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A g e n d a<br />

Deutschland und Europa –<br />

Agenda für mehr Wachstum<br />

Dr. Angela Merkel MdB,<br />

Bundeskanzlerin <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

Sehr gerne bin ich auch in diesem Jahr zur<br />

Tagung des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es gekommen,<br />

um mit Ihnen die Meinungen auszutauschen.<br />

Ich glaube, das Thema ist ausgesprochen<br />

gut gewählt: „Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente“, das<br />

ist das, was uns umtreibt und was uns als Bundesregierung<br />

in unserer Verantwortung <strong>der</strong><br />

EU-Präsidentschaft und auch <strong>der</strong> G8-Präsidentschaft<br />

umtreiben muss.<br />

Das Jahr 1989 war ein Schlüsseljahr – durch zwei<br />

Ereignisse: Einmal den Fall <strong>der</strong> Berliner Mauer,<br />

einhergehend mit dem Ende des Kalten Krieges,<br />

mit <strong>der</strong> Demokratisierung all <strong>der</strong> Staaten, die<br />

sich über Jahrzehnte im sowjetischen Einflussbereich<br />

befanden. Zum zweiten wurden in den<br />

80er Jahren die Grundlagen für das World- Wide-<br />

Web, also das Internet, entwickelt. Für mich besteht<br />

zwischen <strong>der</strong> Entwicklung des Internet, <strong>der</strong><br />

Informationsgesellschaft und dem Fall des Eisernen<br />

Vorhangs ein unauflöslicher Zusammenhang.<br />

Damit hat sich die Welt verän<strong>der</strong>t.<br />

Heute stehen wir vor <strong>der</strong> Aufgabe, den Wohlstand<br />

unseres Kontinentes zu sichern. Dazu<br />

müssen wir uns fragen, was wir dafür nach<br />

innen und nach außen tun müssen, um mit<br />

an<strong>der</strong>en gemeinsam einen Rahmen zu ent -<br />

wickeln, in dem Wohlstand für alle und ein<br />

möglichst nachhaltiges und dauerhaftes Wirtschaftswachstum<br />

gesichert werden können.<br />

Aus meiner Sicht ist Offenheit die einzige Möglichkeit,<br />

die Chancen <strong>der</strong> Globalisierung, die<br />

Chancen dieses weltweiten Zusammenwachsens<br />

zu nutzen. Es geht um Offenheit gegenüber<br />

Wettbewerb, niemals um Abschottung.<br />

Das heißt also: Ängste ernst nehmen, aber nicht<br />

so beantworten, dass wir uns einigeln, son<strong>der</strong>n<br />

dem Wettbewerb stellen.<br />

III/2007 trend<br />

7


A g e n d a<br />

Was heißt das für Deutschland? Wir müssen<br />

vor allen Dingen ein neugieriges Land sein. Unsere<br />

Chancen – ich habe das schon oft gesagt –<br />

liegen darin, dass wir unsere Zukunft in Innovation<br />

sehen, in Entwicklung, in Forschung, in<br />

Kreativität. Deshalb ist die Tatsache, dass sich<br />

die Bundesregierung dazu entschlossen hat,<br />

drei Prozent unseres BIP in Forschung und Entwicklung<br />

zu investieren, von entscheiden<strong>der</strong><br />

Bedeutung für die Zukunft unseres Landes. Aus<br />

dem Grund haben wir auch ein 25-Milliarden-<br />

Investitionsprogramm für diese Legislaturpe -<br />

riode beschlossen. Durch das erhebliche Wirtschaftswachstum<br />

wird das, was in die Forschung<br />

fließt, sogar noch mehr sein müssen,<br />

um den Anteil von drei Prozent zu sichern. Aber<br />

um den Beitrag <strong>der</strong> Wirtschaft auch sicherstellen<br />

zu können, müssen wir natürlich auch die<br />

entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.<br />

Daher brauchen wir vernünftige steuerliche<br />

För<strong>der</strong>ungsbedingungen für die Forschung.<br />

Wir brauchen natürlich auch die Mitwirkung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft. Forschung und Innovation werden<br />

für die Zukunft <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland entscheidend sein. Deshalb müssen<br />

wir gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen,<br />

um das Drei-Prozent-Ziel auch wirklich<br />

mit Leben zu füllen.<br />

Das Ganze muss natürlich auch mit einem Bekenntnis<br />

zur Exzellenz verbunden sein. Deshalb<br />

glaube ich, dass die Exzellenzinitiative, wie sie<br />

jetzt Schritt für Schritt umgesetzt wird, ein Umdenken<br />

auch über den Stellenwert von Leis -<br />

tung mit sich bringen wird. Es war richtig, in<br />

<strong>der</strong> ersten Stufe <strong>der</strong> Exzellenzinitiative die Universitäten<br />

herauszustellen, die auch die besten<br />

Leistungen erbringen. Denn es nützt nichts,<br />

wenn wir uns in die Tasche lügen und so tun,<br />

als ob alle gleich hervorragend wären. Wir müssen<br />

deshalb ein klares Bekenntnis zu Spitzenleistungen<br />

aufbringen. Das heißt eben auch,<br />

dass es Unterschiede gibt. Es heißt aber auch,<br />

dass <strong>der</strong>, <strong>der</strong> heute noch nicht so gut ist, die<br />

Chance bekommen muss, morgen besser zu<br />

sein.<br />

Wenn Deutschland weiter ein Wirtschaftswachstum<br />

haben wird, dann wird <strong>der</strong> Ruf nach<br />

mehr Fachkräften sicherlich lauter werden. In<br />

diesem Zusammenhang meine Bitte: Schaffen<br />

Sie ausreichend Ausbildungsplätze! Lassen Sie<br />

uns – und Sie tun das jetzt ja auch vermehrt –<br />

einen engen Dialog auch mit den Län<strong>der</strong>n da rü -<br />

ber führen, dass die Schüler, die die Schule verlassen,<br />

auch tatsächlich ausbildungsfähig sind.<br />

Wir können es uns nicht leisten, jungen Menschen<br />

keine Chance zu geben, nur weil sie nach<br />

<strong>der</strong> Schule nicht in <strong>der</strong> Lage sind, einen Beruf zu<br />

lernen. Es geht um jeden Einzelnen. Nur so können<br />

wir auch den Fachkräftebedarf decken.<br />

Die Bundesregierung hat auf einem weiteren<br />

Gebiet etwas in Gang gesetzt, was ich für außerordentlich<br />

wichtig halte: und zwar auf dem<br />

Gebiet <strong>der</strong> besseren Integration <strong>der</strong> Migrantinnen<br />

und Migranten. Wir sind jetzt zum ersten<br />

Mal zur parteiübergreifenden Auffassung gelangt,<br />

dass es nichts nützt, von multikulturellem<br />

Leben zu schwärmen und dabei zuzusehen,<br />

wie junge Menschen, die hier aufwachsen,<br />

nicht einmal die deutsche Sprache beherrschen.<br />

Nur wer Deutsch kann, hat auch eine<br />

Chance, in unserem Lande wirklich einen Anteil<br />

am Wohlstand zu haben. Das muss durchgesetzt<br />

werden. Deshalb ist es richtig, wenn junge<br />

Menschen die Schule nur besuchen dürfen,<br />

wenn sie auch den Lehrer verstehen.<br />

Deshalb werden wir im Juli auf unserem Integrationsgipfel<br />

einen Integrationsplan verabschieden.<br />

Integration bedeutet zweierlei: Einmal<br />

Pflichten für die, die hier bei uns leben wollen,<br />

und zum an<strong>der</strong>en die Offenheit <strong>der</strong> Menschen,<br />

die hier schon lange leben. Beides gehört<br />

zusammen und beides werden wir in dem Integrationsplan<br />

ansprechen.<br />

Meine Damen und Herren, wenn wir über ein<br />

neugieriges Deutschland sprechen, dann hat<br />

für mich das Thema lebenslanges Lernen eine<br />

entscheidende Bedeutung. Denn angesichts<br />

des demographischen Wandels werden wir es<br />

uns nicht leisten können, Spitzenkräfte, also<br />

Fachkräfte im Alter von 45, 50, 55, aus dem Berufsleben<br />

zu entlassen. Ich bin deshalb den<br />

Wirtschaftsbranchen, wie z. B. <strong>der</strong> IT-Industrie,<br />

sehr dankbar, die ganz speziell versuchen, denjenigen,<br />

die etwas älter sind, eine Fortbildungs -<br />

chance zu geben. Lebenslanges Lernen muss<br />

ein Motto des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts werden. Das ist<br />

noch nicht genug eingeübt. Die Menschlichkeit<br />

unserer Gesellschaft wird sich auch an <strong>der</strong> Frage<br />

entscheiden, ob jemand über 50 in dieser<br />

Gesellschaft noch gebraucht wird.<br />

Deutschland muss insgesamt ein attraktiver<br />

Standort sein. Ich glaube, dass wir dafür auch<br />

durch die Unternehmensteuerreform eine<br />

wichtige Voraussetzung geschaffen haben.<br />

8 trend III/2007


A g e n d a<br />

Deutschland liegt jetzt mit <strong>der</strong> Steuerbelas -<br />

tung bei unter 30 Prozent. Das ist für viele<br />

Inves toren von außen eine gute Möglichkeit,<br />

wie<strong>der</strong> in den Standort Deutschland zu inves -<br />

tieren. Wir haben versucht, obwohl das in <strong>der</strong><br />

Sache sehr schwer zu 100 Prozent zu erreichen<br />

ist, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften<br />

vergleichbare steuerliche Bedingungen<br />

zu geben. Ich denke, dass wir mit einer Gesamtentlastung<br />

von fünf Milliarden € einen<br />

Beitrag dazu leisten, dass nicht allzu viele Verwerfungen<br />

in diesem System entstehen.<br />

<strong>der</strong> Tarifautonomie gibt. Hier muss man zur<br />

Kenntnis nehmen, dass die starke tarifliche Bindung,<br />

wie wir sie über Jahrzehnte insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n hatten, heute in<br />

dieser Form nicht mehr besteht und insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n die Situation<br />

zum Teil völlig an<strong>der</strong>s ist. Wir haben sehr unterschiedliche<br />

Bedingungen in den einzelnen<br />

Branchen. Durch die Tatsache, dass wir in einem<br />

offenen europäischen Binnenmarkt arbeiten,<br />

haben wir natürlich auch einen gewissen Lohndruck<br />

von außen.<br />

Wer einmal eine Steuerreform konzipiert hat,<br />

<strong>der</strong> merkt, dass zwischen dem Lehrbuch und<br />

den angestammten Besitzständen natürlich<br />

ein weites Feld ist. Je größer die Entlastungsmöglichkeiten<br />

sind, umso besser können Sie<br />

das überbrücken. Unsere Spielräume aber waren<br />

angesichts <strong>der</strong> Maßnahmen, die wir sonst<br />

in diesem Jahr gemacht haben, begrenzt. Doch<br />

unter dem Strich wird <strong>der</strong> Standort Deutschland<br />

mit <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform attraktiver.<br />

Herr Lauk hat mit Recht davon gesprochen, dass<br />

wir jetzt noch die Erbschaftsteuer umsetzen<br />

müssen. Für Familienunternehmen ist es auch<br />

psychologisch ein ganz wichtiger Punkt, dass<br />

im Unternehmen einbehaltenes Kapital, wenn<br />

es dort zehn Jahre bleibt, nicht versteuert wird.<br />

Wir sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

zwar in keine ganz einfache Lage<br />

gekommen und müssen alles im Paket umsetzen,<br />

aber ich darf Ihnen hier sagen, dass die Erbschaftsteuerreform<br />

kommt, so wie wir es Ihnen<br />

bezüglich des betrieblichen Vermögens versprochen<br />

haben. Dazu stehen wir und daran arbeiten<br />

wir.<br />

Im Augenblick wird eine Diskussion über die so<br />

genannten Mindestlöhne geführt. Lassen Sie<br />

mich dazu an dieser Stelle noch einmal ganz<br />

deutlich sagen: Ich bin wie Sie <strong>der</strong> Meinung,<br />

dass die Tatsache, dass 20 o<strong>der</strong> mehr europäische<br />

Län<strong>der</strong> einen solchen Mindestlohn haben,<br />

noch lange nicht heißt, dass dies für Deutschland<br />

das geeignete Instrumentarium ist. Es gibt<br />

in keinem dieser Län<strong>der</strong> einen so hohen Stellenwert<br />

<strong>der</strong> Tarifautonomie wie in Deutschland.<br />

Deshalb ist die Christlich Demokratische<br />

Union gegen flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne.<br />

Ich rate uns gleichzeitig, gemeinsam zu betrachten,<br />

welche Verän<strong>der</strong>ungen es im Bereich<br />

III/2007 trend<br />

In Deutschland gibt es durch den Regelsatz von<br />

Hartz IV plus Unterkunftskosten ein gewisses<br />

gesetzliches Mindestniveau des Einkommens,<br />

abhängig von <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Familie. Es kann<br />

aber durchaus vorkommen, dass jemand durch<br />

seine Arbeit weniger verdient, als dieses Mindesteinkommen<br />

ausmachen würde. Dann ist<br />

es besser, das durch Arbeit erzielte Einkommen<br />

in einem gewissen Umfang durch so genannte<br />

Aufstockerleistungen zu unterstützen, als dass<br />

auf diesen Arbeitsplatz verzichtet wird und die<br />

betroffenen Menschen gänzlich von Transferhilfen<br />

abhängig werden.<br />

Wenn man das zur Kenntnis nimmt, dann müssen<br />

wir folgende weitere Fragen beantworten:<br />

Kommen die Tarifpartner zusammen bzw. kann<br />

man Entscheidungen treffen, die ein solches<br />

Zusammenkommen <strong>der</strong> Tarifpartner beför<strong>der</strong>n?<br />

Auch Herr Lauk hat davon gesprochen,<br />

dass beim Entsendegesetz z. B. Erweiterungen<br />

in gewissem Umfang denkbar sind, wobei wir<br />

aber ganz klar das Prinzip haben: Die Tarifautonomie<br />

ist das, was wir stützen und för<strong>der</strong>n wollen.<br />

Wir können diese Tarifautonomie durch gesetzliche<br />

Regelungen kräftigen, aber wir wollen<br />

„Wir müssen alles tun,<br />

um den Aufschwung<br />

zu stärken“<br />

9


A g e n d a<br />

nicht als Staat einen einheitlichen branchenunabhängigen<br />

gesetzlichen Mindestlohn festsetzen.<br />

Wir haben <strong>der</strong>zeit Wachstumsraten, von denen<br />

wir jahrelang geträumt haben. Die deutsche<br />

Wirtschaft hat einen großen Beitrag dazu geleis -<br />

tet, dass das so ist. 600.000 neue sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigungsverhältnisse sind<br />

zu verzeichnen. Zum ersten Mal seit langem liegt<br />

die Arbeitslosenzahl wie<strong>der</strong> unter vier Millionen.<br />

Aber, meine Damen und Herren, unter vier Millionen<br />

heißt doch noch lange nicht, dass wir die<br />

jetzt bestehenden Arbeitsplätze wie<strong>der</strong> in Gefahr<br />

bringen dürfen. Wir müssen vielmehr weiter<br />

daran arbeiten, die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen zu<br />

senken. Dies ist die zentrale Aufgabe, an <strong>der</strong> auch<br />

die Arbeit dieser Koalition zum Schluss beurteilt<br />

wird. Deshalb werden wir alles daransetzen,<br />

mehr Menschen in Arbeit zu bringen und nicht<br />

durch irgendwelche Maßnahmen Arbeitsplätze<br />

in unserem Land zu vernichten. Das wäre verantwortungslos.<br />

wir reformieren – u. a. Unternehmensteuerreform,<br />

Rente, Gesundheit – und leisten damit einen<br />

Beitrag dazu, die Lohnzusatzkosten auf unter<br />

40 Prozent zu senken.<br />

Wir müssen alles tun, um den Aufschwung zu<br />

stärken. Deshalb dürfen wir we<strong>der</strong> falsche<br />

Schritte gehen, noch dürfen wir erlahmen bei<br />

<strong>der</strong> Frage, was noch zu tun ist. Das heißt, Stillstand<br />

kann nicht das Motto <strong>der</strong> Stunde sein,<br />

vielmehr müssen wir konsequent weitermachen.<br />

Auch wenn es natürlich manch unterschiedliche<br />

Auffassungen innerhalb <strong>der</strong> Großen<br />

Koalition gibt, so wissen wir doch um die<br />

unbedingte Notwendigkeit, das Maß an Gemeinsamkeit,<br />

was da ist, zu nutzen, um das<br />

Wirtschaftswachstum in Deutschland zu stärken<br />

und Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in<br />

Europa. Wie es <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

wirtschaftlich geht, hat ohne Zweifel auch<br />

auf Wachstum und Entwicklung in an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Län<strong>der</strong>n Auswirkungen. Deshalb<br />

sind wir uns unserer Verantwortung bewusst<br />

und haben im Zuge <strong>der</strong> deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />

eine Vielzahl von Entscheidungen<br />

getroffen, die im Ergebnis auch dem Anspruch<br />

<strong>der</strong> EU, ein wirtschaftlich starker Partner in <strong>der</strong><br />

Welt zu sein, gerecht werden.<br />

Wichtig dabei war zunächst, dass Deutschland<br />

den Stabilitäts- und Wachstumspakt wie<strong>der</strong><br />

verlässlich einhält. Wenn Deutschland versucht<br />

hätte, den Stabilitäts- und Wachstumspakt irgendwie<br />

aufzubohren o<strong>der</strong> aufzuweichen,<br />

dann hätte das keine guten Auswirkungen auf<br />

Europa gehabt.<br />

Mit einem neuen<br />

DAX-Rekord feiert die<br />

Börse den Aufschwung<br />

Die Koalition hat für eine Vielzahl von Maßnahmen<br />

eine Menge Kritik bekommen. Als wir im<br />

vorigen Jahr immer und immer wie<strong>der</strong> gesagt<br />

haben, dass wir den Dreiklang „Sanieren, Inves -<br />

tieren, Reformieren“ durchsetzen, und damit<br />

auch Maßnahmen verbunden waren, die den<br />

Menschen Härten zugemutet haben, haben<br />

viele vorhergesagt, dass wir damit das zarte<br />

Pflänzchen Aufschwung kaputt machen würden.<br />

Heute wissen alle, dass <strong>der</strong> genannte Dreiklang<br />

richtig ist. Wir haben einen Haushalt, <strong>der</strong><br />

auf Sanierungskurs ist. Zum ersten Mal ist ein<br />

ausgeglichener Haushalt in Sichtweite. Mit den<br />

Investitionen haben wir den Mittelstand und<br />

insbeson<strong>der</strong>e kleinere Betriebe gestärkt. Und<br />

Heute können wir festhalten, dass Deutschland<br />

aus dem Defizitverfahren entlassen ist, aber<br />

nicht, weil wir politischen Druck gemacht haben,<br />

son<strong>der</strong>n weil wir die Bedingungen des Stabilitäts-<br />

und Wachstumspaktes erfüllen. Das ist<br />

nach meiner Meinung auch <strong>der</strong> einzig richtige<br />

Weg. Er schafft uns auch die Voraussetzung dafür,<br />

nachdrücklich für die Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />

Europäischen Zentralbank einzutreten. Sie darf<br />

nicht unter politischen Druck kommen. Sie ist<br />

das Fundament des Euro.<br />

Darüber hinaus muss Europa lernen, dass nicht<br />

immer nur neue Richtlinien verabschiedet werden,<br />

son<strong>der</strong>n dass auch einmal Richtlinien abgeschafft<br />

werden können und Bürokratie in<br />

Europa abgebaut werden muss. 1,5 Prozent<br />

10 trend III/2007


A g e n d a<br />

mehr Wachstum könnte freigesetzt werden,<br />

wenn bei den europäischen Richtlinien 25 Prozent<br />

Bürokratieabbau wirklich erreicht würden.<br />

Außerdem muss Europa weltweite Abkommen<br />

unterstützen. An dieser Stelle nenne ich beispielhaft<br />

die Doha-Runde. Europa muss Vorreiter eines<br />

offenen und liberalen multilateralen Handels<br />

auf <strong>der</strong> Welt sein – einmal um seinem eigenen<br />

Wertefundament gerecht zu werden, zum<br />

zweiten weil Europa und auch Deutschland immer<br />

am meisten davon profitiert haben, wenn<br />

wir für einen offenen Welthandel eintreten.<br />

Auch haben wir uns in unserer deutschen EU-<br />

Ratspräsidentschaft intensiv für die transatlantische<br />

Wirtschaftspartnerschaft eingesetzt. Das<br />

ist eine wichtige Antwort auf den gewachsenen<br />

Wettbewerb. Nichttarifäre Hemmnisse, wie wir<br />

sie vor <strong>der</strong> Einführung des Binnenmarktes in<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union hatten, binden hier zu<br />

viele Kräfte. Wenn wir zum Beispiel bei <strong>der</strong> Zulassung<br />

von Medikamenten, bei Crashtests von<br />

Autos, bei den Bilanzierungsregeln und vielem<br />

an<strong>der</strong>en mehr eine gemeinsame Kraftanstrengung<br />

schafften, dann brächte das einen großen<br />

Gewinn, den wir in Innovation, in Forschung, in<br />

Zukunft investieren könnten, was beide Kon -<br />

tinente im Übrigen dringend gebrauchen<br />

können.<br />

Wenn wir über den Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente,<br />

über die Entwicklung <strong>der</strong> Globalisierung<br />

sprechen, werden wir sicherlich auch in Zukunft<br />

darüber reden müssen, welche Instrumente<br />

<strong>der</strong> Finanzmärkte uns nach vorne bringen<br />

und – im Gegenzug – welche Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Transparenz und <strong>der</strong> Kontrolle wir hier<br />

einfor<strong>der</strong>n müssen.<br />

Ohne Zweifel ist die Globalisierung für viele<br />

Menschen eine große Herausfor<strong>der</strong>ung. Deshalb<br />

beschäftigen wir uns zum Beispiel mit <strong>der</strong><br />

Frage, wie Transparenzregeln für Hedgefonds<br />

aussehen sollten. Nicht weil wir diese Instrumente<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Finanzpolitik einfach ablehnen,<br />

son<strong>der</strong>n weil wir sehen, dass zwischen<br />

den herkömmlichen und den neuen Instrumenten<br />

ein hohes Maß an Unterschiedlichkeit<br />

in <strong>der</strong> Transparenz herrscht. Ich bin dem Präsidenten<br />

<strong>der</strong> Europäischen Zentralbank sehr<br />

dankbar, dass er sich für einen Code of Conduct<br />

eingesetzt hat. Wenn dieser von <strong>der</strong> Industrie<br />

und <strong>der</strong> Finanzwirtschaft selber erarbeitet<br />

wird, dann ist das allemal das Beste.<br />

Deshalb meine Bitte an dieser Stelle auch an Sie<br />

für Ihre Diskussion im <strong>Wirtschaftsrat</strong>: Lassen<br />

Sie uns für das notwendige Maß an Regu lie -<br />

rung eintreten, bevor wir zum Schluss zu fal -<br />

schen Formen <strong>der</strong> Überregulierung kommen.<br />

Was also ist die Aufgabe <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union? Mit Sicherheit nicht, sich dauernd mit<br />

sich selbst zu beschäftigen. Deshalb hoffe ich,<br />

dass Europa für seine zukünftigen vertrag -<br />

lichen Grundlagen in <strong>der</strong> nächsten Woche ein<br />

Stück weiter kommen wird. Denn es gibt so viele<br />

Dinge, bei denen die Welt nicht auf Europa<br />

wartet und bei denen es darum geht, dass wir<br />

uns kraftvoll mit einer einheitlichen Stimme<br />

ein mischen. Das beginnt bei <strong>der</strong> Frage des<br />

Klima schutzes und <strong>der</strong> Energiepolitik, es geht<br />

weiter über kräftiges wirtschaftliches Wachstum,<br />

Ausbildung, Rahmenbedingungen für<br />

Arbeitsstandards bis hin zu ökologischen Standards.<br />

Ich bin <strong>der</strong> festen Überzeugung, dass wir mit<br />

unseren kulturellen Erfahrungen, Traditionen<br />

und Erfolgen <strong>der</strong> vergangenen Jahre alle Chancen<br />

haben, im globalen Wettbewerb nicht nur<br />

bestehen zu können, son<strong>der</strong>n ihn auch ganz<br />

entscheidend mitbestimmen zu können.<br />

Das können wir aber nur, wenn wir uns <strong>der</strong> realen<br />

Kräfteverhältnisse in <strong>der</strong> Welt bewusst sind.<br />

In <strong>der</strong> Europäischen Union leben zusammen fast<br />

500 Millionen Einwohner. Auf <strong>der</strong> Welt leben<br />

über sechs Milliarden Menschen, in Deutschland<br />

80 Millionen. Wer also glaubt, er könne allein<br />

mit 80 Millionen Deutschen o<strong>der</strong> knapp 500<br />

Millionen Europäern für sechs Milliarden den<br />

Takt vorgeben, <strong>der</strong> überhebt sich schlicht und<br />

einfach. Deshalb muss die Europäische Union<br />

gemeinsam handeln. Wir müssen selbstbewusst<br />

auftreten, selbstbewusst mit dem, was wir können,<br />

neugierig auf das, was zu machen ist, kraftvoll<br />

und mit Elan. Dann, so glaube ich, hat<br />

Europa, ein Kontinent, <strong>der</strong> heute ohne Krieg<br />

friedlich und demokratisch seine Zukunft gestaltet,<br />

die Chance, weltweit ein anerkannter<br />

Partner zu sein.<br />

Zurzeit findet ein großer Wettbewerb um gesellschaftliche<br />

Ordnungen statt. Deshalb ist es<br />

so wichtig, dass eine dynamische Wirtschaft<br />

mit einer mit Maß gestaltenden Politik einhergeht,<br />

um ein Ziel unserer Zeit zu erreichen: die<br />

Globalisierung menschlich zu gestalten. <br />

Rede Wirtschaftstag 2007<br />

III/2007 trend<br />

11


E u r o p a<br />

Die Europäische Union:<br />

Zukunft im internationalen<br />

Wettbewerb<br />

Toomas Hendrik Ilves,<br />

Staatspräsident <strong>der</strong> Republik Estland<br />

Toomas Hendrik Ilves stellte fest, dass man<br />

sich in einer globalisierten Welt die Frage<br />

stellen müsse, mit wem man konkurriere.<br />

Der Wettbewerb finde sowohl innerhalb <strong>der</strong><br />

EU als auch in <strong>der</strong> Welt statt. Wenn man sich<br />

aber die langfristigen Trends <strong>der</strong> Globalisierung<br />

ansehe, müsse man dankbar sein, dass<br />

die Europäer frühzeitig einen einheitlichen<br />

Binnenmarkt geschaffen hätten. Dieser habe<br />

es den europäischen Staaten erlaubt, sich auf<br />

den mit <strong>der</strong> Globalisierung einhergehenden<br />

schärferen Wettbewerb einzustellen und vorzube<br />

reiten. „Wir wären heute hinsichtlich unserer<br />

Wettbewerbsfähigkeit in einer wesentlich<br />

schlechteren Verfassung, wenn wir diesen<br />

Binnenmarkt nicht gehabt hätten“, sagte Ilves.<br />

Die Offenheit <strong>der</strong> europäischen Märkte im innereuropäischen<br />

Wettbewerb sei <strong>der</strong> Motor für<br />

die heute weltweite Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />

EU-Staaten gewesen. „Aber das reicht nicht. Wir<br />

brauchen mehr Mut, mehr Visionen und eine<br />

Vorstellung davon, wohin wir in den nächsten<br />

25 Jahren wollen“, betonte <strong>der</strong> Präsident Estlands.<br />

Indien und China seien zwei mächtige<br />

Volkswirtschaften, die die Wirtschaftskraft<br />

Deutschlands in einigen Jahren übersteigen<br />

würden. Heute könnten die Europäsche Union<br />

und die USA noch mit China o<strong>der</strong> Indien konkurrieren.<br />

Dort kämen bislang nur rund acht Prozent<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung in den Genuss dessen, was<br />

man eine Mittelschicht-Existenz nennen könne.<br />

„Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite muss man aber auch sehen,<br />

dass diese acht Prozent In<strong>der</strong>, die einen europäischen<br />

Lebensstandard genießen, mehr<br />

12 trend III/2007


E u r o p a<br />

Menschen sind als Deutschland Einwohner<br />

hat“, sagte Ilves. „Und dieser Prozentsatz wird<br />

steigen. Die Frage ist, wo wir in 20 Jahren sein<br />

werden.“ Das gegenwärtige Denken in <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union darüber, wohin Europa gehen<br />

werde, sei kein Grund für Optimismus. „Aus<br />

zwei Gründen“, führte <strong>der</strong> Staatspräsident Estlands<br />

aus: „Ein Grund ist das Scheitern <strong>der</strong> EU<br />

beim Erreichen <strong>der</strong> Lissabon-Ziele, also bei <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung von Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Und zweitens entwickelt die<br />

EU einen gefährlichen Hang zu Protektionismus<br />

– und zwar nach außen und nach innen.“<br />

Ilves verdeutlichte in diesem Zusammenhang<br />

die Situation Estlands. Das Land habe mit Blick<br />

auf die eigene Infrastruktur binnen kürzester<br />

Zeit nach <strong>der</strong> Sowjetherrschaft bis Mitte <strong>der</strong><br />

Neunziger Jahre eine Infrastruktur aufgebaut,<br />

die deutlich über dem Durchschnitt <strong>der</strong> EU-<br />

Län<strong>der</strong> liege. Im Bankensektor habe Estland bis<br />

zur Jahrtausendwende sogar ein Niveau erreicht,<br />

das nur wenige Län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union erreichten. Große Fortschritte habe<br />

Estland auch hinsichtlich <strong>der</strong> Versorgung<br />

mit Internetanschlüssen gemacht. Im kom -<br />

men den Jahr werde in jedem Winkel des Landes<br />

<strong>der</strong> Zugang zum World Wide Web möglich<br />

sein, berichtete Ilves. Aber die Fortschritte, die<br />

sein Land gemacht habe, machten nicht jeden<br />

glücklich. Die hohe Effizienz etwa im Bankensektor<br />

habe dazu geführt, dass weniger Mit -<br />

arbeiter benötigt würden. „97 Prozent aller<br />

Banktransaktionen finden bei uns inzwischen<br />

im Internet statt – natürlich braucht man dann<br />

weniger Mitarbeiter an den Bankschaltern.“<br />

Auch eine große Zahl von Arbeitern sei durch<br />

technologische Innovationen überflüssig geworden.<br />

Dies könne bei jährlichen Wachstumsraten<br />

von acht bis zehn Prozent zwar noch kompensiert<br />

werden. Das Problem <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

sei dank <strong>der</strong> hohen Wachstumsraten relativ<br />

gering ausgeprägt. „Aber nichtsdestotrotz<br />

ist dies ein Problem für Län<strong>der</strong>, die bereits eine<br />

hohe Arbeitslosigkeit haben und ihre Effizienz<br />

nicht weiter steigern wollen“, betonte Ilves.<br />

„Estland aber hat durch die starke Betonung<br />

<strong>der</strong> Informationstechnologie wirtschaftlich<br />

schneller aufholen können als ohne.<br />

funktioniere heute nicht mehr, weil <strong>der</strong> Kostenvorteil<br />

inzwischen nicht mehr so groß sei. „Wir<br />

müssen neue Technologien erfinden, wir müssen<br />

innovativ sein.“ Und um dieses Ziel zu erreichen,<br />

benötige auch Estland mehr technische<br />

Intelligenz und Wissen. „Ja, wir haben Skype erfunden.<br />

Aber mein Land fällt – wie die ganze<br />

Europäische Union – in Sachen Innovationen<br />

und Wissenschaft zurück“, mahnte Ilves. „Technische<br />

Innovationen kommen vor allem aus<br />

den Vereinigten Staaten von Amerika. Und die<br />

USA sind selbst darauf angewiesen, den Brain<br />

Drain von Europa, China und Indien zu nutzen,<br />

um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“<br />

Ilves erinnerte daran, dass die Situation vor 150<br />

Wir müssen viele Probleme auf<br />

europäischer Ebene lösen<br />

Jahren eine völlig an<strong>der</strong>e gewesen sei. „Es war<br />

Deutschland, das die großen Physiker und Ingenieure<br />

und auch die großen Erfindungen und<br />

Innovationen hervorgebracht hat. Europa war<br />

<strong>der</strong> Innovator.“ Dies sei heute an<strong>der</strong>s. Nicht nur,<br />

weil die Europäer sich aus diesen Fel<strong>der</strong>n zurückgezogen<br />

hätten, son<strong>der</strong>n weil die jungen<br />

Wissenschaftler in die Vereinigten Staaten gingen.<br />

„Die klügsten Köpfe verlassen Europa –<br />

und zugleich sperren wir uns gegen Einwan<strong>der</strong>er“,<br />

kritisierte Ilves.<br />

Der estnische Staatspräsident machte deutlich,<br />

dass Europa sich mit Blick auf den Wettbewerb<br />

als einheitlichen Wirtschaftsraum begreifen<br />

müsse. „Da gibt es kein altes und kein neues<br />

Europa – wir konkurrieren als Europa. Und das<br />

bedeutet, dass wir viele Probleme auf europäischer<br />

Ebene lösen müssen.“ Wenn die Qualität<br />

von Dienstleistungen und Innovationen nicht in<br />

ganz Europa verbessert würde, sei dies ein Pro-<br />

In jedem Winkel<br />

des Landes Zugriff auf<br />

das World Wide Web<br />

„Aber das reicht nicht mehr“, sagte Ilves. „Wir<br />

müssen jetzt beginnen, selber Innovationen zu<br />

entwickeln, weil auch Estland nicht länger da -<br />

rauf setzen kann, einfach nur niedrigere<br />

Arbeitskosten zu haben, um wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben.“ Was vor 15 Jahren geklappt habe,<br />

