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Protokoll zur Sitzung vom 19.1.2010 Variation in der ...

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<strong>Protokoll</strong> <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> <strong>19.1.2010</strong><br />

<strong>Protokoll</strong> <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> <strong>19.1.2010</strong><br />

<strong>Protokoll</strong>anten/<strong>in</strong>nen: Judith Möller, Christ<strong>in</strong>e Schlätker,<br />

Thema: Adjektivische Flexion von Pronom<strong>in</strong>a dieses vs. diesen und jedes vs. jeden<br />

Textgrundlage: Oliver Stenschke (2007): „Ende diesen Jahres“: Die Flexionsvarianten von<br />

Demonstrativpronom<strong>in</strong>a als e<strong>in</strong> Beispiel für Degrammatikalisierung<br />

Nachtrag <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> 12.1.10:<br />

• Die Korpusrecherche am 12.01.10 wurde anhand von drei Variablen durchgeführt. Die erste Variable waren<br />

die drei Präpositionen trotz, wegen und voll. Die zweite Variable war die Struktur <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alphrasen. Die<br />

Präpositionen trotz und wegen wurden zum e<strong>in</strong>en mit e<strong>in</strong>em Determ<strong>in</strong>ierer [Det] und e<strong>in</strong>em Substantiv [N],<br />

zum an<strong>der</strong>en nur mit e<strong>in</strong>em Substantiv komb<strong>in</strong>iert. Voll wurde e<strong>in</strong>erseits mit e<strong>in</strong>em Adjektiv [Adj] und e<strong>in</strong>em<br />

Substantiv und an<strong>der</strong>erseits nur mit e<strong>in</strong>em Substantiv komb<strong>in</strong>iert. Die dritte zu beachtende Variable war <strong>der</strong><br />

Numerus. Jede Zusammenstellung von e<strong>in</strong>er Präposition und e<strong>in</strong>er Nom<strong>in</strong>alphrase wurde jeweils im S<strong>in</strong>gular<br />

[Sg] und im Plural [Pl] analysiert. Ziel <strong>der</strong> Korpusrecherche war herauszuf<strong>in</strong>den, wie oft das <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nom<strong>in</strong>alphrase stehende Substantiv im Dativ bzw. im Genitiv steht.<br />

Analyse <strong>der</strong> Ergebnisse:<br />

• Wie ist <strong>der</strong> Kontrast zwischen Det + N (Pl.) (Ergebnis: Dat:0%; Gen:100%) und N (Pl.) (Ergebnis: Dat:90%;<br />

Gen:10%) bei <strong>der</strong> Präposition trotz zu erklären?<br />

• Die beobachtete <strong>Variation</strong> lässt auf das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Monoflexion <strong>zur</strong>ückführen. Es besteht offensichtlich die<br />

Tendenz, den Kasus <strong>in</strong> <strong>der</strong> NP genau e<strong>in</strong>mal zu markieren. Gegen Nullmarkierungen bzw.<br />

Doppelmarkierungen sche<strong>in</strong>t h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e Abneigung zu bestehen<br />

• Warum f<strong>in</strong>den wir wegen + [N Dat ] im Sprachgebrauch weniger häufig als trotz + [N Dat ]?<br />

(Beispiel: wegen Schneefall Dat ; trotz Schneefall Dat )<br />

• Diese <strong>Variation</strong> lässt sich möglicherweise sprachhistorisch erklären. Da trotz im Unterscheid zu wegen<br />

ursprünglich den Dativ regiert hat, kann <strong>der</strong> häufigere Dativ nach dieser Präposition als ‚Reste‘ <strong>der</strong> ‚alten‘<br />

Rektion <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />

• Warum verhält sich die Präposition voll im S<strong>in</strong>gular an<strong>der</strong>s als trotz und wegen?<br />

(Ergebnis: Im S<strong>in</strong>gular: Tendenz zum Dativ; Im Plural: Tendenz zum Genitiv)<br />

