LOVETT â BROTHER : DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN ...
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<strong>LOVETT</strong> – <strong>BROTHER</strong> : <strong>DIE</strong> <strong>BEZIEHUNG</strong> <strong>ZWISCHEN</strong> HALSWIRBELN UND LENDENWIRBELN<br />
Charles L. Blum, DC<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Einleitung:<br />
Schon seit vielen Jahren haben Chiropraktiker den Begriff „Lovett – Brother“ benutzt, um die<br />
Beziehung zwischen bestimmten Wirbeln der Hals- und der Lendenwirbelsäule zu beschreiben.<br />
Ziel:<br />
Dieser Artikel versucht, die Hintergründe dieser „Lovett – Brother“ Beziehung aufzuspüren und<br />
mögliche Theorien für ihre Existenz aufzuzeigen. Diese Theorien variieren von faszialen und<br />
muskulären Beziehungen über weitergeleitete Schmerzmuster bis hin zur Erleichterung tonischer<br />
Genickreflexe unter Einbeziehung der intersegmentalen Rückenmarksbahnen.<br />
Diskussion:<br />
Bisher gab es noch keine endgültigen Studien, die den Einsatz von „Lovett – Brother“ als<br />
diagnostische und als therapeutische Möglichkeit auswerten. Es gibt aber einige Berichte über<br />
Behandlungsfälle, die ihre Verwendung nahelegen.<br />
Schlussfolgerung:<br />
Weitere Forschungen sind notwendig, um dieses Phänomen weiter begreifen zu können, das vom<br />
Berufsstand der Chiropraktiker schon seit langem akzeptiert ist.<br />
Schlüsselworte:<br />
Chiropraktik, Sacro Occipital Technik, Lovett – Brother, Angewandte Kinesiologie, obere HWS,<br />
Subluxation<br />
Einleitung<br />
Der Berufsstand der Chiropraktiker hat seit dem frühen 20. Jhdt. die Theorie von der Beziehung<br />
zwischen Lenden – und Halswirbeln integriert und dieses Konzept mit seinen Befunden und<br />
Behandlungsweisen genutzt. Dieses Konzept wurde von Chiropraktikern seit Jahrzehnten empirisch<br />
anerkannt. Es basiert auf dem Werk von Robert W. Lovett (1). Walther schreibt im folgenden: „Wenn<br />
eine Person geht, läuft oder einer anderen alltäglichen Aktivität nachgeht, scheint die Wirbelsäule<br />
dabei mit einer bestimmten harmonischen Bewegung zu funktionieren... Die Wirbel, die im<br />
Zusammenhang miteinander arbeiten wie z.B. der erste Lendenwirbel und der fünfte Halswirbel,<br />
werden als „Lovett – Brothers“ bezeichnet. (2)<br />
Wie der Name Sacro Occipital Technik (SOT) nahelegt, fand der Chiropraktiker und Osteopath<br />
DeJarnette eine Beziehung zwischen Kreuzbein und Occiput, ebenso zwischen Lendenwirbeln und<br />
Halswirbeln.(3) Er beschrieb, dass eine Beziehung zwischen dem Atlas und dem fünften Lendenwirbel<br />
existiert, zwischen der Axis und dem vierten Lendenwirbel, und im gleichen Schema weiter bis zur<br />
mittleren Brustwirbelregion. Er nannte diese Beziehung R + C Faktoren (R für resistance = Widerstand<br />
und C für contraction = Kontraktion) und fand heraus, dass jeder Wirbel eines solchen Paares den<br />
jeweils anderen beeinflusst.<br />
Im Bereich der Chiropraktik haben diese Konzepte schon lange Anwendung gefunden und sind<br />
weitgehend akzeptiert. Es gibt mehrere Theorien dazu, weshalb es diese Beziehung gibt. Sie variieren<br />
von faszialen und muskulären Abhängigkeiten über die Weiterleitung von Schmerzmustern bis hin zur<br />
Erleichterung tonischer Genickreflexe unter Einbeziehung der intersegmantalen Rückenmarksbahnen.<br />
Offenbar kann aufgrund der „Lovett – Brother“ Beziehung eine Wirkung entweder in Richtung vom<br />
Kopf her abwärts nach caudal, zu den Lendenwirbeln hin, oder aufwärts von den Lendenwirbeln nach<br />
cranial, zu den Halswirbeln hin, stattfinden. Dies würde bedeuten, dass eine Verletzung an einem<br />
Lendenwirbel auch seine cervikale Komponente mitbetrifft, und eine Verletzung an einem Halswirbel<br />
auch den Gegenspieler bei den Lendenwirbeln beeinflusst.<br />
