Stemmer Mühle A) Lage - xn--mhlen-in-lippe-gsb.de
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632<br />
<strong>Stemmer</strong> Mühle<br />
A) <strong>Lage</strong>:<br />
Ort: ......................... Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> Kalletal/ Stemmen<br />
Gewässer: ....................................... <strong>Stemmer</strong><br />
B) Mühlenrechtliche Stellung:<br />
1693 - 1871 ....................... herrschaftliche Mühle<br />
1871 - 1968 .............................. Gewerbebetrieb<br />
Mahlgenossen<br />
Seit 1694 gehören die Bewohner <strong>de</strong>r Bauerschaft Stemmen und die <strong>de</strong>s Fleckens Varenholz<br />
als Mahlgenossen an die <strong>Stemmer</strong> Mühle. Vorher waren sie Mahlgenossen <strong>de</strong>r<br />
Erbpachtmühle Langenholzhausen.<br />
Im Rahmen rechtlicher Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen im Jahre 1904 zwischen <strong>de</strong>m<br />
Erbpachtmüller Morißmeier und <strong>de</strong>r Rentkammer, vertritt ersterer die Ansicht, <strong>de</strong>r<br />
Mahlbezirk <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle habe sich auf das Dorf Stemmen erstreckt. Die<br />
Rentkammer dagegen verne<strong>in</strong>t die ehemalige Existenz e<strong>in</strong>es Mahlmonopols für die<br />
<strong>Stemmer</strong> Mühle überhaupt.<br />
Mühlendienste<br />
Über die Mühlendienstpflichtigen Bauerschaften geben die Quellen lei<strong>de</strong>r ke<strong>in</strong>e Auskunft.<br />
Aus e<strong>in</strong>er Quelle aus <strong>de</strong>m Jahre 1761 geht hervor, daß die Bauerschaften Silixen und<br />
Almena verpflichtet s<strong>in</strong>d, bei <strong>de</strong>r Reparatur <strong>de</strong>s Mühlendammes Mühlendienste zu leisten.<br />
C) Abgaben:<br />
Von 1694 bis 1777 war die <strong>Stemmer</strong> Mühle zusammen mit <strong>de</strong>r Erbpachtmühle<br />
Langenholzhausen <strong>de</strong>m Pächter <strong>de</strong>r Langenholzhauser Mühle verpachtet. Zur Pachtabgabe<br />
für bei<strong>de</strong> Mühlen bis 1777 siehe Mühle Nr.30 Punkt C).<br />
1777 ........................Erbpacht 90 Rtlr.; alle 12 Jahre We<strong>in</strong>kauf von 24 Rtlr..<br />
1828 ........................Erbpacht 90 Rtlr.<br />
1848 ........................Senkung Erbpacht auf 80 Rtlr. wegen schlechter wirtschaftlicher<br />
<strong>Lage</strong> <strong>de</strong>r Mühle.<br />
1854 ........................Erbpacht 80 Rtlr..<br />
1880 ........................Erbpacht 240 M.
633<br />
seit 1904 ...................Hun<strong>de</strong>fütterungsstelle 9 M jährlich.<br />
1906 ........................Erbpacht 150 M; We<strong>in</strong>kauf jährlich 8 M; Hun<strong>de</strong>rfütterungsstelle<br />
gelöscht.<br />
Ablösung 1921<br />
Der Erbpachtmüller Christian Morißmeier löste 1921 mit e<strong>in</strong>er Zahlung von 3866,78 M<br />
sämtliche aus <strong>de</strong>m Erbpachtvertrag von 1850 resultieren<strong>de</strong>n Belastungen ab.<br />
D) Produkte und Dienstleistungen:<br />
1694 bis 1968 ........................... Mehl und Schrot<br />
E) Beschäftigte:<br />
1861 ........................................ e<strong>in</strong> Meister<br />
F) Technische Angaben:<br />
............................................. Wassermühle<br />
............................................... Stauteich .......................... e<strong>in</strong> oberschlächtiges<br />
Wasserrad<br />
................... seit ca. 1916 zusätzlich Motorantrieb<br />
................................. seit 1944 Wasserturb<strong>in</strong>e<br />
Das Gefälle betrug bis 1833 11 Fuß (3,19m) und ist dann auf 13 1/2 Fuß (3,91m) erhöht<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
Bestand 1732<br />
"Der Läuffer 4 Fues lang, 13 Zoll dicke (1,16 m x 0,31 m), mit e<strong>in</strong>en eisern Ban<strong>de</strong> versehen.<br />
Das <strong>Lage</strong>r 4 Fues lang, 4 Zoll dicke (1,16 m x 0,097 m), mit e<strong>in</strong>en eisern Ban<strong>de</strong> versehen.<br />
E<strong>in</strong>e Wälle ..., mit eisern Bän<strong>de</strong>n versehen, mit 2 Spitz-Tappen.<br />
Das Waßerrad ..., das Kammrad.<br />
Haue, Spillen, Dreffbän<strong>de</strong>r und Stahlpfanne.<br />
Bütte, Rumpf und Schlitte nebst e<strong>in</strong>er Mehlkiste." 1<br />
Bestand 1782<br />
1 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol. I.
634<br />
"Das Mühlenbett ... E<strong>in</strong>e Mattenkiste mit Hespen und Haken nebst e<strong>in</strong>em Schloß ... E<strong>in</strong>e<br />
eiserne Matte mit <strong>de</strong>n Streicher.<br />
Der Läufer ist 14 Zoll dick und 4 Fuß lang (0,34 m x 1,16 m) mit e<strong>in</strong>en eysern Ban<strong>de</strong><br />
versehen. Der Bo<strong>de</strong>nste<strong>in</strong> 8 Zoll dick und 4 Fuß lang (0,19 m x 1,16 m), mit e<strong>in</strong>en eysern<br />
Ban<strong>de</strong> versehen. Das Kreuz, Bütte, Rumpf, Spille, Sichtetrog und Schlitten ... E<strong>in</strong><br />
Wasserradt mit <strong>de</strong>r Walle und Kammradt mit <strong>de</strong>r Walle ... Das Stau vor <strong>de</strong>r Mühle ... Die<br />
Wasserrenne nebst <strong>de</strong>n Träger und Radtstuhl ... Die Fluthbank ..." 2<br />
Bestand 1853<br />
E<strong>in</strong> Mahlgang.<br />
Mühlenwelle 22 Fuß lang und 70 Zoll Umfang (6,38 m bzw. 1,69 m; Durchmesser ca. 0,54<br />
m).<br />
Bestand um 1916<br />
E<strong>in</strong> Schrotgang und e<strong>in</strong> Mahlgang für Mehl. E<strong>in</strong> Benzolmotor als Zusatzantrieb. Der<br />
Benzolmotor wird später durch e<strong>in</strong>en Dieselmotor ersetzt.<br />
Bestand 1944<br />
Das zusammengebrochene Wasserrad wird durch e<strong>in</strong>e "Michell -Osberger Turb<strong>in</strong>e" ersetzt.<br />
Zusatzantrieb durch e<strong>in</strong>en Elektromotor.<br />
Bestand 1955<br />
Abwurf <strong>de</strong>r Wasserturb<strong>in</strong>e, Antrieb ausschließlich durch e<strong>in</strong>en Elektromotor.<br />
Bestand 1957<br />
Umbau zu e<strong>in</strong>er 2 Tonnen Kun<strong>de</strong>n- und Han<strong>de</strong>lsmühle.<br />
Grundlegen<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>r Müllereimasch<strong>in</strong>en, u.a. Anschaffung e<strong>in</strong>er neuen<br />
Re<strong>in</strong>igungsmasch<strong>in</strong>e, Installation e<strong>in</strong>er Schälmasch<strong>in</strong>e und e<strong>in</strong>es Doppelwalzstuhls.<br />
G) Betriebsdauer:<br />
............................................. 1694 bis 1968.<br />
H) Eigentümer und Zeit- und Erbpächter:<br />
Zu <strong>de</strong>n Pächtern bis 1777 siehe: Langenholzhauser Erbpachtmühle untert „H“.<br />
2 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol.I.
635<br />
Kather, Müller. Unterpächter <strong>de</strong>s Erbpächters Simon Henrich Frevert.<br />
Arnold Friedrich Vorher, Müller. Erbpächter 1777 bis 1817. Sohn <strong>de</strong>s Erbpächters <strong>de</strong>r<br />
Langenholzhauser Erbpachtmühle Johann Paul Vorher und <strong>de</strong>r Erbpächter<strong>in</strong> Anna Sophia<br />
Vorher, geb. Fischer. Heiratet 1777 die Stieftochter <strong>de</strong>s Mittelkötters und Krämers<br />
Christian Schamhard <strong>in</strong> Stemmen. Durch Heirat Eigentümer <strong>de</strong>r Mittelkötterstätte Nr.31 <strong>in</strong><br />
Stemmen.<br />
Kurz vor se<strong>in</strong>em Tod (+ 4.2.1817) Heirat mit Frie<strong>de</strong>rike (o<strong>de</strong>r Henriette) Böken, Varenholz<br />
Nr.12 am 29.1.1817.<br />
Frie<strong>de</strong>rike Vorher, geb. Böken, Erbpächter<strong>in</strong> 1817. Heiratet 1817, nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> ihres<br />
ersten Mannes, Arnold Friedrich Vorher, <strong>de</strong>n Müller He<strong>in</strong>rich Vennekolt aus Fürsten bei<br />
Hil<strong>de</strong>sheim.<br />
He<strong>in</strong>rich Vennekolt, Müller, Erbpächter 1817 bis 1834.<br />
Friedrich Siekmann, Tischler, Erbpächter 1834 bis 1850. Stiefsohn <strong>de</strong>s He<strong>in</strong>rich Vennekolt.<br />
Wan<strong>de</strong>rt 1850 nach Amerika aus.<br />
Christian Morißmeier, Landwirt, Erbpächter 1850 bis 1882. Eigentümer <strong>de</strong>s <strong>Stemmer</strong><br />
Kolonats Nr.9. Verheiratet mit Johanne Sophie Louise geb. Rieckemeier aus Almena.<br />
Christian Morißmeier, Müller, Erbpächter 1882 bis 1906. Sohn von Christian Morißmeier.<br />
Ertr<strong>in</strong>kt am 8.6.1906 im Stauteich <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle.<br />
Witwe Morißmeier, Erbpächter<strong>in</strong> 1906 bis 1918 (?).<br />
Christian Morißmeier, Müller, Erbpächter 1918 (?) bis 1921. Sohn von Chistian Morißmeier.<br />
Löst 1921 die Erbpacht ab. Eigentümer <strong>de</strong>s Mühlenbetriebes bis zu se<strong>in</strong>em To<strong>de</strong> 1957.<br />
Wilhelm Morißmeier, Müller, Eigentümer 1957 bis 1968. Sohn von Christian Morißmeier.<br />
Stellt 1968 <strong>de</strong>n Mühlenbetrieb e<strong>in</strong>.<br />
I) Grundbesitz:<br />
E<strong>in</strong>ige Pächter bzw.Eigentümer <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle waren Kolonatsbesitzer <strong>in</strong> Stemmen.
636<br />
Sie betrieben neben ihrem Mühlenbetrieb auch Landwirtschaft.<br />
Der Erbpächter Johann Paul Vorher war durch Heirat Eigentümer <strong>de</strong>r Mittelkötterstätte<br />
Nr.31.<br />
Die Familie Morißmeier, die von 1850 bis 1968 Pächter bzw. Eigentümer <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong><br />
Mühle war, besaß <strong>in</strong> Stemmen das Kolonat Nr.9, auf <strong>de</strong>ssen Hofraum die Mühle 1693<br />
erbaut wor<strong>de</strong>n war.<br />
1915 gehörten zu <strong>de</strong>m Kolonat 60 Morgen Wirtschaftsfläche.<br />
J) Gebäu<strong>de</strong>:<br />
Bestand 1732<br />
"E<strong>in</strong>e angebaute Kammer ... An <strong>de</strong>m Haus e<strong>in</strong> gebauter Stall." 3<br />
Bestand 1782<br />
"Das Gebäu<strong>de</strong> ist von Ste<strong>in</strong>en aufgeführet. ... In <strong>de</strong>r Mühle ist e<strong>in</strong>e Stube und<br />
Schlafcammer, <strong>in</strong> jener e<strong>in</strong> ... eiserner Ofe, <strong>in</strong> je<strong>de</strong>r 2 Fenster. Vor <strong>de</strong>r Stube und Cammer<br />
bef<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich für je<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e eichene Thür ... Unten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Mühle s<strong>in</strong>d zwey kle<strong>in</strong>e Cammern,<br />
für je<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Thür ... In <strong>de</strong>r Cammer l<strong>in</strong>ker Hand ist e<strong>in</strong> Fenster. Von Mühlenbette gehet<br />
nach diesen bey<strong>de</strong>n untersten Kammern e<strong>in</strong>e Treppe mit 8 Stufen nebst e<strong>in</strong>en<br />
Handgelän<strong>de</strong>r ... Die Thür für <strong>de</strong>r Mühle ... Vor <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n ist e<strong>in</strong>e Klappthür ... nebst e<strong>in</strong>er<br />
Treppe versehen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Mühle ist ehemahls e<strong>in</strong> neuer Stall ... angeschafft, dar<strong>in</strong> bef<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich e<strong>in</strong> Kuh- und<br />
zwey Schwe<strong>in</strong>eställe, für je<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>e Thür ... die Ställe gepflastert." 4<br />
1836 ist als weiteres Nebengebäu<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Backofen errichtet wor<strong>de</strong>n.<br />
Im Dezember 1839 ist das Mühlengebäu<strong>de</strong> weitestgehend abgebrannt und 1840 wie<strong>de</strong>r<br />
aufgebaut wor<strong>de</strong>n.<br />
Nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Mühlenbetriebes im Jahre 1968 ist das Mühlengebäu<strong>de</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />
Wochenendhaus umgestaltet wor<strong>de</strong>n. Neben <strong>de</strong>m 1840 errichteten Mühlengebäu<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d<br />
<strong>de</strong>r Stauteich und die Staumauer noch vorhan<strong>de</strong>n.<br />
3 StADt L 92 C tit.12 Nr.2 Vol.I.<br />
4 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol.I.
