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KW 38/2013 - Althengstett

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4<br />

Nummer<br />

<strong>38</strong><br />

Freitag, 20. September <strong>2013</strong><br />

Amtsblatt<br />

<strong>Althengstett</strong><br />

Zu unserer Motivation:<br />

Im Oktober 2009 wurde zur Erinnerung an die<br />

Beschlagnahme von Grafeneck „für Zwecke des<br />

Reiches“ durch Behindertenverbände und Diakonie<br />

eine lila Spur von Grafeneck nach Stuttgart gezogen.<br />

Dies ging durch die Presse. In dieser Zeit<br />

kamen auch im Fernsehen Informationen und Filme<br />

zum Thema Euthanasie.<br />

Dies war der Auslöser, dass die Euthanasie im 3.<br />

Reich zum Thema in unserer Familie wurde, zumal<br />

unser Sohn Tobias selbst eine Körperbehinderung<br />

hat.<br />

Durch meine Schwiegermutter (eine Ottenbronnerin)<br />

wusste ich schon länger vom Schicksal der Familie<br />

Großhans, deren Haus wir nach dem Tod von Frau<br />

Berta Großhans 1983 gekauft haben.<br />

Es hat uns sehr betroffen gemacht, dass Helmut<br />

Großhans das Lebensrecht abgesprochen wurde<br />

und Tobias heute als glücklicher junger Mann leben<br />

darf. Ob man leben darf, hing davon ab, zur falschen bzw. richtigen Zeit geboren zu werden.<br />

Wir machten uns auf Spurensuche, befragten die Familie, besuchten die Gedenkstätte in Grafeneck, setzten uns mit<br />

der Diakonie Stetten in Verbindung. Wir erhielten Hilfe vom Standesamt <strong>Althengstett</strong> und Calw sowie dem Pfarramt<br />

Neuhengstett.<br />

Leider können wir am Schicksal von Helmut Großhans und seiner Familie nichts ändern, aber mit dem Stolperstein<br />

können wir an ihn erinnern und gleichzeitig mahnen, dass es uns nicht zusteht über Leben zu entscheiden.<br />

„Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden.<br />

Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl<br />

haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen<br />

Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt,<br />

nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“<br />

Aus dem Stuttgarter Schuldbekenntnis der deutschen evangelischen Kirche am 09.10.1945, verlesen von Pfarrer<br />

Wachlin.<br />

Ansprache von Bürgermeister Dr. Götz<br />

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,<br />

für unseren ehemaligen Mitbürger Helmut Großhans wird heute ein Erinnerungsstein gesetzt. Viele Menschen, die vor<br />

über 70 Jahren gelebt haben und gestorben sind, sind heute vergessen. An die Namen der damaligen Bürgermeister,<br />

Pfarrer, Ärzte und Lehrer aus Ottenbronn erinnert kein öffentlicher Gedenkstein, an Helmut Großhans wird erinnert.<br />

Im Namen des Staates wurde 1940 Leben und Ehre geraubt. Im Namen des Staates können wir kein Leben, aber<br />

doch Ehre am heutigen Tag zurückgeben.<br />

Ich möchte Ihnen einen Einblick in meine persönliche Gefühlslage geben in der Hoffnung, dass Sie sich darin zumindest<br />

zum Teil wiedererkennen.<br />

1. Traurigkeit<br />

Am Gedenkstein für einen ermordeten 13-jährigen Bub, der nur deshalb sterben musste, weil er nicht genau gleich<br />

wie die anderen war, kann einen nur Traurigkeit überfallen. Warum durfte er nicht leben? Was trieb die Machthaber<br />

dazu, einem Menschen, gar einem Kind und Jugendlichen einfach das Leben zu nehmen?<br />

2. Erleichterung<br />

Wie bin ich froh und dankbar, dass wir in einem Land und in einer Gesellschaftsordnung leben, wo Vielfalt, Andersartigkeit<br />

und Behinderung zugelassen sind. Das ist nicht das Paradies, das ist nicht die beste aller möglichen Welten,<br />

aber ich empfinde es als Glück, dass unser Grundgesetz so beginnt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie<br />

zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.<br />

3. Schuld<br />

Vor diesem Stein empfinde ich Schuld. Warum eigentlich? 1940 war ich noch lange nicht geboren; ich habe mit<br />

dieser Zeit nichts zu schaffen. Mein Schuldgefühl kommt wohl daher, dass ich tief im Inneren spüre, dass hier gewissermaßen<br />

„Abels Blut“ schreit. (…)<br />

Darum ist dieser Stein nicht einfach ein Gedenkstein, er ist auch ein Stolperstein. Er erinnert uns, er mahnt uns, er<br />

fordert von uns, sich immer wieder der Frage zu stellen: Gebe ich mein Bestes, damit wir eine Gesellschaft sind,<br />

wo alle Menschen in Würde leben können.<br />

Mein besonderer Dank gilt heute der Familie Weber für ihre Initiative. Danken möchte ich auch Herr Demnig für sein<br />

Wirken. Ein weiterer Dank gilt der evangelischen Kirchengemeinde, die diese Aktion unterstützt, sowie den Anwesenden,<br />

die Sie hier durch Ihr persönliches Erscheinen die breite Ehrung für Helmut Großhans zum Ausdruck bringen.

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