Zu den faszialen Beziehungen<br />
Die Dura mater ist eine harte, faserige Membran. Sie ist die äussere Hülle für das Gehirn und das<br />
Rückenmark. Die Dura ist als Hülle für das Gehirn und das Rückenmark ähnlich beschaffen, und die<br />
beiden Teile sind im Bereich des Foramen magnum miteinander und mit dem Foramen verbunden.<br />
Die Dura mater ist die am weitesten aussen gelegene Umhüllung des zentralen Nervensystems,<br />
jedenfalls innerhalb des Schädels, wo neben der Umhüllung des Großhirns und des Cerebellum die<br />
Dura ausserdem jede Struktur räumlich aufteilt, sie untereinander abgrenzt und die rechte von der
linken Hälfte trennt. Die äussere Schicht der Dura dient als inneres Periost für die Schädelknochen<br />
und geht in den Suturen in das Periost der äusseren Oberfläche der Schädelknochen über, wo sie fest<br />
verankert ist. Die inneren meningealen Schichten haben vier Falten; die Falx cerebri, das Tentorium<br />
cerebelli, die Falx cerebelli und das Diaphragma sellae. Die Dura ist in den verschiedenen Bereichen<br />
des inneren Schädelgewölbes stark verankert, besonders dort, wo die meningealen Schichten mit der<br />
periostalen Schicht in Kontakt kommen. (4-14)<br />
Die craniale Dura haftet an verschiedenen Stellen fest innerhalb des Schädels, am Ring des Atlas,<br />
und verlängert sich noch weiter, da die spinale Dura am Foramen magnum und am zweiten und<br />
dritten Halswirbel stark befestigt ist. Die posterioren cervikalen epiduralen Ligamente verankern die<br />
hintere Dura mater am Ligamentum flavum.(15)<br />
An der atlanto – occipitalen Verbindungsstelle wurde ebenso eine Bindegewebsbrücke zwischen dem<br />
M. Rectus capitis posterior minor und der dorsalen spinalen Dura gefunden. (16) Eine Verbindung<br />
wurde „zwischen dem Ligamentum nuchae und der posterioren cervikalen spinalen Dura beobachtet,<br />
und zwar auf der Höhe des ersten und zweiten Halswirbels, wo das Ligamentum nuchae in der Tiefe<br />
an der Mittellinie zur Dura hin vorbeiführt. Das Ligamentum nuchae geht bilateral auch weiter bis zum<br />
Knochen des Occiput, bis hin zu den Suturen zwischen Occiput und den beiden Schläfenbeinen, die<br />
die inferiore nuchale Linie von oben erreichen.“(17)<br />
Entlang am Spinalkanal wurden im lumbalen Bereich meningovertebrale Ligamente (Hofmannsche<br />
Ligamente) lokalisiert, die vom Zwischenwirbelbereich L5/S1 ausgehen und kopfwärts bis zur Höhe<br />
von T1 verlaufen. In der Lendenwirbelsäule scheinen diese Ligamente weiter verbreitet zu sein, sie<br />
sind aber in der ganzen Länge der Brustwirbelsäule dennoch vorhanden. Es wird theoretisch<br />
vermutet, dass die Befestigungen des Duralsackes am posterioren Anteil des Wirbelkörper und am<br />
posterioren Längsband dazu führen können, dass der Duralsack im Fall einer Discusprotrusion oder<br />
einer Discushernie in Traktion gerät. (18)<br />
Aufgrund dieser duralen, ligamentären und faszialen Verbindungen könnten Zugkräfte an einem von<br />
beiden Enden dieses „duralen Rohres“, das mit dem Sacrum und dem Foramen magnum verbunden<br />
ist, einander reflexartig beeinflussen. Dieses Konzept kann bildlich untermauert werden, indem eine<br />
relativ starre Röhre mit beiden Händen gehalten wird, das eine Ende stabilisiert wird und das andere<br />
Ende gedreht. Die Zugkraft, die an dem gedrehten Ende aufgewendet wird, kann auch an dem<br />
anderen Ende gespürt werden, das stabilisiert wurde.<br />
Der Osteopath Sutherland entwickelte und erforschte Methoden zur Befundung und Behandlung,<br />
indem er die Beziehung zwischen Cranium und Sacrum zugrundelegte. Er beschrieb eine Beziehung<br />
zwischen spinalen und cranialen Meningen und nannte sie daraufhin reziproke intraspinale<br />
Membranen. Diese Beziehung verknüpft die cervikocranialen Aspekte der Dura mit der lumbosacralen<br />