637
638<br />
Geschichte<br />
"Ehe man e<strong>in</strong>e Wassermühle anlegen kann, muß man, außer <strong>de</strong>n rechtlichen Befugnissen<br />
dazu, beson<strong>de</strong>rs die physische Möglichkeit <strong>in</strong> Betracht ziehen, und diese beruht auf e<strong>in</strong>er<br />
guten <strong>Lage</strong>, auf e<strong>in</strong>em vorhan<strong>de</strong>nen zureichen<strong>de</strong>n Gefälle und auf e<strong>in</strong>em reichen Zuflusse<br />
<strong>de</strong>s Wassers." 5<br />
Diese, je<strong>de</strong>m Müller und Mühlenbauer bekannten unabd<strong>in</strong>gbaren Grundvoraussetzungen<br />
bei <strong>de</strong>r Anlage e<strong>in</strong>es wirtschaftlich s<strong>in</strong>nvollen Wassermühlenbetriebes haben die Grün<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle nur zum Teil beachtet. Diesen Fehler mußten, wie wir sehen wer<strong>de</strong>n,<br />
so gut wie alle Pächter bzw. Eigentümer <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle schmerzlich erfahren.<br />
Ungünstige <strong>Lage</strong> und unzureichen<strong>de</strong> Wasserkraft waren schwere Hypotheken, die je<strong>de</strong>n<br />
Müller auf <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Existenz bedrohten. Zum<br />
Betriebswassermangel gesellten sich im Sommer verheeren<strong>de</strong> "Gewitterschläge", die die<br />
Mühle oft schwer beschädigten. Der W<strong>in</strong>ter brachte <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regel mehr Betriebswasser, was<br />
aber <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Frostperio<strong>de</strong>n auch nicht genutzt wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Erstmalig gibt es im Jahre 1664 konkrete Pläne <strong>in</strong> Stemmen e<strong>in</strong>e Wassermühle zu grün<strong>de</strong>n.<br />
E<strong>in</strong> Johann Busch bietet sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, auf <strong>de</strong>n 29. Mai 1664 datierten Schreiben an <strong>de</strong>n<br />
Lan<strong>de</strong>sherrn Hermann Adolf an, <strong>in</strong> Stemmen e<strong>in</strong>e Wassermühle zu errichten. Die von ihm<br />
angeführten Argumente, welche <strong>de</strong>n Bau e<strong>in</strong>er Wassermühle <strong>in</strong> Stemmen rechtfertigen,<br />
mögen auch 1693, <strong>de</strong>m Gründungsjahr <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle, e<strong>in</strong>e tragen<strong>de</strong> Rolle gespielt<br />
haben:<br />
- Der Mühlenweg nach Langenholzhausen sei sehr weit.<br />
- Wegen <strong>de</strong>r großen Anzahl an Mahlgenossen könne <strong>de</strong>r Langenholzhauser Müller nicht<br />
alle Kun<strong>de</strong>n bedienen.<br />
- Wegen <strong>de</strong>r Schwierigkeiten auf <strong>de</strong>r Langenholzhauser Mühle wandten sich viele <strong>Stemmer</strong><br />
an die Mühlen im hessischen Möllenbeck, wodurch <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sherrn f<strong>in</strong>anzieller Scha<strong>de</strong>n<br />
entstün<strong>de</strong>.<br />
Das Mühlenprojekt <strong>de</strong>s Johann Busch, <strong>de</strong>r die Mühle mit eigenen Mitteln erbauen will,<br />
scheitert schließlich aus nicht bekannten Grün<strong>de</strong>n.<br />
1693 wird dann auf Anordnung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sherrn Simon Henrich von <strong>de</strong>r Rentkammer e<strong>in</strong>e<br />
herrschaftliche Wassermühle <strong>in</strong> Stemmen errichtet. Als Standort kommt wegen <strong>de</strong>r<br />
Beschaffenheit <strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong>s <strong>in</strong> und um Stemmen und <strong>de</strong>r hydrologischen Gegebenheiten<br />
nur e<strong>in</strong>e Senke zwischen <strong>de</strong>n Höfen im Ortskern <strong>in</strong> Frage. Das nötige Betriebswasser liefert<br />
e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Wasserlauf, zur Zeit <strong>de</strong>r Mühlengründung die "<strong>Stemmer</strong>", später e<strong>in</strong>fach<br />
"Mühlbach", genannt, <strong>de</strong>r südlich von Stemmen am Bramberg entspr<strong>in</strong>gt.<br />
5 o.V., Die neuesten und wichtigsten Erf<strong>in</strong>dungen, (1826), S.14.
639<br />
Da die Mühle nicht auf Geme<strong>in</strong>heitsgrund angelegt wer<strong>de</strong>n kann, müssen für Stauteich und<br />
Mühle Parzellen von <strong>de</strong>n Kolonaten Nr.9 (Rügge, später Morißmeier) und Nr.10<br />
(Flörkemeier) abgetrennt wer<strong>de</strong>n. Der öffentliche Weg zur Mühle wird über <strong>de</strong>n Hofraum<br />
<strong>de</strong>s Kolonats Nr.9 geführt, was, wie wir sehen wer<strong>de</strong>n, noch Anlaß zu ausgiebigen<br />
Streitigkeiten geben wird. Für die verlorenen Parzellen wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Kolonate durch e<strong>in</strong>e<br />
M<strong>in</strong><strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r auf ihnen ruhen<strong>de</strong>n Abgaben entschädigt. Dem Kolonat Rügge wird die<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Monatsgel<strong>de</strong>r 6 erlassen:<br />
"Alß zum Behuff <strong>de</strong>r zu Stemmen erbauten Mühlen auff <strong>de</strong>s Arend Rüggen Hoffe e<strong>in</strong> Teich<br />
angelegt, unnd dieselbe dadurch we<strong>in</strong>iger nicht als <strong>de</strong>n zur gräffl.(ichen) Mühlen über<br />
dießes Hoff lauffen<strong>de</strong>n Weges e<strong>in</strong>igen Abgang gelitten <strong>de</strong>nnach die Billigkeit erfor<strong>de</strong>rt, das<br />
gagegen e<strong>in</strong> Aquivalentz <strong>de</strong>nselben erstattet wer<strong>de</strong>n, so haben Hochgräffl.(iche)<br />
Gna<strong>de</strong>.(en) <strong>de</strong>ßfals dießes Rüggens Monahtgeldt, sich ad neun gr. (Groschen) sonst<br />
betragen, ihm zur Halbscheid <strong>in</strong> Gna<strong>de</strong>n erlaßen <strong>de</strong>ß also die übrigen Halbscheid<br />
h<strong>in</strong>künfftig sowoll <strong>in</strong> extraordiennig als die ord<strong>in</strong>ar Herrenmonaht zum Abgang zu berechen<br />
ist Uhrkund dießes Signat. Varenholtz d.3t. Marti Ao 1694.<br />
Simon Henrich" 7<br />
Errichtet wird 1693 e<strong>in</strong>e, im Vergleich zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren herrschaftlichen Mühlen <strong>de</strong>s Amtes<br />
Varenholz, kle<strong>in</strong>e, mit e<strong>in</strong>em oberschlächtigen Wasserrad versehene Wassermühle.<br />
Um nicht die bisherigen Mahlgenossen aus Stemmen und Varenholz zu verlieren, pachtet<br />
En<strong>de</strong> 1694 <strong>de</strong>r Erbpächter <strong>de</strong>r Langenholzhauser Erbpachtmühle Conrad Rügge die<br />
<strong>Stemmer</strong> Mühle ebenfalls an. Am 15.12.1694 wird ihm von Graf Simon Henrich e<strong>in</strong><br />
Erbpachtvertrag für bei<strong>de</strong> Mühlen ausgestellt (<strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> siehe Mühle<br />
Nr.30). Bis 1777 bleibt die kle<strong>in</strong>e Mühle offensichtlich e<strong>in</strong> Anhängsel <strong>de</strong>r Langenholzhauser<br />
Erbpachtmühle und wird von <strong>de</strong>n Erbpächtern unterverpachtet. Von <strong>de</strong>n Unterpächtern<br />
wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Quellen lediglich e<strong>in</strong> Müller Kather im Jahre 1732 erwähnt.<br />
6 Geme<strong>in</strong>t ist <strong>de</strong>r sogenannte "Herrenmonat", <strong>de</strong>r seit 1685 als fester E<strong>in</strong>nahmeposten <strong>de</strong>r<br />
Landrenteikasse e<strong>in</strong>gerichtet wur<strong>de</strong>. Bis 1685 firmierte diese Steuer als "Soldatenschatz", die<br />
seit 1592 als direkte Lan<strong>de</strong>ssteuer, ursprünglich zum Unterhalt <strong>de</strong>r Schloßwache <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>sherrn, erhoben wur<strong>de</strong>.<br />
Zusammen mit <strong>de</strong>n Reichs-, Kreis-, und Weserbausteuern sowie <strong>de</strong>m Schul- und<br />
Invali<strong>de</strong>nmonat bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Herrenmonat später die sogenannte "Ord<strong>in</strong>aria", die regelmäßige<br />
Steuer, die nicht <strong>de</strong>r ständischen Bewilligung (<strong>de</strong>s Landtages) unterlag und <strong>in</strong> die Renteikasse<br />
floß.<br />
Arndt; Johannes, Das Fürstentum Lippe im Zeitalter <strong>de</strong>r Französischen Revolution 1770 -<br />
1820, Münster/New York 1992, Seite 137 f..<br />
7 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol.I.
640<br />
Wie die Langenholzhauser Mühle wird auch die <strong>Stemmer</strong> Mühle zur Zeit <strong>de</strong>s Erbpächters<br />
Frevert (1732 bis 1754) von diesem arg vernachlässigt. In se<strong>in</strong>em Kostenvoranschlag für<br />
die notwendigen Reparaturen bemerkt <strong>de</strong>r Amtsvogt Wist<strong>in</strong>ghausen im Jahre 1750, daß die<br />
<strong>Stemmer</strong> Mühle seit 30 und mehr Jahren nicht "gebeßert" wor<strong>de</strong>n sei. Das Stauwerk bei<br />
<strong>de</strong>r Mühle müsse neu aufgemauert und das Dach neu ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Die Rentkammer<br />
genehmigt die vom Amt Varenholz für notwendig befun<strong>de</strong>nen Reparaturen und ordnet an,<br />
daß sie aus <strong>de</strong>r "Landt Renthey" 8 vergütet wer<strong>de</strong>n sollen. Für die Überprüfung <strong>de</strong>r<br />
ordnungsgemäßen Durchführung <strong>de</strong>r Bauarbeiten ist das Amt Varenholz zuständig. Für die<br />
Bereitstellung <strong>de</strong>s Bauholzes ist <strong>de</strong>r zuständige Oberforstmeister zuständig, <strong>de</strong>r dieses aus<br />
<strong>de</strong>m Varenholzer Forst anweisen soll.<br />
Nach Übernahme <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Mühlen <strong>in</strong> Zeitpacht durch <strong>de</strong>n Müller Johann Paul Vorher<br />
1754 kommt es zu weiteren umfangreichen Reparaturen an <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle im Jahre<br />
1755.<br />
Der vom Amt Varenholz am 7.März 1755 bei <strong>de</strong>r Rentkammer e<strong>in</strong>gereichte<br />
Kostenvoranschlag sieht Baukosten <strong>in</strong> Höhe von 36 Rtlr. 33 gr. vor. Dafür sollen das<br />
Mühlenbett repariert, e<strong>in</strong>e neue Mühlenwelle und e<strong>in</strong> neues Kammrad e<strong>in</strong>gebaut wer<strong>de</strong>n.<br />
Der hölzerne Radstuhl soll durch e<strong>in</strong>en ste<strong>in</strong>ernen ersetzt wer<strong>de</strong>n. Weiter soll das "Schalen<br />
Werck" (Stauwerk) erneuert und e<strong>in</strong>e neue "Grund Schütze" angebracht wer<strong>de</strong>n, im<br />
Mühlengebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fußbo<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Wohnstube neu belegt und <strong>de</strong>r alte eiserne Ofen<br />
durch e<strong>in</strong>en neuen ersetzt wer<strong>de</strong>n. An von <strong>de</strong>n Mühlendienstpflichtigen zu leisten<strong>de</strong>n<br />
Spanndiensten setzt das Amt "60 Wagens" und an Handdiensten "80 Mann" an. Ferner wird<br />
für die Maurerarbeiten e<strong>in</strong> "Offen Kalck" e<strong>in</strong>schließlich <strong>de</strong>s benötigten Brennholz <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Kostenvoranschlag e<strong>in</strong>gerechnet. 9 Nach<strong>de</strong>m das Amt von <strong>de</strong>r Rentkammer die "Speciale<br />
Ordre", die die Durchführung <strong>de</strong>r Arbeiten anordnet, erhalten hat, beg<strong>in</strong>nen die Arbeiten<br />
am 23.Juni 1755.<br />
Für die Bauaufsicht ist <strong>de</strong>r Amtsvogt Wist<strong>in</strong>ghausen zuständig, <strong>de</strong>r auch die Löhne an die<br />
beteiligten Handwerker auszahlt und die Lieferanten bezahlt. Bei schwierigen<br />
Entscheidungen wird auch <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r Amtsverwaltung, <strong>de</strong>r "Landcommissario"<br />
Staakmann h<strong>in</strong>zugezogen. Das benötigte Holz wird aus <strong>de</strong>m Varenholzer Forst von <strong>de</strong>m<br />
zuständigen Forstmeister ausgewiesen. Die Leitung auf <strong>de</strong>r Baustelle hat ansche<strong>in</strong>end <strong>de</strong>r<br />
Zimmermeister Johan Simon Sieckmann modo (G.H auch genannt) Wächter <strong>in</strong>ne, <strong>de</strong>r mit<br />
se<strong>in</strong>en Zimmerknechten <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Arbeiten durchführt und sich vom ersten bis zum<br />
8 Renteikasse, die Kasse <strong>de</strong>r Rentkammer.<br />
9 E<strong>in</strong> Teil <strong>de</strong>s Kalkes soll für die gleichzeitig an <strong>de</strong>r Langenholzhauser Erbpachtmühle<br />
stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>nen Arbeiten verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.
