Rekonstruktion eines Gewichtswebstuhls
Rekonstruktion eines Gewichtswebstuhls
Rekonstruktion eines Gewichtswebstuhls
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ein Gewichtswebstuhl für die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung<br />
Die Idee<br />
Im Vorlauf <strong>eines</strong> Seminars über urgeschichtliche Techniken und im Blick auf ein experimentelles<br />
Wochenende im Juni 2010 kamen wir, Stefanie Spiegel und Antonie Bassing, unter Anregung durch<br />
Leif Steguweit im Oktober 2009 auf die Idee, einen Webstuhl zu bauen.<br />
Die Voraussetzung für den Bau dieses Webstuhles war ein Referat im eben<br />
erwähnten Seminar. Der Inhalt des Referates umfasste die Geschichte der<br />
Textilverarbeitung von ihren nachweisbaren Anfängen bis in die<br />
ausgehende Eisenzeit und das Erarbeiten der Technik des Webens, ebenso<br />
wie die Technik der Brettchenweberei.<br />
Die Recherchen<br />
Die umfangreichen Recherchen für das Referat waren uns natürlich sehr<br />
dienlich, um erste Ideen für die Gestaltung <strong>eines</strong> Webstuhls zu sammeln.<br />
Von Nutzen waren v.a. die frühen Abbildungen von Webstühlen, oder eher<br />
Webvorrichtungen, auf den Felsenzeichnungen von Val-Camonika, aber<br />
auch Abbildungen auf Vasen und anderen Gefäßen (z.B. hallstattzeitliche<br />
Urne aus Sopron (Ungarn), 7.Jh,<br />
griechische Vasenbilder aus dem 6. Jh.<br />
und 5. Jh. v.Chr.). Wichtig waren auch die<br />
zahlreichen Funde von Webgewichten Lekythos, 6. Jh. v.Chr.<br />
(z.B. in der Siedlung von Gars-Thunau),<br />
auch wenn diese über das Aussehen von Webstühlen nicht viel<br />
aussagen können. Leider muss man sagen, dass, aufgrund der<br />
widrigen Erhaltungsumstände für Holz, kaum ur- und<br />
frühgeschichtliche Webstühle erhalten sind. Deshalb waren auch<br />
Recherchen im Internet nötig. Besonders hilfreich waren dabei<br />
<strong>Rekonstruktion</strong>en von Webstühlen in Freilichtmuseen, erhaltene<br />
Webstühle aus dem Mittelalter, aber auch Überlegungen,<br />
Erfahrungsberichte u.ä. von begeisterten Web-Fans. Auffallend war,<br />
dass es zahlreiche Webstühle gibt, die zwar prinzipiell gleich sind,<br />
trotzdem aber in ihrem Aussehen und in ihrer Funktionsweise<br />
unterschiedlich sind.<br />
Für unseren Entwurf entschieden wir uns schließlich für einen<br />
Gewichtswebstuhl nach dem Vorbild der <strong>Rekonstruktion</strong> des<br />
Webgewichte, Gars-Thunau,<br />
Webstuhles von Gars-<br />
Planum 4C<br />
Thunau.<br />
Der Entwurf<br />
Im Entwurf besteht der Webstuhl aus einem u-förmigen<br />
Gestell von Balken, d.h. die vertikalen Balken sind am<br />
unteren Ende durch einen weiteren horizontalen Balken<br />
miteinander verbunden, welcher den Webstuhl v.a.<br />
stabilisieren soll. Oben auf, auf den zwei vertikalen<br />
Holzbalken, liegt der runde Kettbaum, an dem die Kettfäden<br />
aufgehängt werden und welcher nicht befestigt ist, damit<br />
man das Gewebe später auf den Kettbaum aufdrehen kann.<br />
Somit ist es auch möglich größere Stofflängen zu weben.<br />
Zur Anzahl der nötigen Litzenstäbe haben wir uns überlegt,<br />
dass natürlich mindestens einer vorhanden sein muss,<br />
damit die Kettfäden gehoben und gesenkt werden können.