Dura. Sutherland stellte die Theorie auf, „ Die intraspinalen Membranen ermöglichen die Funktion von<br />
Cranium und Sacrum in Harmonie. Daher kann, genau wie das Cranium das Sacrum oder die<br />
Wirbelsäule beeinflussen kann,das Sacrum auch die Wirbelsäule oder das Cranium beeinflussen.“(19)<br />
Muskuläre Beziehungen<br />
Die Mm. multifidi erstrecken sich zwischen C4/5 bis zu S4, mit ihren Insertionsstellen von C2 bis L5,<br />
und weisen eine sehr komplizierte Struktur auf. Dvorak und Dvorak beschreiben die Muskelfunktion<br />
folgendermassen: „Bilaterale Kontraktion hat eine Extension der Wirbelsäule zur Folge, und einseitige<br />
Kontraktion hat eine Rotation der Wirbelsäule zur gegenüberliegenden Seite zur Folge.“ Die Wirkung<br />
dieser Muskeln wird theoretisch darin gesehen, dass sie die distalen Enden der Wirbelsäule betreffen<br />
und wie eine funktionelle und Spondylose erzeugende Einheit wirken.(20) Chronische myofasziale<br />
Kontraktion im Lumbalbereich könnte theoretisch eine starre Halswirbelsäule oder dort eine<br />
Schonhaltung zur Folge haben.<br />
Weitergeleitete Schmerzmuster<br />
Dvorak und Dvorak beschreiben auch einige klinische Experimente und stellen dabei fest, „dass<br />
lokaler und weitergeleiteter Schmerz bei mechanischer oder chemischer Stimulation unterschiedlicher<br />
spinaler oder paraspinaler Strukturen entsteht“(29). „Wenn man hypertonische Salzlösung in die<br />
paravertebrale Muskulatur, Ligamente oder Apophysengelenke injiziert, oder wenn das Periost mit<br />
einer Nadel gekratzt wird, wurde in jedem dieser Fälle entsprechend der segmentalen Innervation<br />
lokaler und weitergeleiteter Schmerz erzeugt.“(20-23)<br />
Bei einem Experiment wurde klar gezeigt, dass eine Stimulation in der Region von L1 den Schmerz<br />
zur glutealen und inguinalen Region weiterleitete, aber auch zu den muskulären Bereichen des M.<br />
supraspinatus, des M. levator scapulae und dem M. deltoideus (anterior und posterior)(22). Da der M.
levator scapulae eine direkte Befestigung an der unteren Halswirbelsäule besitzt, könnte die<br />
chronische Irritation dieses Muskels, ausgelöst durch eine längere Phase einer Irritation der<br />
Lendenwirbelsäule, eine Reizantwort in der Halswirbelsäule ergeben. Ebenso ist es nicht<br />
unrealistisch, eine indirekte Beziehung zwischen dem M. supraspinatus, dem M. deltoideus und der<br />
Halswirbelsäule in die Betrachtung einzubeziehen, was durch eine Schonhaltung von Kopf und<br />
Nacken zur Schmerzvermeidung bei körperlicher Betätigung der oberen Extremitäten ausgelöst<br />
werden kann.<br />
Erleichterung tonischer Genickreflexe unter Einbeziehung intersegmentaler spinaler Bahnen<br />
Nansel, Waldorf & Cooperstein machten den Versuch, „zu bestimmen, ob Justierungen der<br />
Wirbelsäule an den oberen oder an den unteren Halswirbeln eine Veränderung der Aktivität der<br />
paraspinalen Muskulatur im Lumbalbereich durch tonische Genickreflexänderungen herbeiführen<br />
kann.“(24) Sie stellten fest, dass „ Justierungen der unteren Halswirbel Verbesserungen am Zustand<br />
des Gewebes (Nachlassen der Muskelspannung) mit hoher Signifikanz(p
Zukünftige Studien müssen arthritische Veränderungen (33) in den Bereichen der Halswirbel und der<br />
Lendenwirbel evaluieren und zeigen, ob diese Lovett – Brother Beziehung in allen Fällen stabil bleibt.<br />
Die Voraussetzung wäre, dass eine chronische Überlastung oder ein Trauma an einem Teil der<br />
Wirbelsäule sich in dem jeweiligen Gegenspieler wieder findet. Da die Lovett – Brother Methodologie<br />
in zahlreiche Aspekte chiropraktischer Techniken und Behandlungsformen integriert ist, ist eine<br />
Menge weiterer Forschung und die Entdeckung klinischer Zusammenhänge notwendig.<br />
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