641<br />
letzten Tag auf <strong>de</strong>r Baustelle aufhält. Neben weiteren Handwerkern wie Maurer und<br />
Schmie<strong>de</strong>, beteiligt sich auch <strong>de</strong>r Müller Vorher an <strong>de</strong>n Arbeiten.<br />
Die Bauarbeiten beg<strong>in</strong>nen am 23. Juni 1755 und en<strong>de</strong>n am 29.Oktober 1755.<br />
In <strong>de</strong>r von ihm angefertigten "Recapitulatio <strong>de</strong>r Baukosten an die <strong>Stemmer</strong> Mühle 1755"<br />
faßt Amtsvogt Wist<strong>in</strong>ghausen die Baukosten zusammen:<br />
"N.1 An Zimmerarbeit laut <strong>de</strong>s Zimmermeister Wechters Quitungen208 Rtlr.14 gr. 8Pf.<br />
2 Noch hat <strong>de</strong>r Schmidt Conrad Blome an Eisenwerk zur Mühle verfertiget, so bezahlt<br />
l.(aut) Quit.(ung) d. 28.Oct.(ober) 1755 mit<br />
10 Rtlr. 8 gr.-Pf.<br />
3 Otto Wilhelm Lü<strong>de</strong>rs an Nägeln gelieffert d. 20ten Sptb.(September) so bezahlt l.(aut)<br />
Quit.(ung) 2 Rtlr.20 gr. 6Pf. d. 25ten Oct.(ober) noch vor 2 Rtlr.29 gr. -Pf.<br />
4 Der Mauermeister Anacker vor die Mauerarbeit l.(aut) Quit.(ung) 19 Rtlr. - gr. -Pf.<br />
5 Claus Lampe vor Mauerste<strong>in</strong>e zu brechen 3 Rtlr.14 gr.-Pf.<br />
6 An <strong>de</strong>n Kauffmann Focken <strong>in</strong> R<strong>in</strong>teln vor 2 Mühlenzapfen und e<strong>in</strong>en neuen eisern<br />
Offen d. 27ten Oct.(ober) 14 Rtlr.25 gr. 6Pf.<br />
7 Die Mühle vom 15 ten Juli bis d. 25ten Oct.(ober) stille gestan<strong>de</strong>n, s<strong>in</strong>d<br />
16 Wochen, von <strong>de</strong>r jahrlichen Pacht ad 90 Rtlr. abgezogen, welche <strong>de</strong>m Müller Vorheer gut<br />
gethan 28 Rtlr.26 gr. -Pf.<br />
Summa 289 Rtlr.29 gr. 8Pf." 10<br />
Der von Wist<strong>in</strong>ghausen angefertigten <strong>de</strong>tailierten Baurechnung ist zu entnehmen, daß<br />
Zimmermeister Wächter zwei "Sagenziehers" e<strong>in</strong>setzt, die das Holz im Wald fällen und zum<br />
Abtransport herrichten. Auf <strong>de</strong>r Baustelle s<strong>in</strong>d sie außer <strong>in</strong> <strong>de</strong>r 17. Arbeitswoche - die<br />
Arbeitswoche zählt sechs Tage - alle 19 Arbeitswochen jeweils mehrere Tage anwesend.<br />
Auf <strong>de</strong>r Baustelle wer<strong>de</strong>n sie die benötigten Bretter und Balken zugeschnitten haben. An<br />
Arbeitslohn wird <strong>de</strong>m "Sagenzieher" täglich 9 gr. 8 Heller o<strong>de</strong>r 1 Petermenger gezahlt. 11<br />
10 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol.I.<br />
11 Der Petermenger zählt etwa 5 gr., so daß <strong>de</strong>r Tageslohn 9 gr.5 Pf. beträgt.
642<br />
Außer <strong>in</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n ersten Wochen setzt <strong>de</strong>r Zimmermeister <strong>in</strong> <strong>de</strong>n weiteren 17<br />
Arbeitswochen bis zu sieben "Zimmerknechte" e<strong>in</strong>. Sie erhalten <strong>de</strong>n gleichen Tagelohn wie<br />
die "Sagenziehers".<br />
Müller Vorher beteiligt sich ab <strong>de</strong>r zweiten Woche, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r das Bauholz offensichtlich auf <strong>de</strong>m<br />
Bauplatz ankommt, an <strong>de</strong>n Arbeiten. Er erhält <strong>de</strong>n gleichen Tagelohn wie die<br />
Zimmerknechte und die "Sageziehers". Zimmermeister Wächter erhält e<strong>in</strong>en Tagelohn von<br />
12 gr. 2 Petermenger.<br />
Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Arbeiten trifft Zimmermeister Wächter mit Amtsvogt Wist<strong>in</strong>ghausen und<br />
<strong>de</strong>m "Landcommissario" Staackmann die Übere<strong>in</strong>kunft, daß er die noch fehlen<strong>de</strong><br />
"Fluthschütte" und die dazu gehörigen zwei "Fluthbäncke" für e<strong>in</strong>en Festpreis von 10 Rtlr.<br />
schnei<strong>de</strong>n läßt und anfertigt.<br />
Der Schmied Conradt Blome erhält ke<strong>in</strong>en Tagelohn, son<strong>de</strong>rn berechnet Festpreise für die<br />
von ihm gelieferten Eisenteile und vorgenommenen Arbeiten. Er schmie<strong>de</strong>t u.a. e<strong>in</strong>e<br />
Anzahl unterschiedlicher Nägel, Türhespen, Türhaken und E<strong>in</strong>würfe ("Inwörbels"). Die<br />
neue Mühlenwelle versieht er mit Eisenbän<strong>de</strong>rn. Die auf <strong>de</strong>r Baustelle benutzten<br />
"Schupkahren" versieht er mit Bän<strong>de</strong>rn und "Zapfen" (<strong>Lage</strong>r).<br />
Der Schmied Lührs liefert 1.700 Nägel ("Nägel zum Ra<strong>de</strong>", Lattnägel, Nägel, große<br />
Lattnägel").<br />
Quittungen <strong>de</strong>s Maurermeisters Anacker und <strong>de</strong>s Ste<strong>in</strong>brechers Lampe f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich nicht bei<br />
<strong>de</strong>r Bauabrechnung. Ebenso fehlt e<strong>in</strong>e Rechnung über zwei von Kaufmann Focke aus<br />
R<strong>in</strong>teln gelieferten Mühlenzapfen.<br />
Die eklatante Differenz zwischen Kostenvoranschlag und <strong>de</strong>n tatsächlich entstan<strong>de</strong>nen<br />
Baukosten führt zu e<strong>in</strong>er scharfen Nachfrage <strong>de</strong>r Rentkammer beim Amt Varenholz.<br />
Bemängelt wird:<br />
- daß mehr Arbeiten durchgeführt wor<strong>de</strong>n seien, als durch die "Speciale Ordre" <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer angeordnet wor<strong>de</strong>n seien,<br />
- daß die Auszahlung <strong>de</strong>r Baukosten von <strong>de</strong>r Rentkammer nicht angeordnet wor<strong>de</strong>n sei, das<br />
Amt somit ohne Erlaubnis die Handwerker und Lieferanten bezahlt habe.<br />
Den ersten Vorwurf bestreitet das Amt energisch. Es seien nicht mehr Arbeiten als durch<br />
die "Speciale Ordre" angeordnet, durchgeführt wor<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>m Befehl <strong>de</strong>r Rentkammer<br />
sollte die Mühle "repariert und <strong>in</strong> gangbaren Stand gesetzet" wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>m<br />
"Loßbrechen" habe sich ergeben, "daß alles neu gemacht wer<strong>de</strong>n" mußte. Es habe e<strong>in</strong>e<br />
"neu Grundschütt gelegt und behuf Erleichterung dieser langwierigen Arbeit Schubkarren<br />
verfertiget" wer<strong>de</strong>n müssen. Weiter seien anstatt "Spitz - Zapfen Flügel-Zapfen"<br />
angeschafft wor<strong>de</strong>n. Das "Grundschütt" zu erneuern, die Flügelzapfen und Schubkarren<br />
anzuschaffen sei von <strong>de</strong>r Rentkammer ohne Beschränkungen befohlen wor<strong>de</strong>n ("illimitate
643<br />
befohlen") und "ke<strong>in</strong> Anschlag davon erfor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n".<br />
Wegen <strong>de</strong>r Auszahlung <strong>de</strong>r Baukosten erwi<strong>de</strong>rt das Amt, daß "wie <strong>in</strong> an<strong>de</strong>ren ähnlichen<br />
Fällen, auch hier <strong>de</strong>r Befehl zur Reparation die heimliche Clausel <strong>de</strong>r Auszahlung mit sich<br />
führe". Auch sei durch die Auszahlung "Herrschaftl. Interesse dadurch e<strong>in</strong> Nachtheiliges<br />
(nicht) gewachsen". Zu<strong>de</strong>m sei bei <strong>de</strong>n Vorschußmeldungen Amtvogts Wist<strong>in</strong>ghausenn an<br />
die Rentkammer ke<strong>in</strong>e "contraire Resolution" von dieser erfolgt.<br />
Zum Schluß verweist das Amt auf die generellen Schwierigkeiten, die sich bei<br />
Kostenvoranschlägen für Mühlenbauten ergäben:<br />
"In<strong>de</strong>ßen ist gewiß, daß <strong>de</strong>r Waßerbau e<strong>in</strong>er solchen, ob zwar <strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>en Mühle<br />
ansche<strong>in</strong>end ger<strong>in</strong>gen und mehr be<strong>de</strong>ckten als nach <strong>de</strong>r Vollführung ansche<strong>in</strong>en<strong>de</strong>n Arbeit,<br />
selbst Kunst erfahrene betriegen und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kosten Anschlage irre machen könne; wiewohl<br />
die Situation <strong>de</strong>r Mühle, das angelegte Grund Schütt und zu <strong>de</strong>ßen Nothwehr auch<br />
Conservation <strong>de</strong>s Staues erfor<strong>de</strong>rliche Werck e<strong>in</strong>en Mühlen und Waßerbauerfahrenen bey<br />
e<strong>in</strong>er Besichtigung leicht belehren wird, daß nicht verschwen<strong>de</strong>risch son<strong>de</strong>rn nothdürftig,<br />
ja nach <strong>de</strong>nen letzteren Accordten mit <strong>de</strong>s Zimmermeisters und Maurers Scha<strong>de</strong>n die<br />
Arbeit verrichtet und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en dauerhaften Stand gesetzet sey." 12<br />
Mit <strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>s Amtes ist die Rentkammer offensichtlich zufrie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn wenige<br />
Tage später ordnet sie die Auszahlung <strong>de</strong>s von Amtsvogt Wist<strong>in</strong>ghausen geleisteten<br />
Vorschußes auf die Baukosten an.<br />
Die nächsten Reparaturen s<strong>in</strong>d 1760 fällig, wer<strong>de</strong>n aber wegen <strong>de</strong>s Siebenjährigen Krieges,<br />
<strong>de</strong>r auch die Grafschaft Lippe <strong>in</strong> Mitlei<strong>de</strong>nschaft zieht, nicht ausgeführt. 1761 wer<strong>de</strong>n diese<br />
Arbeiten - Umlegen <strong>de</strong>s Daches, Anschaffung neuer Fenster und e<strong>in</strong>er Tür, Reparatur <strong>de</strong>r<br />
Umflut - ansche<strong>in</strong>end durchgeführt.<br />
1764 übergibt die Rentkammer die Langenholzhauser Erbpachtmühle und die <strong>Stemmer</strong><br />
Mühle an <strong>de</strong>n Müller Johann Paul Vorher <strong>in</strong> Erbpacht. Die <strong>in</strong> dieser Zeit zahlreich<br />
erfolgen<strong>de</strong>n Erbverpachtungen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Rentkammer vorgenommen, um <strong>de</strong>n<br />
Doma<strong>in</strong>en - Etat von <strong>de</strong>n vielen Unterhaltskosten für die herrschaftlichen Mühlen zu<br />
entlasten.<br />
1777 übergibt die Witwe Johann Paul Vorhers die <strong>Stemmer</strong> Mühle ihrem Sohn Arnold<br />
Friedrich Vorher 13 . Warum sie die unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> <strong>Stemmer</strong> Mühle ihrem leiblichen Sohn, die<br />
wesentlich be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>re Langenholzhauser Mühle dagegen ihrem Schwiegersohn<br />
Friedrich Wilhelm Bauer überschreibt ist aus <strong>de</strong>n Quellen nicht ersichtlich.<br />
12 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol. I vom 12.1.1756.<br />
13 Zur Teilung <strong>de</strong>r Langenholzhauser und <strong>Stemmer</strong> Mühle siehe<br />
ausführlich Mühle Nr.30.