Beispiele:<br />

1. See voll dreckigem Wasser (häufiger) vs. Trotz/Wegen dem Wetter (seltener)<br />

2. See voll dreckigen Wassers (seltener) vs. Trotz/Wegen des Wetters (häufiger)<br />

<strong>Variation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alphrasenflexion WS 2009/10 Dr. Said Sahel


<strong>Protokoll</strong> <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> <strong>19.1.2010</strong><br />

• Der häufige Dativ nach voll im S<strong>in</strong>gular im Unterschied zu trotz bzw. wegen lässt kann darauf <strong>zur</strong>ückgeführt<br />

werden, dass wegen und trotz im Unterschied zu voll ‚Prestige-Präpositionen‘ , bei denen <strong>der</strong> Gerbrauch<br />

des Dativs – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schriftsprache – durch die Sprachnorm ‚sanktioniert‘ ist<br />

• Der häufigere Gebrauch des Dativs nach voll spiegelt die oben erwähnte Präferenz für genau e<strong>in</strong>e<br />

Markierung wi<strong>der</strong>.<br />

Ausgangsfragen <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> 19.1.10:<br />

1. Was ist son<strong>der</strong>bar an im Mai diesen/ jeden Jahres?<br />

2. Warum ist die Variante diesen/ jeden möglich?<br />

3. Ist die <strong>Variation</strong> völlig frei?<br />

4. Wird sich die Flexionsvariante diesen/jeden durchsetzen?<br />

• Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Flexion des Demonstrationspronomens fällt auch, dass die Form diesen im Gen.<br />

Sg. Mask./Neutr. im Paradigma für Demonstrativpronom<strong>in</strong>a nicht auftritt<br />

Er<strong>in</strong>nerung an zwei Regeln:<br />

1. Artikelwörter haben starke Endungen, wenn sie Hauptmerkmalsträger s<strong>in</strong>d, sonst tragen sie ke<strong>in</strong>e<br />

Endung.<br />

2. Adjektive haben starke Endungen, wenn sie Hauptmerkmalsträger s<strong>in</strong>d, sonst tragen sie e<strong>in</strong>e schwache<br />

Endung.<br />

• Das Pronomen diesen verhält sich <strong>in</strong> (4) wie e<strong>in</strong> Adjektiv, <strong>in</strong>dem es e<strong>in</strong>e schwache Endung trägt:<br />

3. im Mai dieses Jahres<br />

4. im Mai diesen Jahres<br />

In (3) wird dieses als Pronomen verwendet<br />

In (4) ist diesen als Adjektiv zu <strong>in</strong>terpretieren<br />

Analogiebildung:<br />

5. im Mai vergangenen Jahres<br />

6. im Mai diesen Jahres<br />

7. im Mai jeden Jahres<br />

• Beim Vergleich <strong>der</strong> starken Adjektivflexion und <strong>der</strong> Flexion des Demonstrativpronomens fällt auf, dass<br />

sie bis auf den Genitiv identisch s<strong>in</strong>d<br />

• Die starke Adjektivflexion hat im Genitiv e<strong>in</strong>e schwache Endung –en, die Flexion des<br />

Demonstrativpronomens dagegen e<strong>in</strong>e starke Endung –es<br />

<strong>Variation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alphrasenflexion WS 2009/10 Dr. Said Sahel


<strong>Protokoll</strong> <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> <strong>19.1.2010</strong><br />

Regel:<br />

„Wenn dem Adjektiv e<strong>in</strong> Artikelwort mit Flexionsendung vorangeht, wird das Adjektiv schwach flektiert, sonst<br />

stark“ (Duden Grammatik 2005; 368)<br />

„im Mai vergangenen Jahres“ vs. „im Mai vergangenes Jahres“<br />

• Diese Konstruktion ersche<strong>in</strong>t als e<strong>in</strong>e Abweichung von <strong>der</strong> Regel, es gibt ke<strong>in</strong>en Artikel, aber dennoch<br />

hat das Adjektiv e<strong>in</strong>e schwache Endung<br />

• Gibt es Adjektive mit <strong>der</strong> starken Endung –es?<br />

„die Erwartungen manches/ manchen Schülers<br />

Entscheidung für manchen Schülers<br />

„die Erwartung manches/ manchen Studenten“<br />

die Entscheidung fällt auf manches Studenten<br />

• Es gibt e<strong>in</strong>en ‚Bedarf‘ nach e<strong>in</strong>er starken Endung e<strong>in</strong>es Adjektivs<br />