III/2007 trend<br />

13


E u r o p a<br />

Infrastruktur<br />

deutlich über dem<br />

europäischen Durchschnitt<br />

„Es gibt keine altes<br />

und kein neues Europa“<br />

blem für den ganzen Kontinent. Ilves kritisierte,<br />

dass zwar die Grenzen für Kapital geöffnet worden<br />

seien, nicht aber für Dienstleistungen.<br />

„Europa bleibt unvollendet, solange sich die<br />

Freiheit offener Grenzen nicht auf alle Bereiche<br />

bezieht. Wir aber tun alles, um die Freiheit von<br />

Dienstleistungen zu beschneiden. Wir beklagen<br />

den Mangel an Ingenieuren, aber wir tun sehr<br />

wenig, um Wissenschaft und Forschung voranzubringen.<br />

Und wenn wir Probleme haben, weichen<br />

wir schließlich in den Protektionismus aus.<br />

Das sieht nicht gut aus“, kritisierte Ilves.<br />

Beispielhaft führte <strong>der</strong> estnische Staatspräsident<br />

den Energiesektor an. „In einem <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Sektoren für das Wirtschaftswachstum,<br />

dem Energiesektor, sind wir von einem Staat<br />

abhängig, <strong>der</strong> seine Energieressourcen gezielt<br />

für außenpolitische Ziele einsetzt.“ Europäer<br />

müssten darum in energiepolitischen Fragen<br />

zusammenarbeiten. Selbst Deutschland als<br />

größte europäische Wirtschaftsmacht sei letztlich<br />

ein kleines Land, wenn es um Verhandlungen<br />

mit Gasprom gehe. „Die Europäer müssen<br />

eine gemeinsame Energiepolitik entwickeln<br />

mit einem Kommissar, <strong>der</strong> für energiepolitische<br />

Fragen zuständig ist. Und die wichtigste<br />

Voraussetzung für ein kraftvolles gemeinsames<br />

Auftreten nach außen ist, dass die Energiemärkte<br />

im Inneren liberalisiert werden. Doch<br />

stattdessen versuchen einzelne Län<strong>der</strong> in<br />

Europa lieber, nationale Champions im Energiesektor<br />

aufzubauen und die eigenen Märkte<br />

abzuschotten“, monierte Ilves. „Das alles führt<br />

zu einem Nie<strong>der</strong>gang Europas und <strong>der</strong> europäischen<br />

Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten<br />

Welt, sofern wir nicht bald etwas tun.“<br />

Der Staatspräsident Estlands machte in diesem<br />

Zusammenhang auch auf die beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

eines europäischen Verfassungsvertrages<br />

aufmerksam. „Wir alle brauchen einen Verfassungsvertrag,<br />

<strong>der</strong> nicht nur eine Festschreibung<br />

bestehen<strong>der</strong> Verträge bedeutet – son<strong>der</strong>n einen,<br />

<strong>der</strong> uns erlaubt, einen Schritt nach vorne zu<br />

gehen und den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />

zu begegnen“, mahnte Ilves. Die Globalisierung<br />

sei eine bekannte Unbekannte. Aber es<br />

gebe auch „unbekannte Unbekannten“ – also<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Gefahren, die sich heute<br />

noch nicht absehen ließen. Jedoch müsse<br />

man heute alles tun, um mit den „bekannten<br />

Unbekannten“ <strong>der</strong> Globalisierung, also mit den<br />

Verän<strong>der</strong>ungen des Wettbewerbs, neuen Bildungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

und den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Wissenschaft umzugehen. „Wir kennen<br />

die Probleme und wir kennen die Lösungen.<br />

Wir wissen, dass die Probleme sich am besten<br />

auf europäischer Ebene bewältigen lassen. Wir<br />

müssen etwas tun. Mit Mut und Entschlossenheit.<br />

Unsere Kin<strong>der</strong> werden uns nicht verzeihen,<br />

wenn wir untätig bleiben.“<br />

Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />

14 trend III/2007


G l o b a l i s i e r u n g<br />

Deutschland in <strong>der</strong><br />

Globalisierung:<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für<br />

Unternehmen und Politik<br />

Jürgen R. Thumann,<br />

Präsident des Bundesverbandes <strong>der</strong> Deutschen Industrie e.V.<br />

Jürgen Thumann hob hervor, dass Globalisierung<br />

ein altes Phänomen <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

sei. Für einige sei „Globalisierung“<br />

heute zum Synonym für die Spaltung <strong>der</strong> Welt<br />

in Arm und Reich geworden. „Für an<strong>der</strong>e ist<br />

Globalisierung in erster Linie ein gewaltiger<br />

Wachstumsmotor“, erklärte Thumann. „Gerade<br />

in Ostasien drängt sie die Armut immer weiter<br />

zurück.“ Auch aus deutscher Sicht gebe es Wi<strong>der</strong>sprüche.<br />

„Unser Land ist Exportweltmeister,<br />

zugleich erreichen uns Nachrichten von Massenentlassungen.“<br />

Die Globalisierung habe<br />

den Strukturwandel beschleunigt und gleichzeitig<br />

habe <strong>der</strong> Wettbewerb eine ganz neue Dimension<br />

erreicht. Der Wettbewerb zwischen<br />

Unternehmen und <strong>der</strong> Wettbewerb zwischen<br />

Standorten gehörten ganz eng zusammen. „Ihr<br />

Bindeglied war stets die Standortbindung <strong>der</strong><br />

Unternehmen. Diese Selbstverständlichkeit<br />

gibt es nicht mehr“, sagte Thumann.<br />

Der Industriepräsident unterstrich, dass sich<br />

<strong>der</strong> Zusammenhalt im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />

dramatisch zurückgebildet habe. „Und auch<br />

<strong>der</strong> Markt verän<strong>der</strong>te sich. Für die Mehrzahl <strong>der</strong><br />

Industrieunternehmen gilt längst: Der Weltmarkt<br />

ist <strong>der</strong> Heimatmarkt.“ Umsatzsteigerungen<br />

würden meist auf Auslandsmärkten er-<br />

III/2007 trend<br />

15


G l o b a l i s i e r u n g<br />

Thumann mahnte, sich von den guten Konjunkturdaten<br />

nicht blenden zu lassen.<br />

„Deutschland hat die Rote Laterne abgegeben,<br />

wir sind nicht mehr das europäische Wachstumsschlusslicht.<br />

Aber nach wie vor ist unser<br />

Standort von einer strukturellen Wachstumsschwäche<br />

gekennzeichnet. Trotz kräftigen<br />

Wachstums im laufenden Jahr belegt Deutschland<br />

international nur einen Platz im Mittelfeld.<br />

Vor uns liegen die osteuropäischen Län<strong>der</strong>,<br />

aber auch Finnland, Schweden, Großbritannien.<br />

Und in den USA würde unser aktueller<br />

Boom wohl eher als Wachstumsdelle bezeichnet<br />

werden“, sagte <strong>der</strong> BDI-Präsident. Das<br />

Trendwachstum sei zu schwach. „Der politische<br />

Reformprozess wurde vom unternehmerischen<br />

quasi abgehängt. Die Agenda 2010, die Politik<br />

<strong>der</strong> kleinen Schritte – es reicht ganz einfach<br />

nicht“, kritisierte <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />

Für mittelständische<br />

Unternehmen bedeutet<br />

die Globalisierung eine<br />

große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

zielt, betonte Thumann. „Unsere DAX-30-Unternehmen<br />

zum Beispiel erwirtschaften inzwischen<br />

über drei Viertel ihrer Umsätze im Ausland.<br />

Die Globalisierung bietet Unternehmen<br />

also viele neue Handlungsoptionen. Die deutschen<br />

Unternehmen haben diese Chancen erkannt<br />

und sie nutzen sie.“ Dabei hätten deutsche<br />

Unternehmen teils schmerzhafte Umstrukturierungsprozesse<br />

hinter sich. „Strukturen<br />

wurden schlank gemacht, Erblasten aus<br />

den 70er Jahren und den 80ern wurden beseitigt“,<br />

sagte <strong>der</strong> BDI-Präsident. „Am Weltmarkt<br />

überleben heißt eben, sich än<strong>der</strong>n.“<br />

Wirtschaftspolitik müsse stärker als bisher die<br />

Voraussetzungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Unternehmen im Blick<br />

haben. Angesichts <strong>der</strong> Europäisierung seien die<br />

nationalen Handlungsmöglichkeiten deutlich<br />

geschwunden. Internationale wirtschafts -<br />

politische Akteure würden immer wichtiger.<br />

„Nationale Politik verliert durch internationale<br />

Regelsetzung an Durchschlagskraft. Die Glo -<br />

balisierung hat den Handlungsspielraum <strong>der</strong><br />

Politik verän<strong>der</strong>t“, sagte Thumann. „Einige<br />

Kritiker <strong>der</strong> Globalisierung sagen sogar, dass<br />

allein <strong>der</strong> Markt die Politik bestimmt. Ich halte<br />

das für übertrieben.“<br />

Komplementäre Fertigung im Ausland eröffnet<br />

Möglichkeiten zur Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />

Die komplementäre Fertigung im Ausland eröffne<br />

den Unternehmen Möglichkeiten zu Rationalisierung<br />

und Kostenreduktion. „Das<br />

nutzt unserer Wettbewerbsfähigkeit. Und so<br />

bleibt die Außenwirtschaft Deutschlands wichtigstes<br />

Konjunkturprogramm. Je<strong>der</strong> vierte<br />

deutsche Arbeitsplatz hängt von <strong>der</strong> Außenwirtschaft<br />

ab“, betonte <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />

Diese Abhängigkeit habe sich in den vergangenen<br />

Jahren sogar noch verstärkt. Die deutsche<br />

Exportquote sei von 25 Prozent Anfang <strong>der</strong><br />

neunziger Jahre auf heute 45 Prozent gestiegen.<br />

„Internationalisierung, die Flucht nach<br />

vorn, ist also die Erfolgsformel <strong>der</strong> deutschen<br />

Industrie. Und wenn es um den Wettbewerb<br />

<strong>der</strong> Unternehmen geht, um die Performance<br />

<strong>der</strong> deutschen Unternehmen, dann können wir<br />

heute wie<strong>der</strong> stolz sein.“<br />

Tatsache sei, dass die Verschärfung des glo -<br />

balen Wettbewerbs erhebliche Anpassungsleis -<br />

tungen erfor<strong>der</strong>e. Deutschland müsse seine<br />

Standortnachteile wie hohe Arbeitskosten und<br />

Bürokratie abbauen und zugleich seine Standortstärken<br />

ausbauen.<br />

Die Globalisierung könne nur mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

gestaltet werden – und nicht gegen sie.<br />

Deutschland könne es mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />

aufnehmen. „Wir sind auf dem richtigen Weg,<br />

diese Herausfor<strong>der</strong>ungen, die uns gestellt sind,<br />

zu meistern“, erklärte Thumann. „Das zeigen<br />

unsere Unternehmen, die sich stark gemacht<br />

haben für den internationalen Wettbewerb.<br />

Das zeige auch <strong>der</strong> aktuelle Aufschwung. Es<br />

geht voran. Die Unternehmen brauchen eine<br />

Politik, die dieses Tempo mithält – in Deutschland<br />

und weltweit“, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />

„Der Kurs ist richtig. Aber wir müssen<br />

noch härter am Wind segeln. Nur dann kommen<br />

wir voran. Und nur dann erreichen wir<br />

neue Ufer.“<br />

<br />

Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />

16 trend III/2007


We t t b e w e r b<br />

Wettbewerbspolitik im<br />

Sinne Ludwig Erhards –<br />

Erfolgsmodell für<br />

Deutschland und Europa<br />

René Obermann,<br />

Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> Deutsche Telekom AG<br />

René Obermann erklärte, die Deutsche Telekom<br />

als so genannter „Incumbent“, als<br />

ein Unternehmen, das aus einem staatlichen<br />

Monopol hervorgegangen sei, sei in beson<strong>der</strong>em<br />

Maße von staatlicher Wettbewerbsaufsicht<br />

betroffen. „Fast 60 Prozent <strong>der</strong> Umsätze<br />

in Deutschland unterliegen heute noch <strong>der</strong><br />

Preis- und Zugangskontrolle <strong>der</strong> Bundesnetzagentur.<br />

Unternehmenszukäufe im Kerngeschäft<br />

bedürfen grundsätzlich einer Genehmigung<br />

<strong>der</strong> EU-Kommission“, erläuterte Obermann.<br />

„Es gibt also kaum Entscheidungen, die<br />

wir autonom und ohne behördliche Vorgaben<br />

treffen können.“ Gleichwohl müsse die Telekom<br />

für ihre Entscheidungen geradestehen.<br />

Hier komme <strong>der</strong> inhaltliche Bezug zu Ludwig<br />

Erhard ins Spiel. Wesentliche Bausteine einer<br />

marktwirtschaftlichen Ordnung im Sinne Erhards<br />

seien die Kontrolle wirtschaftlicher<br />

Macht in Form von Monopolen und Kartellen,<br />

freie Preise und stabiles Geld. „In den maßgeblich<br />

von Erhard geprägten Düsseldorfer Leitsätzen<br />

von 1949 – so etwas wie ein Manifest <strong>der</strong><br />

Sozialen Marktwirtschaft – ist die unabhängige<br />

Monopolkontrolle im ersten und auch wich -<br />

tigs ten <strong>der</strong> 16 Leitsätze aufgeführt“, erinnerte<br />

Obermann.<br />

Freie Preise und zugleich eine unabhängige<br />

Monopolkontrolle habe Ludwig Erhard als<br />

III/2007 trend<br />

17


We t t b e w e r b<br />

„Die zunehmende<br />

Bereitschaft des Staates<br />

allerdings, in das<br />

Wirtschafts geschehen<br />

einzugreifen, hätte nicht<br />

Erhards Wohlwollen<br />

gefunden“<br />

Die Bundesagentur fungiert als<br />

eine Art oberster „Preiskommissar“<br />

Grundgesetz <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft bezeichnet.<br />

Wenn Erhard indes von <strong>der</strong> Kontrolle<br />

von Monopolen und dem Verbot von Kartellen<br />

gesprochen habe, dann habe er den Staat in seiner<br />

Rolle als Schiedsrichter vor Augen gehabt,<br />

<strong>der</strong> sich selbst aus dem Spielgeschehen fernzuhalten<br />

habe, betonte <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />

<strong>der</strong> Deutschen Telekom. „Die zunehmende Bereitschaft<br />

des Staates allerdings, in das Wirtschaftsgeschehen<br />

einzugreifen, hätte nicht Erhards<br />

Wohlwollen gefunden. Davon bin ich<br />

überzeugt. So wohlmeinend die dahinterstehenden<br />

Erklärungen, zum Beispiel <strong>der</strong> Verbraucherschutz,<br />

auch sein mögen.“<br />

Obermann sagte, Erhard stünde nach seiner<br />

Auffassung heute für eine Wettbewerbsaufsicht,<br />

die sich nach fast zehn Jahren rasanten<br />

Umbruchs und intensiven Wettbewerbs wie<strong>der</strong><br />

auf die grundlegenden Regeln des Kartellrechts<br />

beschränken würde. Er betonte, <strong>der</strong> Telekommunikationssektor<br />

habe eine gewisse Vorreiterrolle<br />

für an<strong>der</strong>e Sektoren.<br />

„Regulierung wird nicht als Instrument eingesetzt,<br />

um mit einem geeigneten Rahmen eine<br />

freie, wohlfahrtsverbessernde Preisbildung zu<br />

för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n erledigt die Preisbildung zum<br />

Teil gleich mit.“ Die Bundesnetzagentur fungiere<br />

als eine Art oberster „Preiskommissar“. Hinzu<br />

komme die Regulierung auf europäischer<br />

Ebene. Obermann warnte, eine Superregulierungsbehörde<br />

auf EU-Ebene sei kontraproduktiv<br />

und trage dazu bei, die regulierungsbedingten<br />

gesamtwirtschaftlichen Verluste zu erhöhen.<br />

Dies sei indes unvereinbar mit <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen<br />

Konzeption eines Ludwig Erhard,<br />

monierte Obermann. Die gegenwärtige<br />

Regulierungspraxis wirke investitionshemmend.<br />

„Europa fällt hinsichtlich <strong>der</strong> Investitionen<br />

in die Telekommunikationsinfrastruktur<br />

deutlich hinter Nordamerika und Ostasien zurück.“<br />

Risikobehaftete Investitionen mit einer<br />

Refinanzierung über Jahrzehnte würden nicht<br />

getätigt, wenn die Gefahr einer Entwertung<br />

durch Regulierung zu groß werde.<br />

„Markt und Wettbewerb können ihre wohlfahrtssteigernde<br />

Wirkung nur entfalten, wenn<br />

man ihren selbstregulativen Kräften auch ein<br />

ausreichendes Maß an Vertrauen schenkt. Dieses<br />

Vertrauen hatte auch Erhard, als er die Preise<br />

freigab und damit den Grundstein für das<br />

deutsche Wirtschaftswun<strong>der</strong> legte“, erklärte<br />

Obermann. „Die Tatsache, dass die großen europäischen<br />

Wettbewerber <strong>der</strong> Deutschen Telekom<br />

längst in Deutschland Fuß gefasst haben<br />

und amerikanische Industrieriesen sowie Finanzinvestoren<br />

auf dem Sprung sind, lässt die<br />

Gefahr einer Remonopolisierung <strong>der</strong> Märkte<br />

bei nachlassen<strong>der</strong> Regulierung gering erscheinen.“<br />

Hinzu komme die fortschreitende Globalisierung.<br />

In <strong>der</strong> Telekommunikation sei ein „Öko -<br />

sys tem“ entstanden, das durch weltweite,<br />

wechselseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet<br />

sei. „Auch auf den Kapitalmärkten konkurrieren<br />

die großen Unternehmen <strong>der</strong> Branche<br />

um die Gunst <strong>der</strong> Anleger. Die Europäer werden<br />

weiter an Boden verlieren, wenn sie nicht vergleichbare<br />

Rahmenbedingungen vorfinden<br />

18 trend III/2007


We t t b e w e r b<br />

wie ihre amerikanischen und asiatischen Konkurrenten“,<br />

mahnte Obermann.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Märkte<br />

gebe es in Europa erheblichen Nachholbedarf.<br />

„Hemmend wirkt dabei auch die restriktive Bewertung<br />

von Unternehmenszusammenschlüssen“,<br />

hob <strong>der</strong> Telekom-Chef hervor. Angesichts<br />

<strong>der</strong> Entwicklungen <strong>der</strong> letzten Jahre besteht<br />

nach seinen Worten <strong>der</strong>zeit Anlass zur Sorge,<br />

dass nationale Überregulierungen durch eine<br />

Harmonisierung auf europäischer Ebene tendenziell<br />

zementiert werden. Je<strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong><br />

Regulierung und des staatlichen Dirigismus<br />

gehe in die Irre.<br />

„Mit Blick auf die Dynamik <strong>der</strong> Telekommunikationsindustrie<br />

und <strong>der</strong> Kapitalmärkte wäre<br />

dies aus Sicht <strong>der</strong> verbliebenen europäischen<br />

Unternehmen eine fatale Fehlentwicklung“,<br />

warnte Obermann. Die Wettbewerbspolitik im<br />

Bereich <strong>der</strong> Telekommunikation solle darum<br />

zehn Jahre nach <strong>der</strong> Liberalisierung wie<strong>der</strong><br />

stärker auf die Schiedsrichter-Rolle im Sinne<br />

Erhards zurückgedrängt werden. „Zugang zu<br />

grundlegenden wettbewerbsnotwendigen Vorleistungen,<br />

Missbrauchsaufsicht bei Verbraucherpreisen<br />

wie in an<strong>der</strong>en Versorgungsin -<br />

dustrien auch – und eine die Größenvorteile in<br />

unserer Branche berücksichtigende Fusionskontrolle“,<br />

for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />

<strong>der</strong> Deutschen Telekom.<br />

Wenn <strong>der</strong> Staat ein ehemaliges Monopolunternehmen<br />

wie die Telekom in die Freiheit des liberalisierten<br />

Marktes entlasse, dann solle er<br />

auch konsequenterweise seinen Macht- und<br />

Gestaltungsanspruch zurücknehmen und Eingriffe<br />

in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit<br />

unterlassen. Die Bundesrepublik habe<br />

seit mehr als 50 Jahren ein funktionierendes<br />

und bewährtes Wettbewerbsrecht mit starken<br />

Kontroll-, Korrektur- und Sanktionsmechanismen.<br />

Es bedürfe keiner Ergänzung durch neue Regulierungsvorschriften.<br />

Der deutsche Staat und<br />

die EU-Behörden sollten sich wie<strong>der</strong> stärker<br />

auf ordnungspolitische Aufgaben konzentrieren,<br />

for<strong>der</strong>te Obermann. „Das ist auch ein Thema<br />

für den europäischen Verfassungsvertrag.“<br />

Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />

„Hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Konsolidierung <strong>der</strong> Märkte<br />

gibt es in Europa<br />

erheblichen Nachholbedarf“<br />

Der deutsche Staat und die EU-Behörden sollten sich wie<strong>der</strong><br />

stärker auf ordnungspolitische Aufgaben konzentrieren<br />

„Die gegenwärtige<br />

Regulierungspraxis wirkt<br />

investitionshemmend“<br />

III/2007 trend<br />

19


EU-Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Wirtschaft, Klimawandel<br />

und Energieversorgung<br />

Peter Sutherland,<br />

Chairman BP plc und Goldman Sachs International<br />

Peter Sutherland machte deutlich, dass sich<br />

die Europäische Union (EU) nach dem<br />

Scheitern <strong>der</strong> Verfassungsreferenden in<br />

den Nie<strong>der</strong>landen und in Frankreich nach wie<br />

vor in einer fragilen Situation befinde. „Die Ergebnisse<br />

dieser Referenden wurden fälschlicherweise<br />

als Ablehnung <strong>der</strong> EU selbst interpretiert“,<br />

kritisierte Sutherland. „Das war weit<br />

von <strong>der</strong> Wahrheit entfernt.“ Nach den Worten<br />

des BP-Chairmans haben die Bürger tatsächlich<br />

eine ganze Reihe von Fragen mit „Nein“ beantwortet.<br />

Sie hätten zum Beispiel gegen die Globalisierung,<br />

gegen Migration, gegen die Türkei<br />

und gegen ihre politischen Führer votiert. Außerdem<br />

habe es für die Wähler keinen erkennbaren<br />

Preis für ihr „Nein“ gegeben. Sie hätten<br />

den Verfassungsvertrag folgenlos ablehnen<br />

können, weil die negativen Konsequenzen ihrer<br />

Ablehnung nicht erkennbar gewesen seien. Zudem<br />

hätten die Bürger über einen unverdaulichen<br />

Text mit mehr als 50.000 Wörtern abstimmen<br />

müssen, dessen genauer Inhalt den Wenigsten<br />

bekannt gewesen sein dürfte. „Die<br />

Menschen waren nicht länger inspiriert von<br />

den honorigen Idealen <strong>der</strong> EU-Gründungsväter,<br />

die die Grenzen durch eine Teilung von Hoheitsrechten<br />

einreißen wollten. Es war also letztlich<br />

wenig verwun<strong>der</strong>lich, dass die Bürger mit<br />

,Nein‘ stimmten“, bemerkte Sutherland.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e in Frankreich sei dies <strong>der</strong> Fall gewesen.<br />

Dort hätten die Politiker seit Jahrzehnten<br />

die EU für alles verantwortlich gemacht,<br />

was falsch gelaufen sei. Überdies sei die EU in<br />

Paris als Vehikel für den Neoliberalismus verunglimpft<br />

worden. „Das ist natürlich eine geschmacklose<br />

und falsche Karikatur <strong>der</strong> Wahrheit<br />

– denn wo wären wir wohl heute ohne die<br />

EU?“, fragte Sutherland.<br />

Der BP-Chairman kritisierte, dass <strong>der</strong> „Verfassungsvertrag“<br />

<strong>der</strong> EU unpassend benannt wor-<br />

20 trend III/2007


EU-Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

den sei. Es habe sich um einen Vertrag, nicht<br />

aber um eine Verfassung gehandelt. Selbst <strong>der</strong><br />

Maastricht-Vertrag o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Single European<br />

Act“ seien für Europa in ihrer Bedeutung weitreichen<strong>der</strong><br />

gewesen, und auch hier habe man<br />

nicht von einer Verfassung, son<strong>der</strong>n von Verträgen<br />

gesprochen. Nichtsdestotrotz seien die institutionellen<br />

Vorkehrungen, die <strong>der</strong> geplante<br />

Vertrag vorsieht, das absolute Minimum, betonte<br />

Sutherland. „Wenn man etwas kritisieren<br />

will, dann nicht, dass <strong>der</strong> Vertrag zu weit ginge<br />

– im Gegenteil, <strong>der</strong> Vertrag ist eher nicht weitreichend<br />

genug“, sagte <strong>der</strong> Chairman von Goldman<br />

Sachs International.<br />

Die Europäische Union müsse nun in die Zukunft<br />

schauen und die vor ihr liegenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

bewältigen. Man könne nicht einfach<br />

den abgelehnten Vertrag ad acta legen. Der Ablehnung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung in den Nie<strong>der</strong>landen<br />

und in Frankreich zum Trotz benötige die Europäische<br />

Union (EU) die zentralen Regelungen des<br />

Vertrages. 18 Län<strong>der</strong> hätten überdies den Verfassungsvertrag<br />

bereits ratifiziert, sechs weitere<br />

sind nach <strong>der</strong> Auffassung Sutherlands dazu bereit,<br />

dies ohne Schwierigkeiten zu tun. „Es ist politisch<br />

nicht akzeptabel, dass sich die Geschwindigkeit<br />

bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Institutionen<br />

Europas immer nach den langsamsten und zögerlichsten<br />

Län<strong>der</strong>n richten muss“, betonte Sutherland.<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit sei Blockaden mit<br />

einem Europa <strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten begegnet<br />

worden. „In diesem Zusammenhang haben<br />

wir die Entwicklung des Schengen-Abkommens<br />

erlebt und die Einführung des Euro.“ Dennoch<br />

seien nicht alle Themen dazu geeignet, um<br />

in dieser Weise mit ihnen umzugehen. <br />

Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />

„Die Europäische Union<br />

muss die vor ihr liegenden<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

bewältigen“<br />

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S t a b i l i t ä t<br />

Ökonomische Integration<br />

und Anpassungsprozesse<br />

im Euro-Raum<br />

Jean-Claude Trichet,<br />

Präsident <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank (EZB)<br />

Jean-Claude Trichet verwies auf die zentrale<br />

Bedeutung, die bereits Ludwig Erhard<br />

<strong>der</strong> Preisstabilität für die ökonomische<br />

Prosperität beigemessen habe. Ökonomische<br />

Integration, so <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Europäischen<br />

Zentralbank, sei für die Bürger Europas gerade<br />

in Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung ein wichtiger<br />

Wohlstandsmotor. Konsumenten profitierten<br />

durch niedrigere Preise, die Arbeitslosigkeit<br />

sinke. Seit <strong>der</strong> monetären Integration Europas,<br />

also seit <strong>der</strong> Einführung des Euro Anfang 1999,<br />

seien in <strong>der</strong> EU rund zwölf Millionen neue Jobs<br />

geschaffen worden. „Ich behaupte nicht, dass<br />

die Einführung <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung<br />

allein dieses positive Ergebnis gezeitigt hat –<br />

aber man kann kaum dem Befund wi<strong>der</strong> -<br />

sprechen, dass die Preisstabilität in Europa diese<br />

Entwicklung maßgeblich begünstigt hat“,<br />

sagte Trichet.<br />

Der EZB-Präsident machte deutlich, dass die<br />

europäische Integration zu einem bemerkenswerten<br />

Wachstum des Handels innerhalb <strong>der</strong><br />

Eurozone und auch mit Drittlän<strong>der</strong>n geführt<br />

habe. Die Eurozone sei eine offene Wirtschaft,<br />

offen auch nach außen. „Man kann also nicht<br />

behaupten, wir hätten eine Festung Europa<br />

geschaffen“, sagte Trichet. Die Staaten <strong>der</strong><br />

Eurozone profitierten vom Euro. Dies insbeson<strong>der</strong>e<br />

deshalb, weil <strong>der</strong> Euro zu einer Angleichung<br />

<strong>der</strong> Konjunkturzyklen verschiedener<br />

Staaten, zu mehr Preistransparenz und zu<br />

niedrigeren Transaktionskosten geführt habe.<br />

Aber nicht nur <strong>der</strong> Handel habe von <strong>der</strong> Einfüh-<br />

22 trend III/2007


S t a b i l i t ä t<br />

rung <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung profitiert. Trichet<br />

verwies auch auf die monetäre Integration,<br />

die durch den Euro beflügelt worden sei.<br />

„Dadurch hat sich die Freizügigkeit für Kapital<br />

erheblich erhöht.“ Eine weitere Integration <strong>der</strong><br />

Finanzmärkte sei wichtig, um ein reibungsloses<br />

und effizientes Funktionieren <strong>der</strong> einheitlichen<br />

Geldpolitik zu gewährleisten.<br />

Kritik übte Trichet indes an <strong>der</strong> bislang weniger<br />

weit vorangeschrittenen Integration und Fle -<br />

xibilisierung <strong>der</strong> Arbeitsmärkte. Dies sei von<br />

maßgeblicher Bedeutung für Wachstum und<br />

Wohlstand. Weil <strong>der</strong> Wechselkurs als Anpassungsmechanismus<br />

für die Verarbeitung externer<br />

ökonomischer Schocks weggefallen sei,<br />

müssten die Rigiditäten auf den Faktor- und<br />

Gütermärkten abgebaut werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Mobilität des Faktors Arbeit sei noch<br />

nicht befriedigend. Dies habe auch mit den<br />

formalen Zugangsbeschränkungen für die<br />

Arbeitsmärkte in einigen EU-Län<strong>der</strong>n zu tun.<br />

Trichet sprach sich in diesem Zusammenhang<br />

dafür aus, für Slowenien die volle Mobilität herbeizuführen,<br />

weil das Land seit Anfang 2007<br />

Teil <strong>der</strong> Eurozone sei. „Wir müssen die Integration<br />

weiter vorantreiben, insbeson<strong>der</strong>e auf den<br />

Arbeitsmärkten und in einigen Segmenten <strong>der</strong><br />

Finanzmärkte“, betonte Trichet.<br />

Die Lissabon-Strategie sei ein probates Mittel,<br />

um die ökonomischen Rigiditäten in Europa zu<br />

beseitigen. „Hierfür ist aber nicht die EZB, son<strong>der</strong>n<br />

hierfür sind die Regierungen und die<br />

Sozialpartner in den jeweiligen Län<strong>der</strong>n verantwortlich“,<br />

sagte <strong>der</strong> Zentralbankchef. „Wir<br />

unterstützen die Regierungen so gut wie möglich<br />

bei <strong>der</strong> Umsetzung struktureller Reformen.“<br />

Trichet wies in diesem Zusammenhang<br />

auch auf die Verantwortung <strong>der</strong> Tarifpartner<br />

hin. Auch Gewerkschaften und Arbeitgeber -<br />

verbände trügen Verantwortung dafür, dass<br />

die Lohnspreizung hinreichend sei. Nur so könne<br />

gewährleistet werden, dass die Entstehung<br />

neuer Arbeitsplätze durch eine marktwidrige<br />

Verzerrung <strong>der</strong> Preise und eine schlechtere<br />

Wett bewerbsfähigkeit behin<strong>der</strong>t werde.<br />

mich bewegt, weil das ein sehr, sehr wichtiges<br />

Signal ist“, sagte Trichet. Der EZB-Präsident verwies<br />

in diesem Zusammenhang auf Ludwig<br />

Erhard. Dieser habe schon früh erkannt, dass es<br />

ein großer Fehler sei, wenn ein Staat glaube,<br />

dass er mit einer auf Inflation ausgerichteten<br />

Politik Positives erreichen könne, ohne die negativen<br />

Folgen zu tragen. Dies entspreche<br />

gleichsam dem Irrglauben, man könne sich<br />

selbst an seinen eigenen Schnürsenkeln nach<br />

oben ziehen. Es sei vielmehr von entscheiden<strong>der</strong><br />

Bedeutung, sich auf das Gegenteil, auf die<br />

Preisstabilität, zu konzentrieren. Hierzu müssten<br />

alle Anstrengungen unternommen werden.<br />

„Und lassen Sie mich anfügen: Das beste<br />

Instrument, um eine stabile Währung zu gewährleisten,<br />

ist eine unabhängige Zentralbank“,<br />

betonte Trichet. Dies trage maßgeblich<br />

zu Wachstum und <strong>der</strong> Entstehung von Arbeitsplätzen<br />

bei.<br />

Die Europäische<br />

Zentralbank ist ...<br />

... dem Primat <strong>der</strong><br />

Preisstabilität verpflichtet<br />

Trichet betonte, dass sich die Europäische Zentralbank<br />

ohne jede Einschränkung dem Primat<br />

<strong>der</strong> Preisstabilität verpflichtet fühle. Er dankte<br />

<strong>der</strong> deutschen Bundeskanzlerin, weil Angela<br />

Merkel <strong>der</strong> EZB in ihrer Rede auf dem Wirtschaftstag<br />

zugesichert hat, für die Unab -<br />

hängigkeit <strong>der</strong> europäischen Geldpolitik von<br />

politischem Einfluss einzustehen. „Das hat<br />

III/2007 trend<br />

23


S t a b i l i t ä t<br />

<strong>Wirtschaftsrat</strong> ehrt Jean-Claude Trichet<br />

Schon in Ihrer Zeit als französischer Notenbank präsident galten Sie als Vater<br />

des Franc fort, des starken Franc. Und als ein entschiedener Verfechter gesun<strong>der</strong><br />

