Erfahrungen mit dem Abendmahl - Seelscheid.de

Vor Gott ein Einzelner
Allein der Anblick des festlich geschmückten, stilvollen
Abendmahlstisches erweckt in mir Freude. Ich nehme bewusst
die gesungenen liturgischen Stücke in mich auf und
ich reihe mich gern ein in den Gang zum Abendmahl. In
Gnadenthal gibt es die Wandelkommunion. Jeder kann
seinen Schritt nach vorne gehen, zügig aber nicht eilig. Ich
kann für einen Augenblick verweilen und werde als Einzelner
wahrgenommen.
Das ist in dieser Form das Wesentliche: Ich bin vor Gott
ein Einzelner. Ich bin nicht nur Teil einer Gemeinschaft. Vor
Gott bin ich unvertretbar der eine Mensch mit meinem Namen.
Und doch habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Einzelkelch.
Für mich ist der Kelch der Gemeinschaft, aus dem
alle trinken, ein starkes Symbol: Wir gehören zusammen.
Aber erzwingen sollte man hier nichts. Die Rücksicht auf
die Gewohnheiten in einer Gemeinde und der Hinweis auf
Ängste vor Ansteckung und das Hygienebewusstsein mahnen
zur Nachsicht und Gelassenheit.
Getaufte Kinder sind zugelassen
Überhaupt haben die Abendmahlsfeiern in der eigenen Gemeinde
mein Verständnis weiter vertieft. Es sind die vertrauten
Gesichter, das Wissen um die Lebensschicksale derer,
die da zum Tisch des Herrn kommen, die mich jedesmal
tief anrühren. Auch das gehört dazu, dass der Ablauf gleich
bleibt, dass keine wilden Experimente gemacht werden, dass
es eine gelassene Sicherheit in der Form gibt. So kann sich
der Glaube beheimaten.
In den letzten Jahren habe ich dazugelernt. Mitgebrachte
Kinder zu segnen oder auch nach einem Gespräch mit den
Eltern am Abendmahl teilnehmen zu lassen, gehört in Seelscheid
mittlerweile zum Normalfall. Auf Konfirmandenfreizeiten
das Abendmahl zum Thema machen und gemeinsam
vorbereiten und die Jugendlichen dann auch sonntags zum
Abendmahl einzuladen, all das dient dem Verständnis im
Vollzug und ermöglicht eine positive Gewöhnung.
Immer wichtiger ist mir der Friedensgruß geworden. Der
Friede, der vom Tisch des Herrn ausgeht, will uns aufeinander
zubewegen, dass wir einander anschauen und die Hände
reichen. So erkennen wir uns als Glieder an dem einen Leib
Christi. Der Friedensgruß verbindet mich mit Menschen und
hat mich schon manchen inneren Vorbehalt überwinden lassen.
Der Auferstandene ist allgegenwärtig
Vielleicht hat sich schon manch einer gefragt, warum ich bei
den Einsetzungsworten „Das ist mein Leib; das ist mein Blut“
ein Kreuzzeichen über Brot und Wein mache. Das Kreuzzeichen
ist keine Zauberhandlung, dadurch verwandeln wir
nicht Brot und Wein in Leib und Blut Christi, wie es die katholische
Kirche deutet, sondern wir machen damit deutlich,
dass wir in diesen beiden Elementen Christus selbst empfangen.
Er ist uns als Auferstandener gegenwärtig. Er hat es so
versprochen. Wie, das bleibt sein Geheimnis. Nach der Feier
ist Brot und Wein wieder Brot und Wein. Dennoch bemühen
wir uns um einen sorgfältigen und würdigen Umgang mit
den Abendmahlselementen. Das Brot legen wir zurück in die
kostbare Silberdose, den Wein, die Frucht der Erde, trinken
wir später aus oder gießen ihn zurück in Gottes Erde.
Stärkung in der Schwachheit
Besonders eindrücklich sind mir die Erfahrungen des Krankenabendmahls
geworden. In Zeiten der Schwäche und der
Angst ist vielen das Abendmahl zur eigenen Stärkung des
Glaubens und zur Spendung des Trostes geworden. Das hat
mit einem Sterbesakrament nichts zu tun, im Gegenteil ist
das Abendmahl eine Hilfe zum Leben. Schwäche, Schmerzen
und Not können viel besser angenommen werden, wenn
die Nähe und die Liebe Gottes so handfest erfahren, ja geschmeckt
werden.
Diese Erfahrungen haben mir den Blick geweitet, den
Blick für die Kraft, die in dieser Feier liegt, für die Freude,
die aus dem Empfangen wächst und für die Zusammengehörigkeit
mit den anderen, mit denen ich zusammen am Tisch
des Herrn sein darf. Ja, Ich feiere gerne Abendmahl. Deshalb
bin ich froh darüber, dass wir heute in unserer Gemeinde
häufiger als früher zum Abendmahl einladen können. Es ist
ein guter Grund, aus dem Glauben wachsen kann.
Carsten Schleef
Bote 3/2010
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