• Die Regel besagt, dass e<strong>in</strong> starkes Flexiv bei dem nachfolgenden Adjektiv e<strong>in</strong>e schwache Endung auslöst<br />

• Diese Regel funktioniert auch <strong>in</strong> die an<strong>der</strong>e Richtung<br />

„die Erwartung manchen Schülers“ die starke Endung von Schülers löst die schwache Endung bei<br />

manchen aus<br />

• Nicht nur <strong>der</strong> Determ<strong>in</strong>ierer bee<strong>in</strong>flusst die Flexion des Adjektivs, son<strong>der</strong>n auch das Substantiv<br />

• Dies ist möglich, da Adjektive zwei Flexionstypen haben; sie können sowohl stark als auch schwach<br />

flektiert werden<br />

• Bis <strong>in</strong>s 17.Jh. h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> bestand e<strong>in</strong>e flexivische <strong>Variation</strong> von –es und –en <strong>in</strong> <strong>der</strong> starken Adjektivflexion des<br />

Gen Sg Mask/ Neutr<br />

„im Mai vergangenen/ vergangenes Jahres“<br />

• Im 18. Jh. hat sich die Variante –en durchgesetzt<br />

dies ist auf das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Monoflexion <strong>zur</strong>ückzuführen<br />

Formale Bed<strong>in</strong>gungen für die <strong>Variation</strong> von –es und –en bei Pronom<strong>in</strong>a:<br />

• Bed<strong>in</strong>gung 1: Das Pronomen ist zweisilbig<br />

• Bed<strong>in</strong>gung 2: Das folgende Substantiv trägt e<strong>in</strong> Genitiv-s<br />

In welchem Kontext wird diesen verwendet?<br />

• Immer <strong>in</strong> Zeitangaben<br />

• Im S<strong>in</strong>ne von „im laufenden Jahr“<br />

• Die Verwendung ist damit attributiv, nicht demonstrativ<br />

diesen kann also nur verwendet werden, wenn es e<strong>in</strong>e attributive Funktion übernimmt<br />

die <strong>Variation</strong> ist also nicht völlig frei<br />

<strong>Variation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alphrasenflexion WS 2009/10 Dr. Said Sahel


<strong>Protokoll</strong> <strong>zur</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>vom</strong> <strong>19.1.2010</strong><br />

Welche Entwicklung ist weiter fortgeschritten diesen o<strong>der</strong> jeden?<br />

• diesen vs. dieses: Vorkommen im Korpus „Berl<strong>in</strong>er Tagesspiegel“ 20% - 80%<br />

• Jeden vs jedes: Vorkommen im Korpus „Berl<strong>in</strong>er Tagesspiegel“ 50% - 50%<br />

• diesen wird meist mit Zeitangaben verwendet, während jeden auch ohne Zeitangabe vorkommt<br />

• Die Entwicklung ist bei jeden/jedes weiterfortgeschritten<br />

• Oft aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Artikel<br />

„e<strong>in</strong>es jeden Jahres“<br />

die schwache Flexion ist regulär<br />

jeden nimmt die Position des Adjektivs e<strong>in</strong><br />

• Aufgrund solcher Konstruktionen kann es se<strong>in</strong>, dass jeden öfter als Adjektiv analysiert wird<br />

• diesen kann dagegen nie die Position e<strong>in</strong>es Adjektivs e<strong>in</strong>nehmen, da ke<strong>in</strong> Artikel vorangestellt werden<br />

kann<br />

• Die Verwendung von diesen kommt durch Analogiebildung zustande, dies würde dem angeführten<br />

Funktionsunterschied bei Stenschke wi<strong>der</strong>spreche<br />

Ergebnisse: Korpusrecherche diesen Jahres<br />

<strong>Variation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alphrasenflexion WS 2009/10<br />

Dr. Said Sahel

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