Staatsfinanzen. Dabei scheuten Sie keine Konfrontation mit <strong>der</strong> Regierung,<br />

egal welcher Couleur. Die französische Bevöl<br />

kerung hatten Sie dagegen stets mit bis zu 70<br />

Prozent Zustimmung hinter sich.<br />

Und noch etwas eint uns: <strong>der</strong> Kampf gegen die<br />

Renaissance des Protektionismus. Nationale Abschottung<br />

ist <strong>der</strong> stärkste Feind von Wachstum<br />

und Wohlstand in Europa. Erst kürzlich haben Sie<br />

den Protektionismus als Risiko Nummer eins für<br />

die weltwirtschaftliche Lage gegeißelt.<br />

Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold<br />

für den Präsidenten <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank<br />

„Sie führen die Europäische Zentralbank in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Deutschen Bundesbank.<br />

Das tut uns beson<strong>der</strong>s gut!“ So begann Prof. Dr. Kurt J. Lauk seine<br />

Laudatio auf Jean-Claude Trichet, den <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> mit <strong>der</strong> Verleihung<br />

<strong>der</strong> Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold ehrte.<br />

Der Präsident des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es weiter: „Bei Ihrer Amtsübernahme über -<br />

titelte das Handelsblatt: „Einer <strong>der</strong> Väter des Euro wird Wahrer <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung.“<br />

Sie waren es, <strong>der</strong> gemeinsam mit unserem heutigen Bundespräsidenten Horst<br />

Köhler maßgeblich die europäische Währungsverfassung und den Stabilitätspakt<br />

mitgestaltet hat. Von Anfang an waren Sie Mitglied im EZB-Rat, zunächst<br />

als Gouverneur <strong>der</strong> Bank de France und jetzt als Präsident.<br />

Die Wahl des diesjährigen Preisträgers fiel uns nicht schwer. Mit <strong>der</strong> Gedenkmünze<br />

Ludwig- Erhard in Gold ehren wir Sie, lieber Herr Trichet, für hervor -<br />

ragende Verdienste um die Soziale Marktwirtschaft in Europa.<br />

Für uns sind Sie ein ordnungspolitischer Partner erster Güte. Sie verteidigen die<br />

Unabhängigkeit <strong>der</strong> Zentralbank gegen jegliche Versuche politischer Einflussnahme,<br />

so auch gegen die immer wie<strong>der</strong> aufkommenden Vorschläge einer<br />

europäischen Wirtschaftsregierung.<br />

Alleiniger Maßstab Ihrer Politik ist und bleibt die Sicherung <strong>der</strong> Preisstabilität.<br />

Sie werden nicht müde, die Regierungen Europas zu mehr Strukturreformen<br />

und Flexibilisierung <strong>der</strong> verkrusteten Systeme aufzufor<strong>der</strong>n. Nur so können<br />

die Schocks, die in <strong>der</strong> Weltwirtschaft über uns hereinbrechen können, aufgefangen<br />

und absorbiert werden. Zugleich appellieren Sie immer wie<strong>der</strong> an die<br />

Tarifpartner, ihre Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung wahrzunehmen.<br />

Auch den Kampf gegen eine ausufernde Staatsverschuldung haben<br />

Sie sich auf die Fahnen geschrieben.<br />

Ihr Selbstverständnis an <strong>der</strong> Spitze einer euro -<br />

päischen Institution haben Sie unmissverständlich<br />

klar gemacht. Ich zitiere: ,Als Präsident <strong>der</strong><br />

Europäischen Zentralbank bin ich kein Franzose.<br />

Ich werde keine Nationen mehr ken nen, nur<br />

noch Europäer.‘ Wie Sie sich zuvor in vielen hohen<br />

Positionen in den Dienst Frankreichs gestellt<br />

haben, stehen Sie nun ganz im Dienst des Euro<br />

und Europas. Hierfür zollen wir Ihnen unseren<br />

Respekt, unseren Dank und heute Abend unsere<br />

Anerkennung.“<br />

Der Präsident <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank bedankte<br />

sich: „Es ist mir eine große Ehre, als Ehrengast<br />

zu dieser Veranstaltung eingeladen worden<br />

zu sein. Nicht nur Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />

ganz Europa ist Ludwig Erhard zu Dank verpflichtet<br />

für seine mutige, auf den Prinzipien von<br />

freiem Wettbewerb, flexiblen Preisen und offenen<br />

Märkten beruhende Politik und insbeson<strong>der</strong>e<br />

für seine Ideen zum Konzept <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft. Er hat überdies auf die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Preisstabilität hingewiesen, welche er<br />

als menschliches Grundrecht aufgefasst hat. Ich<br />

bin sehr bewegt und ergriffen. Ich bin stolz, Franzose<br />

und Europäer zu sein, ich bin sehr stolz, mit<br />

meinen Kollegen die Verantwortung zu tragen<br />

für alle Entscheidungen des Rates <strong>der</strong> EZB als Hüterin<br />

<strong>der</strong> Währung für Deutschland und all die<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>, die Teil dieser immensen kontinentalen<br />

Wirtschaft mit 318 Millionen Menschen<br />

sind. Wir haben heute Ludwig Erhard zu danken<br />

für sein Werk, das er geleistet hat unter aufregenden<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen in einer einmaligen<br />

historischen Entwicklung. Ich erinnere an viele<br />

kritische Stimmen, Vorurteile und Behauptungen,<br />

es würde unmöglich sein, eine einzige Geldpolitik<br />

und eine einzige Währung in Europa zu<br />

schaffen. Es war eine außergewöhn liche Anstrengung,<br />

den Euro zu schaffen. Wir sollten nie<br />

die Bedeutung einer einheitlichen, stabilen Währung<br />

für 318 Millionen Menschen aus den Augen<br />

verlieren.“<br />

24 trend III/2007


S t a b i l i t ä t<br />

Mit Blick auf die Gütermärkte erklärte Trichet,<br />

dass ein uneingeschränkter einheitlicher Binnenmarkt<br />

verwirklicht werden müsse. „Eine<br />

noch tiefer gehende Integration <strong>der</strong> Märkte<br />

würde die Preisflexibilität durch mehr Wettbewerb<br />

weiter verbessern. Dies wie<strong>der</strong>um würde<br />

zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen“,<br />

unterstrich <strong>der</strong> EZB-Präsident. „Nichts ist<br />

unmöglich für Europa, solange wir die rich -<br />

tigen Entscheidungen treffen.“ Die nationalen<br />

Regierungen könnten einen großen Beitrag dazu<br />

leisten, die Anpassungsmechanismen innerhalb<br />

<strong>der</strong> Eurozone zu stärken. So könnten sie<br />

nicht nur die Flexibilität <strong>der</strong> Arbeits-, Güterund<br />

Finanzmärkte verbessern – son<strong>der</strong>n auch<br />

eine vernünftige Finanzpolitik verfolgen.<br />

„Den besten Beitrag, den die nationalen Fi -<br />

nanz politiken zum Funktionieren <strong>der</strong> Wäh -<br />

rungs union beitragen können, ist eine nachhaltige<br />

und mittelfristig orientierte Politik, die<br />

sich nach den Erfor<strong>der</strong>nissen des Europäischen<br />

Stabilitäts- und Wachstumspakts richtet“, unterstrich<br />

Trichet. Ferner könne die Finanzpolitik<br />

auch dazu beitragen, unerwünschte Wachstumsunterschiede<br />

zwischen den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Eurozone durch sinnvolle Staatsausgaben und<br />

eine vernünftige Steuerpolitik zu min<strong>der</strong>n.<br />

Trichet begrüßte in diesem Zusammenhang<br />

ausdrücklich, dass sich die Finanzminister <strong>der</strong><br />

Eurozone darauf verständigt haben, den Konjunkturaufschwung<br />

in Europa nicht für eine<br />

pro zyklische Finanzpolitik und höhere Staatsausgaben<br />

zu nutzen, son<strong>der</strong>n stattdessen die<br />

Staatshaushalte zu konsolidieren und die Erfor<strong>der</strong>nisse<br />

des EU-Stabilitätspakts einzuhalten.<br />

Zum Abschluss betonte <strong>der</strong> Preisträger, <strong>der</strong> einheitliche<br />

Währungsraum Europas sei ein beeindrucken<strong>der</strong><br />

Erfolg. „Wahrscheinlich ist <strong>der</strong> Euro<br />

<strong>der</strong> größte Erfolg seit <strong>der</strong> Unterzeichnung <strong>der</strong><br />

Verträge von Rom vor fünfzig Jahren, wenn man<br />

den Fall des Eisernen Vorhangs einmal beiseite<br />

lässt“, sagte <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Europäischen<br />

Zentralbank. Der Erfolg des einheitlichen europäischen<br />

Währungsraums müsse von allen Verantwortlichen<br />

in den kommenden Jahren gefes -<br />

tigt werden. „318 Millionen Bürger Europas können<br />

auf den Euro und die Euro päische Zentralbank<br />

zählen – sie sind ein Garant für die Preisstabilität<br />

in Europa“, betonte Trichet. „Das ist eine<br />

Voraussetzung für Wachstum und Arbeitsplätze<br />

– und Ludwig Erhard war ein Pionier, <strong>der</strong><br />

verstanden hat, welche Bedeutung stabile und<br />

freie Preise, flexible Märkte und <strong>der</strong> Wettbewerb<br />

für wirtschaftlichen Fortschritt und die Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen haben.“<br />

Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />

Der Euro wird immer mehr<br />

zur Erfolgsgeschichte<br />

Die Hoffnungen wurden<br />

sogar übertroffen<br />

III/2007 trend<br />

25


H a n d e l s p o l i t i k<br />

Nicht in die alten Reflexe des<br />

Protektionismus zurückfallen<br />

Dr. Lars H. Thunell,<br />

Executive Vice President, International Finance Corporation (IFC), Weltbank-Gruppe<br />

Lars Thunell, Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />

Finance Corporation (IFC) bei<br />

<strong>der</strong> Weltbank, erklärte, die Investitionen<br />

<strong>der</strong> IFC in Öl-, Gas- und Finanzgesellschaften<br />

hätten in den vergangenen 50 Jahren mehr als<br />

50.000 Arbeitsplätze in Schwellenlän<strong>der</strong>n geschaffen.<br />

Zudem seien diesen Län<strong>der</strong>n nach<br />

den Worten Thunells durch die privaten Inves -<br />

titionen und das daraus resultierende Wirtschaftswachstum<br />

in dieser Zeit mehr als vier<br />

Milliarden Dollar Steuereinnahmen zugeflossen,<br />

führte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong><br />

Weltbankorganisation aus.<br />

„Aber die Projekte <strong>der</strong> IFC müssen sehr umsichtig<br />

gemanagt werden“, erläuterte Thunell. Für<br />

viele Schwellenlän<strong>der</strong> sei ihr Reichtum an Bodenschätzen<br />

und Energieressourcen wegen<br />

Korruption und Nepotismus in <strong>der</strong> Tat ein<br />

Fluch, wie <strong>der</strong> US-Ökonom Geoffrey Sachs einmal<br />

geschrieben habe. Transparenz sei ein<br />

wichtiges Instrument, um diese Situation zu<br />

verbessern, betonte Thunell.<br />

Eine weitere Antwort auf <strong>der</strong>artige Probleme<br />

sei das freiwillige Rahmenwerk von Banken für<br />

das Management von sozialen Risiken und Umweltproblemen.<br />

„Heute werden schon 90 Prozent<br />

aller grenzüberschreitenden Finanzierungsprojekte<br />

von diesen Prinzipien abgedeckt“,<br />

erläuterte Thunell. Die Finanzierungsprojekte<br />

basierten auf den IFC-eigenen Umwelt-<br />

und Sozialstandards. „In diesem Jahr wird<br />

ferner die Exportfinanzierung in dieses System<br />

aufgenommen“, kündigte <strong>der</strong> IFC Executive<br />

Vice President an. Mit <strong>der</strong>artigen Regelwerken<br />

bei <strong>der</strong> Kreditvergabe ließe sich sozialen Verwerfungen<br />

und Umweltproblemen effektiv zu<br />

Leibe rücken.<br />

Im Folgenden ging Thunell auf die Ergebnisse<br />

des G8-Gipfels im Juni in Heiligendamm an <strong>der</strong><br />

26 trend III/2007


H a n d e l s p o l i t i k<br />

Ostsee ein. Die Verabredungen zum Klimaschutz<br />

auf dem G8-Gipfel hält Lars Thunell für<br />

einen wichtigen Schritt nach vorn. Der Klimawandel<br />

und <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Umwelt müsse unter<br />

dem Dach <strong>der</strong> Vereinten Nationen diskutiert<br />

werden, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Executive Vice President<br />

<strong>der</strong> International Finance Corporation IFC. In<br />

dieser Hinsicht, also mit Blick auf weitere Klimaschutzbemühungen<br />

unter dem Dach <strong>der</strong> UN, sei<br />

auf dem G8-Treffen in Heiligendamm ein bemerkenswerter<br />

Fortschritt erzielt worden. Die<br />

internationale Klimapolitik müsse auch die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

auf den globalen Märkten berücksichtigen.<br />

Ohne den Fokus auf Indien, China und<br />

an<strong>der</strong>e aufstrebende Schwellenlän<strong>der</strong> sei internationale<br />

Klimapolitik wenig sinnvoll, sagte <strong>der</strong><br />

IFC Executive Vice President.<br />

Lars Thunell betonte ferner, dass Investitionen<br />

in umweltfreundliche Technologien als Gelegenheit<br />

gesehen werden müssten, um Geschäfte<br />

zu machen.<br />

führte Lars Thunell weiter aus. „Dieses Ziel wird<br />

von unseren Anteilseignern sehr deutlich unterstützt.“<br />

Folge dieses Trends sei ein bereits zunehmen<strong>der</strong><br />

Austausch von Direktinvestitionen<br />

von Entwicklungs- und Schwellenlän<strong>der</strong>n untereinan<strong>der</strong>.<br />

„Es ist sehr interessant, wenn man<br />

heute bereits feststellen kann, dass schon 58<br />

<strong>der</strong> 500 größten globalen Unternehmen aus<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>n kommen.“ Indes seien auch<br />

diese so genannten „South-to-South-Investments“<br />

nicht frei von Kontroversen, berichtete<br />

Thunell. Sie schürten Ängste und Befürchtungen<br />

in etablierten Industriestaaten und in Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

Doch sei dies ein natürlicher<br />

Prozess. Die Verschiebung ökonomischer<br />

Machtzentren in <strong>der</strong> Welt bringe Konflikte und<br />

Friktionen mit sich. Nicht mehr allein die USA,<br />

Japan und Europa seien die ökonomischen<br />

Machtzentren. China, Indien und an<strong>der</strong>e große<br />

Schwellenlän<strong>der</strong> sorgten dafür, dass sich das<br />

Machtgefüge deutlich verschiebe.<br />

„... wir dürfen nicht<br />

in die alten Reflexe<br />

des Protektionismus<br />

zurückfallen“<br />

Ferner machte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong><br />

International Finance Corporation deutlich,<br />

dass in <strong>der</strong> Handelspolitik und <strong>der</strong> Liberalisierung<br />

des Welthandels im Rahmen <strong>der</strong> World<br />

Trade Organization (WTO) dringend weitere<br />

Fortschritte gemacht werden müssten. Auch<br />

unter dem Dach <strong>der</strong> WTO gehe es darum, die<br />

Interessen <strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> etablierten<br />

Industriestaaten in Einklang zu bringen.<br />

Nach dem Stocken <strong>der</strong> Doha-Runde brauche<br />

die Welt einen Durchbruch. Eine weitere Libera<br />

lisierung des Welthandels sei für das<br />

Wachstum <strong>der</strong> Weltwirtschaft von maßgeb -<br />

licher Bedeutung, erklärte <strong>der</strong> IFC-Chef.<br />

„In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist es sehr wichtig, weiter<br />

eine Freihandelsagenda zu verfolgen“, unterstrich<br />

Lars Thunell. Die IFC versuche, mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

privater Investitionen das Thema Handelsbeschränkungen<br />

in Schwellenlän<strong>der</strong>n anzugehen.<br />

„Ich denke dabei vor allem an Investitionen<br />

in Infrastruktur, die für den Handel wichtig<br />

ist: Straßen, Häfen o<strong>der</strong> auch Logistik-Unternehmen.“<br />

In diesem Zusammenhang berichtete<br />

Lars Thunell von einem Netzwerk von rund hun<strong>der</strong>t<br />

Banken, die für diesen Zweck zusammenarbeiteten.<br />

Der Auf- und Ausbau <strong>der</strong> handelsrelevanten<br />

Infrastruktur sei die beste Voraussetzung,<br />

um die Handelsbeziehungen zwischen<br />

Län<strong>der</strong>n voranzubringen, erklärte Thunell.<br />

„Unser Ziel ist auch, die Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />

Schwellenlän<strong>der</strong> untereinan<strong>der</strong> zu stärken“,<br />

III/2007 trend<br />

Abschließend mahnte Thunell, dass die Kritik<br />

an <strong>der</strong> Globalisierung Ernst genommen werden<br />

müsse. „Wir müssen uns aber konstruktiv<br />

damit auseinan<strong>der</strong>setzen – und wir dürfen<br />

nicht in die alten Reflexe des Protektionismus<br />

zurückfallen“, warnte <strong>der</strong> IFC Vice President.<br />

„Multilaterale Zusammenarbeit ist meines Erachtens<br />

hier von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

Die multilateralen Werkzeuge und Institu -<br />

tionen, die wir benötigen, um die Heraus -<br />

for<strong>der</strong>ungen zu bewältigen, sind vorhanden.“<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen seien das eine, die Globa -<br />

lisierung biete auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber auch<br />

große Chancen, sagte Thunell.<br />

<br />

Aus Rede Internationaler Abend 2007<br />

27


Hightech-Gründungen<br />

Innovationen von heute<br />

sind Wohlstand von morgen<br />

Achim Berg,<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung Microsoft Deutschland<br />

Achim Berg erklärte, Microsoft sei ein international<br />

agierendes Unternehmen, das<br />

auf nationalen Märkten aktiv sei, dort<br />

Mitarbeiter beschäftige und somit nicht nur<br />

wirtschaftlich, son<strong>der</strong>n auch gesellschaftliches<br />

Engagement und Interesse zeige. „Ich spreche also<br />

als Deutschland-Chef eines mittelständischen<br />

Unternehmens, das 1983 in Deutschland als<br />

GmbH gegründet wurde und mittlerweile rund<br />

2.200 Beschäftigte hat“, sagte Berg. Darüber hi -<br />

naus arbeite Microsoft allein in Deutschland mit<br />

33.000 Partnern zusammen. „Das bedeutet zusammengerechnet<br />

mehr als 100.000 Arbeitsplätze<br />

für und mit Microsoft in Deutschland.“<br />

Microsofts Partner seien unabhängige, meist<br />

kleine und mittelständische Unternehmen, die<br />

auf Microsoft-Technologien basierte Produkte,<br />

Lösungen und Dienstleistungen anböten. „Als<br />

Microsoft Deutschland haben wir also ein vitales<br />

Interesse an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Zukunft am<br />

Standort Deutschland“, betonte Berg.<br />

Das gelte beson<strong>der</strong>s auch für die Informationstechnik<br />

und Telekommunikation. „In Deutschland<br />

beschäftigen ITK-Unternehmen insgesamt<br />

etwa 800.000 Mitarbeiter“, erläuterte <strong>der</strong> Microsoft-Deutschland-Chef.<br />

Der Umsatz <strong>der</strong> ITK-<br />

Branche habe 2006 bei rund 136 Milliarden €<br />

gelegen. „Ist diese Branche in Deutschland für<br />

die Zukunft gut aufgestellt?“, fragte Berg. „Ist<br />

sie fit für den Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente?“<br />

Man müsse genau hinschauen. Eine wichtige<br />

Frage sei, ob es hier und auch in an<strong>der</strong>en<br />

Hightech-Branchen einen gemeinsamen<br />

Schwachpunkt gebe. Nach den Worten Bergs ist<br />

dies die Zahl <strong>der</strong> Existenzgrün<strong>der</strong> im Hightech-<br />

Bereich. Existenzgrün<strong>der</strong> im Hightech-Bereich<br />

seien für die Zukunft Deutschlands sehr wichtig.<br />

„Sie sind ein entscheiden<strong>der</strong> Motivationsmotor,<br />

dem allerdings noch häufig <strong>der</strong> Transmissionsriemen<br />

fehlt, um die innovative Stärke auf den<br />

harten Boden des Wettbewerbs zu übertragen.“<br />

28 trend III/2007


Hightech-Gründungen<br />

Vieles falle den Hightech-Firmen schwer, manches<br />

werde ihnen aber auch schwer gemacht.<br />

„Hightech-Gründungen haben in wissensbasierten<br />

Volkswirtschaften wie unserer eine beson<strong>der</strong>e<br />

Bedeutung“, betonte Berg. „In kaum einer<br />

Darstellung und Diskussion zu den Perspektiven<br />

des Hightech-Standorts Deutschland<br />

fehlt heute <strong>der</strong> Verweis auf die Heilsbringer<br />

Hightech-Gründungen. Sie sind als junge, innovative<br />

Unternehmen in den Bereichen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

tätig. Gleichzeitig ist jedoch wenig bekannt,<br />

ob Hightech-Gründungen auch tatsächlich<br />

den Hoffnungen, die in sie gesetzt werden,<br />

gerecht werden können, denn die Hoffnung<br />

nährt sich primär durch Erfolgsbeispiele aus<br />

den USA.“ Microsoft sei ein Beispiel, Google<br />

ebenfalls. „Und im Silicon Valley finden Sie genügend<br />

florierende Unternehmen, die als Beleg<br />

dienen könnten“, führte Berg aus.<br />

Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />

(ZEW) in Mannheim habe<br />

deshalb deutlich machen wollen, wie Hightech-<br />

Gründungen in Deutschland besser unterstützt<br />

werden könnten. „Die gute Nachricht<br />

vorweg: Bei unserer ersten Studie für 2005 waren<br />

Hightech-Gründungen in Deutschland<br />

noch um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken.<br />

Dieser Trend ist gestoppt. Im vergangenen<br />

Jahr hat sich die Zahl <strong>der</strong> Unternehmensgründungen<br />

stabilisiert. 2006 waren dies etwa<br />

17.700 Gründungen. Demnach konnte <strong>der</strong> seit<br />

Jahren anhaltende Rückgang <strong>der</strong> Hightech-<br />

Gründungen im Jahr 2006 zum ersten Mal gestoppt<br />

werden“, erläuterte Berg. „Damit entwickelt<br />

sich die Hightech-Branche entgegen<br />

dem allgemeinen Trend.“ Denn die Zahl <strong>der</strong> Unternehmens-Gründungen<br />

aller Wirtschaftszweige<br />

sei im vergangenen Jahr um etwa vier<br />

Prozent gesunken. Diese Konsolidierung lasse<br />

sich nach Einschätzung des ZEW vor allem<br />

durch die anziehende Konjunktur in Deutschland<br />

erklären. „Hightech-Gründungen fühlen<br />

sich tendenziell durch eine anziehende Konjunktur<br />

zur Existenzgründung ermutigt. In an<strong>der</strong>en<br />

Wirtschaftszweigen wird dagegen <strong>der</strong><br />

sichere Arbeitsplatz als Angestellter dem rauen<br />

Wind <strong>der</strong> Selbstständigkeit vorgezogen.“<br />

Der Stopp des Abwärtstrends bei den Hightech-<br />

Gründungen dürfe allerdings nicht darüber<br />

hinweg täuschen, dass das Niveau des Gründungsgeschehens<br />

im Hightech-Sektor noch<br />

sehr niedrig sei. „Mit 17.700 Hightech-Gründungen<br />

liegen wir <strong>der</strong>zeit nur auf einem Niveau<br />

von 80 Prozent im Vergleich zu 1985 – also einem<br />

Zeitpunkt noch weit vor dem Platzen <strong>der</strong><br />

Internetblase“, bemerkte Berg. Die ZEW-Studie<br />

zeige auch ganz deutlich, dass <strong>der</strong> Fachkräf -<br />

temangel und Finanzierungsprobleme weiterhin<br />

ernstzunehmende Hin<strong>der</strong>nisse für die<br />

Hightech-Grün<strong>der</strong> seien. „Die Finanzierung von<br />

jungen Start-ups bleibt ein Hauptstolperstein.<br />

Nur rund fünf Prozent aller Hightech-Start-ups<br />

haben seit 2005 Eigenkapital von Dritten, also<br />

Privatinvestoren, Business-Angles und Venture-Capital-Gebern<br />

bekommen.“ Die nach wie<br />

vor wichtigste Finanzierungsquelle junger<br />

Grün<strong>der</strong> sei <strong>der</strong> eigene Geldbeutel. „Neben den<br />

Eigenmitteln wird mit zunehmendem Alter des<br />

Unternehmens <strong>der</strong> Cashflow vermehrt zur Finanzierung<br />

genutzt.“ Die Studie zeige aber<br />

auch, dass Start-ups, die Finanzmittel von Dritten<br />

erhalten hätten, sich deutlich von den<br />

an<strong>der</strong>en innovativen Jungunternehmen unterschieden.<br />

„Sie sind größer, wachsen schneller,<br />

sind innovativer und lagern häufiger Forschungs-<br />

und Entwicklungstätigkeiten aus“,<br />

erklärte Berg. „Der Anteil <strong>der</strong> Spin-offs, also <strong>der</strong><br />

Ausgründungen aus Hochschulen unter ihnen<br />

ist beson<strong>der</strong>s hoch.“<br />

Dies sei erfreulich, aber nur eine Seite <strong>der</strong> Medaille.<br />

„Denn insgesamt ist gerade bei den<br />

Hochschulausgründungen ein Rückgang zu<br />

verzeichnen“, berichtete Berg. Ihr Anteil an den<br />

Start-Ups nehme seit dem Jahr 2003 stetig ab.<br />

„Im Jahr 2005 und Jahr 2006 betrug er in den<br />

forschungsintensiven Wirtschaftszweigen nur<br />

noch rund zwölf Prozent.“ Eine mögliche Erklärung<br />

sei <strong>der</strong> Fachkräftemangel. Denn Spin-offs<br />

würden vor allem von Naturwissenschaftlern<br />

und Ingenieuren gegründet. Für den Studienbereich<br />

Informatik hätten sich 2006 zum sechs -<br />

ten Mal in Folge weniger Erstsemester einge-<br />

Der dramatische<br />

Rückgang <strong>der</strong> Hochschul -<br />

ausgründungen gefährdet<br />

den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland<br />

III/2007 trend<br />

29


Hightech-Gründungen<br />

schrieben als im Vorjahr. Gleichzeitig seien zu<br />

Jahresbeginn 2007 rund 20.000 Stellen in <strong>der</strong><br />

Branche nicht besetzt gewesen. „Berufsaussichten<br />

und Berufswahl driften in Deutschland<br />

auseinan<strong>der</strong>, während an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> gigantische<br />

Kapazitäten aufbauen“, kritisierte <strong>der</strong> Microsoft-Chef.<br />

„Deutschlands Hochschulen entlassen jährlich<br />

rund 14.000 Informatikstudenten auf den Arbeitsmarkt.<br />

In Indien sind es etwa zwanzigmal so<br />

viele.“ Diese Entwicklung werde ihre Spuren<br />

auch in <strong>der</strong> Gesamtwirtschaft hinterlassen, denn<br />

die Hochschul-Spin-offs nutzten deutlich häufiger<br />

eigene Patente und betrieben wesentlich<br />

mehr Forschung und Entwicklung als an<strong>der</strong>e<br />

Start-ups. „So bleiben wichtige Impulse für Wissenstransfer<br />

und Innovation aus. Obwohl deutsche<br />

Hochschulen exzellente Forschung betreiben,<br />

landen schon heute zu viele Ergebnisse in<br />

den Schubladen, ohne sie wirtschaftlich zu nutzen.<br />

Dieser dramatische Rückgang an Hochschulausgründungen<br />

gefährdet den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland. Innovationen von heute<br />

sind <strong>der</strong> Wohlstand von morgen“, betonte Berg.<br />

Der Weg von <strong>der</strong> technischen Idee zur Innova -<br />

tion müsse stärker begleitet werden, sowohl<br />

von politischer wie von unternehmerischer<br />

Seite, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Microsoft-Chef. „Damit<br />

Deutschlands Innovationsstandard Nummer<br />

eins bleibt, benötigen wir dringend ein neues<br />

Private-Equity-Gesetz, das private Investments<br />

wie<strong>der</strong> stärker för<strong>der</strong>t als behin<strong>der</strong>t.“ Diese For<strong>der</strong>ung<br />

sei zwar nicht neu. Das Thema müsse<br />

aber jetzt vorangetrieben werden. „Dass es hier<br />

Probleme gibt, zeigt ein europäischer Vergleich:<br />

Deutschland liegt bei <strong>der</strong> absoluten Höhe von<br />

Venture Capital auf dem vierten Platz hinter<br />

England, Frankreich und Israel. Wir haben aber<br />

nur ein Viertel des Investmentvolumens von<br />

England und nur die Hälfte <strong>der</strong> VC-Investi -<br />

tionen von Frankreich.“<br />

Beziehe man die Zahlen auf die Bevölkerungszahlen,<br />

dann liege die Bundesrepublik im europaweiten<br />

Vergleich nur auf Platz 14. „Lei<strong>der</strong> haben<br />

wir in Deutschland auch noch keine nennenswerte<br />

Business-Angels-Kultur wie in den<br />

USA“, monierte Berg. „Dabei sind Business Angels<br />

bei <strong>der</strong> lebendigen Grün<strong>der</strong>szene von unschätzbarem<br />

Wert. Dies merken wir immer<br />

wie<strong>der</strong> im Gespräch mit jungen Grün<strong>der</strong>n.“<br />

Auch die genannte ZEW-Studie habe dies bestätigt.<br />

„Diese Gespräche und Kontakte sind<br />

wichtig, denn die Unterstützung von Hightech-<br />

Grün<strong>der</strong>n ist nicht nur eine Aufgabe <strong>der</strong> Politik.<br />

Auch die Wirtschaft selbst kann hier einen<br />

Beitrag leisten.“<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Probleme für Grün<strong>der</strong><br />

im Hightech-Sektor habe Microsoft 2005<br />

gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik die Grün<strong>der</strong>initiative<br />

„Unternimm was“ ins Leben gerufen. Deren<br />

Ziel sei es, junge Grün<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Hightech-<br />

Branche auf dem Weg zu einem erfolgreichen<br />

Unternehmen zu begleiten. Unterschieden<br />

werde dabei zwischen <strong>der</strong> Breiten- und <strong>der</strong> Tiefenför<strong>der</strong>ungsinitiative.<br />