Allerdings kann man mit einem Litzenstab<br />
nur die einfache Leinenbildung weben.<br />
Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt<br />
kompliziertere Bindungen noch nicht<br />
beherrschten, haben wir uns doch dazu<br />
entschieden mehrere Litzenstäbe<br />
anzubringen, damit wir später auch<br />
kompliziertere Bindungen wie Körperoder<br />
Atlasbindung weben können. Damit<br />
der Webrahmen auch frei stehen kann,<br />
verfügt er über einen Ständer, der<br />
ebenfalls u-förmig ist und aus drei Balken<br />
besteht.<br />
Über die Art und Weise, wie die verschiedenen Holzbalken miteinander verbunden werden sollten,<br />
waren wir uns schnell einig, denn am besten erschien uns eine Stecksystem aus Holzdübeln, dass<br />
zum einen die Flexibilität des Webrahmens gewehrleistet, aber auch den ur- und frühgeschichtlichen<br />
Möglichkeiten entspricht.<br />
Darüber hinaus gab es ein paar Kriterien, die der Webstuhl erfüllen sollte:<br />
Zum einen, dass er zerlegbar und damit auch jeder Zeit auf- und abbaubar sein sollte. Zum anderen,<br />
dass der Webstuhl mehr oder weniger authentisch gebaut bzw. aussieht, viel mehr aber noch, dass<br />
der Bau und auch das spätere Weben am Webstuhl reibungslos ablaufen.<br />
Der Bau<br />
Entsprechend dem Entwurf begannen wir dann den Webstuhl zu<br />
bauen. Zugegebenermaßen griffen wir beim Bau des Webstuhls<br />
ausschließlich auf moderne Hilfsmittel wie Bohrer, Stichsäge,<br />
Handsäge und Schleifpapier zurück. Auch das<br />
Holz haben wir im Baumarkt gekauft und<br />
nicht selber geschlagen.<br />
Der Bau bescherte uns dann an vielerlei<br />
Stellen auch Sorgen und Probleme. Auch<br />
wenn ich nun an dieser Stelle kaum auf den<br />
Bau des Webstuhles eingehen will, so möchte<br />
ich doch ein paar Probleme erörtern, die uns<br />
beim Bau beschäftigt haben.<br />
Diese betrafen zunächst v.a. die Auflagen des<br />
Kettbaumes und die Litzenstäbe und<br />
deren Auflagen.<br />
Der Kettbaum sollte, laut des Entwurfs, zwischen vertikalem<br />
Balken und einem aufgedübeltem Kantholz aufliegen. Leider ließ<br />
sich das aber dann nicht so umsetzten. Unsere Lösung gestaltete<br />
sich dann so, dass wir ein übriges Stück Balken an das obere<br />
Ende der Rahmenbalken dübelten und eine, dem Kettbaum<br />
entsprechende, Mulde einsägten.<br />
Bei den Litzenstäben gestaltete sich das Problem so, dass wir<br />
geplant hatten die Stäbchen, die als Auflagen fungieren, ein paar<br />
Zentimeter tief anzusägen und so die Hölzchen ein paar<br />
Zentimeter tief zu halbieren. Das funktionierte soweit eigentlich<br />
auch, doch als wir später die ersten Schnüre befestigten und die<br />
Gewichte daran hängten rutschte der Litzenstab einfach ab. Um
dem entgegenzuwirken haben wir die Litzenstäben eben an den<br />
Stellen, an denen sie auf den Auflagen liegen angeschliffen und so<br />
die Rundung an diesen Stellen begradigt, sodass die Litzenstäbe nun<br />
nicht mehr abrutschen konnten.<br />
Schließlich war der Webstuhl fertig. Richtig fertig waren wir<br />
allerdings noch nicht, denn zu einem Gewichtswebstuhl gehören<br />
auch Gewichte. Zunächst wollten wir eigentlich die oftmals<br />
bekannten Tropfenförmigen Tongewichte formen. Zufällig stieß ich<br />
dann aber im Internet auf Berichte einer Gruppe der „Danish<br />
National Research Foundation’s, Centre for Textile Research,<br />
University of Copenhagen“. Diese zeigten welche verschiedenen<br />
Webgewichte man verwenden kann. Dabei zeigte sich, dass flache<br />
Webgewichte von Vorteil sind, denn um die Fäden stramm zu<br />
halten, muss relativ viel Gewicht befestigt werden, wenn die<br />
Gewichte aber sehr groß sind, brauchen diese sehr viel Platz. Wenn<br />
die Webgewichte flach sind kann man viele ebenso schwere Gewichte auf engem Platz<br />