644<br />
Die umfangreiche Erbpachturkun<strong>de</strong> wird am 30.Juni 1777 <strong>in</strong> Detmold ausgestellt und hat<br />
folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />
"Von Gottes Gna<strong>de</strong>n Wir Simon August, Regieren<strong>de</strong>r Graf und Edler Herr zur Lippe,<br />
Souvera<strong>in</strong> von Vianen und Amey<strong>de</strong>n, Erbburggraf zu Utrecht u.s.w. u.s.w Ritter <strong>de</strong>s<br />
Hochfürstlich Hessischen gol<strong>de</strong>nen Löwen Or<strong>de</strong>ns.<br />
Thun kund und fügen hiemit zu wißen. Es hat uns die Wittwe <strong>de</strong>s verstorbenen Müllers und<br />
Erbpächters unserer Mahlmühlen zu Langenholtzhausen und Stemmen, Johann Paul<br />
Vorhers zu Langenholtzhausen unterthänigst vorgestellt, wie daß da ihr Sohn, Arnold<br />
Friedrich Vorher, anjetzo <strong>de</strong>s Mittelkötter Christian Schamhards <strong>in</strong> Stemmen Stieftochter<br />
heyrathen wolle, und mit <strong>de</strong>rselben <strong>de</strong>ren elterliche Stätte Nr.32 daselbst bekäme, und<br />
dann die an ihren verstorbenen Mann mit <strong>de</strong>r Langenholtzhauser Mühle zugleich<br />
vererbpachtete Mahlmühle zu Stemmen ganz nahe bey jener Schamhardschen Stätte<br />
belegen, ihr aber wegen <strong>de</strong>r Entlegenheit gar nicht vorteilhaft wäre, sie sich mit besagtem<br />
ihrem Sohn unter Zustimmung ihrer übrigen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r dah<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>baret habe, daß <strong>de</strong>rselbe<br />
die <strong>Stemmer</strong> Mühle unter nachstehen<strong>de</strong>n Bed<strong>in</strong>gungen, nemlich<br />
1.) solle ihr Sohn von <strong>de</strong>n, laut Erbpachtscontracts vom 13ten December 1764 14 von<br />
bey<strong>de</strong>n Mühlen zu entrichten<strong>de</strong>n jährlichen Canone ad 500 Rtlr. auf die <strong>Stemmer</strong> Mühle 90<br />
Rtlr. s.(G.H. schreibe) Neunzig Thaler übernehmen.<br />
2.) zu <strong>de</strong>nen alle zwölf Jahre zu entrichten<strong>de</strong>n Contractsgel<strong>de</strong>rn pro rata concurriren<br />
(G.H.?).<br />
3.) die Reparationes bey <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle künftig alle<strong>in</strong> stehen, so wie auch alle übrige,<br />
<strong>de</strong>m Erbpächter obliegen<strong>de</strong> Verb<strong>in</strong>dlichkeiten <strong>in</strong> Ansehung dieser Mühle alle<strong>in</strong> erfüllen.<br />
Wogegen sie ihm dann<br />
4.) von <strong>de</strong>nen, zur Caution wegen bey <strong>de</strong>r Mühlen gesetzten und bey <strong>de</strong>r Rentcammer<br />
stehen<strong>de</strong>n 600 Rtlr. - 100 Rtlr. s. E<strong>in</strong> Hun<strong>de</strong>rt Thaler cediret habe, die dann ferner wegen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle beson<strong>de</strong>rs pro cautione haften sollten, beson<strong>de</strong>rs, und von <strong>de</strong>r<br />
Langenholtzhauser Mühle getrennt, übernehmen solle, mit unterthänigster Bitte, Wir<br />
diese, unter ihnen getroffene, Verabredung gnädigst zu genehmigen geruhen möchten.<br />
Nach<strong>de</strong>m Wir nun diesem Suchen <strong>in</strong> Gna<strong>de</strong>n <strong>de</strong>feriret und gnädigst genehmiget haben, daß<br />
die <strong>Stemmer</strong> Mühle solcher Gestalt von <strong>de</strong>r zu Langenholtzhausen getrennet und <strong>de</strong>m<br />
Arnold Friedrich Vorher unter <strong>de</strong>nen verabre<strong>de</strong>ten Bed<strong>in</strong>gungen beson<strong>de</strong>rs - jedoch so, daß<br />
übrigens <strong>de</strong>r mit se<strong>in</strong>em Vater unterm 13 ten December 1764 geschloßene Erbpacht –<br />
Contract völlig <strong>in</strong> vigore bleibe (G.H. <strong>in</strong> Kraft bleibt) -<br />
übertragen wer<strong>de</strong>. So ist darüber<br />
dieser Consens ausgefertiget, von uns Höchsteigenhändig unterschrieben und das Cammer<br />
14 Abdruck siehe: Erbpachtmühle Langenholzhausen.
645<br />
Siegel daran gehangen wor<strong>de</strong>n.<br />
So geschehen auf unserer Resi<strong>de</strong>nz Detmold <strong>de</strong>n 30 ten Junius 1777.<br />
Simon August, Regieren<strong>de</strong>r Graf und Edler Herr zur Lippe." 15<br />
Bereits kurze Zeit nach <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Mühle gerät Vorher mit <strong>de</strong>n Kolonen Rügge und<br />
Flörkemeier, auf <strong>de</strong>ren Hofflächen die Mühle 1693 errichtet wor<strong>de</strong>n war, <strong>in</strong> Streit. Lei<strong>de</strong>r<br />
geben die Quellen ke<strong>in</strong>e Auskunft zu <strong>de</strong>m Gegenstand <strong>de</strong>s Streites. Mit <strong>de</strong>m Streit im<br />
Zusammenhang steht offensichtlich die 1787 neu festgesetzte Entschädigung für bei<strong>de</strong><br />
Kolone. Dem bei<strong>de</strong>n Kolonen 1787 neu ausgestellten "Versicherungssche<strong>in</strong>" ist zu<br />
entnehmen, daß Rügge (Hof Nr.9) und Flörkemeier (Hof Nr.10) <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r<br />
Mühle entstan<strong>de</strong>ne Scha<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Hälfte bzw. <strong>de</strong>m 6 2/5 Teil <strong>de</strong>r von ihnen zu<br />
entrichten<strong>de</strong>n Kontribution vergütet wird. Das be<strong>de</strong>utet im Jahre 1783, die Entschädigung<br />
wird rückwirkend ab <strong>de</strong>m Jahre 1783 festgesetzt, für Rügge e<strong>in</strong>e Entschädigung von über<br />
10 Rtlr. und für Flörkemeier von über 4 Rtlr. jährlich. Gleichzeitig ordnet die Rentkammer<br />
an, daß mit <strong>de</strong>n für die Jahre 1783 bis 1786 nachzuzahlen<strong>de</strong>n Entschädigungen die<br />
"nöthigen Reparaturen <strong>de</strong>r beschädigten Grundstücke besagter Unterthanen"<br />
vorgenommen wer<strong>de</strong>n sollen.<br />
1780, 25 Jahre nach <strong>de</strong>r umfangreichen Reparatur <strong>de</strong>r Mühle, schafft Vorher bereits wie<strong>de</strong>r<br />
e<strong>in</strong>e neue Mühlenwelle und e<strong>in</strong> Kamrad an, außer<strong>de</strong>m ersetzt er das alte Wasserrad durch<br />
e<strong>in</strong> neues. Auch <strong>de</strong>r ste<strong>in</strong>erne Radstuhl, so er <strong>de</strong>nn 1755 wirklich aufgeführt wor<strong>de</strong>n ist,<br />
erweist sich als wenig langlebig. Vorher errichtet e<strong>in</strong>en neuen hölzernen Radstuhl und e<strong>in</strong>e<br />
neue Wasserrenne e<strong>in</strong>schließlich <strong>de</strong>r Träger.<br />
1804 muß Vorher bereits wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> neues Wasserrad anschaffen, da das alte nicht mehr zu<br />
reparieren ist.<br />
1805 löst Vorher e<strong>in</strong> altes Problem mit <strong>de</strong>m Stauteich und <strong>de</strong>m Mühlgraben, <strong>de</strong>r se<strong>in</strong>e<br />
Ursache <strong>in</strong> <strong>de</strong>r ungünstigen <strong>Lage</strong> <strong>de</strong>r Mühle hat. Der tiefliegen<strong>de</strong> Teich läuft bei Gewitter<br />
und starken Regenfällen mit Schlamm und Unflat voll, was Wassermangel zur Folge hat, da<br />
sich im Teich nicht mehr genug Wasser sammeln kann. Auch muß <strong>de</strong>r Teich häufig vom<br />
angesammelten Schlamm freigemacht wer<strong>de</strong>n, wozu die Mühlendienstpflichtigen<br />
herangezogen wer<strong>de</strong>n (das sogenannte "Ausschlagen" <strong>de</strong>s Teiches). In<strong>de</strong>m er e<strong>in</strong>en neuen<br />
Damm quer durch <strong>de</strong>n Stauteich von se<strong>in</strong>er Nordseite zur Südseite führt, trennt er <strong>de</strong>n<br />
Mühlgraben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lauf <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> vom Stauteich (siehe Abb.Nr. ). E<strong>in</strong> neues, kle<strong>in</strong>es<br />
Stauwerk mit e<strong>in</strong>em Schütt am E<strong>in</strong>fluß <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Stauteich sorgt dafür, daß bei<br />
15 Abschrift <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Arnold Friedrich Vorher ausgestellten Orig<strong>in</strong>alurkun<strong>de</strong>, die sich im<br />
Eigentum <strong>de</strong>r Familie Morißmeier bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t.
646<br />
normalen Wasserzufluß das Wasser <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Stauteich läuft. Bei zu großem Wasserzufluß<br />
kann das überschüssige Wasser durch Ziehen <strong>de</strong>s Schütts direkt über e<strong>in</strong>en Laufgraben zu<br />
<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Flutschützen im Wehr geführt wer<strong>de</strong>n, durch die es <strong>in</strong> die Umflut abläuft. Vor<br />
<strong>de</strong>m Mühlengebäu<strong>de</strong> erhält <strong>de</strong>r neue Damm e<strong>in</strong> Stauschütt, durch das das Stauwasser auf<br />
die Mahlschütt geführt wer<strong>de</strong>n kann. 16<br />
Die neue Anlage bannt jedoch nicht die Gefahren, die <strong>de</strong>r Mühle bei Hochwasser drohen,<br />
wie sich wenige Jahre später zeigt. Am 4.Juni 1812 reißt e<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong> Gewitter<br />
verursachtes Hochwasser die Flutr<strong>in</strong>nen fort und beschädigt <strong>de</strong>n Mühldamm vor <strong>de</strong>m<br />
Stauwerk. Wenige Tage später, am 15.Juni, während <strong>de</strong>r Arbeiten am beschädigten Damm<br />
und Stauwerk, erweitert e<strong>in</strong> erneutes Hochwasser <strong>de</strong>n Bruch im Damm. Das Stauwerk<br />
verliert dabei se<strong>in</strong>e seitliche Stütze. Drei Tage später bricht <strong>de</strong>r Damm gänzlich durch,<br />
wobei das Stauwerk teilweise fortgerissen wird. Die notwendigen Reparaturkosten wer<strong>de</strong>n<br />
von Amtszimmermeister Siekmann auf 205 Rtlr. angeschlagen. Zu<strong>de</strong>m muß Vorher e<strong>in</strong>e<br />
neue Mühlenwelle anschaffen, die bereits vor <strong>de</strong>n Hochwasserschä<strong>de</strong>n so beschädigt war,<br />
daß die Mühle nicht mehr mahlen konnte.<br />
Im Herbst 1812 wird e<strong>in</strong> neues Stauwerk errichtet. Zum Entsetzen von Vorher brechen<br />
Teile <strong>de</strong>s Stauwerkes bei <strong>de</strong>r ersten Aufstauung wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>. Die erneuten Reparaturen<br />
verschl<strong>in</strong>gen noch e<strong>in</strong>mal an die 50 Rtlr.. Zu <strong>de</strong>n Bau- und Reparaturkosten kommt noch<br />
<strong>de</strong>r Verdienstausfall, da die Mühle 1812 über acht Monate still liegt. Diese f<strong>in</strong>anziellen<br />
Verluste kann Vorher nicht auffangen. Erstmals bittet er die Rentkammer im Juni 1812 um<br />
Hilfe. Im September 1813 bittet er um <strong>de</strong>n Erlaß <strong>de</strong>r fällig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n halbjährlichen<br />
Erbpacht. 1815 erhält er schließlich aus <strong>de</strong>r Hilfskasse e<strong>in</strong> Darlehen von 45 Rtlr.. Zu se<strong>in</strong>en<br />
wirtschaftlichen Schwierigkeiten treten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten Lebensjahren auch gesundheitliche<br />
Probleme. Schon lange Witwer, wird er von Henriette Böke aus Varenholz unterstützt und<br />
bis zu se<strong>in</strong>em To<strong>de</strong> gepflegt. Wenige Tage vor se<strong>in</strong>em Ableben heiratet er Henriette aus<br />
Dankbarkeit und um sie versorgt zu wissen.<br />
Die Mühle übernimmt Vorhers Witwe und tut sich bald mit <strong>de</strong>m Müllergesellen He<strong>in</strong>rich<br />
Venekolt zusammen, <strong>de</strong>r zuvor auf <strong>de</strong>r Langenholzhauser Erbpachtmühle gearbeitet hatte.<br />
Das Amt Varenholz und die Rentkammer beg<strong>in</strong>nen dagegen zu prüfen, wer das Erbrecht an<br />
<strong>de</strong>r Mühle besitzt, da bei<strong>de</strong> Ehen Vorhers k<strong>in</strong><strong>de</strong>rlos geblieben waren 17 . Die Rentkammer<br />
16 Diese 1805 von Vorher geschaffene Anlage hat sich ohne große Verän<strong>de</strong>rung bis heute<br />
erhalten.<br />
17 Entgegen dieser Behauptung <strong>de</strong>s Amtes Varenholz mel<strong>de</strong>t sich 1850 e<strong>in</strong> Müller Vorher von<br />
<strong>de</strong>r Kohlpotts - Mühle bei Pivitshei<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Rentkammer. Als Sohn <strong>de</strong>s Arnold Friedrich<br />
Vorher macht er Ansprüche auf die <strong>Stemmer</strong> Mühle geltend.