Mit <strong>der</strong> Breitenför<strong>der</strong>ung<br />

unterstütze „Unternimm was“ junge<br />

Grün<strong>der</strong> mit praxisorientiertem Know-how,<br />

Workshops zur Technologie, Marketing und<br />

Vertriebsthemen und dem Zugang zu einem<br />

großen Partner- und Kundennetzwerk. „Dazu<br />

hat Microsoft zusammen mit zahlreichen Partnerinitiativen<br />

regional und national ein umfassendes<br />

För<strong>der</strong>angebot aufgebaut.“ „Unternimm<br />

was“ kooperiere etwa mit <strong>der</strong> Kreditanstalt<br />

für Wie<strong>der</strong>aufbau (KfW) und dem<br />

Hightech-Grün<strong>der</strong>fonds. Mit <strong>der</strong> so genannten<br />

Tiefenför<strong>der</strong>ung würden <strong>der</strong>zeit 16 ausgewählte<br />

Grün<strong>der</strong>unternehmen mindestens ein Jahr<br />

lang im Rahmen von „Unternimm was“ beson<strong>der</strong>s<br />

intensiv unterstützt. „Je nach Bedarf erhalten<br />

sie Unterstützung bei <strong>der</strong> technischen Weiterentwicklung<br />

ihrer Produkte – o<strong>der</strong> werden in<br />

Vertriebs- und Marketingfragen von Microsoft-<br />

Spezialisten unterstützt“, erläuterte Berg.<br />

Mit „Unternimm was“ würden beson<strong>der</strong>s Institutionen<br />

geför<strong>der</strong>t, die die Zusammenarbeit<br />

von Wirtschaft und Hochschulen vorantrieben.<br />

„Die Folge: Derzeit sind neun von 16 <strong>der</strong> hoch<br />

innovativen Unternehmen in <strong>der</strong> Tiefenför -<br />

<strong>der</strong>ung von „Unternimm was“ Hochschul-Spinoffs.<br />

Im Rahmen von „Unternimm was“ würden<br />

den Unternehmen auch Kontakte zu Venture-<br />

Capital-Gebern vermittelt. „Die Patenschaft mit<br />

Microsoft kann dabei als Aushängeschild für<br />

die jungen Unternehmen gelten.“ Für die Menschen<br />

in Deutschland sei eine lebendige und<br />

innovative Wirtschaftslandschaft wichtig. „Der<br />

Hightech-Bereich nimmt hierbei eine Schlüsselposition<br />

ein. Wir haben hier einen Ansatzpunkt<br />

und einen wichtigen Hebel für das<br />

Gestalten von Zukunft. Lassen Sie uns diesen<br />

Hebel noch intensiver als bisher als gemeinsame<br />

politische und unternehmerische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

begreifen.“<br />

<br />

Aus Rede Internationaler Abend 2007<br />

30 trend III/2007


Ru s s l a n d<br />

Wir sollten unsere Chancen<br />

endlich realisieren<br />

Grigory A. Yavlinsky,<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> Russian Democratic Party<br />

Grigory Yavlinsky wies darauf hin, dass<br />

die Bundesrepublik Deutschland einer<br />

<strong>der</strong> wichtigsten Wirtschaftspartner<br />

Russlands sei. Im Jahr 2006 habe Deutschland<br />

Waren im Wert von 23 Milliarden € nach Russland<br />

exportiert. Dies seien mehr als ein Drittel<br />

aller EU-Exporte gewesen. In die umgekehrte<br />

Richtung, von Russland nach Deutschland, seien<br />

Waren im Wert von 29 Milliarden € geflossen.<br />

Die Hälfte aller EU-Exporte seien mo<strong>der</strong>ne<br />

Technologien und Maschinen, Russlands Exporte<br />

in die EU hingegen bestünden zu zwei Dritteln<br />

aus Rohstoffen und Energielieferungen<br />

wie Öl, Gas, Kohle, Nickel und Aluminium. „In<br />

den vergangenen sechs Jahren hat die Europäische<br />

Union Waren und Dienstleistungen von<br />

insgesamt 72,5 Milliarden € nach Russland exportiert“,<br />

berichtete <strong>der</strong> russische Oppositionsführer.<br />

Diese hätten sich damit zwischen 2000<br />

und 2006 verdreifacht. Die Importe <strong>der</strong> EU aus<br />

Russland hätten sich im gleichen Zeitraum um<br />

den Faktor 2,5 erhöht. „Russland ist nach den<br />

USA und China inzwischen <strong>der</strong> drittgrößte<br />

Handelspartner <strong>der</strong> EU“, erläuterte Yavlinsky.<br />

Der russische Politiker erinnerte an die Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

seines Landes mit <strong>der</strong> Ukraine<br />

und Weißrussland hinsichtlich <strong>der</strong> Gaslieferungen,<br />

von denen auch die EU wegen <strong>der</strong> Transitpipelines<br />

und des Druckabfalls bei den Gaslieferungen<br />

indirekt betroffen gewesen sei.<br />

Russlands Position in dem Gas-Streit sei leicht<br />

zu verstehen: Gasprom müsse in den kommenden<br />

Jahren mehrere hun<strong>der</strong>t Milliarden €<br />

inves tieren, um Gasfel<strong>der</strong> zu erschließen. Man<br />

könne es sich mithin nicht mehr leisten, Gas zu<br />

subventionierten Preisen an die früheren<br />

Sowjetrepubliken zu liefern. Russland sei zwar<br />

<strong>der</strong> weltgrößte Gas-Exporteur. Aber 28 Mil -<br />

III/2007 trend<br />

31


Ru s s l a n d<br />

Das Thema „Russisches Gas“<br />

ist längst ein Symbolthema<br />

lionen Menschen <strong>der</strong> eigenen Bevölkerung –<br />

insgesamt rund 140 Millionen – hätten selber<br />

keinen Zugang zu Gas.<br />

Das Gasthema sei symbolisch, und könne als<br />

Beispiel dafür gelten, dass die EU und Russland<br />

noch keine passende Strategie für den Umgang<br />

miteinan<strong>der</strong> gefunden hätten. Nach Auffassung<br />

Yavlinskys sind es an erster Stelle aber die<br />

Europäer, denen es an einer Strategie mangelt.<br />

„Der Fall <strong>der</strong> Berliner Mauer war zwar nicht das<br />

von Francis Fukuyama ausgerufene Ende <strong>der</strong><br />

Geschichte – aber das Ende einer über Jahrzehnte<br />

erfolgreichen Strategie“, sagte Yavlinsky. „Das<br />

Ende des Kalten Krieges, <strong>der</strong> Zusammenbruch<br />

des Warschauer Pakts und die europäische Einigung<br />

waren ein riesiger Erfolg – aber es war<br />

auch das Ende einer Strategie und Planung.“<br />

Die Frage, die nunmehr zu beantworten sei, beziehe<br />

sich darauf, wie die Europäische Union<br />

sich ihre Beziehungen zu Russland, zur Ukraine<br />

o<strong>der</strong> zu Weißrussland in 25 o<strong>der</strong> 30 Jahren vorstelle.<br />

„Das ist die wichtigste Frage – sie muss gestellt<br />

und nach Möglichkeit auch beantwortet<br />

werden“, betonte <strong>der</strong> russische Oppositionsführer.<br />

„Sonst werden die Probleme mit Gaslieferungen<br />

o<strong>der</strong> polnischem Fleisch nie gelöst.“<br />

Yavlinsky sagte, um 2050 werde es nur noch<br />

zwei wesentliche Wirtschaftsmächte in <strong>der</strong><br />

Welt geben – die USA und Süd-Ost-Asien.<br />

„Wenn Europa mit diesen beiden Wirtschaftsmächten<br />

dann noch konkurrieren will, dann<br />

gibt es nur einen Weg: Europa muss sich Gedanken<br />

darüber machen, wie es die Ressourcen<br />

des östlichen Teils Europas und des nordöst -<br />

lichen Teils Asiens integrieren will – das betrifft<br />

nicht nur Energieressourcen, son<strong>der</strong>n ebenso<br />

intellektuelle Ressourcen, militärische und geopolitische.<br />

Das ist meines Erachtens die <strong>der</strong>zeit<br />

wichtigste Frage“, sagte <strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong><br />

Russian Democratic Party.<br />

Yavlinsky machte aber zugleich deutlich, dass er<br />

nicht an einen EU-Beitritt Russlands im traditionellen<br />

Sinne denke. Er denke, wenn er über eine<br />

Annäherung Russlands an die EU spreche, ers -<br />

tens an einen Zeitraum von rund 25 bis 30 Jahren.<br />

Und zweitens passe Russland nicht in das<br />

gegenwärtige institutionelle Gefüge <strong>der</strong> EU mit<br />

Kommission und Ministerrat. Russland werde<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union nicht beitreten wie etwa<br />

Bulgarien, die Slowakei o<strong>der</strong> Slowenien dies<br />

getan hätten. „Hier muss es eine an<strong>der</strong>e Strategie<br />

geben“, hob Yavlinsky hervor. „Zunächst aber<br />

muss es überhaupt einmal eine Strategie geben.<br />

Wir brauchen eine Vision, wohin wir in den<br />

nächsten 30 Jahren wollen.“ Yavlinsky machte<br />

deutlich, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

auch eine Strategie verfolgt habe, um den<br />

Kontinent zu befrieden und die Län<strong>der</strong> zusammenzuführen.<br />

„Als das 1947 begann, war das gerade<br />

einmal zwei Jahre nachdem Deutsche und<br />

Franzosen sich getötet haben und halb Europa<br />

unter dem Diktat Stalins stand. Aber die europäische<br />

Strategie war dennoch erfolgreich.<br />

Darum ist es so wichtig, ein Ziel und eine Strategie<br />

zum Erreichen dieses Ziels zu formulieren“,<br />

betonte <strong>der</strong> russische Politiker.<br />

Yavlinsky erklärte zum Abschluss, er hoffe, die<br />

Europäer hätten eine Vorstellung von ihrem<br />

Verhältnis zu Russland in den kommenden zwei<br />

bis drei Dekaden. „Ich habe Ihnen mein Szenario<br />

skizziert, einen Weg, den ich für gangbar<br />

halte – vielleicht liege ich falsch. Lassen Sie uns<br />

darüber diskutieren.“ Der Vorsitzende <strong>der</strong> Russian<br />

Democratic Party kritisierte allerdings, dass<br />

es kein echtes Forum gebe, wo <strong>der</strong>artige Fragen<br />

diskutiert würden. „Niemand spricht darüber“,<br />

monierte <strong>der</strong> russische Oppositionsführer. „Gesprochen<br />

wird nur über Detailfragen <strong>der</strong> tagespolitischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen, nicht über<br />

Strategien. Es ist eine Schande, dass Deutschland,<br />

Russland und die EU sich im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

immer wie<strong>der</strong> an nachrangigen tagesaktuellen<br />

Problemen aufreiben und keine Lösung<br />

finden, weil sie keine Strategie für den langfris -<br />

tigen Umgang miteinan<strong>der</strong> haben.“ Russland<br />

sei ein Teil Europas. „Wir sollten unsere Chancen<br />

endlich realisieren“, mahnte Yavlinsky. <br />

Aus Internationaler Abend 2007<br />

32 trend III/2007


Wirtschaftstag 2007<br />

Wettbewerb<br />

<strong>der</strong> Kontinente –<br />

Deutschland und Europa<br />

gestalten Zukunft<br />

Der traditionelle Wirtschaftstag des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es wurde auch in diesem Jahr<br />

wie<strong>der</strong> zum überzeugenden Nachweis unternehmerischen Engagements. Über<br />

1.800 Mitglie<strong>der</strong> und nationale und internationale Gäste aus <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>der</strong><br />

Politik und <strong>der</strong> Wissenschaft waren <strong>der</strong> Einladung gefolgt und nach Berlin<br />

gereist. Nach einer harmonischen Bundesdelegiertenversammlung mit Wahlen<br />

wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel herzlich empfangen. Für ihre glänzende<br />

Rede mit einer klaren ordnungspolitischen, marktwirtschaftlichen Agenda<br />

wurde ihr mit Standing Ovations gedankt. Die Ehrungen des EZB-Präsidenten<br />

Jean-Claude Trichet sowie <strong>der</strong> verdienten ehemaligen Präsidiumsmitglie<strong>der</strong> des<br />

<strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Rosely Schweizer und Prof. Dr. mult. Nikolaus Schweickart,<br />

waren beson<strong>der</strong>e Höhepunkte eines erfolgreichen, spannenden Tages.<br />

im Internet – Aktuelles, Archiv, Daten, Kontakte:<br />

www.wirtschaftsrat.de<br />

62 trend III/2007


Bundesdelegiertenversammlung<br />

2007<br />

Den Kern <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft verteidigen<br />

Bericht des Präsidenten Kurt J. Lauk<br />

Der Wirtschaftstag 2007 des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />

steht unter drei außergewöhnlich<br />

guten Vorzeichen:<br />

Die Konjunktur brummt wie lange nicht –<br />

trotz Mehrwertsteuer-Erhöhung!<br />

Die Arbeitslosenzahlen sind im Sinkflug!<br />

Die Maastrichter Drei-Prozent-Defizitgrenze<br />

wird endlich wie<strong>der</strong> unterschritten – und<br />

zwar mit sattem Abstand!<br />

Diese Erfolge scheinen sich auf das Gemüt <strong>der</strong><br />

SPD-Anhänger zu legen. Eine aktuelle Forsa-<br />

Umfrage belegt: Zwei Drittel von ihnen sehnen<br />

sich nach <strong>der</strong> Opposition! Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

wird alles tun, damit dieser Wunsch <strong>der</strong> Genossen<br />

in Erfüllung geht.<br />

Die Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Links-Regierung in Schweden<br />

und <strong>der</strong> überzeugende Wahlsieg von<br />

Nicolas Sarkozy in Frankreich zeigen, dass bürger<br />

liche Mehrheiten in Europa wie<strong>der</strong> auf dem<br />

Vormarsch sind.<br />

III/2007 trend 63


Unser Ziel muss es sein, dass spätestens 2009<br />

die strukturelle Linksmehrheit, die wir seit zehn<br />

Jahren in unserem Land haben, wie<strong>der</strong> ge -<br />

brochen wird. Dies ist unser Ziel! Dafür käm p -<br />

fen wir gemeinsam in den nächsten zwei<br />

Jahren.<br />

Ausbildung, Fortbildung und Unternehmertum des Einzelnen<br />

sind die richtige Antwort auf die Globalisierung<br />

Die Globalisierung ist Triebfe<strong>der</strong> – und nicht<br />

Bremse für wirtschaftliches Wachstum! Die<br />

Globalisierung hat für alle beteiligten Län<strong>der</strong><br />

mehr Vor- als Nachteile gebracht:<br />

350 Millionen Menschen wurden aus tiefster<br />

Armut befreit.<br />

Das Pro-Kopf-Einkommen in den ärmsten<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt ist innerhalb <strong>der</strong> letzten 20<br />

Jahre um 160 Prozent gestiegen.<br />

Allein in den letzten 15 Jahren ist die Wirtschaftsleistung<br />

weltweit jährlich über vier<br />

Prozent gewachsen.<br />

Es ist verantwortungslos und schadet uns allen,<br />

wenn linke Populisten die Ängste <strong>der</strong> Menschen<br />

vor Verän<strong>der</strong>ungen schüren und so den<br />

sozialen Zusammenhalt auf eine harte Probe<br />

stellen.<br />

Zu den Nachteilen gehört, dass sich weltweit<br />

die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet<br />

hat. Zwischen 2000 und 2005 ist das Pro-<br />

Kopf-Einkommen <strong>der</strong> untersten zehn Prozent<br />

<strong>der</strong> Einkommensbezieher in China um 26 Prozent<br />

gestiegen. Dies erinnert an die Zeiten des<br />

Wirtschaftswun<strong>der</strong>s unter Ludwig Erhard in<br />

Deutschland. Das Problem ist nur, dass im gleichen<br />

Zeitraum das Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong><br />

oberen zehn Prozent um 133 Prozent gestiegen<br />

„Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> war noch nie so gut aufgestellt wie heute. Gemeinsam können wir auf ein überaus erfolgreiches<br />

Geschäftsjahr zurückblicken:<br />

Die Mitglie<strong>der</strong>zahl liegt mit knapp 11.000 auf einem historischen Höchststand.<br />

Der WR ist in <strong>der</strong> Öffentlichkeit stärker präsent als je zuvor.<br />

Wir haben eine wirtschaftliche Haushaltsführung. Wir konnten in den vergangenen zwei Jahren Rücklagen bilden, die in<br />

<strong>der</strong> Höhe einmalig sind in <strong>der</strong> Geschichte des WR. Unser ausdrücklicher Dank hierfür gilt dem Bundesschatzmeister<br />

Dr. Schleifer, dem Generalsekretär Henke sowie dem Hauptamt.<br />

Gleichzeitig konnten wir große Zukunfts-Investitionen tätigen.<br />

Von den hohen Investitionen profitieren vor allem die Mitglie<strong>der</strong>: Nach erfolgreicher Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> IT-Strukturen kann<br />

jetzt je<strong>der</strong> Sektionssprecher mit minimalem technischem Aufwand eigene Mitglie<strong>der</strong>-Umfragen durchführen. Die Kommunikation<br />

mit den Mitglie<strong>der</strong>n wird auf eine neue, zeitgemäße Basis gestellt. Damit wird <strong>der</strong> WR noch stärker als bisher zu<br />

einer ,lebenden‘ Organisation – zu einer ,Mitmach-Organisation‘.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> engagierten und leistungsfähigen Sektionen hat deutlich zugenommen. Dank gilt daher allen Sektions -<br />

sprechern und -vorständen. Wir sind zuversichtlich, dass Ihnen die neue IT bei <strong>der</strong> Gestaltung Ihrer Arbeit eine innovative<br />

Unterstützung sein wird.<br />

Wir haben einen eigenständigen Marketingbereich geschaffen. Ziel ist die Verbesserung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bindung. Beson<strong>der</strong>er<br />

Dank gilt dem Ehrenamt in den Bundeslän<strong>der</strong>n, die die Mitglie<strong>der</strong>gewinnung – wie beispielsweise in Baden-Württemberg<br />

und Schleswig-Holstein – mit beachtlichem Erfolg in eigene Hände genommen haben. Wir haben gemeinsam viel gelernt<br />

und sind gemeinsam besser geworden. Diesen Kurs setzen wir fort! Für ihren vorbildlichen persönlichen Einsatz in <strong>der</strong><br />

Marketingkommission danke ich beson<strong>der</strong>s Frau Hamker, Herrn Eckes, Herrn Dr. Zeitel und erneut Herrn Bundesschatzmeis -<br />

ter Dr. Schleifer. Mein Dank gilt zudem den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kommission sowie dem Hauptamt für ihr Engagement.<br />

Erstmals in seiner Geschichte hat <strong>der</strong> WR ein Leitbild verabschiedet. Unser Selbstverständnis beginnt mit <strong>der</strong> klaren Aussage:<br />

Ohne Unternehmen gibt es keine Marktwirtschaft – ohne Marktwirtschaft keinen Wohlstand! Als „Unternehmen <strong>der</strong><br />

Unternehmer“ setzen wir uns für einen klaren ordnungspolitischen Kurs in <strong>der</strong> Union ein. Unser Leitbild lässt keinen Zweifel:<br />

Unternehmen, die sich weltweit aufstellen und sich erfolgreich am Markt behaupten, sind keine vaterlandslosen Gesellen<br />

o<strong>der</strong> unpatriotisch. Nur Erfolg im globalen Wettbewerb sichert auch Arbeitsplätze in Deutschland. Deshalb ist die<br />

Renaissance des Protektionismus nach unserem Selbstverständnis die falsche Antwort auf die Globalisierung. Beson<strong>der</strong>er<br />

Dank gilt unserem Ehrenamt auf allen Ebenen, das dieses Leitbild mitentwickelt hat und wir haben damit unserem Selbstverständnis<br />

mehr Kontur gegeben.<br />

64 trend III/2007


„Die Subsidiarität als Leitprinzip <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft – ganz im Sinne Ludwig<br />

Erhards – muss wie<strong>der</strong>erweckt und weiterentwickelt<br />

werden.<br />

Wir als WR stellen uns dieser Herausfor<strong>der</strong>ung!<br />

Als ersten Beitrag werden wir in Kürze<br />

ein Buch vorstellen, das dazu einen Beitrag<br />

leistet.“<br />

ist. So eine Studie <strong>der</strong> Weltbank. Damit ist <strong>der</strong> so<br />

genannte GINI-Index – Null ist perfekte Gleichheit,<br />

100 ist vollkommene Ungleichheit – in den<br />

Jahren 1984 - 2004 von 29 auf 47 gestiegen.<br />

In Latein-Amerika – so die Weltbank weiter – ist<br />

die Schere zwischen Arm und Reich nach ökonomischer<br />

Liberalisierung in neun von zwölf<br />

Län<strong>der</strong>n angestiegen. Die Weltbank-Studie<br />

zeigt: Dies ist ein weltweiter Trend.<br />

Wie kommt es, dass Globalisierung Ungleichheit<br />

so sichtbar för<strong>der</strong>t?<br />

Die Frage ist zu neu, um schon definitiv Antworten<br />

zu haben. Aber eines ist klar: Die Einkommen<br />

<strong>der</strong> gering qualifizierten Arbeiter mögen<br />

ansteigen, aber die Einkommen <strong>der</strong> besser Ausgebildeten<br />

steigen viel steiler an.<br />

Daraus entsteht auch für uns die sozialpolitische<br />

Frage: Wie viel Ungleichheit verträgt ein<br />

Land? Wann bringt diese aufgehende Schere<br />

emotionale Feindschaft gegen den offenen<br />

Welthandel und die fortgesetzte Liberalisierung<br />

des Kapitalflusses und <strong>der</strong> Investitionen?<br />

Unsere notwendige, wenngleich noch nicht hinreichende<br />

Antwort ist: Ausbildung, Fortbildung<br />

und Unternehmertum des Einzelnen sind die<br />

richtige Antwort auf die Globalisierung. Dies ist<br />

die Ausrichtung einer neuen Sozialpolitik.<br />

Eine dynamische Weiterentwicklung und Anpassung des Leitbildes an künftige Herausfor<strong>der</strong>ungen ist selbstverständlich –<br />

Ihre Anregungen sind je<strong>der</strong>zeit willkommen. Denn: Ihr Engagement macht den Erfolg des WR aus! Herzlichen Dank dafür!<br />

Weiter so!<br />

Dieses unternehmerische Selbstverständnis des WR ist auch im neuen <strong>CDU</strong>-Grundsatzprogramm enthalten, das zuverlässig<br />

an die Leipziger Beschlüsse anknüpft. Das ist das Verdienst unseres Generalsekretärs, Henke, <strong>der</strong> sich hier durchgesetzt<br />

hat. <strong>CDU</strong>-Generalsekretär Pofalla hat Herrn Henke für seinen persönlichen Einsatz gedankt.<br />

An <strong>der</strong> Erarbeitung des Leitbildes haben viele<br />

mitgewirkt. Ich danke beson<strong>der</strong>s unseren Landesvorsitzenden<br />

mit ihren Landesvorständen<br />

(insgesamt 150), den über 150 Sektionssprechern<br />

und 800 Sektionsvorständen, den Vorsitzenden<br />

und mehr als 500 Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bundesfachkommissionen<br />

sowie ganz herzlich Ihnen<br />

allen, den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung.<br />

Für die langjährige prägende Mitwirkung, die<br />

nachhaltige ideelle und materielle Unterstützung<br />

unserer Arbeit, schlage ich Ihnen als Dank<br />

für den beispielhaften persönlichen Einsatz im<br />

Namen von Präsidium und Bundesvorstand<br />

vor,<br />

Rosely Schweizer und<br />

Prof. Dr. Nikolaus Schweickart<br />

die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Silber zu verleihen und zu Ehrenmitglie<strong>der</strong>n zu berufen.<br />

Der vorbildliche Einsatz von beiden verdient unseren anerkennenden und zustimmenden Applaus.<br />

Auch dem Rechnungsprüfer des WR, Herrn Hohlfeldt, möchte ich für seine 23-jährige Prüftätigkeit beim WR herzlich danken.<br />

Beson<strong>der</strong>er Dank gilt schließlich meinen Kollegen in Präsidium und Bundesvorstand sowie <strong>der</strong> Bundesgeschäftsführung und<br />

allen Mit arbeitern auf Bundes- und Landesebene.“<br />

III/2007 trend<br />

65


„Wir sind auf das Reformkonzept <strong>der</strong> Bundeskanzlerin für die zweite<br />

Halbzeit <strong>der</strong> Großen Koalition sehr gespannt. Der heutige Wirtschaftstag<br />

findet zwischen dem zukunftsweisenden G8-Treffen und dem EU-<br />

Gipfel statt.<br />

In <strong>der</strong> G8-Runde wurden u. a. maßgebliche Weichen für den Klimaschutz<br />

und die Freiheit <strong>der</strong> internationalen Finanzmärkte gestellt. Wir sind zuversichtlich,<br />

dass Bundeskanzlerin Merkel diesen erfolgreichen Kurs auf<br />

dem EU-Gipfel fortsetzen wird. Nur ein souveränes und wirtschaftlich<br />

starkes Europa kann seiner Rolle als Mittler <strong>der</strong> Globalisierung und<br />

transatlantischer Partner gerecht werden. Wir unterstützen die Initiative<br />

von Angela Merkel zur Stärkung <strong>der</strong> transatlantischen Partnerschaft.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> Deutschland freut sich beson<strong>der</strong>s über die Gründung<br />

des transatlantischen <strong>Wirtschaftsrat</strong>s. Diese Initiative hat eine nicht zu<br />

unterschätzende Bedeutung: Europa und die USA haben nur noch wenige<br />

Jahre Zeit, weltweite Standards bei Rechnungslegung, Corporate<br />

Governance und Korruptionsbekämpfung, Trade Rules etc. zu setzen.<br />

Anschließend werden China und Indien den Takt vorgeben.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> transatlantischen Partnerschaft hat uns schon im<br />

letzten Jahr bewogen, eine eigenständige Sektion ,New York‘ zu gründen.<br />

Herr Nürnberger ist hier als Sektionssprecher die treibende Kraft.<br />

Es ist mir eine beson<strong>der</strong>e Freude, dass wir heute Jean Claude Trichet, den<br />

obersten Währungshüter Europas, als weiteren ordnungspolitischen<br />

Mitstreiter auf internationalem Parkett begrüßen dürfen. Präsident<br />

Trichet mahnt immer wie<strong>der</strong> strukturelle Reformen in den Euro-Län<strong>der</strong>n<br />

als Voraussetzung für die Absorption möglicher weltwirtschaftlicher<br />

Schocks an. Sein konsequenter Stabilitätskurs als EZB-Chef hat den Euro<br />

zur zweiten Leitwährung weltweit gemacht und mit dafür gesorgt, dass<br />

seit Euro-Einführung im Euro-Raum zwölf Millionen Arbeitsplätze entstehen<br />

konnten. O<strong>der</strong>, wie die Financial Times vom 18. Mai 2007 treffend<br />

zusammengefasst hat: „un<strong>der</strong> fire, on target“. Untergetitelt: „A vindicated<br />

Trichet continues to press for reform“. Wir unterstreichen seine ordnungs<br />

politische Gradlinigkeit und die politische Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />

EZB. Deshalb schlagen Präsidium und Bundesvorstand vor, Jean-Claude<br />

Trichet mit <strong>der</strong> Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold auszuzeichnen.“<br />

Die Globalisierung hat weitere unbeabsichtigte<br />

Nebenwirkungen. Die Zusammenhänge sind<br />

komplex. Eines ist klar: Innen- und Außen -<br />

politik und Sicherheitspolitik lassen sich weniger<br />

denn je trennen. Wirtschafts- und Sozial -<br />

politik sind zunehmend von internationalem<br />

Druck geprägt und mitbestimmt. Wir müssen<br />

diese Zusammenhänge neu durchdenken und<br />

Lö sungs vorschläge einbringen.<br />

Dies gilt vor allem mit Blick auf das Verhältnis<br />

Deutschlands zu Europa. Ein „Europa <strong>der</strong><br />

Bürger“ wird nur gelebt, wenn:<br />

die politische Handlungsfähigkeit Europas<br />

gestärkt wird<br />

und zugleich die Beschränkung auf Kernkompetenzen<br />

gelingt.<br />

Wir waren alle geschockt, dass Franzosen und<br />

Hollän<strong>der</strong> Nein! gesagt haben zur vorgelegten<br />

EU-Verfassung. Rückblickend können wir nur<br />

froh darüber sein: Das was jetzt für den EU-Gipfel<br />

erarbeitet worden ist, ist programmatischer,<br />

auf das wirklich Notwendige begrenzt und<br />

nicht überkandidelt und überkomplex.<br />

Zudem muss gewährleistet sein, dass EU-Län<strong>der</strong>,<br />

die die weitere Integration nicht mitgehen<br />

wollen, die Union verlassen und eine rein assoziierte<br />

Partnerschaft eingehen können. Bei <strong>der</strong><br />

vorhandenen erweiterten Diskrepanz <strong>der</strong> EU<br />

sind kleine, erfolgreiche, pragmatische Schritte<br />

wichtiger, als nicht vermittelbare große Lösungen.<br />

Bereitschaft zum Risiko sowie inhaltliches Augenmaß<br />

und Zähigkeit sind Grundlage des Erfolges<br />

<strong>der</strong> Kanzlerin beim G8-Gipfel gewesen.<br />

Die gleichen Eigenschaften werden den dringend<br />

notwendigen Erfolg beim anstehenden<br />

EU-Gipfel für den neuen europäischen Vertrag<br />

von Brüssel bringen.<br />

Den Konjunkturschwung in Deutschland sollte<br />

die Große Koalition für mutige Strukturreformen<br />

in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> Legislatur nutzen!<br />

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Beck stellt<br />

sich selbst ins Abseits, wenn er glaubt, den<br />

Menschen dürften keine weiteren Reformen<br />

mehr zugemutet werden.<br />

Man stelle sich einen solchen Rückzug in einem<br />

Fußballspiel vor, in dem die eine Hälfte <strong>der</strong><br />

Mannschaft nach <strong>der</strong> ersten Halbzeit in <strong>der</strong><br />

66 trend III/2007


Kabine bleibt: Dann ist die Partie verloren! Umso<br />

mehr gilt: Die Große Koalition muss in <strong>der</strong><br />

zweiten Halbzeit mit Druck nach vorne spielen!<br />

Lassen Sie mich jetzt in sechs Punkten die<br />

drängendsten Reformnotwendigkeiten skiz -<br />

zieren:<br />

Die öffentlichen Haushalte müssen<br />

mit Etatdisziplin und neuen<br />

Verschuldungsregeln aus <strong>der</strong><br />

Schuldenfalle befreit werden!<br />

Das avisierte Ziel – Gesamthaushalt ohne Neuverschuldung<br />

bis 2010 und ausgeglichener<br />

Bundeshaushalt bis 2011 – hätte aber aus unserer<br />

Sicht durchaus noch ambitionierter ausfallen<br />

können. Um schnellstmöglich Haushalte<br />

ohne Neuverschuldung zu erreichen, empfiehlt<br />

<strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> ein Ausgabenmoratorium<br />

und eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild!<br />

Nach <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform<br />

ist vor <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform –<br />

im Wettkampf um international<br />

wettbewerbsfähige Steuern muss<br />

Deutschland nochmals ins Rennen!<br />

Mit <strong>der</strong> jüngst beschlossenen Senkung des<br />

Unternehmensteuersatzes verschaffen wir uns<br />

lediglich eine Verschnaufpause im Ringen um<br />

ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem:<br />

In <strong>der</strong> EU liegt die Unternehmensteuer -<br />

belastung bei durchschnittlich 23,5 Prozent.<br />

Wir dagegen erreichen die gesetzte Zielmarke<br />

von 30 Prozent nicht ganz!<br />

Dänemark, Großbritannien, Spanien und<br />

nun auch Frankreich haben eine weitere<br />

Steuersenkungsrunde in 2008 eingeleitet.<br />

Und als wäre das noch nicht genug, lockt die<br />

Österreichische Wirtschafts-Werbegesellschaft<br />

deutsche Unternehmen mit verführerischen<br />

Slogans in die Alpenrepublik:<br />

Lukrative Unternehmensbesteuerung<br />

Gewinnbesteuerung 25 Prozent<br />

Keine Zinsschranke<br />

Keine Gewerbesteuer!<br />

Dem haben wir momentan nichts entgegen -<br />

zusetzen!<br />

Zudem sind wichtige Themen ausgelassen<br />

worden: Der Holding-Standort Deutschland<br />

wird noch weniger attraktiv, Konzernzentralen<br />

wan<strong>der</strong>n aus, Arbeitsplätze verschwinden. Dies<br />

III/2007 trend<br />

67


muss nachgebessert werden. Machen wir uns<br />

deshalb nichts vor: Das Projekt „Unternehmensteuerreform“<br />

kann noch nicht zu den Akten.<br />

Vielmehr muss es auf Wie<strong>der</strong>vorlage in <strong>der</strong><br />

nächsten Legislaturperiode gelegt werden!<br />

„Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat allen Grund, selbstbewusst und tatkräftig aufzutreten.<br />

