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Museumszeitung, Ausgabe 45 vom 12. März 2013

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museumszeitung<br />

Germanisches Nationalmuseum | Neues Museum in Nürnberg | Museen der Stadt Nürnberg | Fränkisches Freilandmuseum | DB Museum Nürnberg | Museum für Kommunikation Nürnberg<br />

01/<strong>2013</strong><br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>45</strong><br />

<strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong> –<br />

10. Juni <strong>2013</strong><br />

Ein leidenschaftlicher Journalist<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in der ersten <strong>Ausgabe</strong> der <strong>Museumszeitung</strong> 2002 war zu<br />

lesen, dass es sich bei diesem Produkt um ein „Gemeinschaftswerk<br />

großer Nürnberger Museen und des Freilandmuseums<br />

Bad Windsheim“ handle. Das stimmt bis heute.<br />

Nicht zu lesen war damals, dass der verantwortliche Redakteur<br />

Walter Schatz maßgeblich dazu beigetragen hat,<br />

dass diese Zeitung überhaupt das Licht der Medienwelt erblicken<br />

konnte und sich mehr als zehn Jahre danach großer<br />

Zustimmung erfreut. Nun ist dieser „Vater“ der <strong>Museumszeitung</strong><br />

nicht mehr in dieser Welt. Am 11. Dezember 2012<br />

ist er im Alter von 80 Jahren gestorben. Bis ins vergangene<br />

Jahr hinein hat Walter Schatz die <strong>Museumszeitung</strong> federführend<br />

betreut. Noch <strong>vom</strong> Krankenbett aus hat er sich darum<br />

gesorgt, dass sein „Zeitungskind“ in eine gedeihliche<br />

Zukunft geführt wird und Gabi Pfeiffer als Chefredakteurin<br />

vorgeschlagen.<br />

Walter Schatz war Nürnberger von Geburt und aus Überzeugung.<br />

Als Journalist hat er wie kein Zweiter die Geschicke<br />

seiner Geburts- und Heimatstadt Nürnberg über fast<br />

sechs Jahrzehnte begleitet. Er war der Doyen des Nürnberger<br />

Lokaljournalismus und hat mit seinem publizistischen<br />

und gesellschaftlichen Wirken die politische Kultur der<br />

Stadt mitbestimmt. Nach dem Studium der Neueren Geschichte,<br />

Germanistik, Philosophie und Zeitungswissenschaften<br />

hatte er seine berufliche Tätigkeit 1954 als Redakteur<br />

in der Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten<br />

begonnen. Von 1969 bis 1978 leitete er das Presseamt der<br />

Stadt Nürnberg, ehe er als Lokalchef zur NN zurückkehrte.<br />

Die Berichterstattung über die Kommunalpolitik bildete<br />

den Schwerpunkt seiner Arbeit.<br />

Sein Beruf war ihm Berufung. Verwurzelt in verschiedenen<br />

gesellschaftlichen Gruppen, verfügte er über ein dichtes<br />

Netzwerk. Verantwortlich hat er bei der Herausgabe einer<br />

Reihe von Sonderdrucken der Nürnberger Nachrichten<br />

zu bedeutenden Themen der jüngeren Stadtgeschichte<br />

mitgewirkt. Ein besonderes Anliegen war ihm die Auseinandersetzung<br />

mit der NS-Zeit, er gehörte zu den Mitgründern<br />

der Bürgerbewegung für Menschenwürde in Mittelfranken.<br />

Abschrift der Hausbücher der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung,<br />

Darstellung eines Neberschmieds, Nürnberg, 19. Jahrhundert,<br />

Germanisches Nationalmuseum<br />

Nach dem Ausscheiden als Lokalchef und stellvertretender<br />

Chefredakteur 1999 war Schatz bis zuletzt als Sonderbeauftragter<br />

von Bruno Schnell, dem Herausgeber und<br />

Verleger der Nürnberger Nachrichten, tätig. Neben der<br />

<strong>Museumszeitung</strong> verantwortete er famos, das Familienmagazin.<br />

Sich auch im vorgerückten Alter neuen Aufgaben<br />

zu stellen und weiter neugierig zu sein, gehörte zu seinen<br />

Eigenschaften.<br />

Von seiner Erfahrung und seinem Wissen hat auch die<br />

<strong>Museumszeitung</strong> profitiert. Walter Schatz hat dieses Blatt<br />

in sichere Bahnen geführt. Es ist ihm damit gelungen, die<br />

Vielfalt und den Reichtum der hiesigen Museumslandschaft<br />

zu präsentieren und im Bewusstsein der Bürgerinnen<br />

und Bürger zu verankern. Die <strong>Museumszeitung</strong> und<br />

die beteiligten Kulturinstitutionen haben ihm viel zu verdanken.<br />

Wir werden ihn vermissen.<br />

Die Redaktion und die Herausgeber


02<br />

DB Museum<br />

Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Der Märchenkönig und die Technik<br />

