Referat von Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs (pdf/179.64KB)
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zugreifen. Auch hier kann ein zentraler Begriff <strong>von</strong> Jaspers hilfreich sein, nämlich<br />
der des „Umgreifenden“. Das Umgreifende bezeichnet die der menschlichen<br />
Existenz innewohnende Tendenz zur Selbsttranszendenz, zur Erfahrung und<br />
Anerkennung einer Sphäre jenseits des sachlich Feststellbaren, Wissbaren und<br />
Berechenbaren. Er bezeichnet eine uns umfassende Ganzheit, die <strong>von</strong> uns nicht<br />
zu erfassen ist, sondern aus der wir uns und unser Leben als gegeben und nicht<br />
gemacht erfahren.<br />
Diese für den Burnout-Patienten verschüttete Erfahrung, sich selbst als gegeben,<br />
und als Teil eines umgreifenden Ganzen zu erleben, gilt es in der Therapie wieder<br />
zutage zu fördern. Das maßlose Leistungs- und Erfolgsstreben, das die Perspektive<br />
immer mehr auf das eigene Selbst verengt hat, kann keine Orientierung<br />
für die Zukunft mehr liefern. In der einen oder anderen Weise wird die geforderte<br />
Neuorientierung immer mit einer Erweiterung des Selbst, mit einer Selbsttranszendierung<br />
verknüpft sein. Das Eingebettetsein in die Natur, die Zugehörigkeit<br />
zu einer menschlichen Gemeinschaft und schließlich die Übung in <strong>med</strong>itativen<br />
und kontemplativen Verfahren sind wohl die wichtigsten Möglichkeiten,<br />
das Umgreifende auch in einer konkreten Weise zu erfahren, zu erleben. Das<br />
Selbst ist dann gewissermaßen nicht nur sich selbst, sondern es erweitert sich<br />
und repräsentiert zugleich das Umgreifende.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Unter der Grenzsituation versteht Karl Jaspers eine Lebenssituation, in der das<br />
„Gehäuse“ <strong>von</strong> vertrauten Überzeugungen und illusionären Sicherheiten zerbricht,<br />
in der die grundlegenden Widersprüche des menschlichen Daseins sichtbar<br />
werden und der bisherige Lebensentwurf nicht mehr weiter trägt. In dieser<br />
Erfahrung des Scheiterns steht das Individuum vor der Wahl, entweder vor der<br />
Grenzsituation auszuweichen bzw. sie zu verleugnen, oder aber sich ihr zu stellen<br />
und aus ihr den Impuls zum Ergreifen der eigenen Existenz zu gewinnen.<br />
Diese existenz<strong>phil</strong>osophische Konzeption lässt sich auch auf das Scheitern eines<br />
bereits brüchigen, gleichwohl hartnäckig aufrechterhaltenen Lebensentwurfs<br />
resultieren, wie dies bei Burn-out-Syndromen häufig der Fall ist. Sie bringen das<br />
Gehäuse <strong>von</strong> Absicherungen und Abwehrmechanismen zum Einsturz, das die<br />
Patienten bislang vor den existenziellen Grundsituationen beschützen sollte,<br />
denen sie nun nicht länger ausweichen können.