647<br />
vertritt die vom Amt Varenholz nicht geteilte Auffassung, daß nach <strong>de</strong>m Erbpachtbrief von<br />
1764, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Vater von Arnold Friedrich die Langenholzhauser Erbpachtmühle und die<br />
<strong>Stemmer</strong> Mühle vererbpachtet wor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d, die Erbpacht nur ihm und se<strong>in</strong>en direkten<br />
Nachkommen bewilligt wor<strong>de</strong>n sei. 18 An direkten Nachkommen leben 1817 nur noch zwei<br />
Enkel Johann Paul Vorhers, die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r se<strong>in</strong>er Tochter Cathar<strong>in</strong>a Elisabeth, die mit <strong>de</strong>m<br />
Erbpachtmüller Friedrich Wilhelm Bauer verheiratet gewesen war. Bei<strong>de</strong>, we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Langenholzhauser Erbpachtmüller Friedrich Wilhelm Bauer (<strong>de</strong>r II.) noch se<strong>in</strong> Bru<strong>de</strong>r<br />
He<strong>in</strong>rich Adolph, sche<strong>in</strong>en jedoch an <strong>de</strong>m Erbe Interesse gezeigt zu haben, da sich ke<strong>in</strong>e<br />
diesbezüglichen H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Quellen f<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />
Das Amt Varenholz vertritt dagegen die Ansicht, daß auch Arnold Friedrich Vorhers Witwe<br />
erbberechtigt sei.<br />
Venekolt übernimmt, ohne e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung von <strong>de</strong>r Rentkammer zu besitzen, die Mühle<br />
und <strong>in</strong>vestiert bereits <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten Monaten an die 200 Rtlr. <strong>in</strong> die "heruntergekommene<br />
Mühle". Im August 1817 erklärt die Witwe Vorher, daß sie Venekolt heiraten wird.<br />
Wegen <strong>de</strong>r nicht geklärten Erbfolge an <strong>de</strong>r Mühle ergreift die Rentkammer unerklärlicher<br />
Weise ke<strong>in</strong>e Initiative. Venekolt dagegen hat wenig Freu<strong>de</strong> an se<strong>in</strong>er Mühle. 1823 muß er<br />
erstmals um Pachterlaß bei <strong>de</strong>r Rentkammer nachsuchen. Se<strong>in</strong>e wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten erklärt er mit niedrigen Kornpreisen und Wassermangel <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
zurückliegen<strong>de</strong>n fünf Jahren. Auch 1825 muß er um e<strong>in</strong>en Pachterlaß nachsuchen.<br />
Völlig überraschend teilt dann am 27.Oktober 1826 die Rentkammer Venekolt und se<strong>in</strong>er<br />
Frau mit, daß we<strong>de</strong>r er noch se<strong>in</strong>e Frau als Erbpachtmüller anerkannt wer<strong>de</strong>n, da sie ke<strong>in</strong>e<br />
direkten Nachkommen <strong>de</strong>s ersten Mühlenpächters Johann Paul Vorher wären. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> die Rentkammer die "Erbpacht als heimgefallen <strong>in</strong> Anspruch nehmen". Dies<br />
hat nicht die Vertreibung <strong>de</strong>r Venekolts von <strong>de</strong>r Mühle zur Folge, son<strong>de</strong>rn nur <strong>de</strong>s Verlustes<br />
<strong>de</strong>r Erbpacht. Müller auf <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle bleibt Venekolt weiterh<strong>in</strong>. Über <strong>de</strong>n weiteren<br />
Verlauf <strong>de</strong>r Erbregelung geben die Quellen wenig Auskunft. Sicher läßt sich aber sagen, daß<br />
seit 1828 Venekolt als Erbpächter <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle von <strong>de</strong>r Rentkammer anerkannt ist.<br />
Die wirtschaftliche Situation <strong>de</strong>r <strong>Stemmer</strong> Mühle verschlechtert sich seit 1828 dramatisch.<br />
1828 kann er e<strong>in</strong>en Rückstand von 15 Rtlr. Erbpacht nicht mehr aufbr<strong>in</strong>gen und muß <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer mitteilen, daß er hoch verschul<strong>de</strong>t ist. 1829 bittet er die Rentkammer <strong>de</strong>m<br />
18 Der entsprechen<strong>de</strong> Passus im Erbpachtbrief von 1764 lautet:<br />
"Wir überlassen nämlich und übergeben gedachte unsere Mühlen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e beständige<br />
unwie<strong>de</strong>rrufliche Erbpacht <strong>de</strong>m Johann Paul Vorher <strong>de</strong>rgestalt, das er und se<strong>in</strong>e Erben<br />
dieselbe von Weynachten 1764 an erbpachtsweise besitzen ..."(Unterstreichung G.H.)<br />
StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol. I.<br />
Den vollständigen Wortlaut <strong>de</strong>s Erbpachtbriefes siehe: Erbpachtmühle Langenholzhausen.
648<br />
Langenholzhauser Müller Bauer zu untersagen, daß dieser ihm Kun<strong>de</strong>n aus Varenholz<br />
entzieht. Bauer läßt dort mit e<strong>in</strong>em Gespann Korn unentgeltlich abholen und das Mehl<br />
wie<strong>de</strong>r anliefern. Das Gespann fahre <strong>in</strong> Varenholz herum und es wür<strong>de</strong> "von Haus zu Haus<br />
angefragt und dazu angezeigt". Durch <strong>de</strong>n strengen W<strong>in</strong>ter 1830 verschlechtert sich<br />
Venekolts <strong>Lage</strong> weiter. Wegen Eisganges steht die Mühle 15 Wochen still. E<strong>in</strong>e Pfändung<br />
zur Deckung <strong>de</strong>r rückständigen Pachtzahlung <strong>in</strong> Höhe von 20 Rtlr.erachtet das Amt<br />
Varenholz als s<strong>in</strong>nlos, da sie nichts erbr<strong>in</strong>gen wür<strong>de</strong>. Der Untervogt Domeier vertritt die<br />
Me<strong>in</strong>ung, daß Venekolt sich "schwerlich auf <strong>de</strong>r Mühle halten wird". Venekolt bittet um Hilfe<br />
an <strong>de</strong>n "Hilfsfond <strong>de</strong>r Regierung". Neben <strong>de</strong>m Pachtrückstand führt er noch<br />
Hochwasserschä<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Höhe von 38 Rtlr. an. Auf Erlaß <strong>de</strong>r Rentkammer muß Untervogt<br />
Domeier im April 1830 das gesamte Mobiliar Venekolts pfän<strong>de</strong>n. In e<strong>in</strong>em Schreiben an die<br />
Rentkammer im Mai 1830 führt Venekolt weitere Grün<strong>de</strong> se<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />
Nie<strong>de</strong>rganges an:<br />
- die Verr<strong>in</strong>gerung <strong>de</strong>r Matte von 1/16 auf 1/22. 19<br />
- die Schließung von acht o<strong>de</strong>r zehn kle<strong>in</strong>en Branntwe<strong>in</strong>brennereien <strong>in</strong> Varenholz und<br />
Stemmen, die ihm e<strong>in</strong>en jährlichen Verdienst von 30 Rtlr. gebracht hätten. 20<br />
Im August 1830 wer<strong>de</strong>n Vennekolt aus <strong>de</strong>m Hilfsfond "ausnahmsweise" 20 Rtlr. zur<br />
Reparatur se<strong>in</strong>er Mühle bewilligt.<br />
Im Oktober 1830 bleibt Venekolt 65 Rtlr. an Erbpacht schuldig, die sich bis zum Januar<br />
1831 auf 96 Rtlr. erhöhen. Mit E<strong>in</strong>willigung se<strong>in</strong>es Stiefsohnes Friedrich Siekmann und<br />
<strong>de</strong>ssen Vormün<strong>de</strong>r verpfän<strong>de</strong>t Venekolt <strong>de</strong>shalb zum Kolonat Nr.31 gehören<strong>de</strong>s Land,<br />
<strong>de</strong>ssen Anerbe Siekmann ist.<br />
Kurz vor <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>r Erbpacht wegen Vermögenslosigkeit tritt Venekolt die Mühle im<br />
August 1834 an se<strong>in</strong>en Stiefsohn Friedrich Siekmann ab. Dieser übernimmt auch die auf<br />
<strong>de</strong>r Mühle ruhen<strong>de</strong>n Pachtrückstän<strong>de</strong> <strong>in</strong> Höhe von 66 Rtlr. Obwohl Siekmann gelernter<br />
Tischler ist, willigt die Rentkammer <strong>in</strong> die Abtretung e<strong>in</strong>, da er nachweisen kann, daß er<br />
genügend Kenntnisse vom Müllerhandwerk besitzt. Er gibt an, er sei <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Mühle groß<br />
gewor<strong>de</strong>n und habe se<strong>in</strong>em Stiefvater geholfen. Bei Abwesenheit o<strong>de</strong>r Krankheit se<strong>in</strong>es<br />
Stiefvaters habe er diesen auf <strong>de</strong>r Mühle vertreten.<br />
19 Durch e<strong>in</strong>e Verfügung <strong>de</strong>r Regierung vom 16.2.1819 wur<strong>de</strong> die Matte für die<br />
Erbpachtmühlen im Amt Varenholz von 1/16 auf 1/22 gekürzt, bzw. generell auf 1/22<br />
festgesetzt.<br />
StADt L 79 II Fach 28 Nr.19 II.<br />
20 Die kle<strong>in</strong>en Brennereien s<strong>in</strong>d wohl wegen <strong>de</strong>s Baues <strong>de</strong>r großen Brennerei auf <strong>de</strong>r Domäne<br />
Varenholz im Jahre 1816 e<strong>in</strong>gegangen. Zur Versorgung <strong>de</strong>r Brennerei wur<strong>de</strong> 1816 e<strong>in</strong>e<br />
Schrotmühle errichtet siehe: Domänenmühle Varenholz.
649<br />
Die Zustimmung <strong>de</strong>r Rentkammer zur Übertragung <strong>de</strong>r Mühle hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />
"Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Müller Friedrich Siekmann zu Stemmen vorgestellt hat, daß se<strong>in</strong> Stiefvater,<br />
<strong>de</strong>r zeitige Erbpächter <strong>de</strong>r herrschaftlichen Mühle daselbst, Müller Vennekolt, weil er wegen<br />
Vermögenslosigkeit die Erbpachtsbed<strong>in</strong>gungen nicht mehr erfüllen köne, ihm das<br />
Erbpachtsrecht gedachter Mühle abgetreten habe, und darum nachgesucht hat, diese<br />
Abtretung nicht nur zu genehmigen, son<strong>de</strong>rn auch die Erbpacht auf ihn zu übertragen,<br />
diesem se<strong>in</strong>en Suchen auch, nach vorgängiger Bestellung <strong>de</strong>r contractsmäßigen Sicherheit<br />
zu 100 Rtlr. für treue Erfüllung <strong>de</strong>r Erbpachtsbed<strong>in</strong>gungen unter <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n von<br />
ihm angenommenen Bed<strong>in</strong>gungen:<br />
1.daß dieselbe das Michaelis v.(origen) J.(ahres) fällig gewesene Pachtgeld zu 45 Rtlr.<br />
sofort, die älteren term<strong>in</strong>isirten Rückstän<strong>de</strong> zu 66 Rtlr. <strong>in</strong> <strong>de</strong>n festgesetzten Term<strong>in</strong>en<br />
berichtige, daß ferner<br />
2.wenn nach Aufhören die von <strong>de</strong>m Amtszimmermeister Siekmann zu Stemmen als Bürgen<br />
durch Verpfändung se<strong>in</strong>es Vermögens vorläufig auf drei Jahre bestellten Sicherheit, die im<br />
Erbpachtsbriefe bedungene Caution nicht auf an<strong>de</strong>re Art genügend bestellt o<strong>de</strong>r im Laufe<br />
<strong>de</strong>r Zeit die beschaffte Sicherheit angegriffen wer<strong>de</strong>n, und Erbpächter sich außer Stan<strong>de</strong><br />
bef<strong>in</strong><strong>de</strong>n sollte, dieselbe <strong>in</strong> <strong>de</strong>m angegriffenen Betrage wie<strong>de</strong>r zu beschaffen, für solchen<br />
Fall die E<strong>in</strong>ziehung <strong>de</strong>s Erbpachtscontractes ausdrücklich vorbehalten wer<strong>de</strong>, und<br />
Erbpächter sich solche gefallen lassen müsse, stattgegeben ist, so wird <strong>de</strong>r Erbpachtsbrief<br />
vom 30.Juni 1777 (jedoch so, daß übrigens <strong>de</strong>r am 13.Dec.(ember) 1764 mit <strong>de</strong>m<br />
damaligen Erbpächter <strong>de</strong>r Langenholzhauser und <strong>Stemmer</strong> Mühle geschlossene<br />
Erbpachtscontract völlig <strong>in</strong> Kraft bleibt) auf genanten Müller Friedrich Siekmann hierdurch<br />
transcribirt, und <strong>de</strong>mselben darüber diese Urkun<strong>de</strong> gegen Erlegung <strong>de</strong>r taxmäßigen<br />
Gebühren zugefertigt.<br />
Detmold d.13.März 1835<br />
Fürstl. Lipp. Rentkammer." 21<br />
Aber auch Siekmann gerät schnell <strong>in</strong> wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der technische<br />
Zustand <strong>de</strong>r Mühle ist daran nicht schuld, <strong>de</strong>nn trotz aller Schwierigkeiten hat se<strong>in</strong><br />
Stiefvater ihm e<strong>in</strong>en funktionstüchtigen Betrieb übergeben. Nach se<strong>in</strong>en eigenen Angaben<br />
hat Venekolt im Laufe se<strong>in</strong>er Pachtzeit an die 800 Rtlr. <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Betrieb <strong>in</strong>vestiert und unter<br />
an<strong>de</strong>rem das Gefälle von 11 Fuß auf 13 1/2 Fuß vergrößert. Lediglich das Stauwerk erweist<br />
sich als so angegriffen, daß es <strong>in</strong> naher Zukunft erneuert wer<strong>de</strong>n muß.<br />
Im Juni 1836 beschädigt e<strong>in</strong> Hochwasser die Mühle schwer. Die Wasserflut reißt die<br />
Stallung und <strong>de</strong>n Backofen fort, e<strong>in</strong> Schicksal das auch <strong>de</strong>r Mühle zeitweilig gedroht habe,<br />
