Referat von Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs (pdf/179.64KB)
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zisstische Personen. Sie lassen sich durch eine jeweilige „Gehäuse“-Struktur<br />
charakterisieren, die letztlich der Abwehr existenzieller Widersprüche und Gefährdungen<br />
dient.<br />
So bedeutet für anankastische Menschen das rigide Beharren auf Vollständigkeit<br />
und Perfektion auch ein Gehäuse, das gegen die Grundsituation der Zufälligkeit,<br />
der Unberechenbarkeit und Unvollkommenheit des Daseins schützen<br />
soll. Eine der Grundannahmen zwanghafter Persönlichkeiten ließe sich etwa in<br />
dem Satz formulieren: Wenn ich alles perfekt mache, habe ich das Leben unter<br />
Kontrolle und kann nicht <strong>von</strong> Unvorhergesehenem überrascht werden. Das<br />
Schicksal kann mir nichts anhaben.<br />
Verwandt mit diesen Persönlichkeiten ist der bereits erwähnte „Typus Melancholicus“<br />
mit seiner skrupulösen Gewissenhaftigkeit, seiner starren Normorientierung<br />
und Überangepasstheit. Seine Grundannahme lautet: Wenn ich nur alle<br />
meine Pflichten erfülle, dann bin ich für andere wertvoll, und meine Existenz ist<br />
gerechtfertigt. Dieses Gehäuse verdeckt die Grundsituation des existenziellen<br />
Schuldigseins: Niemand sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe, ich bin in<br />
meinen Entscheidungen letztlich auf mich allein gestellt; ja im Grunde ist mein<br />
Dasein kontingent, zufällig, nicht <strong>von</strong> einem übergeordneten Ziel gerechtfertigt,<br />
ohne einen letzten Grund. Diese existenzielle Ausgesetztheit ist für den Typus<br />
Melancholicus unerträglich; daher versucht er mit allen Mitteln, sein Dasein zu<br />
rechtfertigen, nicht schuldig zu werden und penibel bis zur Selbstverleugnung<br />
seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Es liegt nahe, dass er mit dieser<br />
Struktur in besonderem Maße burn-out-gefährdet ist.<br />
Gehen wir weiter zu den dependent-masochistischen Persönlichkeiten. Eine<br />
zentrale menschliche Grundsituation, der sie ausweichen, besteht in der Freiheit:<br />
Wir sind, wie Sartre es ausdrückte, „zur Freiheit verdammt“, und diese<br />
Formulierung passt insbesondere zu dependenten Menschen: Sie empfinden die<br />
Freiheit des Selbstseins und Selbstwerdens, die Forderung, eigene Entscheidungen<br />
zu treffen und für sich selbst einzustehen, als Belastung, ja als Bedrohung.<br />
Das Gehäuse, in das sie vor dieser Freiheit flüchten, besteht in der Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> anderen und der Aufopferung für sie: Wenn ich mich anderen unterordne,<br />
kann ich auf ihren Schutz und ihre Führung rechnen. Wenn ich mich für andere<br />
opfere, kann ich ihre Anerkennung erwarten, und sie werden mir mein Selbstsein<br />
bestätigen. Hier liegt das bekannte Risiko des Helfersyndroms, das die betreffenden<br />
Persönlichkeiten besonders in soziale Berufe zieht und hier zu chronischer<br />
Selbstüberforderung und Burn-out-Erkrankungen prädisponiert.