Wir stehen für diejenigen Werte und Überzeugungen, die unser<br />

Land unter ungleich schwierigeren Bedingungen nach dem zweiten<br />

Weltkrieg wirtschaftlich stark gemacht haben.<br />

In dieser Tradition ist es uns beson<strong>der</strong>s wichtig, den Kern <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft gegen alle Wi<strong>der</strong>stände zu verteidigen und erfolgreich<br />

für das Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung zu erneuern.<br />

Wir haben deshalb gerne den Vorschlag unserer Mitglie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung<br />

aufgenommen, diesem Anliegen in einer<br />

hochkarätigen Veröffentlichung Nachdruck zu verleihen.<br />

„Was würde Ludwig Erhard heute sagen?“ Unter diesem wegweisenden<br />

Titel gibt <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> als Aufgalopp pünktlich zur zweiten Hälfte<br />

<strong>der</strong> Legislaturperiode einen Sammelband heraus. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> bekennt<br />

sich zur Sozialen Marktwirtschaft und zeigt Flagge bei ihrer Weiterentwicklung<br />

im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung.<br />

In dem Buch melden sich hochrangigste Co-Autoren wie Bundeskanzlerin<br />

Merkel, Bundeskanzler a.D. Schüssel, Kardinal Lehmann, Bundes -<br />

verfassungsrichter Di Fabio, Nikolaus Schweickart, Berthold Leibinger,<br />

Pascal Krimmer und Bernd Raffelhüschen, Michael Hüther und Peter<br />

Gillies zur Erneuerung <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft zu Wort.<br />

Wir alle können dazu beitragen, dass <strong>der</strong> Band ein Bestseller wird. Lassen<br />

Sie uns auf diese Weise gemeinsam den linken Angriffen auf die<br />

Soziale Marktwirtschaft mutig entgegentreten.<br />

Wir werden nicht nachlassen, Etatdisziplin und ein konjunkturell flexibles<br />

Neuverschuldungsverbot zu for<strong>der</strong>n.<br />

Die Unternehmensteuerreform ist <strong>der</strong> erste Schritt. Wir for<strong>der</strong>n dringend<br />

den zweiten Schritt, um den Anschluss an an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> nicht<br />

zu verlieren.<br />

Die Erbschaftsteuerreform muss kommen – ohne verkappte Steuer -<br />

erhöhung.<br />

Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden. Einen flächendeckenden<br />

gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab.<br />

Klimapolitik muss vom ökologischen Kopf auf die ökonomischen Füße<br />

gestellt werden. Weg vom Kostentreiber, hin zum Innovations motor!<br />

Um Wachstum, Innovationen und Arbeitsplätze zu sichern, haben Inves<br />

titionen in Bildung und Forschung auf allen Ebenen höchste Priorität.<br />

Nur so können wir die Zukunftschancen <strong>der</strong> Menschen för<strong>der</strong>n<br />

und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken.“<br />

Die Erbschaftsteuer-Reform muss noch in diesem<br />

Jahr verabschiedet werden, ist aber Län<strong>der</strong>sache.<br />

Wettbewerb unter den Län<strong>der</strong>n begrüßen<br />

wir.<br />

Der Arbeitsmarkt ist ein Markt –<br />

und keine sozialstaatliche Wellness-<br />

Oase! Auch hier besteht dringen<strong>der</strong><br />

Reformbedarf!<br />

Ein flächendecken<strong>der</strong> gesetzlicher Mindestlohn<br />

ist kein Beitrag zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.<br />

Dies lehnen wir ab!<br />

Wir haben die Wahl: Tarifautonomie o<strong>der</strong> gesetzlicher<br />

Mindestlohn! Beides zusammen geht<br />

nicht! Kein Land <strong>der</strong> Welt hat beides. Lassen wir<br />

es bei <strong>der</strong> Tarifautonomie!<br />

Gesetzliche Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze<br />

und sind daher unsozial. Tarifvertraglich<br />

festgelegte Löhne können nicht sittenwidrig<br />

sein.<br />

Mit dem Modell <strong>der</strong> so genannten „Flexicurity“<br />

ist es Dänemark gelungen, die Arbeitslosenquote<br />

innerhalb <strong>der</strong> letzten zehn Jahre von<br />

zehn auf fünf Prozent zu halbieren.<br />

Der bisher in Deutschland übliche Kombilohn<br />

Arbeitslosengeld II plus Schwarzarbeit gehört<br />

entschieden bekämpft!<br />

Die Bundesagentur für Arbeit in Thüringen hat<br />

kürzlich die arbeitsuchenden Reinigungskräfte<br />

und Bauarbeiter ihrer Sektion zu einer ein -<br />

wöchigen Pflichtveranstaltung eingeladen. Die<br />

Resonanz: Die Hälfte <strong>der</strong> Kandidaten ist erst gar<br />

nicht erschienen – trotz massiver Leistungs -<br />

kürzungen. Was war ihr Problem? Ganz einfach:<br />

Die Pflichtveranstaltung fiel in ihre Kern-<br />

Schwarzarbeits-Zeit von acht bis elf Uhr morgens.<br />

Konsequenz: 50 Prozent <strong>der</strong> Angeschriebenen<br />

haben sich aus <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit abgemeldet!<br />

Der Missbrauch muss beendet werden. Der<br />

Koalitionsvertrag muss eingelöst werden –<br />

auch wenn die SPD heute nichts mehr davon<br />

wissen will.<br />

Effektive Klimaschutzpolitik erfor<strong>der</strong>t<br />

Vernunft und nicht Ideologie!<br />

Nur so kann sie vom Kostentreiber<br />

zum Innovationsmotor werden.<br />

Selbstverständlich können wir Deutschland je<strong>der</strong>zeit<br />

auch zum CO 2-freien Raum erklären –<br />

68 trend III/2007


dann haben wir allerdings bald keine Wirtschaft<br />

mehr.<br />

Richtig ist: Die Umsetzung <strong>der</strong> Klimaschutzziele<br />

wird für Unternehmen und Bürger zur Herkulesaufgabe.<br />

Wir brauchen in <strong>der</strong> EU eine faire<br />

Lastenverteilung!<br />

Herr Gabriel! Wenn dies so weitergeht, sehnen<br />

wir uns nach Herrn Trittin zurück!<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> setzt sich mit allen Kräften<br />

für mehr Effizienz und ökonomisches Bewusstsein<br />

im Klimaschutz ein. Dies erfor<strong>der</strong>t:<br />

Bisher hat Deutschland allein 75 Prozent <strong>der</strong><br />

CO 2-Reduktion in <strong>der</strong> EU getragen. Dies ist ein<br />

Hauptverdienst <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft. Mit<br />

kostspieligen Alleingängen sind globale Klimaprobleme<br />

nicht lösbar. Die USA, China und Indien<br />

sind zügig in ein globales Klimaschutzabkommen<br />

unter dem Dach <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />

einzubeziehen.<br />

Klimaschutz eröffnet Marktchancen! Deutschland<br />

ist weltweiter Spitzenreiter bei innova -<br />

tiven Umwelttechnologien. Unsere Vorreiterrolle<br />

werden wir nur dann behaupten, wenn<br />

wir den Klimaschutz stärker vom ökologischen<br />

Kopf auf die ökonomischen Füße stellen.<br />

Umso mehr ist es verantwortungslos, was wir<br />

<strong>der</strong>zeit in unserem Land erleben: Ausstieg aus<br />

<strong>der</strong> CO 2-freien Kernenergie, Tempolimit, Sonntagsfahr-<br />

und Glühbirnenverbot, Boykott <strong>der</strong><br />

Ferienflieger – dies ist blin<strong>der</strong> Aktionismus!<br />

Eine konsequente Orientierung an den CO2-<br />

Vermeidungskosten.<br />

Eine Stärkung <strong>der</strong> Energieforschung auf allen<br />

Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> CO 2-freien Energieerzeugung.<br />

„Die Sorge um die Erschöpfung <strong>der</strong> Rohstoffreserven ist uralt:<br />

Ich erinnere nur an die berühmte Prognose von Stanley Jevons aus dem Jahre 1864, dass im Jahre 1900 in England die<br />

Kohle ausgehen werde. Seine Hochrechnung für 1964, also für die damals kommenden 100 Jahre besagte, dass die Energienachfrage<br />

in England die Kohle reserven bei weitem übertreffen werde – dabei übersah Jevons an <strong>der</strong>e Energiequellen<br />

wie Öl, Elektrizität, Kernkraft und Gas.<br />

Malthus hatte angesichts einer drohenden Überbevölkerung einen dramatischen Mangel an Agrarprodukten vorhergesagt<br />

– allerdings nicht mit <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> Düngemittel gerechnet.<br />

Solange es die Ölindustrie gibt, wurde prognostiziert, dass die Ölvorräte noch 40 Jahre reichen – die erste Prognose<br />

stammt aus dem Jahr 1865. Technische Erschließungsinnovationen und neue Lagerstätten wurden nicht in Betracht gezogen.<br />

Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre beschwor <strong>der</strong> Club of Rome die Grenzen des Wachstums. Dabei wurden die Innovationskraft unserer<br />

Wirtschaft und die Stärke <strong>der</strong> Marktmechanismen unterschätzt. Diese haben jedoch in den letzten 15 Jahren zu den<br />

höchsten Wachstumsraten <strong>der</strong> Weltwirtschaft geführt.<br />

Wer ist heute unser Club of Rome und unser Malthus? Derzeit bewerben sich sehr viele um die Nachfolge dieser Herren.<br />

Den Aposteln <strong>der</strong> Klima-Apokalypse rufen wir zu: Seien Sie beschei dener! Wichtig ist die Erkenntnis, dass aus heutiger Sicht<br />

nicht alles gewusst werden kann.<br />

Die Stimmen <strong>der</strong> Weisen, die bekennen, dass sie nicht alles wissen können, werden oft von denen übertönt, die nicht wissen,<br />

dass sie nichts wissen.“<br />

III/2007 trend<br />

69


Ein klares Bekenntnis zur Kernenergie! Lassen<br />

Sie uns den Gewinn aus <strong>der</strong> Laufzeitverlängerung<br />

folgen<strong>der</strong>maßen verteilen: 50 Prozent<br />

setzen die Energie-Unternehmen für<br />

Preissenkungen ein. Die an<strong>der</strong>en 50 Prozent<br />

gehen ausschließlich in Forschung und Entwicklung<br />

neuer CO 2-freier Energiequellen.<br />

Dies ist innovative Energiepolitik! Dann<br />

bringt uns die Kernenergie noch weitere Innovationen.<br />

Die SPD hat dagegen bis heute<br />

kein konsistentes Konzept für eine sichere<br />

und CO 2-arme Energieversorgung.<br />

Nur durch mehr Investitionen in Bildung<br />

und Forschung können die Wett -<br />

bewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Menschen und<br />

nationales Wachstum und Wohlstand<br />

auch in Zukunft gesichert werden.<br />

Für die Zukunft unserer Informationsgesellschaft<br />

ist eines klar: Rauchende Köpfe schaffen<br />

mehr Wohlstand als rauchende Schlote. Die Eliten<br />

und die Masse <strong>der</strong> gut ausgebildeten Menschen<br />

in unserem Land sind die Basis unserer<br />

Zukunft! Anerkennung und För<strong>der</strong>ung von<br />

Spitzenleistungen muss auf allen Ebenen stattfinden:<br />

in <strong>der</strong> betrieblichen Ausbildung, wie im<br />

Hochschulbereich, in <strong>der</strong> Fortbildung und in<br />

<strong>der</strong> Umschulung. Die höchste Leistungsfähigkeit<br />

unseres Bildungssystems ist gefor<strong>der</strong>t!<br />

Rauchende Köpfe schaffen mehr Wohlstand<br />

als rauchende Schlote<br />

Die Fakten sind alarmierend:<br />

Jedem vierten Schüler fehlt die notwendige<br />

Ausbildungsreife.<br />

Zwölf Prozent <strong>der</strong> Hauptschüler verlassen die<br />

Schule ohne Abschluss.<br />

Ein solches Versagen unseres Bildungssystems<br />

ist nicht akzeptabel.<br />

Über 5.000 Deutsche forschen <strong>der</strong>zeit in den<br />

USA – doch die Hälfte <strong>der</strong> akademischen Auswan<strong>der</strong>er<br />

kehrt nicht zurück! Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

hat sich das Thema Hochschulbildung als<br />

Kampagnethema auf die Fahnen geschrieben<br />

und hierbei auch schon Erfolge erzielt:<br />

Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes<br />

Einführung von Studiengebühren<br />

Bei beiden Themen konnten wir unsere Kernfor<strong>der</strong>ungen<br />

durchsetzen. Dies gilt auch für<br />

Forschung und Entwicklung:<br />

Die Ausgaben des Bundes für Forschung und<br />

Entwicklung wurden im vergangenen Jahr<br />

erstmals wie<strong>der</strong> gesteigert!<br />

Das neue Grundsatzprogramm <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> legt eine<br />

Steigerung <strong>der</strong> FuE-Gesamtausgaben bis<br />

2015 auf vier Prozent des BIP (von 75 auf über<br />

100 Milliarden Euro) fest.<br />

Die Exzellenzinitiative stellt zusätzliche 1,9<br />

Milliarden € für die Spitzenforschung an<br />

deutschen Hochschulen zur Verfügung.<br />

Wir danken Bundesministerin Schavan für diese<br />

wichtigen Fortschritte.<br />

Deutschland kann sein Wachstums po ten -<br />

zial nur dann voll ausschöpfen, wenn in<br />

Zukunft deutlich mehr inter nationales<br />

Kapital ins Land geleitet wird als bisher.<br />

Jeden Tag gehen 2.000 Milliarden Dollar um die<br />

Welt. Dieses Kapital darf nicht an Deutschland<br />

70 trend III/2007


vorbeifließen. Die SPD hat hingegen eine völlig<br />

verantwortungslose, populistische Debatte<br />

über das angeblich schädliche Treiben von<br />

Finanzinvestoren in unserem Land losgetreten.<br />

Die Wahrheit ist:<br />

In Europa wurden von 2000 bis 2004 eine<br />

Millionen Arbeitsplätze durch Private Equity<br />

geschaffen.<br />

Dazu hat <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> einen eigenen For<strong>der</strong>ungskatalog<br />

formuliert. Kernfor<strong>der</strong>ungen<br />

sind:<br />

Die Verkleinerung <strong>der</strong> Aufsichtsrats-Größe<br />

auf maximal zwölf Sitze,<br />

In Deutschland wurden seit 1990 fast 1.200<br />

erfolgreiche Buy-Outs durchgeführt – bei nur<br />

zwei Missbrauchsfällen (Quelle BVK).<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat sich deshalb sowohl im<br />

Kanzleramt wie auch gegenüber Bundes -<br />

finanzminister Steinbrück dafür eingesetzt,<br />

beim Private-Equity-Gesetz Tempo zu machen.<br />

Auch das Thema Hedge Fonds ist noch akut:<br />

Viele in <strong>der</strong> SPD wissen offenbar nicht einmal,<br />

was ein Hedge Fonds eigentlich ist und tut.<br />

Weltweit gibt es hiervon etwa 9.000, wobei die<br />

größten 100 circa 80 Prozent des Volumens ausmachen.<br />

Sie stellen dem Kapitalmarkt zusätz -<br />

liche Liquidität zur Verfügung und erfüllen damit<br />

eine wichtige Funktion, die die Banken<br />

nicht mehr leisten wollen o<strong>der</strong> können.<br />

Diese neuen Finanz-Dienstleister sind dringend<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, Transparenz-Richtlinien zu<br />

erarbeiten, umzusetzen und einzuhalten. Der<br />

G8-Gipfel hat hierzu das Notwendige beschlossen!<br />

Für populistische Verteufelungen ist daher<br />

nur bei Ignoranten Platz, nicht bei uns!<br />

Mit dem Corporate-Governance-Kodex zur Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

<strong>der</strong> Unternehmensverfassung<br />

hat Deutschland gute Erfahrung gemacht.<br />

die Reduzierung <strong>der</strong> Parallel-Aufsichtsratsmandate<br />

auf maximal fünf für alle Aufsichtsräte<br />

sowie eine Karenzzeit von mindestens zwei<br />

Jahren beim Wechsel eines ehemaligen Vorstandsvorsitzenden<br />

in den Aufsichtsratsvorsitz.<br />

Finanz-Dienstleister sind aufgefor<strong>der</strong>t,Transparenz-<br />

Richtlinien zu erarbeiten, umzusetzen und einzuhalten<br />

Fakt ist: Wenn es um die Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />

Aufsichtsräte geht, ist Deutschland Schlusslicht<br />

in Europa. Und: Wir haben viele Export-Schlager<br />

– die unternehmerische Mitbestimmung<br />

zählt aber ganz sicher nicht dazu.<br />

III/2007 trend<br />

71


Unglaublich viel<br />

Engagement,<br />

Einsatzbereitschaft und<br />

Idealismus in <strong>der</strong> Weite<br />

des Verbandes<br />

Bericht des Generalsekretärs Hans Jochen Henke<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> ist nicht irgendeine<br />

Organisation, son<strong>der</strong>n in mancherlei<br />

Hinsicht ein Solitär in Deutschlands Verbandslandschaft.<br />

Und wenn wir das mit Begrifflichkeiten<br />

wie „Unternehmen für Unternehmer“,<br />

„Ordnungspolitisches Kompetenzzentrum“<br />

und uns in <strong>der</strong> Umsetzung als „Mitmachorganisation“<br />

verstehen, dann mögen<br />

diese Begriffe schon prägende inhaltliche Vorstellungen<br />

und Strahlkraft in <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

entfalten.<br />

Als Kompetenzzentrum getragen wird <strong>der</strong><br />

<strong>Wirtschaftsrat</strong> von <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

und <strong>der</strong> Unternehmer. Wenn heute gefragt<br />

wird: Wo ist <strong>der</strong> Sachverstand in <strong>der</strong> Politik<br />

versammelt? In welcher Partei? wird deutlich,<br />

welch hoher Anspruch dem <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

heute und in Zukunft zufällt.<br />

Wenn von 82 Millionen Menschen in Deutschland<br />

weit mehr als die Hälfte nicht mehr im<br />

aktiven Berufsleben und sozialversicherungs-<br />

72 trend III/2007


pflichtigen Beschäftigungsverhältnissen steht,<br />

kommt <strong>der</strong> kompetenten Min<strong>der</strong>heit eine beson<strong>der</strong>e<br />

Bedeutung zu. Mit ihrem wirtschaft -<br />

lichen Selbstverständnis, ihrem Mut zur Leis -<br />

tung und Risikobereitschaft und ihrem Bekenntnis<br />

zum Standort tragen sie mit gewichtiger<br />

Stimme zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung<br />

wie zur Weiterentwicklung<br />

unseres Welt- und Gesellschaftsbildes bei.<br />

Ein Flaggschiff des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es sind seine<br />

Veranstaltungen und Arbeitskreise. Die strategische<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Facharbeit steht<br />

im Vor<strong>der</strong>grund mit dem Ziel, in Zukunft noch<br />

enger mit gleichgelagerten Interessengruppen<br />

Sie engagieren sich für den <strong>Wirtschaftsrat</strong> in<br />

Ehrenämtern und Kommissionen. Wobei die<br />

konzeptionelle Kompetenz unserer Organisa -<br />

tion nicht in erster Linie in <strong>der</strong> Zentrale in Berlin<br />

liegt. Das Herz des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es schlägt<br />

in seinen 15 Landesverbänden und den fast 160<br />

Sektionen draußen im Land.<br />

Wie ließe sich dies eindrucksvoller unterstreichen<br />

als mit <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Aktivitäten in Form<br />

von rund 1.200 bundesweiten Veranstaltungen<br />

allein im letzten Jahr. Die konzeptionelle Kompetenz<br />

unserer Organisation unterstützen acht<br />

Bundesfachkommissionen, die alle wichtigen<br />

Politikfel<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Steuer- bis hin zur Sozialpolitik<br />

abdecken.<br />

Mehr als 500 hochrangige Unternehmervertreter<br />

diskutieren hier mit Vertretern aus Wissenschaft<br />

und Politik. Aus dieser Arbeit heraus entstehen<br />

neue Initiativen und Ideen für unsere<br />

Kampagnen. Es gibt keinen an<strong>der</strong>en Verband,<br />

<strong>der</strong> horizontal und ver tikal in unserer fö<strong>der</strong>alen<br />

Republik und bis Brüssel in allen politisch<br />

relevanten Themen so kampagnefähig ist wie<br />

<strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong>.<br />

zusammenzuarbeiten und sich noch stärker<br />

am europäischen und internationalen Maßstab<br />

zu orientieren. Entscheidend ist dabei, unsere<br />

Kernkompetenz, die Beratung und Ein fluss -<br />

nahme auf politische Themen auf Bundes- wie<br />

Län<strong>der</strong>ebene noch weiter auszubauen.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat zum ersten Mal eine<br />

Klausurtagung „Energie- und Klimaschutzpolitik<br />

aus einem Guss – Chancen für Deutschland<br />

III/2007 trend<br />

73


Rosely Schweizer und Nikolaus Schweickart<br />

mit Ludwig-Erhard-Gedenkmünze ausgezeichnet<br />

Auf Beschluss des Präsidiums und des Bundesvorstandes sowie nach Zustimmung durch<br />

die Bundesdelegiertenversammlung wurden die beiden langjährigen Präsidiumsmitglie<strong>der</strong><br />

des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Rosely Schweizer und Prof. Dr. mult. Nikolaus Schweickart,<br />

mit <strong>der</strong> Verleihung <strong>der</strong> „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Silber“ sowie durch die Ernennung zu<br />

Ehrenmitglie<strong>der</strong>n ausgezeichnet.<br />

Der Präsident des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Prof. Dr. Kurt J. Lauk:<br />

„Liebe Rosely Schweizer, lieber Herr Schweickart! Es ist mir eine beson<strong>der</strong>e Ehre und Freude zugleich,<br />

Sie für Ihre großen Verdienste um unseren <strong>Wirtschaftsrat</strong> und die Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

Sozialen Marktwirtschaft zu ehren.<br />

Liebe Rosely Schweizer! Sie waren über acht Jahre, von 1996 bis 2003, Vorsitzende des größten Landesverbandes<br />

des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es Baden-Württemberg und haben seit 1997 die Arbeit im Präsidium<br />

des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es entscheidend mitgestaltet, mit geprägt. Vorbildlich haben Sie gezeigt,<br />

dass sich Unternehmer nicht nur über ihren Betrieb hinaus für das Gemeinwohl engagieren, son<strong>der</strong>n<br />

auch bereit sind, Ihren durch Lebenserfahrung gestützten Rat einzubringen. Herzlichen Dank<br />

dafür. Als Unternehmerin und langjähriges Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg sowie<br />

insbeson<strong>der</strong>e in Ihrer Funktion als wirtschaftspolitische Sprecherin <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>-Fraktion dort<br />

haben Sie stets beide Seiten im Blick gehabt, die Politik und die Wirtschaft. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat<br />

von diesem beson<strong>der</strong>en Profil, von <strong>der</strong> Untrüglichkeit Ihres persönlichen Urteils und Ihrem hohen<br />

Maße an Zivilcourage stets profitiert. Herzlichen Dank.<br />

Lieber Professor Schweickart, seit Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre sind Sie dem <strong>Wirtschaftsrat</strong> verbunden.<br />

Als Unternehmer haben Sie eine von allen Seiten anerkannte große unternehmerische Karriere<br />

gemacht. Als Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Altana AG waren Ihnen die Gesundheitspolitik und die zukunftsfesten<br />

sozialen Sicherungssysteme, die Investitionsfähigkeit Deutschlands und die Corporate<br />

Governance beson<strong>der</strong>s wichtig. Erst vor wenigen Monaten haben Sie vor dem Werteforum des<br />

74 trend III/2007


<strong>Wirtschaftsrat</strong>es vor <strong>der</strong> Fehlentwicklung <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft zum vormundschaftlichen<br />

Wohlfahrtsstaat gewarnt. Beson<strong>der</strong>s hat Sie bedrückt, dass die Ausweitung <strong>der</strong> Freiheit von vielen<br />

Bürgern eher als Bedrohung statt als Verheißung begriffen wird.<br />

Seit 1991 waren Sie im Bundesvorstand und haben sich ab 1997 als Präsidiumsmitglied und Vize-<br />

Präsident engagiert. Sie haben trotz Ihres hohen unternehmerischen Einsatzes und Ihres ehrenvollen<br />

Einsatzes, beispielsweise als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herbert-Quant-Stiftung, als Präsidiumsmitglied<br />

des Stifterverbandes für die Deutsche Wirtschaft o<strong>der</strong> als Vorsitzen<strong>der</strong> des Kurato riums <strong>der</strong> Stiftung<br />

Marktwirtschaft stets auch die Aufgaben und Ziele des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es mit großem persönlichen<br />

Einsatz geför<strong>der</strong>t. Die loyale, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen als Vize-Präsident<br />

hat mir immer beson<strong>der</strong>en Spaß gemacht. Sie standen immer zur Verfügung, wenn Sie gebraucht<br />

worden sind, und waren immer mit entscheidendem Rat und Tat dabei. Sie haben sich in vorbildlichster<br />

Weise um den <strong>Wirtschaftsrat</strong> verdient gemacht. Herzlichen Dank dafür.“<br />

Rosely Schweizer bedankte sich: „Ich möchte mich bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken für diese<br />

Ehre. Für mich ist <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> nach wie vor die Brücke zwischen Wirtschaft und Politik.<br />

Wir können unsere Gedanken aus <strong>der</strong> Wirtschaft in <strong>der</strong> Politik einbringen und wir<br />

wissen alle, wie nötig das ist. Und wir können auch die Gedanken <strong>der</strong> Politik in die Wirtschaft einbringen.<br />

Lassen Sie uns alle gemeinsam diese Brücke je<strong>der</strong>zeit und intensiv nutzen.“<br />

Nikolaus Schweickart: „Auch ich möchte mich sehr nachdrücklich bedanken für diese ehren-volle<br />

Auszeichnung, auch für die Worte, die Sie gefunden haben. Der Wert einer Laudatio, die Qualität<br />

einer Laudatio erkennt man ja daran, ob sich <strong>der</strong> Gelobte real wie<strong>der</strong>findet. Wenn man mal das<br />

schmückende Beiwerk abstreift, ist es mir tatsächlich so vorgekommen, als habe die Person, die<br />

Herr Lauk beschrieben hat, etwas mit mir, mit meinem realen Engagement für den <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

zu tun. Insofern ein Lob dem Laudator.<br />

Wenn man diese Medaille in den Händen hält, dann kommt es einem so vor, als würde Ludwig Erhard<br />

einem persönlich die Hand drücken. Und in <strong>der</strong> Tat, ich hatte das große Glück, vor fast 35 Jahren<br />

als junger Assistent in Bonn Ludwig Erhard persönlich begegnet zu sein. Wo? Natürlich im<br />

<strong>Wirtschaftsrat</strong>, an den seinerzeit berühmten Kaminabenden in <strong>der</strong> Ölbergstraße 13. Meine Altersgenossen<br />

werden sich erinnern, was die Ölbergstraße 13 war. Das war <strong>der</strong> frühere Sitz des <strong>Wirtschaftsrat</strong>s<br />

in Bonn. An diesem besagten Abend nahmen neben Ludwig Erhard auch Hans-Martin<br />

Schleyer, Kurt Biedenkopf, Philipp von Bismarck und an<strong>der</strong>e einflussreiche Persönlichkeiten teil.<br />

Es ging um das Thema Mitbestimmung, ein Thema, das mich persönlich über die ganzen mehr als<br />

30 Jahre sowohl in <strong>der</strong> politischen wie auch später in <strong>der</strong> unternehmerischen Sphäre begleitet<br />

hat, beschäftigt hat, bekämpft vom Bundesverfassungsgericht bis hin in <strong>der</strong> politischen Arena.<br />

Auch nun als Lehrer an <strong>der</strong> Hochschule versuche ich meinen Studenten unter dem Stichwort Corporate<br />

Governance das System <strong>der</strong> Marktwirtschaft und den deutschen Son<strong>der</strong>weg <strong>der</strong> Mitbestimmung<br />

zu vermitteln.<br />

Aber nicht nur Mitbestimmung, son<strong>der</strong>n das System <strong>der</strong> Marktwirtschaft hat mich bewegt,<br />

begleitet, engagiert hier im <strong>Wirtschaftsrat</strong> für die Entwicklung und Weiterentwicklung dieses Ordnungsprinzips<br />

zu kämpfen. Bei nüchterner Betrachtung ist in den 30 Jahren durchaus eine gewisse<br />

Erosion des marktwirtschaftlichen Denkens feststellbar. Ich bin deshalb beson<strong>der</strong>s froh, mit Dr.<br />

Eckhard Cordes einen gestandenen Unternehmer, jetzt auch mit einem Familien hintergrund, als<br />

meinen Nachfolger im Präsidium zu sehen. Es ist an <strong>der</strong> Zeit, für diese Wirtschaftsordnung zu<br />

kämpfen. Denn wenn – von Lafontaine über Beck bis hin zu Seehofer – marktwirtschaftliches Denken<br />

als Schimpfwort neoliberal denunziert wird, dann ist es Zeit, dass sich <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> um<br />

den Kern und das System dieser Marktwirtschaft aktiv einbringt.<br />

Da ich vier Präsidenten und fünf Generalsekretäre erlebt habe, die alle dafür gestanden sind, dass<br />

dieses System den Anfeindungen nicht zum Opfer fällt, bin ich überzeugt, dass dies auch in Zukunft<br />

die richtige Institution sein wird, nach innen in die Partei wie auch nach außen in die Öffentlichkeit<br />

für dieses System zu kämpfen.“<br />

III/2007 trend<br />

75


forum. Verkehr, Mobilität und Logistik sind die<br />

ganz großen Herausfor<strong>der</strong>ungen in Mittel -<br />

europa. Die Logistik ist aufgrund unserer zentralen<br />

geographischen Lage in <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union ein wichtiger Wachstumsmarkt<br />

und Standortfaktor für Deutschland. Unsere<br />

Verkehrsinfrastruktur muss endlich wirtschaftlich,<br />

leistungs- und zukunftsfähig gemacht<br />

werden.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat sich dazu die Unterstützung<br />

von 20 Verbänden aus Wirtschaft und Politik<br />

gesichert und mit dem ADAC selbst die breiteste<br />

Bewegung zu diesem Thema einbezogen.<br />

und Europa“ in Brüssel durchgeführt. Eine Folgeveranstaltung<br />

wird im Herbst 2007 mit dem<br />

Schwerpunkt Energieeffizienz in Berlin stattfinden.<br />

Eingeladen sind Abgeordnete aus Brüssel<br />

und <strong>der</strong> Bundeshauptstadt ebenso wie <strong>der</strong><br />

breite Sachverstand <strong>der</strong> Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Im Juli wird erstmals <strong>der</strong> vorbereitende<br />