21 Orig<strong>in</strong>al im Besitz <strong>de</strong>r Familie Morißmeier.
650<br />
wie Siekmann schreibt. E<strong>in</strong> weiteres Hochwasser wenige Tage später beschädigt <strong>de</strong>n<br />
Betrieb weiter.<br />
Den durch die bei<strong>de</strong>n Hochwasser entstan<strong>de</strong>nen Scha<strong>de</strong>n beziffert Siekmann auf über 147<br />
Rtlr. Dennoch gel<strong>in</strong>gt es ihm bis 1837 <strong>de</strong>n Betrieb so erfolgreich zu führen, daß er <strong>de</strong>n<br />
Pachtrückstand se<strong>in</strong>es Vaters bis auf 29 Rtlr. abgezahlt hat. E<strong>in</strong>e große Hilfe war dabei e<strong>in</strong><br />
halbjähriger Pachterlaß durch die Rentkammer, wegen <strong>de</strong>r erlittenen Hochwasserschä<strong>de</strong>n.<br />
Im Dezember 1839 wird die Mühle durch e<strong>in</strong>en Brand schwer beschädigt. Siekmann<br />
schreibt, daß kurz vor Weihnachten morgens früh das Feuer ausbrach,"welches so schnell<br />
um sich griff, daß trotz aller Rettungsversuche <strong>in</strong> kurzer Zeit <strong>de</strong>r obere Teil <strong>de</strong>s<br />
Mühlengebäu<strong>de</strong>s, so wie e<strong>in</strong> großer Theil me<strong>in</strong>er Habe e<strong>in</strong> Raub <strong>de</strong>r Flammen wur<strong>de</strong>n".<br />
Wie<strong>de</strong>r muß er sich an die Rentkammer um Hilfe wen<strong>de</strong>n, da er aus <strong>de</strong>r Brandkasse e<strong>in</strong>e<br />
Entschädigung von lediglich 140 Rtlr. erhält und noch m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 250 Rtlr. zum Aufbau <strong>de</strong>r<br />
Mühle erfor<strong>de</strong>rlich s<strong>in</strong>d.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Jahres 1842 geht die wie<strong>de</strong>r aufgebaute Mühle <strong>in</strong> Betrieb. Der trockene<br />
Sommer 1842 sorgt jedoch dafür, daß die Mühle lange still liegt. E<strong>in</strong>en weiteren Sommer<br />
mit großer Trockenheit br<strong>in</strong>gt das Jahr 1846. Siekmann gibt an, er könne bei <strong>de</strong>m<br />
Wassermangel höchstens drei bis sechs Himten am Tag mahlen. 22<br />
1847 sorgt starker Frost für e<strong>in</strong> monatelanges Stilliegen <strong>de</strong>r Mühle, so daß Siekmann<br />
Ostern 1847 nicht mehr <strong>in</strong> <strong>de</strong>r <strong>Lage</strong> ist die Erbpacht zu entrichten und bei <strong>de</strong>r Rentkammer<br />
um Pachterlaß nachsucht. 1848 bedankt sich Siekmann schriftlich bei <strong>de</strong>r Rentkammer für<br />
<strong>de</strong>n gewährten Pachterlaß. Um leben zu können, so schreibt er, habe er Land gepachtet<br />
und sei "Kuhbauer" gewor<strong>de</strong>n. Grundsätzlich müsse aber <strong>de</strong>r Erbpachtz<strong>in</strong>s gesenkt<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n er "bei allem Fleiße und <strong>de</strong>r größten Sparsamkeit <strong>in</strong> <strong>de</strong>m bisherigen Betrage<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Betriebe (se<strong>in</strong>er) Klippmühle erzielen kann". Zu diesem Zeitpunkt wird<br />
Siekmann bereits Überlegungen angestellt haben die Mühle zu verkaufen und anschließend<br />
nach Amerika auszuwan<strong>de</strong>rn. Im folgen<strong>de</strong>n Jahr 1849 s<strong>in</strong>d Siekmanns Pläne soweit im Dorf<br />
bekannt, daß sich e<strong>in</strong> Interessent für die Mühle mel<strong>de</strong>t. Mit <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>weis auf Siekmanns<br />
Auswan<strong>de</strong>rungspläne bewirbt sich <strong>de</strong>r Kolon Morißmeier (ehemals Rügge Nr.9), auf <strong>de</strong>ssen<br />
Hofraum die Mühle liegt und über <strong>de</strong>ssen Hofraum <strong>de</strong>r Weg zur Mühle führt, bei <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer um die Übernahme <strong>de</strong>s Erbpachtrechtes. Ausdrücklich erklärt er <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer, er wolle e<strong>in</strong>en frem<strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r Mühle verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und diese selbst<br />
übernehmen. Da sich jedoch nichts bewegt droht Morißmeier im Februar 1850 <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer, wenn er die Mühle nicht bekäme, wolle er e<strong>in</strong>en Prozeß wegen <strong>de</strong>r<br />
eigenmächtig auf se<strong>in</strong>em Hofraum angelegten Mühle anstrengen, um die Belästigungen<br />
22 Das s<strong>in</strong>d ca. 60 bis 120 kg Roggen.
651<br />
durch e<strong>in</strong>en frem<strong>de</strong>n Müller und die Mahlgäste zu verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn. Weiter bietet er sich an,<br />
Siekmann zum Abtritt <strong>de</strong>s Erbpachtrechtes 500 Tlr. zu zahlen. Zum großen Ärger<br />
Morißmeiers taucht jedoch e<strong>in</strong> zweiter Kauf<strong>in</strong>teressent auf, <strong>de</strong>r Polizeidiener Hillebrand aus<br />
Varenholz. Müller Siekmann bittet Mitte Februar 1850 die Rentkammer um die<br />
Zustimmung, se<strong>in</strong> Erbpachtrecht an Hillebrand für 500 Tlr. verkaufen zu dürfen.<br />
Morißmeier, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m geplanten Verkauf erfährt, schreibt e<strong>in</strong>en wüten<strong>de</strong>n Brief an die<br />
Rentkammer, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m er behauptet, daß es sich dabei nur um e<strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>geschäft han<strong>de</strong>le,<br />
um <strong>de</strong>n Kaufpreis <strong>in</strong> die Höhe zu treiben. Hillebrand habe ihm sogar angeboten, wenn er<br />
<strong>de</strong>n Erbpachtkontrakt erst e<strong>in</strong>mal habe, für 250 Tlr. zu verkaufen.<br />
Siekmann und Morißmeier verhan<strong>de</strong>ln nicht mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r, e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis, daß bei<strong>de</strong> nicht<br />
gera<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e freundschaftliche Nachbarschaft pflegen.<br />
Hillebrand muß, wenn er die Erbpacht übertragen haben möchte, gegenüber <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer darlegen, was er als Polizeidiener mit e<strong>in</strong>er Wassermühle anfangen will. So<br />
teilt er <strong>de</strong>r Rentkammer En<strong>de</strong> März 1850 mit, nach Übertragung <strong>de</strong>s Erbpachtrechtes wolle<br />
er se<strong>in</strong>en Beruf nie<strong>de</strong>rlegen und wie<strong>de</strong>r se<strong>in</strong>en erlernten Zimmermannsberuf ergreifen.<br />
Damit will er wahrsche<strong>in</strong>lich erklären, daß er <strong>in</strong> <strong>de</strong>r <strong>Lage</strong> ist die Mühle zu warten und zu<br />
reparieren, also etwas von <strong>de</strong>r Mühlentechnik versteht. Den eigentlichen Mühlenbetrieb will<br />
er dagegen e<strong>in</strong>em angestellten Müllergesellen überlassen. "Aber", so schreibt er zum<br />
Schluß, "wenn sich e<strong>in</strong> Mühlenvorsteher f<strong>in</strong><strong>de</strong>t, wäre ich nicht abgeneigt, me<strong>in</strong><br />
Erbpachtsrecht an diesen zu verkaufen".<br />
Und noch e<strong>in</strong> dritter Interessent mel<strong>de</strong>t sich, <strong>de</strong>r aber überhaupt nichts für das<br />
Erbpachtrecht bezahlen will, e<strong>in</strong> angeblicher Sohn aus erster Ehe <strong>de</strong>s 1817 verstorbenen<br />
<strong>Stemmer</strong> Erbpachtmüllers Arnold Friedrich Vorher. Dieser Müller Vorher von <strong>de</strong>r Kohlpotts<br />
-Mühle bei Pvitshei<strong>de</strong> droht an, se<strong>in</strong>e Ansprüche auf die <strong>Stemmer</strong> Mühle gerichtlich geltend<br />
zu machen. Auf <strong>de</strong>n Erbanspruch Vorhers geht die Rentkammer nicht e<strong>in</strong> und auch Vorher<br />
mel<strong>de</strong>t sich nicht mehr.<br />
Im April 1850 erhebt Morißmeier, <strong>de</strong>m das ganze H<strong>in</strong> und Her ansche<strong>in</strong>end reicht, Klage auf<br />
Wegräumung <strong>de</strong>r Mühle und <strong>de</strong>s Stauteiches und e<strong>in</strong>e Entschädigung. E<strong>in</strong> Gutachten <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer kommt dagegen zu <strong>de</strong>m Ergebnis, daß Morißmeier mit se<strong>in</strong>er Klage ke<strong>in</strong>en<br />
Erfolg haben wird. Um aber e<strong>in</strong>en langwierigen Prozeß mit Morißmeier zu vermei<strong>de</strong>n,<br />
versucht die Rentkammer sich mit ihm zu e<strong>in</strong>igen. Ihm soll die Erlaubnis zum Kauf <strong>de</strong>s<br />
Erbpachtrechtes erteilt wer<strong>de</strong>n. Der zukünftige Erbpachtkanon soll 80 Tlr. im Jahr<br />
betragen. Dem Kolon Flörkemeier, <strong>de</strong>ssen Hof 1693 bei Anlage <strong>de</strong>r Mühle ebenfalls<br />
Hofraum verloren hat, soll Morißmeier e<strong>in</strong>e jährliche Entschädigung von 2 1/2 Tlr. zahlen.<br />
Morißmeier soll dagegen auf e<strong>in</strong>e weitere Entschädigung und sonstige Rechtsansprüche<br />
verzichten (siehe "Versicherungssche<strong>in</strong> von 1787). Morißmeier, <strong>de</strong>r auf ke<strong>in</strong>en Fall will,
652<br />
"daß sich Hillebrand auf se<strong>in</strong>em Kolonat e<strong>in</strong>nistet", versucht, obwohl er se<strong>in</strong> Ziel eigentlich<br />
erreicht hat, noch die Höhe <strong>de</strong>r Erbpacht zu drücken -und Recht zu behalten. Durch e<strong>in</strong>en<br />
Vertrag mit ihm gelange die Mühle doch erst <strong>in</strong> das Eigentum <strong>de</strong>r Rentkammer, weshalb die<br />
Erbpacht ger<strong>in</strong>ger angesetzt wer<strong>de</strong>n müsse.<br />
Müller Siekmann, <strong>de</strong>ssen Abreiseterm<strong>in</strong> nach Amerika feststeht, <strong>de</strong>r 15.8.1850, bittet im<br />
Juli die Rentkammer erneut Hillebrand das Erbpachtrecht überlassen zu dürfen. Doch am<br />
28.Juli erklärt sich Morißmeier bereit, zu <strong>de</strong>n vorgeschlagenen Konditionen die Mühle <strong>in</strong><br />
Erbpacht zu übernehmen. Der Erbpachtbrief wird ihm am 20.9.1850 ausgestellt.<br />
An Siekmeier zahlt Morißmeier für die Überlassung <strong>de</strong>r Erbpacht und die Mühle 500 Tlr., bei<br />
<strong>de</strong>r Rentkammer h<strong>in</strong>terlegt er e<strong>in</strong>e Kaution von 100 Tlr.. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren<br />
mo<strong>de</strong>rnisiert Morißmeier die Mühle umfassend. 1853 läßt er durch <strong>de</strong>n Zimmermeister<br />
Vieregge aus Varenholz u.a. e<strong>in</strong>e neue Mühlenwelle e<strong>in</strong>bauen, wohl Teil <strong>de</strong>s laut<br />
Morißmeier "zweckmäßiger konstruierten" neuen Mühlenwerkes. 1854 schreibt Müller<br />
Bauer von <strong>de</strong>r Langenholzhauser Erbpachtmühle: "Statt <strong>de</strong>r schlechten <strong>in</strong>wendigen Werke<br />
wur<strong>de</strong>n neue Werke angelegt und die Wasserkraft um 1/4 vermehrt, <strong>in</strong><strong>de</strong>m dort das<br />
Wasserrad 3 Fuß höher (G.H. ca 0,9 mtr.) gemacht wor<strong>de</strong>n ist. Mahlgäste von Varenholz<br />
ziehen nun dorth<strong>in</strong>, wer<strong>de</strong>n dort so gut bedient, brauchen nicht über <strong>de</strong>n Kirchberg". 23<br />
Wie für fast alle herrschaftlichen Müller be<strong>de</strong>utet auch für Morißmeier die E<strong>in</strong>führung <strong>de</strong>r<br />
Gewerbefreiheit e<strong>in</strong>e tiefe Zäsur. 1873 entrichtet er, wie alle Erbpachtmüller nur unter<br />
Protest und Vorbehalt die zwölfjährige Erbpachtgebühr (We<strong>in</strong>kauf). Se<strong>in</strong> Hauptkonkurrent<br />
wird die 1873 neu errichtete Mühle <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Dalbcke (Kalletalsmühle, siehe Mühle Nr.5). Mit<br />
<strong>de</strong>m H<strong>in</strong>weis auf diese neue Konkurrenz versucht Morißmeier im Februar 1874 bei <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer e<strong>in</strong>e Senkung <strong>de</strong>r Erbpacht zu erreichen:<br />
"Der Meier Hegerbekermeier <strong>in</strong> Dalbcke Amt Hohenhausen hat seit e<strong>in</strong>en halben Jahre e<strong>in</strong>e<br />
großartige Mühle mit drei Mahlgängen im Kalletal angelegt. Er kommt <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Woche<br />
zweimal mit e<strong>in</strong>em großen Wagen nach Stemmen und Varenholz und holt von <strong>de</strong>n Leuten<br />
das Korn zum Mahlen ab."<br />
Der Scha<strong>de</strong>n sei für ihn so be<strong>de</strong>utend, so Morißmeier weiter, daß er sich nicht mehr im<br />
Stan<strong>de</strong> sieht die Erbpacht von 80 Tlr. zu entrichten und um ihren Erlaß bittet. 24<br />
Der Antrag auf Wegfall <strong>de</strong>s Erbpachtkanons wird von <strong>de</strong>r Rentkammer abgelehnt. Im<br />
Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Erbpachtmüllern beläßt es Morißmeier bei <strong>de</strong>r Ablehnung <strong>de</strong>r<br />
Rentkammer und beg<strong>in</strong>nt ke<strong>in</strong>e juristischen Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen wegen <strong>de</strong>r Senkung<br />