Die Wanderausstellung „Götterdämmerung“ über König Ludwig II. gastiert im DB Museum<br />

Nach dem Ende der<br />

bayerischen Monarchie<br />

1918 kam der Salonwagen<br />

von Ludwig II. ins<br />

Museum nach Nürnberg.<br />

Foto: DB Museum<br />

König Ludwig II. zählt<br />

zu den schillerndsten Persönlichkeiten<br />

der deutschen Geschichte.<br />

Die berühmten Schlösser des „Märchenkönigs“ gelten<br />

wahlweise als außergewöhnliche Kunstbauten<br />

oder als Beweis der Selbstüberschätzung und Weltferne<br />

des Monarchen. Auch die beiden prunkvollen<br />

Salonwagen aus dem Hofzug Ludwigs, die im DB<br />

Museum Nürnberg zu sehen sind, vereinen scheinbar<br />

Gegensätzliches: Kunst und Technik, historische<br />

Form und moderne Funktion. Der geschichtliche<br />

Kontext, in dem die beiden Exponate entstanden<br />

sind, wird ab Mai <strong>2013</strong> durch die Wanderausstellung<br />

„Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine<br />

Zeit“ näher beleuchtet.<br />

Die Ausstellung ist eine komprimierte Version<br />

der gleichnamigen Landesausstellung, die das Haus<br />

der Bayerischen Geschichte 2011 im Schloss Herrenchiemsee<br />

präsentierte. Mit 575.000 Besuchern<br />

war sie die bislang erfolgreichste kulturhistorische<br />

Ausstellung im wiedervereinigten Deutschland. Die<br />

Wanderversion war bereits in Bad Kissingen, Ingolstadt<br />

und Amberg zu sehen. Im Rahmen des Jubiläumsjahres<br />

zum 200. Geburtstag des Komponisten<br />

und Ludwig-Freundes Richard Wagner macht sie<br />

nun Station in Nürnberg, wo sie durch Exponate des<br />

DB Museums ergänzt wird.<br />

In Anlehnung an den Aufbau des klassischen Dramas<br />

erzählt die Schau in fünf Akten die Geschichte<br />

Ludwigs II. und seiner Regierungszeit. Der erste<br />

Akt beschreibt, wie Ludwig König wurde – seine<br />

Bildung und Erziehung, den<br />

plötzlichen Tod des Vaters und die<br />

neue Rolle als Thronfolger. Der zweite Akt<br />

ist den schicksalhaften Jahren zwischen 1866<br />

und 1871 gewidmet, als Bayern Teil des neu gegründeten<br />

Deutschen Reiches wurde. Von der Realität<br />

seines von Industrie und Imperialismus geprägten<br />

Zeitalters enttäuscht, schuf Ludwig Gegenwelten,<br />

die die Vergangenheit beschworen und ein idealisiertes<br />

Königtum entwarfen. Die Gegenwelten und<br />

hier vor allem die Schlossbauten sind Thema des<br />

dritten Aktes. Während Neuschwanstein das christliche<br />

Königtum des Mittelalters verherrlichte, war<br />

Herrenchiemsee – das neue Versailles - eine Reverenz<br />

an das absolutistische Königtum Ludwig XIV.<br />

von Frankreich.<br />

Der vierte Akt der Ausstellung erzählt, wie das<br />

Königreich zur gleichen Zeit modern wurde. Während<br />

der Regentschaft Ludwig II. schritt die Industrialisierung<br />

im agrarisch geprägten Bayern weiter<br />

voran. Vor allem auf den Gebieten der Chemie und<br />

Elektrotechnik stand das Land in dieser Zeit an der<br />

Spitze des industriellen Fortschritts. Die Gegensätze<br />

im Land entsprachen ein wenig denen des Monarchen,<br />

der sich neben der Vergangenheit auch stets<br />

für die moderne Technik begeisterte. Seine Lebensgeschichte<br />

nahm jedoch bekanntlich ein unglückliches<br />

Ende. Wie Ludwig starb und wie er anschließend<br />

zum Mythos wurde, zeigt der fünfte und letzte<br />

Akt der Ausstellung.<br />

Dramaturgisch gesehen gehören die beiden<br />

Hofzugwagen zweifelsohne in den dritten Akt. Die<br />

Wagen zählen zu Ludwigs frühen Bauprojekten:<br />

Den Bau des offenen Terrassenwagens gab er bereits<br />

1865 – ein Jahr nach seinem Amtsantritt – in<br />

Auftrag. Den Salonwagen, den Ludwig von seinem<br />

Vater Maximilian geerbt hatte, ließ er in den Jahren<br />

1868 bis 1870 prunkvoll umbauen. Die künstlerische<br />

Gestaltung lehnt sich an den französischen Barockstil<br />

aus der Zeit Ludwigs XIV. an und wurde von dem<br />

jungen König persönlich vorgegeben. Wie bei seinen<br />

Schlossbauten setzte er mit seinem Salonwagen<br />

Wie ein Popstar des 19. Jahrhunderts: Das Krönungsporträt des jungen Königs Ludwig II., gemalt von<br />