nebeneinander hängen. So entschieden wir uns also für flache Gewichte von einem Gewicht von ca.<br />
250-350 Gramm. Die flache Form war auch von Vorteil, weil die Gewichte<br />
schnell aber schonend trocknen konnten.<br />
Das Weben<br />
Dann war es endlich Zeit sich mit dem Webvorgang zu beschäftigen. Um<br />
die Grundlagen kennen zu lernen, war das Buch „Handbuch Weben:<br />
Geschichte, Materialien und Techniken der Handwebens“ von Erika Arndt<br />
sehr nützlich, z.B. bei für Materialkunde und Gewebeplanung. Aber geübt<br />
wurde auch an kleineren Webrahmen.<br />
Für unseren späteren Stoff kauften wir gezwirntes Schurwollgarn, denn<br />
Kettfaden sollte möglichst gezwirnt sein, weil der Faden dann besonders<br />
reißfest und belastbar ist. Weil wir aber das Garn nicht selber gefärbt<br />
haben und wir aber auch den Schussfaden in der gleichen Farbe haben<br />
wollten, benutzten wir den Schurwollzwirn auch für den Schussfaden.<br />
Der Vorteil daran sollte auch sein, dass bei einem Leinengewebe Kett-<br />
und Schussfaden im Stoffbild gleichmäßig<br />
hervortreten.<br />
Dann begannen wir endlich mit unserem ersten<br />
Webversuch:<br />
Zuerst schnitten wir den Zwirn zurecht. Ein Faden<br />
war so lang, dass er vom Boden über den Kettbaum<br />
und wieder herab reichte, sodass ein Faden zwei<br />
Kettfäden ergab. Da wir<br />
uns für ein leinenbindiges<br />
Gewebe entschieden<br />
hatten, musste jeder<br />
zweite Kettfaden in<br />
Schlaufen eingefädelt<br />
werden, die wir schon<br />
zuvor an den Litzenstäben befestigt hatten. Dies ist nötig, damit beim<br />
Weben durch das vor- oder zurückziehen des Litzenstabes verschiedene<br />
Fächer gebildet werden, durch die der Schussfaden geführt wird. Aus<br />
Gründen der Erleichterung für uns fädelten wir jene Kettfäden durch die<br />
Schlaufen, die hinten lagen. Diese Arbeit dauerte ca. zwei Stunden. Dann
efestigten wir abwechselnd an Bündeln aus den vorderen<br />
Fäden und den hinteren Fäden die Webgewichte. Damit waren<br />
die Vorbereitungen eigentlich getan und es konnte losgehen. Der<br />
Anfang war holprig. Recht schnell fiel uns auf, dass die Schlaufen<br />
der Kettfäden an den Litzenstäben begannen, sich untereinander<br />
und auch mit den Kettfäden zu verheddern. Um diesem<br />
vorzubeugen, knüpften wir die Schlaufen, mit ein paar<br />
Millimetern Abstand, mit einem Faden am Litzenstab fest.<br />
Trotzdem bestand aber das Problem, dass sich die Kettfäden bei<br />
der Fächerbildung nicht richtig trennten und wir so bei jedem<br />
neuen Fach von unten herauf die Fäden auseinander ziehen<br />
mussten. Erst dachten wir uns wär ein Fehler unterlaufen beim<br />
Einfädeln der Kette, aber es lag einfach am gewählten Garn,<br />
denn Schurwolle ist nicht besonders glatt und so bildeten sich<br />
beim vor- oder zurückziehen Flusen und die Wolle verfilzte<br />
immer mehr. Dies machte den Webvorgang zwar anstrengender,<br />
hatte aber keine schlimmeren Auswirkungen. Ein anderes<br />
ungewolltes Ergebnis unserer Weberei war dann auch, dass das<br />
Gewebe doch von der Kette dominiert wurde, d.h. die<br />
Schussfäden waren kaum zusehen, weil die Kettfäden diese überdeckten. Wie uns später klar wurde,<br />
war der Grund dafür, dass wir die Kettfäden über den Kettbaum gehängt hatten. Ein weiteres<br />
Problem im Zusammenhang mit Ebengenanntem erschien dann, als wir mit dem Gewebe am<br />
Litzenstab angekommen waren, den wir zuvor schon nach unten versetzt hatten und versuchten das<br />
Gewebe auf den Kettbaum aufzudrehen. Doch der Kettbaum drehte einfach durch, ohne dass sich<br />
das Gewebe aufdrehte. So beschlossen wir das Gewebe hier zu beenden. Wir verwebten das Ende<br />
des Schussfadens, machten die Gewichte los, ließen das Gewebe vom Kettbaum gleiten und<br />
schnitten die Enden so zurecht, dass wir anschließend Fransen aus der Kette knoten konnten.<br />