23 StADt L 92 C Tit.12 Nr.2 Vol.II.<br />
24 StADt L 92 C Tit.12 Nr.19 Vol. II.
653<br />
<strong>de</strong>s Erbpachtkanons. Er versucht mit se<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Mühle, die nur über e<strong>in</strong>en Mahlgang<br />
verfügt und häufig unter Wassermangel lei<strong>de</strong>t gegen die neuen leistungsstarken und<br />
mo<strong>de</strong>rnisierten Mühlenbetriebe zu bestehen.<br />
Neben <strong>de</strong>m chronischen Wassermangel s<strong>in</strong>d es immer wie<strong>de</strong>r verheeren<strong>de</strong> Hochwasser,<br />
die <strong>de</strong>n Betrieb schädigen. E<strong>in</strong> beson<strong>de</strong>rs schweres Hochwasser trifft die Mühle am 12.Juni<br />
1880. Nach e<strong>in</strong>em schweren Gewitter schwemmt das <strong>de</strong>n Bramberg herunterströmen<strong>de</strong><br />
Regenwasser riesige Mengen Schlamm <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Stauteich und reißt schließlich das Stauwerk<br />
mitsamt Mauerwerk und Brücke weg. Die Kosten zur Wie<strong>de</strong>rherrstellung <strong>de</strong>s Stauwerkes<br />
belaufen sich auf 3 482 Mark, die Morißmeier alle<strong>in</strong> nicht aufbr<strong>in</strong>gen kann. 1880 erläßt die<br />
um Hilfe angerufene Rentkammer Morißmeier 200 Mark vom Erbpachtkanon.<br />
Zur Zeit <strong>de</strong>s Unglücks wird <strong>de</strong>r Betrieb bereits von <strong>de</strong>m ältesten Sohn Morißmeiers,<br />
Christian Morißmeier, geführt. 25 Die Mühle ist vom Morißmeierschen Hof Nr.9 getrennt und<br />
e<strong>in</strong> selbsständiges Kolonat mit <strong>de</strong>r Nr.80.<br />
1891 muß Morißmeier um Erlaß <strong>de</strong>s Ostern fällig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Erbpachtkanons nachsuchen,<br />
da wegen <strong>de</strong>s strengen W<strong>in</strong>ters die Mühle von En<strong>de</strong> November 1890 bis En<strong>de</strong> Januar 1891<br />
still gestan<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Frost Stauwerk und Mühlengebäu<strong>de</strong> beschädigt hat. Zu<strong>de</strong>m muß im<br />
kommen<strong>de</strong>n Sommer e<strong>in</strong> neues Wasserrad angeschafft wer<strong>de</strong>n. Im April erläßt ihm die<br />
Rentkammer 120 Mark <strong>de</strong>s Erbpachtkanons.<br />
Auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Folgezeit ist Morißmeier nicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>r <strong>Lage</strong> <strong>de</strong>n Erbpachtkanon zu entrichten. Der<br />
Rentkammer schreibt er:<br />
"Ich habe das Müllerhandwerk erlernt und 1882 die Mühle von me<strong>in</strong>em Vater<br />
übernommen. Danach habe ich die Mühle umgebaut und nach Wasser gebohrt 26 , um die<br />
Wasserkraft me<strong>in</strong>er Mühle zu verbessern, was mich 3 000 Mark gekostet hat. Die<br />
Konkurrenz wird immer stärker. Me<strong>in</strong> Gewerbe lohnt sich kaum noch, ich kann noch nicht<br />
e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Burschen mehr halten und muß alle Arbeit alle<strong>in</strong> machen. In Stemmen ist<br />
außer<strong>de</strong>m e<strong>in</strong>e Mehl - und Schrothandlung errichtet wor<strong>de</strong>n, welche mir viel Scha<strong>de</strong>n<br />
zufügt." 27<br />
Im W<strong>in</strong>ter 1899/1900 richtet starker Frost wie<strong>de</strong>r beträchtliche Schä<strong>de</strong>n an, so daß das vor<br />
20 Jahren mit viel Mühe erbaute Stauwerk von Grund auf erneuert wer<strong>de</strong>n muß. Errichtet<br />
wer<strong>de</strong>n zwei neue, große Ste<strong>in</strong>pfeiler und die vor <strong>de</strong>m Stauwerk liegen<strong>de</strong> Brücke mit<br />
25 Zuvor hatte Morißmeier ansche<strong>in</strong>end e<strong>in</strong>en Müller auf <strong>de</strong>r Mühle angestellt.<br />
26 Nach mündlicher Auskunft <strong>de</strong>s Müllermeisters Wilhelm Morißmeier ist oberhalb von<br />
Elfenborn nach Wasser gebohrt wor<strong>de</strong>n, um die Wassermenge <strong>de</strong>s Mühlbaches zu erhöhen.<br />
27 StADt L 92 C Tit.12 Nr.19 Vol.II.
654<br />
Gelän<strong>de</strong>r. Die hölzerne Abflußr<strong>in</strong>ne wird durch e<strong>in</strong>e ste<strong>in</strong>erne ersetzt. Abgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n die umfangreichen Arbeiten am 20.11.1900. Da die Mühle während <strong>de</strong>r<br />
Reparaturarbeiten gezwungenermaßen still gelegen hat, zahlt die Rentkammer e<strong>in</strong>e<br />
Entschädigung von 100 Mark.<br />
1904 versucht Morißmeier erneut <strong>de</strong>n Erbpachtkanon verr<strong>in</strong>gert zu bekommen. Er bittet<br />
die Rentkammer statt <strong>de</strong>s Erbpachtkanons <strong>in</strong> Höhe von 240 Mark e<strong>in</strong>e Grundabgabe von 65<br />
Mark zahlen zu können. Die Rentkammer schlägt ihm statt<strong>de</strong>ssen e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung <strong>de</strong>s<br />
Erbpachtkanons um 60 Mark vor. Auf diesen Vorschlag antwortet Morißmeier:<br />
"Wenn die Kammer me<strong>in</strong>e Mühle <strong>in</strong> natura gesehen hätte, wür<strong>de</strong> sie diesen Vorschlag nicht<br />
machen. Die Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mühle s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach und kle<strong>in</strong>, Wasserverhältnisse und Stau<br />
primitiv, wegen Wassermangel steht die Mühle oft still." 28<br />
Hauptstreitpunkt bei <strong>de</strong>r Herabsetzung <strong>de</strong>s Erbpachtkanons und <strong>de</strong>s We<strong>in</strong>kaufs ist die<br />
Frage, ob die <strong>Stemmer</strong> Mühle e<strong>in</strong>en Mahlbezirk besessen hat, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m sie Inhaber e<strong>in</strong>es<br />
Mahlmonopols war, o<strong>de</strong>r nicht. Morißmeier vertritt die Ansicht, daß se<strong>in</strong>e Mühle laut <strong>de</strong>s<br />
Erbpachtvertrages von 1764 (siehe Mühle Nr.30) bis zur E<strong>in</strong>führung <strong>de</strong>r Gewerbefreiheit<br />
über e<strong>in</strong>en Mahlbezirk mit Mahlmonopol verfügt hat. Der bestimmte Mahlbezirk sei die<br />
ganze Dorfschaft Stemmen gewesen.<br />
Der H<strong>in</strong>weis Morißmeiers auf <strong>de</strong>n Erbpachtvertrag von 1764 hat von Morißmeier so sicher<br />
nicht gewollte Folgen. Bei <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Vertrag stellt die Rentkammer nämlich fest,<br />
daß er e<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Haltung e<strong>in</strong>er "herrschaftlichen Hun<strong>de</strong>fütterungsstelle"<br />
enthält, die von Morißmeier nicht erfüllt wird. Morißmeier argumentiert, die Abgabe ruhe<br />
auf bei<strong>de</strong>n Mühlen und sei 1777 bei <strong>de</strong>r Trennung <strong>de</strong>r Mühlen bei <strong>de</strong>r Langenholzhauser<br />
Erbpachtmühle geblieben. Die Rentkammer beharrt aber weiter auf ihrem Standpunkt, so<br />
daß Morißmeier statt e<strong>in</strong>e Senkung <strong>de</strong>s Erbpachtkanons zu erlangen, zunächst e<strong>in</strong>e neue<br />
Belastung <strong>in</strong> Höhe von 9 Mark jährlich übernehmen muß.<br />
Die E<strong>in</strong>igung erfolgt am 20.Mai 1904 mit <strong>de</strong>m Oberförster Schmidt von <strong>de</strong>r<br />
Revierverwaltung Varenholz und hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />
"Verhan<strong>de</strong>lt Stemmen, <strong>de</strong>n 20.Mai 1904<br />
Gegenwärtig<br />
1.)Müller Morißmeier Nr.9 Stemmen<br />
2.)Oberförster Schmidt, Langenholzhausen.<br />
Auf Vorhalten erklärte <strong>de</strong>r Müller Morißmeier:<br />
Ich b<strong>in</strong> bereit, für die auf me<strong>in</strong>er Erbpachtmühle ruhen<strong>de</strong> Last <strong>de</strong>r Fütterung e<strong>in</strong>es<br />
Herrschaftlichen Hun<strong>de</strong>s jährlich 9 M. zu bezahlen o<strong>de</strong>r auch die Verpflichtung gelegentlich<br />
28 StADt L 92 C Tit. 12 Nr.19 Vol.III.
655<br />
<strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s von me<strong>in</strong>er Mühle zu zahlen<strong>de</strong>n Kanons mit <strong>de</strong>m Betrage von 225 M.<br />
abzulösen beziehungsweise nur diesen Betrag auf die event. von Fürstlicher Rentkammer<br />
mir zurückzuerstatten<strong>de</strong>n Kanongel<strong>de</strong>r verrechnen zu lassen." 29<br />
Im Juli 1905 reißt e<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>en starken Wolkenbruch entstehen<strong>de</strong> Wasserflut das<br />
Stauwerk nie<strong>de</strong>r. Das Wasser sei so schnell gekommen, so Morißmeiers Schil<strong>de</strong>rung, daß<br />
"ich nur e<strong>in</strong> Flutschütz ziehen konnte. Beim Versuch das zweite Flutschütz zu ziehen, wäre<br />
ich be<strong>in</strong>ah von <strong>de</strong>m Wasser mitgerissen wor<strong>de</strong>n, wenn me<strong>in</strong> Sohn mich nicht im letzten<br />
Moment weggezogen hätte". 30<br />
Der Neubau <strong>de</strong>s Stauwerks verursacht Kosten <strong>in</strong> Höhe von 819 Mark.<br />
Wegen <strong>de</strong>s Erbpachtkanons besteht Morißmeier nach wie vor auf e<strong>in</strong>er drastischen<br />
Senkung und verweist auf das von Erbpachtmüller Bauer von <strong>de</strong>r Langenholzhauser<br />
Erbpachtmühle 1902 erfochtene Urteil (siehe Mühle Nr.30). Die Rentei Hohenhausen teilt<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schreiben vom 5.8.1905 <strong>de</strong>r Rentkammer mit, sie wolle etwas gegen <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>fluß<br />
Müller Bauers auf Morißmeier tun.<br />
Am 2.2.1906 vergleichen sich vor <strong>de</strong>m Amtsgericht Hohenhausen Rentkammer und<br />
Morißmeier über die Herabsetzung <strong>de</strong>s Erbpachtkanons und <strong>de</strong>s We<strong>in</strong>kaufs. Morißmeier,<br />
<strong>de</strong>r bis zum Schluß auf se<strong>in</strong>em Angebot von 120 Mark jährlich besteht, weist e<strong>in</strong> Gutachten<br />
vor, das die <strong>Lage</strong> <strong>de</strong>r Mühle als äußerst ungünstig bezeichnet. Von ihr könne er se<strong>in</strong>e<br />
Familie nicht ernähren. Auf se<strong>in</strong>em Grundbesitz, zur Mühle gehört noch das Kolonat Nr.9,<br />
ruhen hohe Schul<strong>de</strong>n.<br />
Man vergleicht sich auf e<strong>in</strong>en Erbpachtkanon <strong>in</strong> Höhe von 150 Mark und die Herabsetzung<br />
<strong>de</strong>s We<strong>in</strong>kaufes von 13,35 auf 8 Mark jährlich. Die "herrschaftliche Hun<strong>de</strong>fütterungsstelle"<br />
löscht Morißmeier durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Zahlung von 225 Mark. Der zuviel gezahlte<br />
Erbpachtkanon für die Jahre 1878 bis 1905 wird durch die Rentkammer mit e<strong>in</strong>er<br />
Abf<strong>in</strong>dung von 2340 Mark (26 x 90 Mark) zurückerstattet. Der entsprechen<strong>de</strong> Vertrag<br />
zwischen Morißmeier und <strong>de</strong>r Rentkammer wird am 25.8.1905 geschlossen.<br />
Am 8.Juni 1906 kommt Morißmeier durch e<strong>in</strong>en Unglücksfall zu To<strong>de</strong>. Bei Umbauarbeiten<br />
fällt er von <strong>de</strong>r Brücke am Stauwerk <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Stauteich und ertr<strong>in</strong>kt. Rechtsnachfolger ist<br />
se<strong>in</strong>e Witwe, die <strong>de</strong>n Betrieb mit ihren zwei ältesten Söhnen, Christian und Gustav,<br />
weiterführt. Der dritte Sohn August ist dagegen noch zu jung.<br />
In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren bis zum Kriege mo<strong>de</strong>rnisieren sie die Mühle, so daß <strong>de</strong>r Betrieb<br />
über e<strong>in</strong>en Schrotgang und e<strong>in</strong>en Mahlgang (für Mehl) verfügt. Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r neue<br />
