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Magazin für Sprockhövel - Image Magazin

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Architektur<br />

800 Jahre ein Juwel der hohen Gotik und ein<br />

geschichtliches Denkmal<br />

Die Kathedrale von Reims<br />

Wir unterbrechen für diese Ausgabe unsere laufende Artikelserie<br />

über Monumente der deutschen Backsteingotik und<br />

wenden uns diesmal einem Bauwerk zu, das in Europa fast<br />

als einmalig dasteht in der Genialität des Gesamtentwurfs,<br />

der vollendeten Verbindung von Architektur und Skulptur,<br />

der Harmonie von großen und kleinen Formen und der absolut<br />

gewollten und permanent durchgesetzten stilistischen<br />

Einheitlichkeit in allen Bauphasen.<br />

Die Kathedrale von Reims ist<br />

darüber hinaus ein geschichtliches<br />

Denkmal europäischen<br />

Ranges durch die Ereignisse,<br />

die sich in ihr und im weiten<br />

Kreise um sie herum<br />

abgespielt haben. Darunter<br />

befinden sich die schweren<br />

Konflikte von 1914-1918<br />

und deren Konsequenzen bis<br />

zum Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

1945, aber natürlich<br />

auch die deutlichen Zeichen<br />

der Versöhnung zwischen<br />

Deutschen und Franzosen<br />

in der Begegnung zwischen<br />

De Gaulle und Adenauer<br />

1963 in der Kathedrale von<br />

Reims, eines der sichtbarsten<br />

Anzeichen für das Ende der<br />

Nachkriegszeit in Mittel- und<br />

Westeuropa und für den Abschluss<br />

des „Zweiten Dreißigjährigen<br />

Krieges“ (1914 –<br />

1945). Jetzt, zu Weihnachten,<br />

ist der Gedanke daran besonders<br />

tröstlich und beruhigend<br />

realistisch-zukunftsorientiert,<br />

vor allem für die Familien in<br />

Frankreich und Deutschland,<br />

aus denen Angehörige im Ersten<br />

und Zweiten Weltkrieg<br />

gefallen sind. Die wichtigsten<br />

geschichtlichen Daten sind, in<br />

der zeitlichen Reihenfolge geordnet,<br />

folgende:<br />

<strong>Image</strong> l Dezember 2011<br />

Erste Erwähnung der Keltenstadt<br />

bei Caesar in seinem<br />

Buch „Über den Gallischen<br />

Krieg“ (um 50 v. Chr.) als „Durocortorum<br />

Remorum“, in<br />

späteren Inschriften auch „Civitas<br />

Remorum“ (Stammeszentrum<br />

der Remi) genannt,<br />

im einfachen Volk meist nur<br />

als „Remos“ bezeichnet, daher<br />

der heutige Ortsname<br />

„Reims“.<br />

Im Jahre 400 wird der erste<br />

Bischof Nicasius von den Vandalen<br />

auf der Schwelle der<br />

gerade errichteten Basilika<br />

erschlagen; in der um 450 angefügten<br />

Taufkapelle wird der<br />

heidnische Franke Chlodwig<br />

zum König gesalbt und getauft.<br />

Der Erzbischof Remigius tauft<br />

ihn mit dem heiligen Öl, das<br />

eine Taube nach der Legende<br />

vom Himmel bringt. Der Bischof<br />

spricht dabei die Worte:<br />

„Neige dein Haupt, stolzer<br />

Sugambrer!“ – Diese Geste<br />

der Salbung zum König und<br />

zum Priester zugleich vollzog<br />

sich an 25 französischen Königen<br />

vom frühen Mittelalter<br />

bis zur Französischen Revolution,<br />

berühmte Ausnahmen<br />

von dieser Tradition; die Salbung<br />

Heinrichs des Vierten<br />

in Chartres und Ludwigs des<br />