Ferdinand v. Piloty. Bild: HdBG<br />

dem berühmten Herrscher der Franzosen ein Denkmal.<br />

Er inszenierte darin die aus seiner Sicht heile<br />

Welt des Absolutismus, in der Könige nicht nur Marionetten,<br />

sondern wahre Herrscher waren – eine<br />

Traumwelt auf Rädern.<br />

Der praktische Nutzen seines Hofzugs war für<br />

Ludwig ebenso wie bei seinen Schlössern zweitrangig.<br />

Soweit bekannt, ging der zunehmend die<br />

Öffentlichkeit scheuende Monarch mit ihnen nur<br />

selten auf Reisen, sondern bevorzugte einen unauffälligen<br />

Zug. Dabei entsprachen die königlichen<br />

Gefährte bei allen Barockdekor dem neuesten Stand<br />

der damaligen Technik: Der Salonwagen besaß bereits<br />

eine Dampfheizung sowie ein Toiletten- und<br />

ein Waschabteil. Beide Wagen wurden von der<br />

Nürnberger Firma Klett & Co. hergestellt, die in<br />

dieser Zeit wichtigster Lieferant von Eisenbahnfahrzeugen<br />

für den bayerischen Hof war. Der Aufstieg<br />

des Unternehmens, aus dem 1898 nach der Fusion<br />

mit der Maschinenfabrik Augsburg die MAN hervorging,<br />

gehört zu den Erfolgsgeschichten auf dem Weg<br />

Bayerns in die Moderne.<br />

Die Ausstellung „Götterdämmerung“ eröffnet<br />

viele neue Perspektiven auf die Eisenbahn-Exponate<br />

und auf das Leben Ludwigs II. Sie hält neben<br />

eindrucksvollen großformatigen Bildern zahlreiche<br />

Medienstationen bereit. In faszinierenden 3D-<br />

Animationen erwachen die Bauprojekte Ludwigs<br />

zu neuem Leben, darunter auch solche, die nicht<br />

verwirklicht wurden, wie eine fliegende Gondel in<br />

Pfauenform, mit welcher der König über den Alpsee<br />

schweben wollte.<br />

Die Ausstellung „Götterdämmerung. König Ludwig<br />

II. und seine Zeit“ ist <strong>vom</strong> 17. Mai bis 7. Juli <strong>2013</strong> im<br />

DB Museum zu sehen; zu der Ausstellung gibt es ein<br />

Begleitprogramm mit Sonderführungen und Sonderveranstaltungen;<br />

weitere Informationen unter<br />

www.dbmuseum.de.<br />

Ursula Bartelsheim<br />

Termine<br />

Ausstellung<br />

Götterdämmerung<br />

Bayerische Landesausstellung zu Ludwig II.<br />

Fr, 17.5. – So, 7.7. <strong>2013</strong><br />

Sonderführungen<br />

„Ludwig II. und Richard Wagner“<br />

Di, 21. – Sa, 25.5. <strong>2013</strong>, 10.30 Uhr<br />

Veranstaltungen und Events<br />

Rückkehr zweier historischer Lokomotiven<br />

Osterfest<br />

Viele Attraktionen für die ganze Familie<br />

Mo, 1.4.<strong>2013</strong>, 10–13 Uhr<br />

Die Loks 50 622 (oben)<br />

und V 80 005 (rechts)<br />

stehen frisch lackiert<br />

im Dampflokwerk<br />

Meiningen<br />

Fotos: DB Museum<br />

Die im Jahr 2012 <strong>vom</strong> DB Museum Nürnberg zur<br />

Restaurierung beim DB Ausbesserungswerk Meiningen<br />

in Auftrag gegebenen Lokomotiven V 80 005<br />

und 50 622 stehen kurz vor ihrer Fertigstellung.<br />

Die Lokomotive V 80 005 wurde im Jahr 2007<br />

als Ersatz für die beim Depotbrand in Nürnberg-<br />

Gostenhof beschädigte V 80 002 aus Italien zurückgekauft.<br />

Der Lokomotive sah man den langjährigen<br />

Einsatz im Bauzugdienst deutlich an – sie bedurfte<br />

dringend einer Restaurierung. Entstanden ist das<br />

Fahrzeug im Rahmen eines Beschaffungsprogramms<br />

für Dieseltriebfahrzeuge, das die Deutsche<br />

Bundesbahn 1949 aufstellte. Darin war auch eine<br />

mittelschwere Diesellokomotive enthalten, die für<br />

