse (Richtungsvektor v = (1,0) ) ist die Schnittkurve hingegen glatt:<br />

Hier stimmen links- <strong>und</strong> rechtsseitiger Grenzwert des Differenzenquotienten überein:


lim<br />

t → 0-<br />

( 1.5 + t)<br />

3<br />

1.5 + t<br />

t<br />

− 2.25<br />

( 1.5 + t )<br />

3<br />

− 2.25<br />

1.5 + t<br />

= 3. , lim<br />

= 3.<br />

t<br />

t → 0+<br />

Beispiel 2 : Die folgende Funktion ist nur außerhalb der Geraden x = y definiert <strong>und</strong> auf dieser<br />

Geraden nur im Nullpunkt stetig ergänzbar. Für 0 < x <strong>und</strong> y < 0 stimmt sie mit der Funktion aus<br />

Beispiel 1 überein.<br />

g ( x,<br />

y)<br />

=<br />

x 3 + y 3<br />

x − y<br />

Bei stark verzerrtem Maßstab ergibt sich folgender Torso (die "Teppichfransen" entstehen durch<br />

die unzureichende Auflösung).


Partielle <strong>Ableitungen</strong><br />

Die j-te <strong>partielle</strong> Ableitung einer Funktion f im Punkt a = (a 1<br />

, ..., a n<br />

) ist die<br />

Richtungsableitung nach dem j-ten Einheitsvektor<br />

e j<br />

= (0,...,1,...,0) , wobei die 1 an der j-ten Stelle steht ( j = 1, ..., n).<br />

Man berechnet sie konkret, indem man alle Variablen außer x j<br />

als Konstante betrachtet <strong>und</strong> wie im<br />

eindimensionalen Fall die Ableitung nach x j<br />

bildet. Diese <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong> müssen nicht in<br />

allen Punkten des Definitionsbereichs existieren! Für die j-te <strong>partielle</strong> Ableitung sind mehrere<br />

Schreibweisen üblich:<br />

∂ ∂<br />

f( a ) = f( a ) = f ( )<br />

∂e j ∂ x ej<br />

a = f xj<br />

( a )<br />

j<br />

oder falls die Variablen x, y, z heißen:<br />

∂<br />

=<br />

∂x f( a ) f x ( a ) , ∂<br />

∂y f( a ) = f y ( a ) , ∂<br />

∂z f( a ) = f z ( a ) usw.<br />

(Die unterschiedliche Form der Buchstaben f bzw. f ist eine Eigenheit von MAPLE <strong>und</strong> hat<br />

keine mathematische Bedeutung).<br />

Nachträglich kann man die zunächst festgehaltene Stelle a wieder variabel machen (<strong>und</strong> eventuell<br />

in x umbenennen). Man erhält dann neue Funktionen<br />

f xj<br />

bzw. f x<br />

, f y<br />

, f z<br />

usw.<br />

welche die <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong> in allen Punkten, wo sie existieren, beschreiben. Aus Satz 1<br />

schließen wir:<br />

Satz 2. Ist f im Punkt a differenzierbar, so existieren dort alle <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong>, <strong>und</strong> es gilt<br />

f '(a) = ( f x1<br />

( a ), ... , f xn<br />

( a )).<br />

Die Komponenten des Gradienten sind also gerade die <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong>.<br />

Beispiel 3: Batman again<br />

Wir wissen schon, daß die <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong> der Batman-Funktion f ( x,<br />

y)<br />

=<br />

x 3 + y 3<br />

x + y im<br />

Nullpunkt verschwinden. Außerhalb dieses Punktes muß man je nach dem Vorzeichen von x <strong>und</strong> y<br />

vier Fälle unterscheiden. Für 0 ≤ x <strong>und</strong> 0 ≤ y errechnet man<br />

∂<br />

= ,<br />

∂x f ( x,<br />

y ) − y + 2 x ∂<br />

∂y f ( x,<br />

y ) = 2 y − x<br />

während für negatives x <strong>und</strong> y diese <strong>Ableitungen</strong> das Vorzeichen wechseln:<br />

∂<br />

= ,<br />

∂x f ( x,<br />

y ) y − 2 x ∂<br />

∂y f ( x,<br />

y)<br />

= − 2 y + x<br />

Die Funktionsgebirge sind in diesen Fällen Ebenen! Haben wir hingegen x ≤<br />

x ≠ y, so erhalten wir<br />

∂<br />

=<br />

,<br />

∂x f ( x,<br />

y )<br />

− 2 x 3 + 3 x 2 y + y 3 ∂<br />

=<br />

( − x + y )<br />

2 ∂y f ( x,<br />

y )<br />

− 3 y 2 x + 2 y 3 − x 3<br />

( − x + y )<br />

2<br />

<strong>und</strong> schließlich für 0 ≤ x <strong>und</strong> y ≤ 0 sowie x ≠ y :<br />

0 <strong>und</strong> 0 ≤ y sowie


Für x = y ≠<br />

∂<br />

=<br />

,<br />

∂x f ( x,<br />

y ) − − 2 x3 + 3 x 2 y + y 3 ∂<br />

=<br />

( − x + y )<br />

2 ∂y f ( x,<br />

y ) − − 3 y2 x + 2 y 3 − x 3<br />

( − x + y )<br />

2<br />

0 existieren die <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong> nicht (dort ist die Fläche geknickt, siehe oben).<br />