Vierzehnten in Paris.<br />

Der vollständige<br />

Neubau einer gewaltigen,<br />

einer Krönung<br />

würdigen Kathedrale<br />

im neuen Stil der<br />

reifen Gotik, begann<br />

1211, vor 800<br />

Jahren, genau an<br />

der Stelle der Taufe<br />

Chlodwigs im Jahre<br />

496. Zuerst wuchs<br />

der Chor hoch, der<br />

die ausgereiften<br />

Maßwerkfenster mit<br />

Mittelpfosten, darüber<br />

zwei Spitzbögen,<br />

darüber einen Kreis<br />

mit sechs „Nasen“<br />

zeigte. Das war ein<br />

Motiv, das so überzeugend<br />

war, dass<br />

es sich in wenigen<br />

Jahren über halb<br />

Europa verbreitete,<br />

darunter in Deutschland<br />

an der Liebfrauenkirche<br />

in Trier und der Elisabethkirche<br />

in Marburg. – Auch die<br />

Skulptur, die sich vor allem an<br />

den Portalen zeigte, zog Baumeister<br />

und Bildhauer von<br />

weither an, u.a. den Meister<br />

von Naumburg.<br />

Die Skulpturen in den drei<br />

Westportalen (Heimsuchungsgruppe<br />

und lächelnder Engel)<br />

gelten als Höhepunkte der<br />

französischen Gotik überhaupt.<br />

Die viel gerühmten<br />

Proportionen des Bauwerks<br />

werden am besten sichtbar<br />

an der austarierten Westseite<br />

- der unübertroffensten in<br />

der europäischen Gotik, dem<br />

harmonischen Mittelschiff<br />

mit der hocheleganten inneren<br />

Westwand – und dem<br />

äußeren, reich geschmückten<br />

Strebewerk, in dessen Tabernakeln<br />

geflügelte Engel die<br />

ganze Kathedrale umstehen.<br />

Trotz der Verzögerung durch<br />

den Hundertjährigen Krieg<br />

(1338-1453) und den Brand<br />

der Dächer 1481 war die Kathedrale<br />

– ohne die geplanten<br />

Turmspitzen – kurz vor 1500<br />

fertig.<br />

Weitere Daten:<br />

1427 führt Jeanne d`Arc (Die<br />

Jungfrau von Orleans) Karl<br />

den Siebten nach gewonnenem<br />

Kampf in diese Kathedrale,<br />

in der er zum König gesalbt<br />

wird.<br />

1789, zu Beginn der Französischen<br />

Revolution, ist die<br />

Kathedrale akut vom Vandalismus<br />

bedroht, wird aber, als<br />

Pantheon von Frankreich, geschont.<br />

1914, am 4. September, beginnt<br />

die erste Marneschlacht,<br />

die Dächer der Kathedrale<br />

brennen ab, die Gewölbe des<br />

Mittelschiffs drohen einzustürzen.<br />

Über 600 deutsche<br />

Verwundete werden schleunigst<br />

von Schwestern eines benachbarten<br />

Klosters gerettet,<br />

bis auf einen einzigen.<br />

1938 Wiedereinweihung der<br />

gewaltigen Kirche.<br />

Nach 1945 allmähliche Reparatur<br />

der baulichen Schäden,<br />

vor allem an der Fassade.<br />

1963, das schon erwähnte<br />

Treffen zwischen Adenauer<br />

und de Gaulle, nach 1970<br />

werden Teile der mittelalterlichen<br />

Fenster vom Reimser<br />

Atelier Simon ergänzt und<br />

einige Chorkapellenfester von<br />

Marc Chagall neu geschaffen.<br />

Der architektonische und ästhetische<br />

Einfluss dieses Wunderwerks<br />

der Gotik reicht bis<br />

ins 20. Jahrhundert, bis zur<br />

noch zu vollendenden Sagrada<br />

Familia in Barcelona, der<br />

angeblich „letzten gotischen<br />

Kathedrale“.<br />

WR

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