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Unsere Gruppe ist gewachsen. Sieben schwer<br />
beladene Pferde und vier Träger – einer davon<br />
ist auch der Koch –, drei Pferdeführer, ein Dolmetscher<br />
und ein ortskundiger Guide schauen<br />
mich erwartungsvoll an – sie warten auf meine<br />
Anweisungen. Es hat Tage gedauert, bis ich<br />
diese bunte Truppe zusammengewürfelt hatte<br />
und Proviant und Ausrüstung organisiert waren.<br />
Hinter uns liegen drei Tagesfahrten mit<br />
Jeeps durch Flusstäler und über Hochmoore.<br />
Von hier an gibt es keine Strasse mehr bis ins<br />
Quellgebiet des Mekong. Mindestens drei harte<br />
Tagesmärsche über das tibetische Bergland stehen<br />
uns jetzt bevor. Meine Haut am Sitzbein,<br />
auf der ich seit 30 Jahren sitze, ist empfindlich<br />
wie Pergament. Sie schreit nach Entlastung. Ich<br />
verspreche mir, mich von heute an öfter hochzustützen.<br />
Dennoch will ich alles auf eine Karte<br />
setzen. Eine solche Chance werde ich in meinem<br />
Leben nicht wieder bekommen.<br />
Start ins Ungewisse. Ich blase zum Aufbruch.<br />
Im Gepäck: zwei gefrorene Hammel, eine Kiste<br />
getrocknetes Yakfleisch, zehn Kilo Gemüse<br />
und Obst, ein Sack Nudeln, mehrere Kocher,<br />
Geschirr, drei grosse Schlafzelte und ein Küchenzelt.<br />
Dann auch Sauerstoffflaschen, Medikamente<br />
gegen Atemnot und Kopfschmerzen<br />
und ganz wichtig: zwanzig Dosen Bier zum<br />
Anstossen am Ziel.<br />
Auch ich bin gut vorbereitet. In Zadoi, der<br />
letzten Ansiedlung, dort wo alle Strassen enden,<br />
habe ich meinen Rollstuhl mithilfe des<br />
Handbike-Vorderrads zu einem Sulky, einer<br />
Art Trabrennwagen, umgebaut. Damit kann ich<br />
mich, je nach Gelände, von den Pferden oder<br />
den Trägern ziehen lassen und gleichzeitig<br />
selbst an den Rädern Hand anlegen. Beim<br />
Überqueren gefrorener Flüsse werde ich reiten.<br />
Das Wetter bleibt unberechenbar. Es ist<br />
Juni, die warme Jahreszeit, doch Hagel wird<br />
von Schnee oder Regen abgelöst. Manchmal<br />
kommen alle Formen von Niederschlägen<br />
gleichzeitig vom Himmel, und dies bei eisigem<br />
Wind. Meine Beine hassen die Kälte. Schlechte<br />
Durchblutung und kaum Muskelbewegungen<br />
lassen sie selbst bei Plusgraden bis ins Mark<br />
vereisen. Warm werden sie erst Stunden später –<br />
manchmal braucht es eine ganze Nacht. Dann<br />
ist an Schlaf nicht zu denken, ich muss mich<br />
jeweils warm zittern.<br />
Das tibetische Hochland, gross wie ganz<br />
Deutschland, wo Jangtsekiang, Hangpho, Salween<br />
und Mekong entspringen, besteht zum<br />
grössten Teil aus Hochmoor. Gefährliche Hohlräume<br />
unterhalb der Grasnarbe, tiefe Wasserbassins<br />
und der teilweise gefrorene Boden,<br />
dazu die sauerstoffarme Luft bereiten meinem<br />
Team die grössten Schwierigkeiten. Entgegen<br />
meiner Planung muss ich oft getragen werden.<br />
Mithilfe zweier Metallstangen, die am Rollstuhl<br />
befestigt werden, liften mich die vier Träger.<br />
Doch sie ringen schnell nach Luft, keine dreihundert<br />
Meter sind am Stück zurückzulegen:<br />
Absetzen – Pause – an die Flasche. Yong, der<br />
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