Die Vorbereitungen für das experimentelle Wochenende<br />
Um unseren Webstuhl am experimentellen Wochenende im Stadtmuseum Erlangen ausstellen zu<br />
können und daran zu weben, war klar, dass wir noch einiges vorzubereiten hatten.<br />
Die Vorbereitungen für das experimentelle Wochenende am 03. Und 04. Juli 2010 im Erlanger<br />
Stadtmuseum trafen wir zwei Tage vorher. Für das neue Gewebe benutzten wir das übrige Garn des<br />
ersten Stoffes – die Stoffplanung war also nicht unbedingt korrekt. Anders als beim anderen Gewebe,<br />
wollten wir nun einen karierten Stoff weben. Außerdem wollten wir, wie bei den Stoffen im<br />
Fürstengrab von Hochdorf, eine Borte aus Brettchenweberei als Anfangsborte anweben. Um das zu<br />
bewerkstelligen, schraubten wir aus kleineren Hölzern einen Scherbock zusammen. An diesem<br />
begannen wir dann, die Brettchenborte zu weben,<br />
wobei die späteren Kettfäden beim Brettchenweben<br />
die Schussfäden darstellten. Allein die Brettchenborte<br />
kostete uns sage und schreibe vier Stunden.<br />
Das experimentelle Wochenende am 03. und 04. Juli<br />
2010<br />
Am 03. Juli transportierten wir dann unseren Webstuhl,<br />
in seine Einzelteile zerlegt, ins Stadtmuseum Erlagen.<br />
Vor Ort sollte der Webstuhl frei im Hof stehen. Wir<br />
bauten ihn wieder zusammen und fügten den Ständer<br />
an. Es war aber klar zu sehen, dass die Überlegung mit<br />
dem Ständer auf dem Papier funktionierte für eine<br />
tatsächliche Benutzung aber nicht unbedingt
funktionierte, denn, begünstigt durch das<br />
„lose“ Stecksystem drohte der Webstuhl<br />
nach links wegzuklappen. Leider hatten<br />
wir das vorher nicht bemerkt. Deshalb<br />
mussten wir den Webstuhl also doch<br />
anlehnen.<br />
Dann begannen wir alles für das Weben<br />
vorzubereiten. Mittels <strong>eines</strong> Fadens<br />
befestigten wir das Brettchengewebe am<br />
Kettbaum. Dann ging es wieder daran,<br />
jeden zweiten Faden in die am Litzenstab<br />
befestigten Schlaufen einzufädeln, die<br />
Schlaufen am Litzenstab festzuknoten, die<br />
Gewichte an die Kettfäden zu hängen und<br />
den Schussfaden vorzubereiten. Vier<br />
Stunden später konnte es dann endlich<br />
losgehen. Auch hier war wieder dasselbe<br />
Problem, wie schon beim ersten Mal:<br />
beim Fächerbilden trennten sich die<br />
Fäden nicht richtig voneinander.<br />
Als Webschiffchen benutzten wir schmale,<br />
längliche, an den Enden eingekerbte<br />
Hölzer auf die der Schussfaden<br />
aufgewickelt wird. Um den Schuss nach<br />
oben zu schieben benutzten wir kein<br />
Webschwert, sondern einfach Kämme.<br />
Doch auch hier verlief nicht immer alles<br />
problemlos. Das Gewebe war beim<br />
Weben nicht unbedingt gleichmäßig, was<br />
uns zunächst ärgerte, doch als später der<br />
Stoff abgehängt war, wurde das Stoffbild<br />
regelmäßig, wahrscheinlich weil keine<br />
Spannung mehr auf den Stoff wirkte.<br />
Dank der Brettchenborte wurde der Stoff nun aber<br />
tatsächlich kariert. Aber als wir dann wieder am<br />
Litzenstab angekommen waren und den Stoff<br />
versuchten auf den Kettbaum aufzuwickeln, gelang dies<br />
zwar, aber als wir den Kettbaum losließen, drehte sich<br />
der Kettbaum, aufgrund des Gewichtes der<br />
Webgewichte, wieder in die Ausgangsposition zurück.<br />
Die Folge wird deshalb sein, dass wir für das nächste<br />
Gewebe einen rechteckigen Kettbaum besorgen<br />
werden.<br />
Wir konnten unten allerdings keine Brettchenborte<br />
anweben, wie dieses z.B. bei den Geweben im<br />
Fürstengrab von Hochdorf der Fall ist. Dafür müssen wir<br />
uns wohl noch eine Lösung überlegen.<br />
Trotzdem und letztendlich war das Ergebnis doch recht<br />
gut. So war das Wochenende für uns doch sehr<br />
erfolgreich. Nun folgen Überlegungen für die nächsten<br />
Webprojekte.<br />
Stefanie Spiegel, Antonie Bassing