Beispiel 4: Batman's Tochter<br />

Für die Funktion<br />

x 3 + y 3<br />

f ( x,<br />

y ) =<br />

x 2 + y 2<br />

ergeben sich außerhalb des Nullpunktes folgende <strong>partielle</strong> <strong>Ableitungen</strong>:<br />

∂<br />

=<br />

,<br />

∂x f ( x,<br />

y )<br />

3 x 2<br />

x +<br />

−<br />

2 ( x 3 + y 3 ) x ∂<br />

=<br />

2 y 2 ( x 2 + y 2 )<br />

2 ∂y f ( x,<br />

y )<br />

3 y 2<br />

x +<br />

−<br />

2 ( x 3 + y 3 ) y<br />

2 y 2 ( x 2 + y 2 )<br />

2<br />

Diese Gleichungen sind zunächst nur richtig, falls x ≠ 0 oder y ≠ 0 gilt. Selbst wenn man den<br />

Grenzübergang gegen 0 vollziehen könnte (was hier wegen der Nenner problematisch ist), müßten<br />

dabei nicht die <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong> im Nullpunkt herauskommen, denn diese brauchen ja nicht<br />

unbedingt stetig zu sein (<strong>und</strong> sind es im vorliegenden Beispiel auch nicht!)<br />

Man muß also im Nullpunkt die <strong>Richtungsableitungen</strong> direkt über die Limes-Definition bestimmen<br />

- <strong>und</strong> das ist hier recht einfach, aufgr<strong>und</strong> der Gleichung f( t v)<br />

= t f( v ).<br />

Funktionen f mit dieser Eigenschaft nennt man homogen. Für jede solche Funktion gilt f( 0)<br />

= 0<br />

<strong>und</strong> daher<br />

d<br />

=<br />

dv f( 0)<br />

lim f( t v ) − f( 0 )<br />

= f( v ) .<br />

t → 0 t<br />

Die durch homogene Funktionen beschriebenen Flächen kann man sich von einer schwankenden<br />

Kompaßnadel erzeugt vorstellen: Jede senkrechte Ebene durch den Nullpunkt schneidet die Fläche<br />

in einer Geraden.<br />

Fassen wir zusammen:<br />

Satz 3: Die Richtungsableitung einer homogenen Funktion im Nullpunkt nach einem beliebigen<br />

Vektor v ist also der Funktionswert an der Stelle v.<br />

Eine Funktion f von R n nach R m ist genau dann linear (wird also durch die konstante Matrix f '<br />

beschrieben), wenn sie homogen <strong>und</strong> im Nullpunkt (total) differenzierbar ist.


Denn in diesem Fall gilt ja<br />

d<br />

f ' (0)v = =<br />

dv f( 0)<br />

lim t → 0<br />

f( tv )<br />

t<br />

= f( v ).<br />

Beispiel 5: Eine Schar von Fledermäusen<br />

Wir variieren das vorige Beispiel, indem wir in Zähler <strong>und</strong> Nenner den Exponenten um die gleich<br />

(gerade) Zahl erhöhen.<br />

All diese Funktionen sind homogen:<br />

f n<br />

( tx,<br />

ty )<br />

=<br />

f n<br />

( x,<br />

y )<br />

=<br />

x ( 2 n + 1 )<br />

+ y ( 2 n + 1 )<br />

x ( 2 n )<br />

+ y ( 2 n )<br />

t ( 2 n + 1 )<br />

x ( 2 n + 1 )<br />

+ t ( 2 n + 1 )<br />

y ( 2 n + 1 )<br />

= t f ( )<br />

2 n n<br />

x,<br />

y .<br />

t ( 2 n )<br />

x ( 2 n )<br />

+ t ( 2 n )<br />

y ( )<br />

Keine von ihnen ist im Nullpunkt differenzierbar (sonst wären sie ja schon linear). Dennoch<br />

existieren alle <strong>Richtungsableitungen</strong> in beliebigen Punkten. Deren Berechnung ist etwas<br />

kompliziert, läßt sich aber mit unseren bisherigen Mitteln auf die der <strong>partielle</strong>n <strong>Ableitungen</strong><br />

zurückführen. Für n = 20 ergibt sich das unten skizzierte stückweise fast lineare Funktionsgebirge.<br />

∂<br />

=<br />

∂x f n ( x,<br />

y ) x ( 2 n + 1 )<br />

( 2 n + 1 ) 2 ( x ( 2 n + 1 )<br />

+<br />

−<br />

y ( + )<br />

)<br />

x ( x ( 2 n )<br />

+ y ( 2 n )<br />

)<br />

( x ( 2 n )<br />

+ y ( 2 n ) 2<br />

) x<br />

2 n 1 x ( 2 n )<br />

n<br />

∂<br />

=<br />

∂y f n ( x,<br />

y ) y ( 2 n + 1 )<br />

( 2 n + 1 ) 2 ( x ( 2 n + 1 )<br />

+<br />

−<br />

y ( + )<br />

)<br />

y ( x ( 2 n )<br />

+ y ( 2 n )<br />

)<br />

( x ( 2 n )<br />

+ y ( 2 n ) 2<br />

) y<br />

2 n 1 y ( 2 n )<br />

n

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