Arbeitskreis tagen und eine sachliche Bewertung<br />

sämtlicher Energietechnologien und<br />

ihrer CO 2-Vermeidungskosten unter dem As -<br />

pekt <strong>der</strong> Effizienzoptimierung anstellen.<br />

Bereits zum dritten Mal veranstaltete unsere<br />

Organisation ein eigenständiges Verkehrs -<br />

Geplant ist darüber hinaus eine Konferenz<br />

“Europäische Verkehrspolitik“ mit dem Bundesverkehrsminister<br />

und dem Vize-Präsidenten<br />

<strong>der</strong> EU-Kommission in Brüssel zum Thema<br />

„Mehr Wettbewerb im Verkehrsbinnenmarkt“.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e sollen die Finanzierung, die Leis -<br />

tungsfähigkeit und die Europafähigkeit <strong>der</strong><br />

Verkehrsinfrastruktur beleuchtet werden.<br />

Wenn wir Brüssel als Tagungsort wählen, dann,<br />

weil wir die EU-Ebene brauchen, um die großen<br />

Probleme in Deutschland voranzubringen.<br />

Die gelungene Auftaktveranstaltung „Kompetenzzentrum<br />

Deutschland“ mit dem Schwerpunkt<br />

Innovation und Bildungspolitik im<br />

Oktober 2006 wird unter <strong>der</strong> weiteren Mitwirkung<br />

von Ministerin Annette Schavan als Innovationskampagne<br />

in diesem Jahr fortgesetzt.<br />

76 trend III/2007


In wenigen Monaten findet unser zweites<br />

Werteforum „Grundwerte und Moral in <strong>der</strong><br />

Globalisierung und Verantwortung <strong>der</strong> Politik“<br />

zusammen mit <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

statt – dankenswerterweise künftig unter <strong>der</strong><br />

Fe<strong>der</strong>führung und Verantwortung von Prof. Dr.<br />

mult. Nikolaus Schweickart. Für den <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

liegt hier eine <strong>der</strong> ganz großen<br />

gesellschaftspolitischen Verantwortungen.<br />

Unsere Organisation muss vor allen Dingen <strong>der</strong><br />

Jugend das Bild <strong>der</strong> Wirtschaft und ihr Ansehen<br />

näherbringen und bei ihr die Faszination für<br />

das Unternehmertum maßgeblich för<strong>der</strong>n und<br />

entwickeln.<br />

In Kürze nimmt die neue Arbeitsgruppe Bürokratieabbau<br />

ihre Arbeit auf: Entscheidend ist<br />

hier <strong>der</strong> strategische Gesamtansatz. Mit Vorschlägen<br />

zu einzelnen Vorschriften und Gesetzen<br />

erreichen wir nichts. Zusammen mit Johannes<br />

Ludewig, <strong>der</strong> den Normenkontrollrat <strong>der</strong><br />

Bundesregierung im Kanzleramt leitet, und<br />

dem früheren Innenstaatssekretär und Ber -<br />

liner Innensenator Eckart Werthebach sowie<br />

<strong>der</strong> uns zugesagten bewährten Unterstützung<br />

durch das Kanzleramt und an<strong>der</strong>e Verbände,<br />

möchten wir dieses Thema nicht mehr aus den<br />

Augen lassen.<br />

Weitere Arbeitskreise hat <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong>, in<br />

dem Verständnis ordnungspolitischer Vordenker<br />

zu sein, zu aktuellen Themen einberufen: zu<br />

einer europa- und wettbewerbsfähigen Steuerpolitik,<br />

für Wettbewerbselemente in unserem<br />

Fö<strong>der</strong>alismus und zur weiteren aktiven Begleitung<br />

<strong>der</strong> Politik im Bereich Telekommunikations-<br />

und Informationstechnologie.<br />

Die Union wird im Dezember auf ihrem Parteitag<br />

in Hannover ihr Grundsatzprogramm beschließen<br />

– nicht nur für die nächste Bundestagswahl,<br />

son<strong>der</strong>n für das nächste Jahrzehnt.<br />

Der Entwurf liegt vor. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> war<br />

eingeladen, an diesem Programm mitzuwirken.<br />

Als Generalsekretär des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />

hatte ich den Auftrag und die Ehre, den Arbeitskreis<br />

„Verantwortung für Unternehmer“ mit zu<br />

führen.<br />

Mit dem Präsidenten des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es ist es<br />

mir gelungen, erstmals in einem Grundsatzprogramm<br />

die herausragende gesellschaftsund<br />

wirtschaftspolitische Bedeutung <strong>der</strong> Unternehmer<br />

als tragende Säule <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft zu verankern.<br />

III/2007 trend<br />

Wahlen 2007<br />

Präsidium<br />

Prof Dr. Kurt J. Lauk MdEP, President Globe Capital Partners GmbH, wurde<br />

auf <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es <strong>der</strong><br />

<strong>CDU</strong> e.V. in seinem Amt bestätigt. Vizepräsidenten sind: Hermann-Josef<br />

Lamberti, Mitglied des Vorstandes Deutsche Bank AG, und Dr. Eckhard<br />

Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes Franz Haniel & Cie. GmbH, als<br />

Nachfolger von Prof. Dr. h.c. mult. Nikolaus Schweickart, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />

Vorstandes Altana AG. Als Schatzmeister in seinem Amt bestätigt wurde<br />

Dr. Carl Hermann Schleifer, Rechtsanwalt und Staatssekretär a.D.<br />

Paul Bauwens-Adenauer, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Bauwens<br />

GmbH & Co. KG; Peter E. Eckes, Peter Eckes Vermögensverwaltungs<br />

GmbH; Dr. Hugo Fiege, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Fiege Gruppe;<br />

Michael Glos MdB, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie;<br />

Astrid Hamker, Geschäftsführende Gesellschafterin, Piepenbrock Unternehmensgruppe<br />

GmbH & Co. KG; Dr. Andreas Mattner MdHB, Geschäftsführer,<br />

ECE Projektmanagement G.m.b.H. & Co. KG; Dr. Michael Meister<br />

MdB, Stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Fraktion im Deutschen<br />

Bundestag; RA Friedrich Merz MdB, Anwaltssozietät Mayer, Brown,<br />

Rowe & Maw LLP; Dr. Dieter Soltmann, Präsident, Wirtschaftsbeirat <strong>der</strong><br />

Union e.V.; Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstandes, Bilfinger<br />

Berger AG; Andreas Trautvetter MdL, Minister für Bau und Verkehr des<br />

Freistaates Thüringen; Matthias Wissmann, Präsident, Verband <strong>der</strong><br />

Auto mo bilindustrie (VDA); Bettina Würth, Vorsitzende des Beirats, Adolf<br />

Würth GmbH & Co. KG.; Dr. Ulrich Zeitel, Geschäftsführer, FORUM Ins titut<br />

für Management GmbH<br />

Bundesvorstand<br />

Neben den Mitglie<strong>der</strong>n des Präsidiums gehören dem Bundesvorstand<br />

an: Werner Michael Bahlsen, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung, Bahlsen<br />

GmbH & Co. KG; Prof. Dr. Ulrich Bittihn, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes,<br />

Volksbank Pa<strong>der</strong>born-Höxter eG; Dr. Jens-Jürgen Böckel, Mitglied <strong>der</strong><br />

Geschäftsleitung Unternehmensgruppe Tengelmann; Dr. Christoph<br />

Matthias Brand, Managing Director, Goldman, Sachs & Co. oHG; Prof. Dr.<br />

Jörg F. Debatin, Ärztlicher Direktor, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes, Uni ver -<br />

sitätsklinikum Hamburg-Eppendorf KdÖR; Reiner Dickmann, Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Aufsichtsrats, PricewaterhouseCoopers AG WPG; Dr. Hanns R.<br />

Glatz, Bevollmächtigter des Vorstandes, DaimlerChrysler AG Repräsentanz<br />

für Europaangelegenheiten; Hans-Ulrich Göhringer, Leiter <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lassung Thüringen Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG; Chris -<br />

toph Graf von Hardenberg, Corporate Finance; Georg M. Hänsel, Un ter -<br />

nehmerberater, Hänsel CConsult; Hans Jochen Henke, General se kre tär<br />

des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> e.V.; Eldach-Christian Herfeldt, Vor sitzen -<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung, Region Rheinland/Köln Dresdner Bank AG;<br />

Nils Herrmann, Geschäftsführer, Wiking Helikopter Service GmbH;<br />

Klaus Hofer, Mitglied des Vorstandes, B. Braun Melsungen AG; S.D. Karl-<br />

Friedrich Erbprinz von Hohenzollern, Generalbevollmächtigter, Unter -<br />

nehmensgruppe Fürst von Hohenzollern; Wilhelm Dietrich Karmann,<br />

Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Wilhelm Karmann GmbH;<br />

Dr. Chris toph von Katte, Rechtsanwalt; Enno von Katte, Direktor Hypo-<br />

Vereinsbank AG; Andreas Kleffel, Mitglied des Regionalvorstandes, Commerzbank<br />

AG; Manfred Krischek, Geschäftsführer, Manesco GmbH;<br />

Fortsetzung: nächste Seite<br />

77


Fortsetzung: Bundesvorstand<br />

Heinz-Jürgen Kronberg, Geschäftsführer, business impuls GmbH; Dierk<br />

Lause, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, HTB Haustechnik GmbH; Matthias<br />

Leutke, Fachanwalt für Steuerrecht, Sozius Dr. Scheffler & Partner;<br />

Dr. Wolf-Dietrich Loose, Vorsitzen<strong>der</strong> des Aufsichtsrates, Schwarz Pharma<br />

AG; Baron Ludolf von Löwenstern, Chairman, CREATIV CONZEPT<br />

HOLDING; Dr. Henneke Lütgerath, Sprecher des Vorstandes, Bankhaus<br />

Löbbecke AG; Dr. Claus-Peter Martens, Partner Murawo Rechtsanwälte<br />

und Notare; Andreas Mau, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, MDS<br />

Möhrle Steuerberatungs GmbH; Prof. Hans-Reiner Meinel, West-Ost<br />

Unternehmensberatung; Hildegard Müller MdB, Staatsministerin im<br />

Bundeskanzleramt; Dr. Jürgen R. Neuhaus, Rechtsanwalt; Dr. Andreas M.<br />

Odefey, Geschäfts führen<strong>der</strong> Gesellschafter, BPE Private Equity G.m.b.H.;<br />

Marc Osterwald, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, geckospezial<br />

GmbH; Elard Raben, Raben'sche Forst- und Gutsverwaltung Palmzin; Dr.<br />

Lutz R. Raettig, Vorsitzen<strong>der</strong> des Aufsichtsrates, Morgan Stanley Bank AG;<br />

Prof. Dr. Heinz Riesenhuber MdB, Bundesminister a.D., <strong>CDU</strong>/CSU-Fraktion<br />

im Deutschen Bundestag; Dr. Hans Christoph von Rohr, Rechtsanwalt;<br />

Dr. André-Michael Schultz, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Gebrü<strong>der</strong><br />

Krose GmbH & Co. KG;Wolfgang Steiger, Geschäftsführer, S-International<br />

Consulting GmbH; Dorothee Stein-Gehring, Geschäftsführende Ge sell -<br />

schafterin, Gehring GmbH & Co. KG; Matthias Stinnes, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Gesellschafter, Hugo Stinnes GmbH & Co. KG; Frank Straub, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Gesellschafter, Blanco GmbH & Co. KG; Johannes-Georg<br />

Voll, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong>, ADI Innovation AG; Dr. Eberhard Weiers häu -<br />

ser, Treuhän<strong>der</strong>/Geschäftsführer; Dr. Constantin Westphal, Geschäfts -<br />

führer, Deutsche Wohnen AG; Rolf Wirth, Geschäftsführer, GEWIMAR<br />

Consulting Group GmbH; Dr. Andreas Wolf, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter,<br />

Linnig Trucktec GmbH; Thomas Wolff, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Gesellschafter, wolfcraft GmbH; Dr. Reinhard Christian Zinkann, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Gesellschafter, Miele & Cie. KG; Dr. Marc Zoellner,<br />

Geschäfts führen<strong>der</strong> Gesellschafter, Accumulatorenwerke Hoppecke,<br />

Carl Zoellner & Sohn GmbH<br />

Ständige Gäste des Juniorenkreises im Bundesvorstand<br />

Paul Jörg Feldhoff, Persönlich haften<strong>der</strong> Gesellschafter, FMS Consulting<br />

Group KG; Bernhard Kirschbaum, Geschäftsführer, Kirschbaum Verlag<br />

GmbH;Timo Kirstein, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Privatgymna -<br />

sium St. Leon-Rot; René S. Spiegelberger, Anzeigenleiter BTH Heimtex,<br />

SN-Verlag; Stefan Stüdemann, Geschäftsführer, fiveandfriends; Florian<br />

Würzburg, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Content Unternehmensberatung<br />

GmbH<br />

Hamburger Anträge<br />

Auf Antrag des Landesverbandes Hamburg fasste die Bundesdelegiertenversammlung<br />

zwei Beschlüsse:<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> soll gemeinsam mit an<strong>der</strong>en thematisch befassten<br />

Wirtschafts- und Unternehmensverbänden einen neuen strategischen<br />

Gesamtansatz für einen beschleunigten Bürokratieabbau ent wickeln.<br />

Präsidium und Bundesvorstand wurden beauftragt, sich bei <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

für eine europafähige Reform des Gesundheitswesens einzusetzen<br />

und frühzeitig vor <strong>der</strong> neuen Legislaturperiode selbst ein überzeugendes<br />

Reformkonzept zu erarbeiten.<br />

In dem Entwurf, <strong>der</strong> jetzt den Gremien <strong>der</strong> Partei<br />

vorliegt, heißt es wörtlich: „Unternehmer<br />

und Unternehmensführer sind mit ihrer Kreativität<br />

und Leistungsbereitschaft eine tragende<br />

Säule <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft. Für den<br />

Erfolg unseres Landes ist es wichtig, dass Menschen<br />

bereit sind, ein Unternehmen zu gründen<br />

und Risiken zu unternehmen. Die ganze<br />

Gesellschaft profitiert von Unternehmen, die<br />

produktiv arbeiten und Gewinne erzielen. Das<br />

Streben nach Gewinn dient <strong>der</strong> Sicherung und<br />

Fortentwicklung des Unternehmens und <strong>der</strong><br />

Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben.<br />

Die <strong>CDU</strong> bekennt sich zum freiheitlichen und<br />

sozialverantwortlichen Unternehmertum. Unternehmer<br />

und Unternehmensführer schaffen<br />

zukunftsfeste Arbeitsplätze und prägen auch<br />

mit ihrem Ruf und ihrer kulturellen Identität<br />

das Ansehen Deutschlands in <strong>der</strong> Welt. Unternehmer<br />

brauchen zum erfolgreichen Handeln<br />

Freiräume und geeignete Rahmenbedingungen.<br />

Wer unternehmerisch handelt, übernimmt<br />

Verantwortung. Das gilt für die geschäftlichen<br />

und gesellschaftlichen Beziehungen, gegenüber<br />

Umwelt und zukünftigen Generationen<br />

und ganz unmittelbar gegenüber Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern und ihren Familien.<br />

Dazu gehört auch, dass Unternehmen die<br />

Gleichstellung von Mann und Frau auf allen<br />

Ebenen för<strong>der</strong>n, einschließlich <strong>der</strong> höchsten<br />

Führungspositionen. Weitblickende Unternehmen<br />

wissen, dass dies in ihrem eigenen Interesse<br />

liegt.<br />

Diese Verankerung im <strong>CDU</strong>-Grundsatzprogramm<br />

ist keine Selbstverständlichkeit in dieser<br />

Gesellschaft. Auch für die Union ist es – wie<br />

die Programmarbeit gezeigt hat – geradezu<br />

selbstverständlich, dass Unternehmer einfach<br />

da sind. Und dass es natürlicherweise Freiheit<br />

gibt. Einzig worüber sich die Politik mit <strong>der</strong><br />

Wirtschaft unterhalten müsse – so die Vorstellung<br />

– sei über Gerechtigkeit, Verantwortung<br />

und an<strong>der</strong>e Fragen, die Pflichten des Unternehmers<br />

anlangen.<br />

In dieser mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft muss nach 60<br />

Jahren teils fataler Fehlentwicklungen unserer<br />

Sozialen Marktwirtschaft ein Bewusstseinswandel<br />

einsetzen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche,<br />

politische, aber auch in überragendem<br />

Maße eine Aufgabe für unsere Organi -<br />

sation.<br />

78 trend III/2007


Vor diesem Hintergrund sind im neuen <strong>CDU</strong>-<br />

Grundsatzprogramm positive und wegweisende<br />

Strukturen deutlich erkennbar. Deutlich in<br />

den Vor<strong>der</strong>grund gerückt ist die Freiheit, die<br />

Leistungsbereitschaft, die Verantwortung des<br />

Einzelnen sowie die Subsidiarität des Staates.<br />

Mit diesem Programm – das an manchen Stellen<br />

sicherlich weiter zu konkretisieren ist –<br />

zeigt sich eine erfreulich nahe Orientierung an<br />

den Leipziger Beschlüssen und damit eine<br />

deutliche Profilschärfung in <strong>der</strong> von uns vertretenen<br />

Richtung.<br />

Wer behauptet, dass die beiden großen Volksparteien<br />

SPD und <strong>CDU</strong> gleiche Programme hätten,<br />

<strong>der</strong> hat sie nicht gelesen. Die SPD und ihr<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> sprechen nach wie vor von demokratischem<br />

Sozialismus. Dahinter steckt ein autoritäres<br />

Staatsverständnis, während die Union,<br />

basierend auf dem christlichen Menschenbild,<br />

die Freiheit und die Selbstverantwortung<br />

des Menschen – und damit auch die des Unternehmers<br />

– in den Vor<strong>der</strong>grund stellt. Die SPD<br />

hingegen bekennt sich zum vorsorgenden<br />

Sozialstaat, während die Union auf die kapitalgedeckte<br />

Sozialversicherung, Eigenverantwortung<br />

und Leistungsanreize setzt.<br />

Unserer Verband versteht sich als aktive Mitmachorganisation<br />

und möchte seine Mitglie<strong>der</strong><br />

einladen mitzumachen. Wir müssen unsere<br />

Ziele leben, unseren Einfluss multiplizieren<br />

und auf allen Ebenen optimieren. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

versteht sich als lernende Organisation.<br />

Es gibt in <strong>der</strong> Weite des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />

unglaublich viel Engagement, Einsatzbereitschaft<br />

und Idealismus. Und viele positive Beispiele,<br />

wie aktiv diese Organisation – in ganz<br />

unterschiedlicher Form – Inhalte lebt.<br />

In Zukunft wollen wir dies noch transparenter<br />

machen und auch wie<strong>der</strong> Sektionssprecherkonferenzen<br />

veranstalten, bei denen <strong>der</strong> Austausch<br />

nach Benchmark- und Best-Practice-<br />

Strukturen in den Mittelpunkt gerückt wird,<br />

um voneinan<strong>der</strong> zu lernen.<br />

III/2007 trend<br />

79


Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> lebt, wie wir es in unserem<br />

Leitbild festgeschrieben haben, vor Ort in seinen<br />

Landesverbänden und Sektionen und<br />

durch sein engagiertes Ehrenamt. Er lebt aber<br />

auch von den Gästen und Beteiligten, die wir in<br />

unsere Facharbeit einbeziehen. Wir erleben,<br />

um unseren Wirkungsgrad weiter zu verbessern.<br />

Umgekehrt sind wir dafür offen, dass Experten<br />

aus den Bundesfachkommissionen in die Landesverbände<br />

gehen. Die Landesfachkommissionen<br />

sind in ihrer Funktion in engem Austausch<br />

mit <strong>der</strong> Bundesebene ein wichtiges Scharnier.<br />

Einen neuen Schwerpunkt sollen Metropol -<br />

regionen bilden. Auf <strong>der</strong> europäischen Ebene<br />

werden Räume nicht mehr nach traditionellen<br />

Landes- o<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>grenzen gebietsscharf abgegrenzt,<br />

son<strong>der</strong>n nach Wirtschaftsräumen.<br />

Die Bundesrepublik versteht sich als ein Raum<br />

mit elf Metropolregionen. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

will, orientiert an den Metropolregionen, auch<br />

landesverbandsübergreifende Schwerpunkte<br />

setzen.<br />

dass sich viele Unternehmerpersönlichkeiten<br />

aktiv einbringen möchten. Deshalb sind wir dazu<br />

übergegangen, zu vielen in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

geschlossenen Kreisen – Fachgremien und<br />

Kommissionen auf Bundesebene – kompetente<br />

Gäs te aus den Landesfachkommissionen,<br />

Landesvorständen und dem Kreis <strong>der</strong> Sektionssprecher<br />

zu bestimmten Themen einzuladen,<br />

So veranstalteten die norddeutschen Landesverbände<br />

2006 unter Fe<strong>der</strong>führung des Landesverbandes<br />

Hamburg den ersten Norddeutschen<br />

Wirtschaftstag. Eine Folgeveranstaltung<br />

ist 2008 in Hannover geplant. Ein erster mitteldeutscher<br />

Wirtschaftstag wird noch in diesem<br />

September stattfinden. Wir glauben, dass das<br />

<strong>der</strong> Wahrnehmung und <strong>der</strong> Schwerpunkt -<br />

bildung und dem Zusammenwirken unserer<br />

Organisation dient.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> macht mit vielen Veranstaltungsformen<br />

sehr positive Erfahrungen. Etwa<br />

mit dem großen, immer wie<strong>der</strong>kehrenden<br />

80 trend III/2007


Haupt stadtfrühstück im Reichstag in Berlin,<br />

auf dem Unternehmer mit führenden poli -<br />

tischen Persönlichkeiten aus allen politischen<br />

La gern, mit Ausnahme <strong>der</strong> Linken, diskutieren.<br />

O<strong>der</strong> mit Kamingesprächen traditionell in Hamburg,<br />

Bremen, dem Saarland und Sachsen-<br />

Anhalt.<br />

seiner neuen Mannschaft im Bundesvorstand<br />

eine überzeugende Garde junger Nachwuchsunternehmer<br />

zusammengestellt, in die wir<br />

große Hoffnung setzen. Wenn es dem <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

gelingt, mit <strong>der</strong> gleichen Begeisterung<br />

wie in <strong>der</strong> Vergangenheit Deutschlands<br />

Für junge Abgeordnete aus dem Bundestag<br />

und dem Europaparlament veranstalten wir<br />

ein Europa-Dinner zusammen mit Unternehmerpersönlichkeiten.<br />

Dies ist eine wichtige<br />

Plattform, auf <strong>der</strong> junge Abgeordnete enger<br />

und vertraulich mit <strong>der</strong> Wirtschaft zusammengeführt<br />

werden. Den Vorsitz hatte in diesem<br />

Jahr Matthias Wissmann MdB inne – jetzt hat<br />

ihn dankenswerterweise Dr. Norbert Röttgen<br />

MdB übernommen.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> kann sich durchaus vorstellen,<br />

neben <strong>der</strong> Sektion New York weitere unselbstständige<br />

Glie<strong>der</strong>ungen – immer angebunden<br />

an unsere Satzung und Organisation –<br />

auch in an<strong>der</strong>en Kapitalen Europas zu gründen.<br />

Die satzungsmäßigen Vorkehrungen dafür<br />

sind auf <strong>der</strong> letzten Bundesdelegierten -<br />

versammlung getroffen worden.<br />

Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> ist kompetenter Partner für<br />

junge Leistungsträger: Unsere Juniorenkreise<br />

sind dabei, sich neu zu orientieren, kompetente<br />

inhaltliche Schwerpunkte zu bilden. Sie haben<br />

mit einer Neuaufstellung in <strong>der</strong> Führung<br />

unter dem Vorsitzenden Paul Jörg Feldhoff und<br />

Zukunft mitzugestalten, können wir viel bewirken.<br />

Die Chancen in unserem Land, unserer Gesellschaft<br />

sind trotz aller Schwierigkeiten so<br />

groß wie nie.<br />

Dieser <strong>Wirtschaftsrat</strong> wird gebraucht wie nie.<br />

Wenn wir zusammenstehen – das müssen wir<br />

wollen – dann schaffen wir noch vieles.<br />

III/2007 trend<br />

81


Podium I<br />

50 Jahre Europäische<br />

Integration – Stillstand<br />

o<strong>der</strong> Durchbruch?<br />

Lars Bosse<br />

Lars Bosse, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />

<strong>der</strong> Deutsch-Polnischen Indus -<br />

trie- und Handelskammer, betonte, dass<br />

Polen zu den größten Befürwortern <strong>der</strong> europäischen<br />

Erweiterung gehöre. Dies manifestiere<br />

sich etwa in <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Ukraine<br />

durch die polnische Regierung und die Aufgeschlossenheit<br />

<strong>der</strong> polnischen Bevölkerung gegenüber<br />

<strong>der</strong> Türkei. Der Weg Polens in die EU<br />

habe viel zur Verbesserung <strong>der</strong> Beziehungen zu<br />

Deutschland beigetragen, betone Bosse. „Der<br />

damalige Bundeskanzler Helmut Kohl war Polens<br />

größter und am Ende erfolgreicher Mäzen.“<br />

Seit <strong>der</strong> Vollmitgliedschaft Polens im Mai<br />

2004 steige <strong>der</strong> EU-Optimismus. Nach einer<br />

Umfrage seien 73 Prozent <strong>der</strong> Polen zufrieden<br />

mit <strong>der</strong> Mitgliedschaft, 22 Prozentpunkte mehr<br />

als noch vor drei Jahren. Der EU-Beitritt sei ein<br />

wichtiger Impuls für die Wirtschaft Polens gewesen,<br />

betonte das Vorstandsmitglied <strong>der</strong> Polnischen<br />

Industrie- und Handelskammer. „Trotz<br />

aller positiver Effekte gibt es aber auch Konfliktpunkte<br />

– <strong>der</strong> Irak-Krieg, die geplante Ostsee-Pipeline,<br />

das Raketenabwehrsystem und<br />

nicht zuletzt die Europäische Verfassung führen<br />

zu Scharmützeln, wobei diese meistens auf<br />

Regierungsebene auftreten und nicht unbedingt<br />

die Einstellung des Normalbürgers wie<strong>der</strong>geben“,<br />

sagte Bosse. So seien zum Beispiel<br />

63 Prozent <strong>der</strong> Polen für die Ratifizierung des<br />

Europavertrags. „Wie<strong>der</strong> einmal erweist sich<br />

Deutschland als <strong>der</strong> Fels in <strong>der</strong> Brandung: Trotz<br />

Spannungen in den bilateralen Beziehungen<br />

werden die Bemühungen von Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel von <strong>der</strong> polnischen Bevölkerung<br />

sehr hoch angesehen“, sagte Bosse.<br />

Elmar Brok MdEP sagte, es gebe gute Chancen<br />

für einen erfolgreichen Abschluss des europäischen<br />

Verfassungsprozesses. „Wir haben im letzten<br />

Jahr – insbeson<strong>der</strong>e bei den Regierungen –<br />

ein zunehmendes Bewusstsein dafür bekommen,<br />

dass wir zu einem Erfolg kommen müssen<br />

– weil die Erkenntnis vorhanden ist, dass die<br />

82 trend III/2007


Podium I<br />

In das Thema: „50 Jahre Europäische Integration – Stillstand<br />

o<strong>der</strong> Durchbruch“ führten ein: Dr. Werner Langen<br />

MdEP, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Euro -<br />

päischen Parlament und Peter Sutherland, Chairman BP<br />

plc und Goldmann Sachs International.<br />

Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von Dr. Michael Inacker, stell -<br />

vertreten<strong>der</strong> Chefredakteur Wirt schaftswoche, diskutier -<br />

ten: Lars Bosse, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />

<strong>der</strong> Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer;<br />

Elmar Brok, MdEP; Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Direktor des Walter Hallstein Instituts<br />

für Europäisches Verfassungsrecht <strong>der</strong> Humboldt-Universität<br />

zu Berlin; Eggert Voscherau, Stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Vorstands <strong>der</strong> BASF AG; Dr. Joachim Wuermeling,<br />

Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Technologie.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen so sind, dass wir ohne eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtsgrundlagen und eine<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Entscheidungsmechanismen<br />

dies nicht bewältigen können“, sagte Brok. „Und<br />

wir sehen auch, dass wir die Legitimation von<br />

unseren Bürgern nicht bekommen, wenn wir<br />

nicht auch Werteentscheidungen haben, die etwas<br />

mit <strong>der</strong> Charta <strong>der</strong> Grundrechte zu tun haben.“<br />

Der Europaparlamentarier erklärte, dies<br />

zeigten auch die Umfragen. In den Nie<strong>der</strong>landen<br />

seien inzwischen 56 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

für die Verfassung. In Polen seien es 65 Prozent.<br />

„Das einzige Land, in dem wir noch negative<br />

Zahlen haben, ist Großbritannien“, so Brok.<br />

„Es zeigt sich, dass es eine gewisse Erfahrung gegeben<br />

hat – und dass es eine Antwort auf ein<br />

Nein geben muss.“ Nahezu alle Regierungen<br />

hätten konstruktive Beiträge dafür geleistet. Je<br />

reduzierter die Themen seien, desto besser. Brok<br />

warnte in diesem Zusammenhang indes vor einem<br />

Europa <strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten. „Das<br />

können wir Deutschen nicht wollen. Ich glaube,<br />

dass wir mit aller Geduld daran arbeiten müssen,<br />

dass wir über die europäische Einigung und<br />

das Verständnis, was wir darüber gegenseitig<br />

finden, mit Polen dasselbe Wun<strong>der</strong> zuwege<br />

bringen wie es mit Frankreich gelungen ist.“<br />

ein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt,<br />

wenn man seine Chancen und Möglichkeiten<br />

aktiver Gestaltung nicht nutze. Pernice erinnerte<br />

an Walter Hallstein. Dieser habe gesagt: „Wer<br />

in europäischen Dingen nicht an Wun<strong>der</strong><br />

glaubt, ist kein Realist.“ Pernice betonte, dass es<br />

keine Alternative zur europäischen Integration<br />

gebe. „Wer heute den Prozess <strong>der</strong> schrittweisen<br />

Verfassung Europas als supranationaler Union<br />

hintertreibt, wendet sich gegen das bislang einzige<br />

tragfähige Konzept dauerhafter Sicherung<br />

von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa<br />

– und vielleicht weltweit“, betonte Pernice.<br />

Das westfälische Modell <strong>der</strong> völkerrechtlichen<br />

Kooperation und Koordination souveräner<br />

Nationalstaaten habe hingegen als Friedensmodell<br />

versagt. Das zeige die europäische Geschichte<br />

bis 1945. „Ein Durchbruch zu einem<br />

demokratischer, bürgernäher und effizienter<br />

verfassten Europa schaffe die Strukturen, die<br />

Kraft, aber auch die Glaubwürdigkeit, die nötig<br />

sind, um unsere gemeinsamen Werte weltweit<br />

wirksam zu vertreten“, sagte Pernice. Die Welt<br />

warte gespannt, ob Europa den Durchbruch<br />

schaffe. „Es liegt an uns.“<br />

Dass <strong>der</strong> Vertrag über eine Verfassung für<br />

Europa im Oktober 2004 von allen Mitgliedstaaten<br />

unterzeichnet und bis heute von mehr<br />

als 18 Mitgliedstaaten angenommen wurde, sei<br />

bereits ein Durchbruch gewesen, betonte Pernice.<br />

Seine Ablehnung durch die Referenden in<br />

Frankreich und den Nie<strong>der</strong>landen könne man<br />

auch als Chance begreifen: „Sie hat zu einem<br />

intensiven europaweiten Diskurs geführt, zu<br />

einer Vergewisserung darüber, was uns an und<br />

in <strong>der</strong> EU wichtig ist und was nicht.“ Erst mit<br />

<strong>der</strong> Krise erlange ein politisches Projekt Aufmerksamkeit.<br />

„Europa wird zur Sache <strong>der</strong> Bürger,<br />

mit allen Risiken und Nebenwirkungen.“<br />

Elmar Brok MdEP<br />

Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Ingolf Pernice<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Direktor des Walter Hallstein-Instituts für<br />

Europäisches Verfassungsrecht <strong>der</strong> Humboldt-<br />

Universität zu Berlin, erklärte, für einen neuen<br />

Nationalismus und die damit begründete Gefahr<br />

für die Globalisierung biete die EU ein Gegenmodell:<br />

„Die Integration unter <strong>der</strong> Herrschaft<br />

des Rechts, Solidarität zwischen Menschen<br />

und Völkern, proaktive Steuerung und<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Globalisierung im Rahmen eines<br />

rechtlich verfassten globalen Mehrebenensystems.“<br />

Die globale Wirtschaft sei nur dann<br />

III/2007 trend<br />

83


Werner Langen MdEP<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament<br />

wirklich angetreten worden“, kritisierte Langen.<br />

Langen führte weiter aus, Angela Merkel<br />

habe mit ihrer Formel „3 mal 20“ bei <strong>der</strong> Klimapolitik<br />

einen Durchbruch erzielt. „Weil es<br />

erstmals gelungen ist, alle Europäer auf diese<br />

Ziele zu verpflichten. Das ist erstmals gelungen,<br />

obwohl vorher Frankreich nicht damit<br />

einverstanden war“, bemerkte Langen. „Das<br />

haben sogar ganz erfolgreiche frühere Bundeskanzler<br />

– welcher Couleur auch immer –<br />

nicht geschafft, einen Vorschlag auf dem Gipfel<br />

mehrheitsfähig zu machen, <strong>der</strong> nicht im<br />

Vorfeld mit den Franzosen abgestimmt war.“<br />

Werner Langen sagte, in den zurückliegenden<br />

50 Jahren habe Europa immer dann Fortschritte<br />

erlebt, wenn <strong>der</strong> deutsch-französische<br />

Motor <strong>der</strong> Antrieb für europäische Integrationsfortschritte<br />

gewesen sei. Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel habe erfolgreiche Politik<br />

in Europa praktiziert. „Sie hat Deutschland<br />

wie<strong>der</strong> in das Zentrum <strong>der</strong> europäischen<br />

Politik zurückgebracht. Die Tatsache, dass die<br />

Regierung vorher die Achse Berlin, Paris und<br />

Moskau stärker gepflegt hat als die innereuropäische<br />

Zusammenarbeit, hat zu erheb -<br />

lichen Vorbehalten bei den neuen Mitgliedstaaten<br />

geführt“, sagte Langen. „Das ist zum<br />

Glück überwunden.“ Europa könne nun mit<br />

neuem deutsch-französischen Schwung in<br />

die nächste Periode gehen.<br />

Europa als größte Handelsmacht <strong>der</strong> Welt<br />

müsse zunehmend sicherheits-, verteidigungs-<br />

und außenpolitische Verantwortung<br />

geschlossen wahrnehmen. Langen sagte, er<br />

habe den Eindruck, dass <strong>der</strong> Lissabon-Prozess,<br />

also Europa zur wettbewerbsfähigsten wissensorientierten<br />

Region <strong>der</strong> Welt zu machen,<br />

noch nicht beson<strong>der</strong>s weit fortgeschritten sei.<br />

„Weil die nationalen Egoismen uns immer<br />

wie<strong>der</strong> bremsen“, erklärte <strong>der</strong> Europaparlamentarier.<br />