29 Unterlagen <strong>de</strong>r Familie Morißmeier.<br />
30 StADt L 92 C Tit.12 Nr.19 Vol.III.
656<br />
Schrotgang verbessert die wirtschaftliche Situation, da er viele Bauern, auch über<br />
Stemmen h<strong>in</strong>aus, anlockt, <strong>de</strong>nn <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Jahren vor <strong>de</strong>m Kriege verfügten nur wenige Höfe<br />
über e<strong>in</strong>e Schrotmühle. Durch die Anschaffung e<strong>in</strong>es zusätzlichen Motorantriebes wird <strong>de</strong>r<br />
Betrieb von <strong>de</strong>m immer spärlicher fließen<strong>de</strong>n Betriebswasser <strong>de</strong>s Mühlbaches<br />
unabhängiger.<br />
Der I.Weltkrieg belastet <strong>de</strong>n Betrieb außeror<strong>de</strong>ntlich. Die bei<strong>de</strong>n ältesten Söhne wer<strong>de</strong>n<br />
bald nach Krie<strong>gsb</strong>eg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>gezogen, so daß die Witwe Morißmeier mit ihrem jüngsten Sohn<br />
August die Arbeit alle<strong>in</strong> erledigen muß. Schließlich wird auch August e<strong>in</strong>gezogen und fällt<br />
im Jahre 1918.<br />
En<strong>de</strong> 1915 muß die Witwe Morißmeier, da sie kaum noch zahlungsfähig ist, um Erlaß <strong>de</strong>r<br />
Erbpacht für die Dauer <strong>de</strong>s Krieges bitten. Infolge <strong>de</strong>r Kriegswirtschaft wer<strong>de</strong>n alle<br />
Getrei<strong>de</strong>- und Mehlvorräte beschlagnahmt, das "Krie<strong>gsb</strong>rot" e<strong>in</strong>geführt und Brotkarten<br />
herausgegeben. Nur noch Großmühlen dürfen Brotgetrei<strong>de</strong> vermahlen. Die <strong>Stemmer</strong><br />
Mühle steht so die meiste Zeit still.<br />
Von <strong>de</strong>r Rentkammer angewiesen berichtet <strong>de</strong>r Varenholzer Wachtmeister über die<br />
Situation <strong>de</strong>s Morißmeierschen Kolonats und <strong>de</strong>s Mühlenbetriebes: Die Witwe Morißmeier<br />
besitze an Land 60 Morgen, auf <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>e Schul<strong>de</strong>nlast von 25000 Mark ruhe, zuzüglich<br />
3500 Mark für angekauftes Getrei<strong>de</strong>. An Vieh seien vorhan<strong>de</strong>n zwei Pfer<strong>de</strong>, drei Kühe, zwei<br />
R<strong>in</strong><strong>de</strong>r, drei Kälber und zwei Schwe<strong>in</strong>e. neben ihrem jüngsten Sohn August<br />
bewirtschafteten e<strong>in</strong> Knecht - Lohn 600 Mark jährlich, Kost und Wohnung - und e<strong>in</strong><br />
Dienstmädchen - Lohn 210 M jährlich, Kost und Wohnung - Hof und Mühlenbetrieb.<br />
Geschrotet wür<strong>de</strong> während <strong>de</strong>s Krieges nicht. Zu Mehl vermahlen wür<strong>de</strong>n monatlich 150<br />
bis 200 Zentner Getrei<strong>de</strong>, was e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahme von 150 bis 200 Mark br<strong>in</strong>ge. Da die Mühle<br />
wegen <strong>de</strong>s ger<strong>in</strong>gen Betriebswassers die meiste Zeit durch e<strong>in</strong>en Benzolmotor angetrieben<br />
wer<strong>de</strong>n müsse, entstän<strong>de</strong>n monatliche Ausgaben für Benzol <strong>in</strong> Höhe von 150 Mark.<br />
Gesund aus <strong>de</strong>m Krieg zurückgekehrt übernimmt Christian Morißmeier von se<strong>in</strong>er Mutter<br />
Mühlenbetrieb und Hof. Am 28.2.1921 löst er die auf <strong>de</strong>r Mühle ruhen<strong>de</strong>n Erbpachtabgaben<br />
mit e<strong>in</strong>er Zahlung von 3866,78 Mark ab. Damit geht die Mühle <strong>in</strong> das alle<strong>in</strong>ige Eigentum<br />
Morißmeiers über.<br />
Unter Christian Morißmeier wird <strong>de</strong>r Benzolmotor durch e<strong>in</strong>en Dieselmotor ersetzt. Seit<br />
1947, nach Abschaffung <strong>de</strong>s Dieselmotors, dient e<strong>in</strong> während <strong>de</strong>s II. Weltkrieges<br />
angeschaffter Elektromotor alle<strong>in</strong> als Zusatzantrieb 31 . Das Wasserrad bricht während <strong>de</strong>s<br />
II.Weltkrieges zusammen und wird nicht mehr erneuert, son<strong>de</strong>rn 1944 durch e<strong>in</strong>e Michell –<br />
31 Die Mühle hat zeitweilig, laut Angabe Müllermeister Morißmeier, auch über e<strong>in</strong>en<br />
Naphtal<strong>in</strong>motor verfügt.
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Ossberg Wasserturb<strong>in</strong>e ersetzt. 1947 wird die Mühle mo<strong>de</strong>rnisiert. Da <strong>de</strong>r Mühlbach immer<br />
weniger Betriebswasser für die Wasserturb<strong>in</strong>e liefert, wird immer mehr auf <strong>de</strong>n<br />
Wasserantrieb verzichtet. Zum Schluß wird lediglich noch zweimal am Tag die<br />
Wasserturb<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Gang gesetzt. Auch gestaltet sich <strong>de</strong>r Unterhalt <strong>de</strong>s Stauteiches als zu<br />
kostspielig. 1955 wird <strong>de</strong>r Wasserantrieb gänzlich aufgegeben und die Mühle als re<strong>in</strong>e<br />
Motormühle betrieben.<br />
Christian Morißmeier verstirbt 1957. Mühlenbetrieb und Hof übernimmt se<strong>in</strong> Sohn Wilhelm,<br />
<strong>de</strong>r das Müllerhandwerk bei se<strong>in</strong>em Vater erlernt hat und 1950 die Müllermeisterprüfung<br />
abgelegt hatte. Er mo<strong>de</strong>rnisiert 1957 <strong>de</strong>n Betrieb; u.a. wird e<strong>in</strong>e neue Re<strong>in</strong>igungsmasch<strong>in</strong>e<br />
und e<strong>in</strong> Doppelwalzstuhl angeschafft. Damit genügt <strong>de</strong>r Betrieb <strong>de</strong>n hohen<br />
Qualitätsanfor<strong>de</strong>rungen se<strong>in</strong>er Kundschaft an re<strong>in</strong>em und fe<strong>in</strong>em Mehl. Abnehmer hat <strong>de</strong>r<br />
Betrieb <strong>in</strong> Stemmen, Varenholz, Möllenbeck und Hessendorf. Weitere Bäckereikun<strong>de</strong>n hat<br />
Morißmeier <strong>in</strong> Eisbergen, Strücken und Exten. Der Konsum <strong>in</strong> R<strong>in</strong>teln (Großhan<strong>de</strong>l) erhält<br />
das produzierte Mehl <strong>in</strong> E<strong>in</strong>- und Zweie<strong>in</strong>halbkilotüten. Für die Bauern <strong>de</strong>r näheren<br />
Umgebung wird geschrotet. Diese Kundschaft liefert das Korn, wie seit Jahrhun<strong>de</strong>rten, an,<br />
und holt das Schrot wie<strong>de</strong>r ab. Die Kapazität <strong>de</strong>r Mühle beträgt etwa zwei Tonnen <strong>in</strong> 24<br />
Stun<strong>de</strong>n. Die Bezahlung erfolgt entwe<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Mahllohnes o<strong>de</strong>r wie seit<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rten durch Korn. 1950 beträgt <strong>de</strong>r Mahllohn für e<strong>in</strong>en Zentner Mehl etwa 1,20<br />
DM bis 1,50 DM. Das Schroten von e<strong>in</strong>em Zentner kostet 0,50 DM bis 0,60 DM. Später auf<br />
<strong>de</strong>m Walzstuhl liegt <strong>de</strong>r Mahllohn für e<strong>in</strong>en Zentner Mehl bei 2,50 bis 3,00 DM.<br />
Die verheeren<strong>de</strong>n Hochwasser verschonen auch unter Wilhelm Morißmeier die Mühle nicht.<br />
E<strong>in</strong> beson<strong>de</strong>rs starkes Hochwasser br<strong>in</strong>gt das Jahr 1958. Das Wasser bahnt sich se<strong>in</strong>en<br />
Weg durch das Mühlengebäu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>geschwemmte Schlamm muß mühsam wie<strong>de</strong>r<br />
ausgeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />
En<strong>de</strong> 1968 muß Wilhelm Morißmeier <strong>de</strong>n Betrieb e<strong>in</strong>stellen, <strong>de</strong>r Konkurrenz <strong>de</strong>r<br />
Großmühlen kann er nicht mehr standhalten.<br />
"Ich habe ja auch lange genug noch gehalten, wie die an<strong>de</strong>ren Kollegen schon lange<br />
aufgegeben hatten. Man <strong>de</strong>nkt, man könnte das schaffen, aber ... wir haben uns bemüht,<br />
das alles klar zu kriegen wirtschaftlich, aber wir hatten ke<strong>in</strong>e Chance gegen die<br />
Großmühlen. E<strong>in</strong>e große Konkurrenz waren nach <strong>de</strong>m Kriege auch die Händler und die<br />
Genossenschaften. Die Bauern f<strong>in</strong>gen an sich Masch<strong>in</strong>en zu kaufen und bezogen Schrot<br />
usw. bei <strong>de</strong>n Händlern." 32<br />
Durch <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Konkurs verlor Wilhelm Morißmeier <strong>de</strong>n Mühlenbetrieb und se<strong>in</strong>en<br />
Hof.<br />
32 Wilhelm Morißmeier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit <strong>de</strong>m Autor.
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Die Mühle wird heute als Wochenendhaus genutzt.<br />
Charakterisierung:<br />
Die <strong>Stemmer</strong> Mühle ist die letzte im Amt Varenholz gegrün<strong>de</strong>te herrschaftliche Mühle. Sie<br />
ist auch mit Abstand die kle<strong>in</strong>ste und wirtschaftlich unbe<strong>de</strong>utendste <strong>de</strong>r herrschaftlichen<br />
Mühlen gewesen. Der Standort war schlecht gewählt, so daß die Mühle häufig unter<br />
Betriebswassermangel litt und bei Unwettern durch Hochwasser gefähr<strong>de</strong>t war.<br />
Unter diesen Umstän<strong>de</strong>n konnte die Mühle nur <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Phase wirtschaftlich erfolgreich<br />
betrieben wer<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r sie <strong>de</strong>r wesentlich be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>ren Langenholzhauser<br />
Erbpachtmühle <strong>in</strong>korporiert war.<br />
Erstaunlich ist, daß unter diesen Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Betrieb bis 1968 aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n<br />
konnte.<br />
Quellen- und Literaturangabe:<br />
StADt L 79 II Fach 28 Nr.19 II.<br />
StADt L 92 C Tit.12 Nr.15.<br />
StADt L 92 C Tit.12 Nr. 2 Vol.I/II.<br />
StADt L 92 C Tit.12 Nr.19 Vol. I/II/III.<br />
StADt L 108 Varenholz Nr.136.<br />
StADt L 108 Varenholz Nr.75.<br />
StADt L 79 II Abtlg. B Fach 28 Nr.21.<br />
StADt D 100 Lemgo Nr.1890.<br />
Mündliche Angaben <strong>de</strong>s Müllermeisters Morißmeier (+) und schriftliche Unterlagen <strong>de</strong>r<br />
Familie Morißmeier.