den Einsatz im leichten bis mittelschweren Dienst<br />

auf Haupt- und Nebenbahnen aber auch im Rangierdienst<br />

eingesetzt werden sollte. Die Leistung<br />

war auf 800 PS veranschlagt – daher rührt die Bezeichnung<br />

„V 80“, wobei „V“ für „Verbrennungsantrieb“<br />

steht. Noch bevor der Bau der Lok begann,<br />

gelang es der Motorenindustrie, den vorgesehenen<br />

800-PS-Motor ohne große Änderung auf 1000 PS<br />

Leistung zu steigern, der schließlich auch eingebaut<br />

wurde.<br />

Nach Anlieferung der ersten Lokomotiven wurden<br />

diese eingehend erprobt. Hierbei erwies sich<br />

die Leistung der Lokomotive für den Einsatz im<br />

Streckendienst als zu gering; für eine Rangierlok<br />

war die Konstruktion jedoch zu aufwendig. Dies<br />

führte dazu, dass die Idee einer Universaldiesellok,<br />

die alles konnte, verworfen wurde. Die Bundesbahn<br />

änderte schließlich das Neubauprogramm und beschaffte<br />

für jede Einsatzart einen eigenen Typ.<br />

Die zehn Lokomotiven der Baureihe wurden je<br />

zur Hälfte von Frankfurt und Bamberg aus eingesetzt.<br />

1978 trennte sich die DB von allen Fahrzeugen.<br />

Acht Loks gingen nach Italien, eine Lok wurde<br />

an die Hersfelder Kreisbahn verkauft. Eine Maschine,<br />

die V 80 002, wurde dem Verkehrsmuseum Nürnberg<br />

zum musealen Erhalt übergeben. Diese wurde<br />

dann 2005 ein Opfer der Flammen. Mit der V 80 005<br />

ist nun wieder ein gleichwertiger Ersatz vorhanden.<br />

Auch die Lok 50 622 wurde bei dem Depotbrand<br />

stark beschädigt, konnte aber im Gegensatz zu<br />

V 80 002 wieder restauriert werden. Die Güterzuglokomotiven<br />

der Baureihe 50 wurden ab 1939 als<br />

Ersatz für die Länderbahngattungen preuß G 10<br />

und bay G 5/5 beschafft. In der Konstruktion ist<br />

bereits die geplante Nutzung im Kriegsfall sichtbar:<br />

Das Lastenheft führte auf, dass die Verfeuerung<br />

minderwertiger Kohle möglich sein sollte. Dementsprechend<br />

legten die Konstrukteure die Rostflächen<br />

großzügig aus.<br />

Mit der BR 50 gelang der Deutschen Reichsbahn<br />

ein großer Wurf. Mit ihrer geringen Achslast von 15<br />

Tonnen war die Lok auf Haupt- wie auf Nebenbahnen<br />

einsetzbar. Die Höchstgeschwindigkeit von 80<br />

km/h ließ zudem den Einsatz im Personenzugdienst<br />

zu. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />

wurde die Baureihe 50 in großen Stückzahlen produziert,<br />

da für die gewaltigen Transportmengen<br />

des Krieges leistungsfähige Lokomotiven benötigt<br />

wurden. Mit 3164 Maschinen war die Baureihe 50<br />

eine der meistgebauten Güterzuglokomotiven in<br />

Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie<br />

in beiden Teilen Deutschlands im Einsatz. Die DB<br />

setzte sie noch bis Mitte der siebziger Jahre ein.<br />

Mit der V 80 005 und der 50 622 wird der Bestand<br />

an Originalfahrzeugen des DB Museums um<br />

zwei wertvolle Stücke der Verkehrsgeschichte in<br />

Deutschland ergänzt.<br />

Wolfgang Ihrlich<br />

Die Blaue Nacht<br />

Sa, 4.5.<strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

Internationaler Museumstag<br />

So, <strong>12.</strong>5. <strong>2013</strong>, 10–18 Uhr<br />

Lesungen „Reiseerlebnisse“<br />

Die Zukunft des Reisens<br />

Vortrag und Diskussion mit Dr. Thomas<br />

Steinfeld<br />

Fr, <strong>12.</strong>4.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Bühne<br />