„Man hat die Ziele umformuliert,<br />

ohne die Ergebnisse zu verbessern. Lissabon<br />

war ein großes Ziel bis 2010. Der Koffer ist so<br />

langsam gepackt, aber die Reise ist noch nicht<br />

Doch nichtsdestotrotz stehe die Bewährungsprobe<br />

noch aus. Schwierige Fragen blieben zu<br />

beantworten. „Wer übernimmt welche Verantwortung?<br />

Wo werden Windenergie und<br />

Sonnenenergie produziert? Wer reduziert CO 2<br />

in welchem Ausmaß?“, fragte Langen. Das<br />

gegenwärtige Konzept des Emissionshandels<br />

sei deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die<br />

Nationalstaaten für die Reduktion verantwortlich<br />

seien, sagte <strong>der</strong> Unionspolitiker. Die<br />

Nationalstaaten würden versuchen, ihre Industrien<br />

zu schützen. „Der Erfolg liegt auf<br />

dem Tisch. Es ist bisher ein Misserfolg. Erst<br />

wenn es eine sektorbezogene Verpflichtung<br />

gibt, das ist meine Überzeugung, die den<br />

Wettbewerb zwischen den Unternehmen in<br />

Europa nicht verzerrt und die Staaten nicht in<br />

die Notwendigkeit bringt, ihre eigenen Unternehmen<br />

zu schützen, dann werden wir auch<br />

auf diesem Gebiet durchgreifend Erfolg haben“,<br />

prophezeit Langen.<br />

Er kritisierte ferner, die Vollendung des Binnenmarktes<br />

stocke sehr. „Wenn ich an die Reform<br />

<strong>der</strong> Postdienste denke, da gibt es ein Hin<br />

und Her“, kritisierte Langen. „Seit 1994 bin ich<br />

im Europäischen Parlament. Wenn wir über<br />

Wettbewerb reden, stelle ich fest, dass Wettbewerb<br />

immer unbeliebter wird. Wettbewerb ja,<br />

theoretisch in Riesenerklärungen – aber sobald<br />

es an eine wirkliche Wettbewerbsrahmenordnung<br />

geht, dann fallen jedem immer<br />

wie<strong>der</strong> Argumente für die Sicherung eigener<br />

Privilegien ein. Der Wettbewerb wird proklamiert,<br />

ist aber ein ungeliebtes Kind des europäischen<br />

Einigungsprozesses“, bemängelte<br />

<strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Europäischen<br />

Parlament. Die Wettbewerbsidee<br />

84 trend III/2007


sei indes keine neue Erfindung in Europa, son<strong>der</strong>n<br />

das konstituierende Element <strong>der</strong> Römischen<br />

Verträge. „Zwar hat Ludwig Erhard auch<br />

die erste Getreidemarktordnung 1963 unterschrieben<br />

– aber es war ein deutsches Anliegen<br />

neben dem französischen Anliegen <strong>der</strong> Agrarpolitik,<br />

die Wettbewerbspolitik durchzusetzen.<br />

Und die passt nicht jedem“, sagte Langen.<br />

Bei <strong>der</strong> Liberalisierung <strong>der</strong> Energiemärkte<br />

komme die EU ebenfalls nur sehr langsam voran.<br />

„Und <strong>der</strong> Enthusiasmus, sich für den globalen<br />

Wettbewerb fit zu machen, indem wir<br />

Strukturen verän<strong>der</strong>n, dieser europäische Enthusiasmus<br />

hat in den letzten Jahren stark,<br />

stark gelitten. Das macht mir persönlich etwas<br />

Sorge.“ Ferner bereite ihm, Langen, Sorge, dass<br />

die Zustimmung <strong>der</strong> Bürger zum europäischen<br />

Projekt gesunken sei. Die Zustimmung<br />

<strong>der</strong> Bürger sei vor 50 Jahren kein Problem gewesen.<br />

„Da musste man nur auf die Friedhöfe<br />

und die Soldatenfriedhöfe in Europa gehen. Da<br />

wusste je<strong>der</strong>, warum Europa notwendig ist“,<br />

erinnerte Langen. „Heute brauchen wir eine<br />

neue Begründung in den Köpfen und Herzen<br />

<strong>der</strong> Menschen. Wir müssen den Menschen sagen:<br />

Wo ist <strong>der</strong> Mehrwert von Europa, außer<br />

<strong>der</strong> Friedenssicherung und außer <strong>der</strong> Wohlstandssicherung?“<br />

Den Bürgern müsse erklärt<br />

werden, warum Europa notwendig ist und<br />

warum Renationalisierung und Protektionismus<br />

die falschen Antworten auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Zukunft sind.<br />

„Diese Neubegründung in den Köpfen und<br />

Herzen <strong>der</strong> Menschen ist eines <strong>der</strong> wichtigs -<br />

ten Ziele – auch für die Mitglie<strong>der</strong> des Europäischen<br />

Parlaments“, betonte Langen. „Wir<br />

brauchen mehr Demokratie. Das Europäische<br />

Parlament ist <strong>der</strong> geeignete Ort, um die demokratische<br />

Kontrolle auszuüben“, sagte Langen.<br />

Europa werde indes nur Fortschritte erreichen,<br />

wenn es wirtschaftlich erfolgreich sei.<br />

„Das ist eine Voraussetzung.“ Ohne wirtschaftlichen<br />

Erfolg werde das europäische<br />

Modell gefährdet. „Ich bin davon überzeugt,<br />

Europa kann in den nächsten Jahren den<br />

Durchbruch schaffen, wenn wir uns an marktwirtschaftliche<br />

Grundsätze und an gemein -<br />

same Überzeugungen halten“, sagte Langen.<br />

Eggert Voscherau, stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Vorstands <strong>der</strong> BASF AG, machte deutlich,<br />

dass das Europa des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor<br />

historischen Herausfor<strong>der</strong>ungen stehe. Diese<br />

seien selbst mit den umfassenden Stichworten<br />

Erweiterung, Globalisierung, Migration o<strong>der</strong><br />

Wohlstandssicherung nur annähernd umrissen.<br />

„Ich will, dass Europa diese Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

erfolgreich meistert – und ich will vor allem<br />

auch, dass wir aufhören, diese Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

nur als Risiken zu diskutieren. Ich will, dass<br />

wir mehr die Chancen sehen und auch darüber<br />

reden“, sagte Voscherau. Über Eu ropa müsse<br />

man strategisch nachdenken. „Die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Produktion von Industriegütern wird auf<br />

diesem Kontinent langfristig durch eine Reihe<br />

von Faktoren begrenzt, woraus abnehmende<br />

Wachstumspotenziale für uns als Zulieferer<br />

resultieren“, erklärte <strong>der</strong> BASF-Vorstand.<br />

III/2007 trend<br />

Für Deutschland gelte, dass die staatliche Kraft<br />

nicht mehr ausreiche für alle Leistungen und<br />

Aufgaben, die in <strong>der</strong> Vergangenheit selbstverständlich<br />

erschienen seien. Es müsse darum vor<br />

allem um strukturelle Reformen des ganzen<br />

Landes gehen. Ferner müsse es gelingen, die<br />

Ziele Klimaschutz und Energieversorgung global<br />

und balanciert zu erreichen. „In einer Balance,<br />

die alle drei Dimensionen beinhaltet, nämlich<br />

Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit“,<br />

sagte Voscherau.<br />

„Klimaschutz entscheidet sich mit uns Deutschen,<br />

aber nicht isoliert durch o<strong>der</strong> in Deutschland.“<br />

Erfolgreich sei ein Europa, das funktionierende,<br />

demokratische und damit handlungsfähige Institutionen<br />

habe, das äußeren und inneren<br />

Frieden und Stabilität sichere, das zum ökonomischen<br />

und damit auch sozialen und ökologischen<br />

Wohlstand seiner Bürger beitrage – „und<br />

das es damit letztlich schafft, dass die Europäer<br />

sich mit Europa identifizieren.“ Dieses Paket<br />

sei eine ambitionierte Pflicht für Europa. „Ich<br />

sehe als Kür aber noch zwei weitere Aufgaben:<br />

Das Nord-Süd-Problem ist konsequent – das<br />

heißt in <strong>der</strong> Entwicklungs- und in <strong>der</strong> Handelspolitik<br />

– anzugehen. Und Europa hat einen subs<br />

tanziellen Beitrag dazu zu leisten, den Weltfrieden<br />

zu sichern.“<br />

Dr. Joachim Wuermeling, Staatssekretär im<br />

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,<br />

sagte, Europa könne stolz auf das sein,<br />

was es bislang erreicht habe. Europa stehe in-<br />

Eggert Voscherau<br />

Dr.<br />

Joachim Wuermeling<br />

85


des auch vor fundamentalen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

„Wir sehen uns heute im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />

ganz neuen Realitäten gegenüber.<br />

Europa muss hierfür fit gemacht werden“, for<strong>der</strong>te<br />

Wuermeling. Bürgerinnen und Bürger erwarteten<br />

zu Recht Antworten darauf, wie die<br />

EU den Herausfor<strong>der</strong>ungen begegne. „Nur<br />

Europa kann die Globalisierung gestalten. An<strong>der</strong>s<br />

als je<strong>der</strong> einzelne Mitgliedstaat ist die EU<br />

als Global Player hierzu in <strong>der</strong> Lage“, unterstrich<br />

<strong>der</strong> Staatssekretär. Europa werde sein Gewicht<br />

nur dann zur Geltung bringen, wenn es wirtschaftlich<br />

stark und dynamisch sei. Der Binnenmarkt<br />

sei Garant für Wachstum und Wohlstand.<br />

Auch die Herausfor<strong>der</strong>ungen in den<br />

Bereichen Energie und Klimaschutz müssten<br />

die Staaten Europas gemeinsam angehen: „Das<br />

Europa <strong>der</strong> Zukunft ist stark und schlank. Es<br />

zeigt ein humanes Gesicht in Zeiten <strong>der</strong> Glo -<br />

balisierung. Europa vertritt mit Erfolg die<br />

europäischen Interessen in <strong>der</strong> Welt“, erklärte<br />

Wuermeling.<br />

Peter Sutherland<br />

Chairman BP plc und Goldman Sachs International<br />

„Grundlegende institutionelle Strukturen<br />

können zum Beispiel nicht mit einem Europa<br />

<strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten reformiert werden“,<br />

sagte Sutherland. Als Beispiel nannte <strong>der</strong><br />

BP-Chairman Budgetfragen und gemeinsame<br />

Politikfel<strong>der</strong> wie die Agrarpolitik. „Auf diesen<br />

Themenfel<strong>der</strong>n müssen die Län<strong>der</strong> Europas<br />

zusammenrücken.“ Außerdem könne die große<br />

Mehrheit <strong>der</strong> europäischen Län<strong>der</strong> nicht<br />

tatenlos dabei zusehen, wie wichtige politische<br />

Fragen etwa in den Bereichen Außenpolitik,<br />

innere Sicherheit und Justiz durch eine<br />

Kooperation einzelner Regierungen zustandekämen.<br />

„Die Methode, die uns zum Erfolg gebracht<br />

hat, wie zum Beispiel beim gemeinsamen<br />

Binnenmarkt und dem Euro, ist die supranationale<br />

Herangehensweise. Hier können<br />

gemeinsame Institutionen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Europäische Kommission, die politischen Entscheidungen<br />

vorbereiten, die vom Ministerrat<br />

und vom Europäischen Parlament angenommen<br />

werden“, hob Suther land hervor. Wo es<br />

möglich sei, sollten auch solche politischen<br />

Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip<br />

getroffen werden. „Nicht funktioniert hat hingegen<br />

die traditionelle Kommunikation zwischen<br />

den europäischen Hauptstädten.“ Auf<br />

diese Weise erreiche man kein Zusammen -<br />

rücken, son<strong>der</strong>n provoziere im Gegenteil eine<br />

Teilung Europas. Dies gelte noch mehr für eine<br />

Europäische Union mit 27 o<strong>der</strong> 29 Mitgliedstaaten,<br />

unterstrich <strong>der</strong> BP-Manager.<br />

Sutherland machte deutlich, dass die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Zukunft nicht „weniger“, son<strong>der</strong>n<br />

„mehr“ Europa erfor<strong>der</strong>ten. Dieses zeige<br />

sich schon mit Blick auf die großen Zukunftsfragen<br />

wie den Klimawandel, Migration, Energiesicherheit<br />

und internationale Beziehungen.<br />

„Die Umfragen zeigen deutlich, dass die<br />

Bürger in dieser Hinsicht oft schon viel weiter<br />

sind als unsere Politiker. Sie wissen: Wenn<br />

Europa sein eigenes Schicksal bestimmen will,<br />

muss es zusammenstehen und zusammen<br />

handeln – und das wird nur funktionieren,<br />

wenn wir die bestehenden Institutionen nutzen<br />

und diese weiterentwickeln“, prophezeite<br />

Sutherland. „Wir können wirklich glücklich<br />

sein, im vergangenen halben Jahr eine EU-<br />

Ratspräsidentin wie Angela Merkel gehabt zu<br />

haben. Sie ist eine wirkliche europäische Führerin.“<br />

Es sei aber auch wahrscheinlich und von<br />

essenzieller Bedeutung, dass Frankreich künftig<br />

wie<strong>der</strong> eine konstruktive Rolle in <strong>der</strong> Debatte<br />

um den Verfassungsprozess einnehmen<br />

werde. „In dieser Debatte kann man nur hoffen,<br />

dass eine Krise vermieden werden kann –<br />

allerdings nicht zu jedem Preis.“ <br />

86 trend III/2007


Podium II<br />

Neuer Nationalismus,<br />

Kampf um Ressourcen –<br />

Gefahr für die Globalisierung<br />

Georg Boomgaarden, Staatssekretär im<br />

Auswärtigen Amt, machte in seinen<br />

Ausführungen deutlich, dass die global<br />

steigende Nachfrage nach Rohstoffen die Weltwirtschaft<br />

vor enorme Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

stelle. „Die Sorge um die Verfügbarkeit von Rohstoffen<br />

verän<strong>der</strong>t weltweit die Gewichte“, hob<br />

Boomgaarden hervor. Die internationalen Rohstoffmärkte<br />

seien zum Teil sehr stark von<br />

marktverzerrenden Strukturen geprägt. Produktions-<br />

und Investitionsentscheidungen<br />

würden zunehmend an politische und geopolitische<br />

Überlegungen geknüpft. „Die Außenpolitik<br />

muss sich dieser Fragen vermehrt annehmen<br />

und die sichere Versorgung unserer Wirtschaft<br />

mit Rohstoffen zu ihrem Thema machen“,<br />

for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Staatssekretär des Auswärtigen.<br />

„Wenn die Märkte mehr denn je staatlich<br />

geprägt sind, dann muss die Staatengemeinschaft<br />

auch ihren Beitrag zu <strong>der</strong>en sicherer und<br />

nachhaltiger Ausgestaltung leisten.“ Fragen<br />

<strong>der</strong> Energie- und Rohstoffsicherheit würden<br />

III/2007 trend<br />

darum auch auf lange Sicht eine Konstante <strong>der</strong><br />

Außenpolitik bleiben. Boomgarden regte für<br />

den Bereich <strong>der</strong> energetischen Rohstoffe eine<br />

Strategie an, die die Diversifizierung von Energieträgern,<br />

Lieferanten und Versorgungswegen<br />

ins Auge fasse. „Die Überwindung einer Konfrontation<br />

zwischen Produzenten- und Transitstaaten<br />

ist für uns von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung“,<br />

betonte <strong>der</strong> Staatssekretär.<br />

Dr. Uwe Franke, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands <strong>der</strong><br />

Deutschen BP AG, erklärte, die Globalisierung<br />

bringe per Saldo mehr Menschen neue Pers -<br />

pektiven und Wohlstand. „Der Protest kommt<br />

teilweise auch aus Industrielän<strong>der</strong>n, in denen<br />

Wohlstand und Besitzstände durch die neuen<br />

Wachstumszentren herausgefor<strong>der</strong>t werden“,<br />

sagte Franke. „Die eigentliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

liegt in <strong>der</strong> zunehmenden Diskrepanz zwischen<br />

dem global gebotenen politischen Handlungsrahmen<br />

und den nationalen Interessen.“ Sorge<br />

um Wohlstandsverschiebungen schürten Pro-<br />

Podium II<br />

In das Thema: „Neuer Nationalismus,<br />

Kampf um Ressourcen<br />

– Gefahr für die Globalisierung“<br />

führten ein:<br />

Jür gen Hogrefe, Generalbevollmächtigter<br />

EnBW, und<br />

Dr. Lars H. Thunell, Executive<br />

Vice President, International<br />

Finance Corporation, Weltbank<br />

Gruppe.<br />

Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von<br />

Henning Krumrey, Leiter <strong>der</strong><br />

Parlamentsredaktion Focus,<br />

diskutierten: Georg Boomgaarden,<br />

Staatssekretär im<br />

Auswärtigen Amt; Dr. Uwe<br />

Franke, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />

Vorstands <strong>der</strong> Deutschen BP<br />

AG; Hermann-Josef Lamberti,<br />

Mitglied des Vorstands<br />

<strong>der</strong> Deutschen Bank AG;<br />

Peter Schwartz, Mitbegrün<strong>der</strong><br />

und Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />

Global Business Network.<br />

87


Jürgen Hogrefe<br />

Generalbevollmächtigter <strong>der</strong> EnBW<br />

Nichtsdestotrotz gebe es einen globalen Kampf<br />

um Ressourcen. „Doch nicht die Verknappung<br />

<strong>der</strong> Rohstoffe ist das Problem, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />

die schwieriger gewordenen Möglichkeiten,<br />

den gegenwärtigen und künftigen Bedarf<br />

in unseren westlichen Wirtschaften überhaupt<br />

zu decken.“ Man habe es darum nicht mit einer<br />

absoluten, son<strong>der</strong>n relativen Verknappung <strong>der</strong><br />

Rohstoffe zu tun, unterstrich <strong>der</strong> EnBW-Generalbevollmächtigte.<br />

„Das große Problem ist <strong>der</strong><br />

Zugang zu den Rohstoffen. Bei <strong>der</strong> Sicherung<br />

<strong>der</strong> Rohstoffe tritt immer sichtbarer die Konkurrenz<br />

aus Ostasien und an<strong>der</strong>en Boom-Regionen<br />

<strong>der</strong> Welt auf. Das bedeutet, dass die<br />

Konkurrenz um die Ausbeutung und den Erwerb<br />

von Rohstoffen sich erheblich verschärft<br />

hat“, erklärte Hogrefe weiter. Dies resultierte<br />

auch aus <strong>der</strong> großen Nachfrage aus Län<strong>der</strong>n<br />

wie China und Indien, die sich binnen kürzester<br />

Zeit wirtschaftlich und demographisch dramatisch<br />

entwickelt hätten.<br />

Jürgen Hogrefe bemerkte, das Thema Rohstoffsicherheit<br />

sei in jüngerer Zeit zu einem<br />

viel diskutierten Thema geworden. „Dazu<br />

trägt ganz sicher auch das zunehmende Bewusstsein<br />

darüber bei, dass manche <strong>der</strong> für<br />

unsere Volkswirtschaften unverzichtbaren<br />

Rohstoffe wie Öl und Gas in absehbarer Zeit<br />

erschöpft sein werden.“ Hogrefe betonte, dass<br />

niemand den genauen Zeithorizont kenne.<br />

Die meisten mineralischen Rohstoffe und Metalle<br />

indes seien in ausreichen<strong>der</strong> Menge vorhanden.<br />

„Die Frage nach <strong>der</strong> Reichweite von<br />

diesen Rohstoffen wird oft überdramatisiert.<br />

Platin, Diamanten, Kupfer, Zink und Zinn beispielsweise<br />

sind ausreichend da – zumal <strong>der</strong><br />

technische Fortschritt den Abbau, die Nutzung<br />

und den Einsatz von solchen Stoffen erheblich<br />

erleichtert“, sagte Hogrefe. „Die dynamische<br />

Bevölkerungsentwicklung und damit<br />

verbundene Industrieentwicklung muss nicht<br />

schrecken, weil wir erst am Beginn neuer Gewinnungstechniken<br />

stehen.“<br />

„China wird demnächst 70 Prozent seines Rohstoff-Bedarfs<br />

durch Importe decken müssen.<br />

Indien sogar 90 Prozent. Beide Län<strong>der</strong> sind<br />

zwar bevölkerungsreich, aber rohstoffarm. Beide<br />

Län<strong>der</strong> haben die Rohstoffpolitik längst<br />

zum Bestandteil ihrer Geopolitik gemacht.<br />

Dieser Umstand erhöht nicht nur tendenziell<br />

die Preise, son<strong>der</strong>n wird uns in Zukunft auch<br />

womöglich den Zugang zu einigen Ressourcen<br />

erheblich erschweren“, erläuterte Hogrefe.<br />

„Schon heute gilt: Wo immer Öl ist, sind Chinesen.<br />

Womöglich gilt in Zukunft: Hier gibt es<br />

kein Öl für uns, hier sind schon die Chinesen.“<br />

Län<strong>der</strong> wie China, Russland und Saudi Arabien<br />

hielten sich zudem nicht immer an die traditionellen<br />

Spielregeln im internationalen Marktgeschehen.<br />

So schlössen sie etwa Lieferverträge<br />

ab mit demokratisch nicht legitimierten Regierungen<br />

und unterliefen so internationale Bestrebungen<br />

<strong>der</strong> Herausbildung von Zivilgesellschaften,<br />

kritisierte Hogrefe. „Die Art, wie China<br />

im Sudan, in Nigeria und Angola sich den<br />

Zugang zu Ressourcen verschafft, wird von uns<br />

als Bedrohung wahrgenommen – nicht zuletzt<br />

wegen <strong>der</strong> daraus resultierenden sicherheitspolitischen<br />

Bedrohung.“ Eine Folge <strong>der</strong> relativen<br />

Rohstoffverknappung sei ferner, dass sich<br />

ressourcenreiche Län<strong>der</strong> eine stärkere Verhandlungsmacht<br />

verschaffen könnten. Dies<br />

helfe ihnen, Preise zu setzen o<strong>der</strong> sich ihre Kunden<br />

beliebig aussuchen zu können. „Beispielhaft<br />

ist Venezuela, das lange als Hinterhof <strong>der</strong><br />

USA galt und nun sein Öl bewusst nicht mehr<br />

in die USA liefern will“, sagte Hogrefe.<br />

Energie spiele beim Kampf um Rohstoffe hingegen<br />

„in einer völlig an<strong>der</strong>en Liga“. „Zum einen<br />

wegen <strong>der</strong> herausragenden Bedeutung<br />

88 trend III/2007


<strong>der</strong> Rohstoffe Öl, Gas, Steinkohle und Uran für<br />

unsere Industriegesellschaften“, erläuterte<br />

Hogrefe. „Zum an<strong>der</strong>en aber auch, weil sich<br />

vor dem Hintergrund <strong>der</strong> galoppierenden<br />

Globalisierung <strong>der</strong> Umgang mit Primärenergieträgern,<br />

<strong>der</strong> traditionell schon außerordentlich<br />

politisiert war, noch einmal weiter<br />

politisiert hat.“ Die Situation heute sei entscheidend<br />

an<strong>der</strong>s als die Situation im Jahr<br />

1971. Wegen <strong>der</strong> größeren Konkurrenz von Öl<br />

und Gas sei die Position <strong>der</strong> OECD-Län<strong>der</strong> auf<br />

dem Weltmarkt gravierend schwächer als Anfang<br />

<strong>der</strong> siebziger Jahre. „Wir sind nicht mehr<br />

die einzigen potenten Kunden. Es gibt eine vehemente<br />

Kundenkonkurrenz.“ So werde <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> OECD-Län<strong>der</strong> an <strong>der</strong> globalen Energienachfrage<br />

von 62 Prozent im Jahr 1971 auf<br />

42 Prozent im Jahr 2030 zurückgehen, berichtete<br />

<strong>der</strong> Energieexperte. Der Anteil <strong>der</strong><br />

Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong> steige<br />

hingegen von 22 Prozent auf 49 Prozent im<br />

gleichen Zeitraum. „Das ist ein qualitativer<br />

Umschwung – und zwar zu unserem Nachteil.“<br />

Ein weiterer wichtiger Unterschied sei,<br />

dass Anfang <strong>der</strong> siebziger Jahre 80 Prozent<br />

des weltweiten Öls durch multinationale<br />

westliche Konzerne geför<strong>der</strong>t worden sei,<br />

heute hingegen würden bereits 85 Prozent<br />

durch staatliche Unternehmen erschlossen.<br />

tektionismus und Nationalismus – bis hin zum<br />

Wunsch nach dem Schutz heimischer Ressourcen.<br />

Regierungen müssten hierauf Rücksicht<br />

nehmen, wollten sie nicht ihre Legitimation<br />

verlieren, sagte <strong>der</strong> BP-Manager. „Ideal scheint<br />

für die Kritiker <strong>der</strong> Globalisierung beides zu<br />

sein – die Vorteile des globalen Marktes und<br />

des heimischen Schutzes“, so Franke weiter.<br />

Der Zielkonflikt werde beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

deutlich. Die weltweite Energie-<br />

Nachfrage werde bis 2030 um rund 50 Prozent<br />

zunehmen, gerade in den Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

mit China und Indien an <strong>der</strong><br />

Spitze. „Während <strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> großen<br />

III/2007 trend<br />

Die Weltpolitik habe ein neues Zeitalter betreten,<br />

in dem Energieressourcen eine niemals<br />

zuvor gekannte strategische Bedeutung erlangen<br />

würden, bemerkte Hogrefe. Die relative<br />

Knappheit bei Energieressourcen habe zu<br />

einem Erstarken des Ressourcennationalismus<br />

geführt. „Wir müssen uns dauerhaft darauf<br />

einrichten, dass sich die Marktmacht zugunsten<br />

<strong>der</strong> Produzentenlän<strong>der</strong> verschoben<br />

hat. Die Sorge um die Versorgungssicherheit<br />

sei berechtigt. Der Ressourcennationalismus<br />

könne zu einem Hin<strong>der</strong>nis für die Versorgungssicherheit<br />

und für die Globalisierung<br />

insgesamt werden.<br />

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleis -<br />

ten, sei ein internationales Ressourcenmanagement<br />

notwendig. „Um Konflikte o<strong>der</strong> gar<br />

Kriege zu vermeiden, um Versorgungssicherheit<br />

zu gewährleisten, um faire Handelsbeziehungen<br />

für alle Seiten zu generieren, um den<br />

für alle Seiten segensreichen Prozess einer<br />

nachhaltigen und fairen Globalisierung nicht<br />

zu behin<strong>der</strong>n“, sagte Hogrefe. Er schlug vor,<br />

für den Bereich <strong>der</strong> Energie <strong>der</strong> Internationalen<br />

Energieagentur (IEA) neue Kompetenzen<br />

zuzuweisen. „Das wäre <strong>der</strong> erste Ort, wo ich<br />

dieses Ressourcenmanagement für den Bereich<br />

Energie ansiedeln würde“, sagte Hogrefe.<br />

„Wir brauchen ferner eine Energieaußenpolitik.<br />

Der jetzige Außenminister hat auf diesem<br />

Wege erste, außerordentlich vernünftige<br />

Schritte unternommen.“<br />

Die Politik müsse auch berücksichtigen, dass<br />

<strong>der</strong> Kampf um Ressourcen starke Unternehmen<br />

<strong>der</strong> Energieindustrie brauche. „Wenn wir<br />

in Russland o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo als Konsumenten<br />

in <strong>der</strong> Größenordnung etwa von Stadtwerken<br />

auftreten, haben wir beim Kampf um Ressourcen<br />

international keine Chance.“ In diesem<br />

Sinne müsse Energiepolitik immer auch<br />

Industriepolitik sein. „For<strong>der</strong>ungen nach Zerschlagung<br />

von Energieversorgungsunternehmen<br />

sind vor diesem Hintergrund fahrlässig<br />

bis unverantwortlich.“<br />

Verbraucherregionen um Energieressourcen<br />

zunimmt, ringen protektionistische Tendenzen<br />

inner- und außerhalb <strong>der</strong> EU um die Einsicht in<br />

die Vorteile <strong>der</strong> Globalisierung und die richtigen<br />

Antworten.“ Die richtige Antwort bleibe<br />

selbstverständlich <strong>der</strong> globale Markt. Ohne<br />

Zweifel würde <strong>der</strong> globale Markt seiner Vorteile<br />

wegen langfristig obsiegen, erklärte Franke.<br />

Hermann-Josef Lamberti, Mitglied des Vorstands<br />

<strong>der</strong> Deutschen Bank AG, betonte, dass<br />

wirtschaftliche Offenheit und globale Vernetzung<br />

Wachstum und Beschäftigung sicherten.<br />

„Protektionistische Tendenzen und industriepolitische<br />

Ambitionen werden zunehmend zu<br />

Georg Boomgaarden<br />

Dr. Uwe Franke<br />

89


Dr. Lars H. Thunell<br />

Executive Vice President, International Finance Corporation, Weltbank-Gruppe<br />

wahrscheinlich <strong>der</strong> weltgrößte Finanzanbieter<br />

und Anbieter nachhaltiger Finanzierungen in<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>n“, sagte Lars Thunell.<br />

Lars Thunell, Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />

Finance Corporation (IFC) bei <strong>der</strong><br />

Weltbank-Gruppe, betonte, dass die in <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Diskussion verwendeten Schlagworte<br />

„neuer Nationalismus“, „Kampf um Ressourcen“<br />

und „Gefahren für die Globalisierung“<br />

je<strong>der</strong>mann rund um den Globus vor Augen<br />

führten, dass multilaterale Kooperationen<br />

<strong>der</strong> Staaten und Institutionen in <strong>der</strong> heutigen<br />

Welt von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung für<br />

die künftige Entwicklung seien. Nur mit multilateral<br />

ausgelegten Regelwerken und Institutionen<br />

wie zum Beispiel <strong>der</strong> Welthandelsorganisation<br />

WTO könne man den genannten<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung<br />

gerecht werden. Multilateralismus<br />

habe sich dem Bilateralismus noch stets überlegen<br />

erwiesen. Die internationale Gemeinschaft<br />

habe, so Lars Thunell weiter, viele Möglichkeiten<br />

für einen multilateralen Ansatz.<br />

In seinem einleitenden Vortrag zu Podium II<br />

lenkte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />

Finance Corporation den Blick auf die<br />

Bedeutung des Privatsektors bei <strong>der</strong> ökono -<br />

mischen Entwicklung in aufstrebenden<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>n. Ziel <strong>der</strong> wirtschaftlichen,<br />

sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung<br />

in den bislang weniger wohlhabenden Län<strong>der</strong>n<br />

sei es, dass <strong>der</strong> Wohlstand möglichst breiten<br />

Bevölkerungsschichten zugutekomme.<br />

„Die International Finance Corporation IFC ist<br />

Die IFC wurde nach seinen Worten vor 50 Jahren<br />

gegründet. Ihre wichtigsten Werkzeuge<br />

seien, so Thunell, finanzielle Dienstleistungen,<br />

Kreditsicherungsinstrumente, Eigenkapitalinvestitionen<br />

und Beratungsleistungen.<br />

„Unsere Aufgabe ist es, Menschen Chancen<br />

und Gelegenheiten zu verschaffen, sich aus<br />

ihrer Armut zu befreien“, erläuterte Lars Thunell.<br />

„Unser Beitrag zur Entwicklungshilfe ist<br />

die Zusammenarbeit mit Banken und Indus -<br />

trieunternehmen in Schwellenlän<strong>der</strong>n“, sagte<br />

<strong>der</strong> IFC Executive Vice President. Das Geschäftsvolumen<br />

<strong>der</strong> IFC mit Blick auf Eigenkapitaldarlehen<br />

belaufe sich gegenwärtig auf<br />

rund zehn Milliarden Dollar pro Jahr. In den<br />

vergangenen 50 Jahren seien durch die IFC<br />

mehr als 56 Milliarden Dollar Investitionen in<br />

den Privatsektor geflossen. Ferner seien weitere<br />

25 Milliarden Dollar in 3.500 verschiedene<br />

Firmen geflossen, die von <strong>der</strong> International<br />

Finance Corporation auf an<strong>der</strong>e Weise unterstützt<br />

worden seien. „Wir bieten darüber hinaus<br />

viele technische Hilfen an“, erläuterte <strong>der</strong><br />

prominente Vertreter <strong>der</strong> Weltbank-Organisation.<br />

„Und alles erfolgt grundsätzlich zu kommerziellen<br />

Bedingungen“.<br />

Die Nachfrage nach den Produkten <strong>der</strong> Weltbank-Tochter<br />

habe in den vergangenen Jahren<br />

stark zugenommen. Ohne den Privatsektor<br />

lasse sich kein nennenswertes Wachstum erzeugen:<br />

„Der Privatsektor ist <strong>der</strong> stärkste Motor<br />

für Wachstum und Arbeitsplätze“, sagte<br />

Thunell. Man habe in den letzten Jahren beobachten<br />

können, dass mehr und mehr private<br />

Unternehmen jene Probleme lösten, die früher<br />

von Regierungen gelöst worden seien. Der Privatsektor<br />

sei allerorten auf dem Vormarsch.<br />

Die IFC sei daran beteiligt, hier das notwendige<br />

Kapital aufzubringen. „Ich denke an Schulen,<br />

Infrastruktur und Public-Private-Partnership-Modelle“,<br />

erläuterte Thunell. Der Executive<br />

Vice President verwies auf die enormen<br />

Wachstumsraten in Län<strong>der</strong>n wie China und Indien.<br />

Dadurch steige die Nachfrage dieser<br />

Staaten nach Rohstoffen wie Öl, Gas und Metalle.<br />

Zugleich werde diskutiert, wie die Versorgung<br />

mit Wasser und sauberer Luft in dieser<br />

90 trend III/2007


Ära <strong>der</strong> Globalisierung gesichert werden könne.<br />

„Viel steht auf dem Spiel“, sagte Thunell.<br />

Er verwies darauf, dass nach wie vor 2,7 Milliarden<br />

Menschen weltweit mit weniger als<br />

zwei Dollar am Tag auskommen müssten.<br />

„Das ist eine Tragödie für Afrika, viele Regionen<br />

in China, für Afghanistan und für viele<br />

an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>.“ Thunell erklärte, <strong>der</strong> Abbau<br />

von Energieträgern sei eine kritische Ressource<br />

für die ökonomische Entwicklung. Hier seien<br />

große Herausfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen.<br />

Die Menschen in den entwickelten Staaten<br />

hätten in den vergangenen Jahren ihren Verbrauch<br />

natürlicher Ressourcen dramatisch erhöht,<br />

um ihren Wohlstand zu steigern.<br />

Stolpersteinen im Globalisierungsprozess“,<br />

monierte Lamberti. Die Abschottung nationaler<br />

Märkte helfe aber keinem Land. „Denn wenn<br />

sich die Protektionismusspirale erstmal dreht,<br />

ist sie nur noch schwer aufzuhalten.“ Dies gelte<br />

umso mehr angesichts <strong>der</strong> stark gewachsenen<br />

Handels- und Kapitalverflechtung <strong>der</strong><br />

Volkswirtschaften. Die Politik müsse weltweit<br />

durch ein globalisierungsfreundliches Umfeld<br />

dafür sorgen, dass sich diese positiven Wirkungen<br />

<strong>der</strong> Globalisierung auch in Zukunft fortsetzten.<br />

„Auch Europa ist vom protektionistischen<br />

Bazillus infiziert“, sagte Lamberti. „Der<br />

politische Wille zur Liberalisierung <strong>der</strong> Märkte<br />

sinkt, die Bereitschaft zur Intervention bei Unternehmensübernahmen<br />

o<strong>der</strong> Konsolidierungsprozessen<br />

steigt.“<br />

In dem auf gegenseitige Öffnung angelegten<br />

europäischen Binnenmarkt sei für einen Fokus<br />

auf vermeintliche Nationalinteressen indes<br />

kein Platz. „Der Binnenmarkt ist für viele Unternehmen<br />

Trainingsfeld für den globalen Wettbewerb<br />

und erfolgreiches Sprungbrett in die<br />

Welt“, hob Lamberti hervor. Europa sei auch die<br />

adäquate Antwort auf den Kampf um die natürlichen<br />

Ressourcen. „Deutschland und Europa<br />

sollten den Mut zu einer eigenständigen mo<strong>der</strong>nen<br />

Geopolitik haben, die den energiereichen<br />

Lieferlän<strong>der</strong>n mehr Aufmerksamkeit<br />

schenkt“, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Deutsche-Bank-Vorstand.<br />

gegenwärtig Sorgen, weil dieser Weg oft zu<br />

Konflikten und schließlich womöglich militärischer<br />

Gewaltanwendung führe. Furcht und<br />

Konflikte könnten die internationalen Beziehungen<br />

dominieren, erläuterte Schwartz. „Weil<br />

keine Industrienation auf ihre Energieversorgung<br />

verzichten kann, wird bei einem Scheitern<br />

<strong>der</strong> ökonomischen Mittel immer <strong>der</strong> politische<br />

Weg gewählt, um Interessen durchzusetzen.“<br />

Damit politische und militärische Konflikte vermieden<br />

werden, müssten die Energienachfrager<br />

sicher sein, es mit transparenten, effizienten<br />

und glaubwürdigen Energiemärkten zu tun zu<br />

haben. Diese Faktoren hingen aber von mehr ab<br />

als dem guten Willen <strong>der</strong> Marktteilnehmer. „Eine<br />

gewisse Form <strong>der</strong> Marktregulierung ist geradezu<br />

zwangsläufig vonnöten – und die Welthandelsorganisation<br />

WTO ist ein Schritt in diese<br />

Richtung.“ Ein Scheitern <strong>der</strong> Globalisierung<br />

hingegen führe in eine Konfliktsituation wie zu<br />

Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. „Die Strategie je<strong>der</strong><br />

Nation muss darum den effizienten und diversifizierten<br />

Umgang mit Energieressourcen<br />

beinhalten“, hob Schwartz hervor. „Von ebenso<br />

zentraler Bedeutung sind aber auch stabile, vertrauensvolle<br />

politische Beziehungen und effektive,<br />

transparente internationale Institutionen“,<br />

hob Schwartz hervor. Doch könne letztlich auf<br />

eine militärische Unterstützung <strong>der</strong> politischen<br />

Ziele nicht verzichtet werden.<br />

Hermann-Josef<br />

Lamberti<br />

Peter Schwartz<br />

Peter Schwartz, Mitbegrün<strong>der</strong> und Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Global Business Network, unterstrich,<br />

dass mo<strong>der</strong>ne Industriestaaten trotz entsprechen<strong>der</strong><br />

politischer Rhetorik in <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

nicht autark sein könnten. „Alle Staaten<br />

werden darum von an<strong>der</strong>en Staaten abhängen,<br />

um ihre Energienachfrage zu befriedigen“,<br />

sagte Schwartz. Diese Energienachfrage<br />

könne grundsätzlich mit politischen, militärischen<br />

o<strong>der</strong> ökonomischen Mitteln erreicht werden.<br />

„Alle drei sind in <strong>der</strong> Geschichte bereits angewandt<br />

worden“, sagte Schwartz. Das politische<br />

Streben nach Energieressourcen bereite<br />

III/2007 trend<br />

91


Podium III<br />

Globale Wirtschaft –<br />

Angriff auf den sozialen<br />

Zusammenhalt?<br />

Dr. Eckhard Cordes<br />

Dr. Eckhard Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />

<strong>der</strong> Franz Haniel & Cie. GmbH, erklärte,<br />

nach seiner Auffassung sei die globale<br />

Wirtschaft kein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt.<br />

„Das Gegenteil trifft zu“, betonte<br />

Cordes. Die Globalisierung wirke in mehrfacher<br />

Hinsicht sozial: „Sie schafft Fortschritt und eröffnet<br />

Chancen, sie mehrt den globalen Wohlstand,<br />

sie erhöht den Lebensstandard auch in den bisherigen<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n, sofern sich diese<br />

<strong>der</strong> Globalisierung öffnen. Und sie wirkt in Richtung<br />

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“ Nach<br />

den Worten Cordes’ ist China eine Erfolgsgeschichte<br />

<strong>der</strong> Globalisierung. Vor 40 Jahren noch<br />

sei das Reich <strong>der</strong> Mitte im Bann von wie<strong>der</strong>kehrenden<br />

Hungersnöten gefangen gewesen, heute<br />

sei die Herausfor<strong>der</strong>ung, den Wohlstand in alle<br />

Regionen des Landes zu tragen. Die Region des<br />

Perlflussdeltas, die Großregion Shanghai und die<br />

südostchinesische Küstenregion hätten Anschluss<br />

gefunden an die industrialisierte Welt.<br />

„Milliardenschwere Entwicklungsvorhaben sollen<br />

Chinas Westen industriell erschließen und<br />

die Infrastruktur mo<strong>der</strong>nisieren“, erläuterte Cordes.<br />

„Demokratische und rechtsstaatliche Ins -<br />

titutionen werden sich weiter entwickeln“, prophezeite<br />

<strong>der</strong> Haniel-Manager. Ein Meilenstein in<br />

<strong>der</strong> Entwicklung des Landes sei <strong>der</strong> im März<br />

2007 erfolgte Beschluss des chinesischen Volkskongresses,<br />

Privateigentum zu schützen. „Unabhängige<br />

Gerichte werden nun dieses grundlegende<br />

Freiheitsrecht schützen müssen“, betonte<br />

Cordes. Globales Denken und Handeln ermög -<br />

liche erst, die hohen Standards <strong>der</strong> entwickelten<br />

Welt über politische Gremien und durch unternehmerisches<br />

Handeln weltweit zu verbreiten.<br />

Der „Global Compact“ <strong>der</strong> UN globalisiere als<br />

Netzwerk <strong>der</strong> selbstverpflichtenden Standards<br />

für nachhaltiges Handeln. Die öffentliche Aufmerksamkeit<br />

in Richtung „Corporate Social<br />

Responsibility“ veranlasse zudem immer mehr<br />

Unternehmen, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen.<br />

92 trend III/2007


Podium III<br />

In das Thema: „Globale Wirtschaft – Angriff auf den<br />

sozialen Zusammenhalt“ führten ein: Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen,<br />

Minister für Beschäftigung, Dänemark und Ronald<br />

Pofalla MdB, Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> Deutschlands.<br />

Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von Roland Tichy, Stellvertreten<strong>der</strong><br />

Chefredakteur Handelsblatt, diskutierten: Dr. Eckhard<br />

Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes <strong>der</strong> Franz Haniel &<br />

Cie. GmbH; Günter Dibbern, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands<br />

<strong>der</strong> DKV und Victoria Krankenversicherung AG; Prof. Dr.<br />

Dr. h.c. Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für<br />

Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim;<br />

Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstands <strong>der</strong><br />

Bilfinger Berger AG.<br />

Günter Dibbern, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands<br />

<strong>der</strong> DKV und Victoria Krankenversicherung AG,<br />

sagte, je höher die Lohnnebenkosten seien, des -<br />

to schwieriger werde es für Deutschland, sich<br />

als attraktiver Standort im Rahmen <strong>der</strong> Globalisierung<br />

durchzusetzen. „Die beschleunigte<br />

und intensivierte Internationalisierung <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsprozesse erhöht zunehmend den<br />

Wettbewerbsdruck auf die europäischen Volkswirtschaften<br />

und auf Deutschland.“ Der damit<br />

einhergehende Standortwettbewerb drehe<br />

sich zu einem großen Teil um die Arbeitskosten,<br />

unterstrich Dibbern. „Darum sind sie bei Reformen<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme und <strong>der</strong>en<br />

Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten<br />

deutlich stärker als bisher zu berücksichtigen.“<br />

Mehr Kapitaldeckung in <strong>der</strong> Kranken- und Pflegeversicherung<br />

bedeute mehr Vorsorge für altersbedingt<br />

steigende Krankheits- und Pflegekosten.<br />

Mehr Vorsorge entlaste und stabilisiere<br />

schließlich die umlagefinanzierten Sicherungssysteme.<br />

„Der Staat soll für die Lebensrisiken<br />

des Einzelnen erst dann eintreten und ihn unterstützen,<br />

wenn er sich selbst nicht mehr helfen<br />

kann“, for<strong>der</strong>te Dibbern. „Die Freiheit und<br />

Eigenverantwortung des Einzelnen sind vorrangig<br />

gegenüber staatlichem Handeln.“<br />

„Hinter <strong>der</strong> Globalisierung stehen im Wesent -<br />

lichen zwei Triebkräfte“, erläuterte Franz. Die<br />

erste sei das Resultat einer gewollten Politikgestaltung<br />

im Hinblick auf eine Liberalisierung<br />

des Welthandels wie im Rahmen des GATT, <strong>der</strong><br />

WTO und in Form des Europäischen Binnenmarktes.<br />

„Das hat die Politik zu Recht so gewollt,<br />

selbst wenn man sich heutzutage des gegenteiligen<br />

Eindrucks mitunter nicht erwehren kann“,<br />

bemerkte <strong>der</strong> Ökonomieprofessor. „Marktmä -<br />

ßige Triebkräfte stellen die zweite Ursache dar,<br />

wie etwa <strong>der</strong> technische Fortschritt im Bereich<br />

<strong>der</strong> Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

o<strong>der</strong> die Verringerung <strong>der</strong> Transak -<br />

tionskosten auf den Finanzmärkten.“<br />

Es gebe Gewinner und Verlierer <strong>der</strong> Globalisierung.<br />

„Zu den Gewinnern gehören nicht zuletzt<br />

die Arbeitnehmer als Konsumenten, die sich<br />

einem reichhaltigen Angebot an Gütern und<br />

Dienstleistungen zu wesentlich niedrigeren<br />

Preisen als ohne Globalisierung gegenüber sehen“,<br />

hob Franz hervor. Zu den Verlierern zählten<br />

hingegen beispielsweise die gering qualifizierten<br />

Arbeitnehmer, da ihre Arbeiten sehr viel<br />

kostengünstiger im Niedriglohnausland verrichtet<br />

werden könnten und durch einen arbeitssparenden<br />

technischen Fortschritt ersetzt<br />

würden. „Die Globalisierung ist unumkehrbar“,<br />

betonte Franz. „Alle Bereiche stehen unter<br />

Wettbewerbs- und Anpassungsdruck – und das<br />

ist gut so, denn dadurch werden Fehlentwicklungen<br />

und Ineffizienzen schonungslos offengelegt“,<br />

machte <strong>der</strong> Wirtschaftsweise deutlich.<br />

Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstands<br />

<strong>der</strong> Bilfinger Berger AG, sagte, die glo -<br />

Günter Dibbern<br />

Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Wolfgang Franz<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Franz, Präsident des<br />

Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />

(ZEW) in Mannheim, betonte, dass die<br />

zunehmende Internationalisierung <strong>der</strong> Arbeits-,<br />

Güter- und Finanzmärkte tiefe Spuren<br />

hinterlasse. „Die internationale Arbeitsteilung<br />

ist für sich genommen nichts Neues – aber sie<br />

gewinnt an Dynamik, Breite und Tiefe“, erläuterte<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsweise. Der Welthandel mit<br />

Waren wachse zunächst überproportional im<br />

Vergleich zur Weltproduktion, industrienahe<br />

Dienstleistungen würden mehr und mehr handelbar,<br />

obwohl sie lange Zeit als standortgebunden<br />

angesehen worden seien.<br />

III/2007 trend<br />

93


Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen<br />

Minister für Beschäftigung, Dänemark<br />

Mit dem Konzept <strong>der</strong> „Flexicurity“ seien sowohl<br />

Unternehmen als auch Beschäftigte gut<br />

auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />

vorbereitet. Sicherheit und Freiheit, oft<br />

als Gegensatz verstanden, würden durch das<br />

dänische Arbeitsmarktmodell in Einklang gebracht.<br />

Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen erklärte, das dänische<br />

Arbeitsmarktmodell „Flexicurity“ beschreibe<br />

man am besten mit dem Bild <strong>der</strong> Triangel.<br />

„Die erste Ecke <strong>der</strong> Triangel ist ein flexibler<br />

Arbeitsmarkt, auf dem Arbeitgeber relativ<br />

frei sind, Arbeitnehmer ohne lange Kündigungsfristen<br />

anzustellen und zu entlassen.<br />

Das Ergebnis ist eine Mischung aus Wettbewerbsfähigkeit<br />

und einer niedrigen Ar beits -<br />

losen rate“, erläuterte Fre<strong>der</strong>iksen. Dies erlaube<br />

auch weniger gut ausgebildeten Arbeit -<br />

nehmern, in den Arbeitsmarkt einzutreten.<br />

„Mit an<strong>der</strong>en Worten: Flexibilität und so -<br />

ziale Sicherheit sind voneinan<strong>der</strong> unabhängig.“<br />

Die zweite Ecke <strong>der</strong> Triangel beschrieb <strong>der</strong> dänische<br />

Arbeitsminister als ein dichtes Netz an<br />

sozialer Sicherheit, welches den Dänen einen<br />

hohen Grad an Einkommenssicherheit garantiere.<br />

„Das erlaubt den dänischen Arbeitnehmern<br />

ein hohes Maß an Flexibilität – rund ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Arbeitskräfte wechselt den Job einmal<br />

pro Jahr.“<br />

Die dritte Ecke <strong>der</strong> Triangel sei die aktive Arbeitsmarktpolitik.<br />

„Diese Politik garantiert,<br />

dass die verfügbaren Arbeitslosen gut qualifiziert<br />

werden, um die vakanten Stellen besetzen<br />

zu können. Diese aktive Arbeitsmarktpolitik<br />

ist zwar sehr teuer – aber sie zahlt sich<br />

aus“, machte Fre<strong>der</strong>iksen deutlich.<br />

„Das Flexicurity-Modell erlaubt Dänemark,<br />

das meiste aus <strong>der</strong> Globalisierung zu machen.“<br />

Dänemark stütze seine Politik auf ein<br />

ein faches, aber entscheidendes Prinzip:<br />

„Wenn an<strong>der</strong>e billiger sind, müssen wir eben<br />

besser sein.“ Seiner Erfolge wegen sei das dä -<br />

nische Modell in vielen europäischen Län<strong>der</strong>n<br />

extensiv diskutiert worden, um mit den He -<br />

rausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung fertig zu<br />

werden. Doch Fre<strong>der</strong>iksen warnte davor, das<br />

Konzept des relativ kleinen skandinavischen<br />

Landes einfach eins zu eins zu übernehmen.<br />

„Flexicurity kann an<strong>der</strong>en als Inspiration, als<br />

Anregung dienen – aber das Konzept muss<br />

den nationalen Gegebenheiten und Institutionen<br />

in jedem Fall angepasst werden“, betonte<br />

<strong>der</strong> dänische Arbeitsminister.<br />

Im Folgenden beschäftigte sich Fre<strong>der</strong>iksen<br />

mit <strong>der</strong> Frage, wie Politiker die notwendige<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Bevölkerung für <strong>der</strong>artige<br />

Reformen gewinnen können. „Reformkonzepte<br />

können auch in einer Kamikaze-Politik enden<br />

– versteckte, hässliche und ungestüme<br />

Reformen laufen Gefahr, niemals erfolgreich<br />

zu sein“, warnte Fre<strong>der</strong>iksen. Aus dänischer<br />

Sicht seien die wichtigsten Voraussetzungen<br />

für eine erfolgreiche Reformpolitik die gute<br />

Vorbereitung und Durchführung <strong>der</strong> Strategie<br />

gewesen. „Die dänische Regierung hat den<br />

Reformen durch eine breite öffentliche Debatte<br />

den Boden bereitet“, erläuterte <strong>der</strong> Arbeitsminister.<br />

„Die Reformpläne wurden vor <strong>der</strong><br />

Wahl offengelegt – die Bürger hatten also die<br />

Möglichkeit, sowohl die Pläne selbst als auch<br />

die Regierung beim Urnengang abzulehnen.“<br />

Die dänische Regierung sei auf diese Weise eine<br />

Art Vertrag mit <strong>der</strong> Bevölkerung eingegangen:<br />

„Wir machen das, was wir angekündigt<br />

haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger.“<br />

Die Reform des dänischen Wohlfahrtsstaates<br />

sei schließlich von einer breiten Parlamentsmehrheit<br />

im Jahr 2006 angenommen wor-<br />

94 trend III/2007


den. Im Jahr 2003 bereits habe die dänische<br />

Regierung indes eine unabhängige „Wohlfahrtskommission“<br />

eingesetzt, die künftige<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen identifizieren, Empfehlungen<br />

machen und eine breite öffentliche<br />

Debatte anschieben sollte. „Kurz gesagt: Die<br />

Kommission hat erklärt, warum die dänische<br />

Gesellschaft vor großen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

steht“, sagte Fre<strong>der</strong>iksen.<br />

Nachdem die Kommission das „Warum“ erklärt<br />

habe, habe die Regierung Unterstützung<br />

für das „Wie“ suchen können. Dieser Prozess<br />

habe den Menschen in Dänemark gezeigt,<br />

dass die Reformen notwendig seien und nach<br />

den Regeln <strong>der</strong> Fairness umgesetzt würden.<br />

Neben <strong>der</strong> Wohlfahrtskommission habe die<br />

dänische Regierung ferner noch einen „Globalisierungsrat“<br />

eingerichtet. Auch dieser habe<br />

den Zweck verfolgt, den Boden für Reformen<br />

zu ebnen. Der Rat habe dafür gesorgt, eine<br />

breite Akzeptanz <strong>der</strong> Bevölkerung für die politische<br />

Agenda zu schaffen. „So wurde gewährleistet,<br />

dass vom Premierminister über<br />

Wirtschaftsverbände bis zu den Gewerkschaften<br />

eine breite gesellschaftliche Mehrheit hinter<br />

den Reformen steht“, erläuterte Fre<strong>der</strong>iksen.<br />

Abschließend erläuterte <strong>der</strong> Minister, dass die<br />

dänischen Reformen vor allem drei Dinge gezeigt<br />

hätten. „Erstens: Eine breite Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung von Reformpolitik ist<br />

möglich. Zweitens: Reformpolitik ist nicht notwendigerweise<br />

eine Kamikaze-Aktion. Und<br />

drittens zeigt <strong>der</strong> dänische Weg auch, dass eine<br />

breite öffentliche Debatte die Ängste <strong>der</strong><br />

Bevölkerung vor <strong>der</strong> Globalisierung nehmen<br />

kann. 70 Prozent <strong>der</strong> Dänen sagen, dass Dänemark<br />

von <strong>der</strong> Globalisierung profitiert.“<br />

bale Wirtschaft strapaziere den sozialen Zusammenhalt.<br />

„Es gibt gegensätzliche Wahr -<br />

nehmungen <strong>der</strong> Globalisierungschancen und<br />

-risiken in Deutschland: Manager sehen die<br />

globale Wirtschaft als Chance. Die tarifge -<br />

bundenen Mitarbeiter dagegen fürchten eher<br />

negative Konsequenzen wie Arbeitsplatzabbau,<br />

ausbleibende Reallohnsteigerungen o<strong>der</strong><br />

gar Firmenschließungen“, erklärte Schetter.<br />

Hinzu komme, dass in den Medien das Thema<br />

Globalisierung vielfach negativ besetzt sei und<br />

darüber hinaus eine Neiddebatte geschürt<br />

werde.<br />

Der Bilfinger-Berger-Manager regte an, Beschäftigte<br />

über flexible Vergütungssysteme am<br />

Erfolg zu beteiligen. „Zehn Jahre Stagnation auf<br />

<strong>der</strong> Reallohnseite haben dazu geführt, dass<br />

Deutschland wie<strong>der</strong> wettbewerbsfähig geworden<br />

ist. Um diesen Status zu halten, gibt es<br />

kaum Spielraum für Lohnerhöhungen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

können wir es uns aus Wettbewerbsgründen<br />

nicht leisten, die Arbeitskosten zu<br />

erhöhen“, betonte Schetter. Gleichwohl hätten<br />

die Mitarbeiter die Erwartungshaltung, dass<br />

sie am Aufschwung adäquat partizipieren.<br />

„Da zu können flexible, erfolgsabhängige Vergütungskomponenten<br />

dienen, die eine rasche<br />

Anpassung an die jeweilige konjunkturelle<br />

Situation erlauben“, schlug Schetter vor.<br />

„Auch Lebensarbeitszeitkonten sind sinnvoll.<br />

Sie können konjunkturelle Schwankungen reflektieren<br />

und ermöglichen die individuelle<br />

Anpassung <strong>der</strong> Ruhestandsgrenze.“<br />

Schetter hob ferner hervor, dass Deutschland<br />

mehr Ingenieure brauche. „Der Politik <strong>der</strong> sieb -<br />

ziger Jahre haben wir zwei große Fehlentwicklungen<br />

zu verdanken: Bildungsmisere und Technikfeindlichkeit.“<br />

Vor allem seine technologische<br />

Kompetenz aber habe Deutschland zum Ex -<br />

portweltmeister gemacht. Gegenwärtig fehlten<br />

jedoch rund 20.000 Ingenieure. „Wir brauchen<br />

umgehend eine Renaissance von Naturwissenschaft<br />

und Technik“, for<strong>der</strong>te Schetter. Zukunftsfähige<br />

Arbeitsplätze erfor<strong>der</strong>ten eine Schul- und<br />

Universitätsausbildung auf hohem Niveau.<br />

Prof. Hans Helmut<br />

Schetter<br />

III/2007 trend<br />

95


IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Prof. Dr. Kurt J. Lauk, Präsident,<br />

für den <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>CDU</strong> e.V.<br />

Schriftleitung:<br />

Erwin Lamberts,<br />

Chefredakteur (v.i.S.d.P.)<br />

Katja Sandscheper, Redaktion<br />

Silvia Axt, Assistenz<br />

Ulrich Baumgarten, Fotos<br />

Wissenschaftliche Beratung:<br />

Hans Jochen Henke<br />

Dr. Rainer Gerding<br />

Gemeinsame Postanschrift:<br />

Redaktion trend,<br />

Luisenstraße 44, 10117 Berlin<br />

Telefon: 030/24087-300/301<br />

Telefax: 030/24087-305<br />

Internet: www.trend-zeitschrift.de<br />

Verlag:<br />

Information für die<br />

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Geschäftsführerin:<br />

Iris Korehnke (v.i.S.d.P.)<br />

Luisenstraße 44, 10117 Berlin<br />

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Telefax: 030/24087-405<br />

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49080 Osnabrück<br />

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Erscheinungsweise:<br />

März, Juni, September, Dezember<br />

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Bestellungen: Beim Verlag<br />

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Jahresabonnement € 25,–<br />

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(vier Aus ga ben) werden für ein<br />

Jahr berechnet.<br />

Kün digungen müssen sechs<br />

Wochen vor Ablauf des Abon -<br />

nements schriftlich vorliegen, an<strong>der</strong>n<br />

falls verlängert es sich<br />

für ein weiteres Jahr.<br />

Bildnachweis:<br />

Argum (Seite 34); FIZ (47, 48, 49);<br />

Fuchsbriefe (4); Kruppa (3, 7, 12, 15,<br />

17, 20, 22, 24, 65, 72, 74, 76, 79<br />

bis 96); E. Lamberts (41 bis 46);<br />

Picture-Alliance (34, 35, 36, 38,<br />

39, 40, 59); privat (51, 52, 61);<br />

Schicke (3, 26, 28, 31, 33, 37, 47, 62,<br />

63, 66, 67, 69, 70, 71, 73, 76, 79, 80,<br />

81); Vario-Press/Baumgarten (6, 9,<br />

10, 13, 14, 16, 18, 19, 21, 23, 25, 27,<br />

29, 32, 42, 45, 53, 60, 61); WR (1);<br />

H. Zeuzem (56, 57, 58).<br />

Umschlagseite:<br />

Vario-Press/Baumgarten<br />

Karikatur: Jürgen Tomicek (5)<br />

Ronald Pofalla MdB<br />

Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> Deutschlands<br />

<strong>CDU</strong>-Generalsekretär Ronald Pofalla beschäftigte<br />

sich in seinem einleitenden Vortrag zu<br />

Podium III mit <strong>der</strong> Frage, wie sozialer Zusammenhalt<br />

entstehe. „Sozialer Zusammenhalt<br />

definiert sich über unterschiedliche Faktoren,<br />

wie zum Beispiel die Integrationskraft <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

die Verankerung des Grundgesetzes<br />

und des Wertefundaments in allen Teilen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, die Stärke <strong>der</strong> Familien, die<br />

Leistungsfähigkeit des Bildungssystems und<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherung“, erläuterte Pofalla.<br />

Sozialer Zusammenhalt sei vor allem dann<br />

gegeben, wenn sich <strong>der</strong> Einzelne in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

aufgehoben fühle, einen Ausbildungs-<br />

o<strong>der</strong> Arbeitsplatz habe und seine<br />

Familie angemessen versorgen könne.<br />

Die Globalisierung könne den sozialen Zusammenhalt<br />

gefährden. Angst vor Arbeits -<br />

losigkeit und die Sorge vor dem Verlust <strong>der</strong><br />

sozialen Absicherung beunruhige viele Menschen,<br />

hob Pofalla hervor. Arbeitslosigkeit<br />

bleibe ein zentrales Problem in Deutschland.<br />

„Sie kann den Zusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

gefährden.“ Die Ursachen für die Arbeitslosigkeit<br />

in Deutschland lägen aber vor allem in<br />

hausgemachten Strukturproblemen – und<br />

nicht in <strong>der</strong> Globalisierung. Die zunehmende<br />

Vernetzung <strong>der</strong> Märkte sei vielmehr eine<br />

Chance für Deutschland. Nichtsdestotrotz<br />

stelle die Globalisierung eine zentrale Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

unserer Zeit dar. „Die <strong>CDU</strong> begreift<br />

sie aber in erster Linie als Chance“, machte<br />

Pofalla deutlich. „In zahlreichen Unternehmen<br />

und Branchen in Deutschland sind erst durch<br />

die Globalisierung neue Arbeitsplätze entstanden“,<br />

hob <strong>der</strong> Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong><br />

hervor. Nach Angaben <strong>der</strong> Organisation für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) stehe Deutschland mit einem<br />

Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent im<br />

laufenden Jahr an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> G7-Län<strong>der</strong>.<br />

„Deutschland ist Exportweltmeister und<br />

braucht den globalen Handel und Austausch.“<br />

Vor diesem Hintergrund bestehe <strong>der</strong> Anspruch<br />

<strong>der</strong> <strong>CDU</strong> darin, die Globalisierung zu<br />

gestalten. „Das heißt einerseits, sich über internationale<br />

Rahmenbedingungen zu verständigen.<br />

Globalisierung zu gestalten bedeutet<br />

für die <strong>CDU</strong> an<strong>der</strong>erseits aber auch die<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft in<br />

Deutschland“, so Pofalla weiter. „Fehlentwicklungen<br />

und Strukturschwächen des Sozialstaats<br />

müssen korrigiert werden, die Arbeitslosigkeit<br />

weiter zurückgedrängt werden“,<br />

for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>-Politiker.<br />

Pofalla erklärte weiter, aus seiner Sicht sei die<br />

Globalisierung keine Gefährdung für den sozialen<br />

Zusammenhalt, wenn es in Deutschland<br />

gelinge, die Stärken <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft<br />

auszubauen und sie zu erneuern.<br />

„Die Soziale Marktwirtschaft ermöglicht es<br />

den Menschen, frei und sicher zu leben.“ Die<br />

<strong>CDU</strong> setze auf eine Chancengesellschaft, in<br />

<strong>der</strong> sich je<strong>der</strong> seinen Fähigkeiten entsprechend<br />

entfalten könne. „Aufgabe wird es sein,<br />

das Chancenpotenzial <strong>der</strong> Globalisierung auszuschöpfen<br />

– und dabei gleichzeitig den Anspruch<br />

auf Teilhabe <strong>der</strong> bisher Ausgeschlossenen<br />

und Schwächeren zu erfüllen“, sagte <strong>der</strong><br />

<strong>CDU</strong>-Politiker. „Denn daran wird sich künftig<br />

<strong>der</strong> soziale Zusammenhalt in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

und zwischen den Menschen weltweit entscheiden.“<br />

Die <strong>CDU</strong> müsse darauf achten, dass ihre Politik<br />

wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht<br />

sei. „Dann ist die Globalisierung nicht<br />

das Ende des Sozialstaats und <strong>der</strong> Sozialen<br />

Marktwirtschaft, son<strong>der</strong>n kann vielmehr <strong>der</strong><br />

Beginn ihrer weltweiten Akzeptanz sein.“ <br />

96 trend III/2007

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