Loriot – Szenische Lesungen<br />

Mit dem Ensemble „Stilblüten“<br />

Fr, 22.3.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Vorträge<br />

Ostseefähren im Kalten Krieg<br />

Vortrag von Wolfgang Klietz<br />

Mi, 27.3.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Dampfzeit – als die Loks noch rauchten<br />

Vortrag von Gerd Lübbering und Thomas<br />

Pflaum<br />

Mi, 24.04.2012, 19 Uhr<br />

Jazz-Matinee/Soiree<br />

Lea W. Frey Trio<br />

So, 17.03.<strong>2013</strong>, 11–13 Uhr<br />

Beat Kaestli<br />

So, 28.04.<strong>2013</strong>, 11–13 Uhr


Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong> Museum für Kommunikation Nürnberg<br />

03<br />

Künstler taucht in eine ferne Kultur ein<br />

ur Ausmalung der Grabkammer des Sennedjem durch den Kunstmaler Klaus-Martin Grebe<br />

laus-Martin Grebe arbeitet an der Ostwand des Sennedjem-Grabes<br />

Zurzeit arbeitet er an der Darstellung eines Tornados<br />

für die Gastronomie des Erlebniszentrums<br />

Naturgewalten in List auf Sylt. Im Herbst des vergangenen<br />

Jahres vollendete Klaus-Martin Grebe<br />

nach etwa halbjähriger Arbeit die Ausmalung der<br />

Rekonstruktion des Sennedjem-Grabes im Museum<br />

Termine<br />

Führungen Dauerausstellung<br />

Für Familien<br />

So., 3.3., 7.4., 5.5., 2.6.<strong>2013</strong>, 14 Uhr<br />

Für Einzelbesucher<br />

So., 31.3., 28.4., 26.5.<strong>2013</strong>, 14 Uhr<br />

Führungen zum Grab des Sennedjem<br />

31.3., 28.4., 26.5.<strong>2013</strong>, 15.15 – 15.<strong>45</strong> Uhr<br />

für Kommunikation. Seither gehört die Grabkammer,<br />

die im Museum den Zusammenhang von Kult<br />

und Schrift anschaulich werden lässt, zu den beliebtesten<br />

Attraktionen des Hauses.<br />

Für die Ausmalung der Kammer war Grebe bestens<br />

prädestiniert. Schon als kleiner Junge wollte<br />

der gebürtige Nürnberger nie etwas anderes werden<br />

als Künstler. Als dreizehnjähriger Schüler fertigte<br />

er erste Illustrationen für einen Kinderführer<br />

durch die Lorenzkirche an. Nach dem Abitur studierte<br />

Grebe in Nürnberg und Enschede Grafik und<br />

Kunst, bevor er 1985 begann, sich als Wand- und<br />

Illustrationsmaler selbstständig zu machen. Seither<br />

hat er für ganz verschiedene Auftraggeber, unter<br />

ihnen Restaurants, Cafés, Arztpraxen oder Museen<br />

gearbeitet. Besonders fasziniert ihn an der Aufgabe,<br />

in enger Abstimmung mit den Auftraggebern „Räume<br />

zu neuem Leben zu erwecken“, so sein künstlerisches<br />

Selbstverständnis.<br />

Im Museum für Kommunikation stand Grebe vor<br />

einer anderen Herausforderung. „In diesem Fall<br />

ging es um eine möglichst genaue Kopie. Gefragt<br />

waren keine persönlichen Einfälle, sondern es war<br />

das Ziel, dem Original zu dienen“ , sagt der Dreiundfünfzigjährige.<br />

Sein Ziel sei es daher gewesen, „die<br />

Leichtigkeit in der Hand des heute unbekannten Ur-<br />

Künstlers“ zu erreichen. „Mir ging es also“, berichtet<br />

er weiter, „um genaues, ja akribisches Kopieren und<br />

doch sollte die Arbeit zugleich möglichst spontan in<br />

der Wirkung sein.“ Die originale Grabkammer des<br />

Sennedjem, eines der schönsten erhaltenen Künstlergräber<br />

aus dem alten Ägypten, entstand zur Zeit<br />

des Neuen Reiches Anfang des 13. Jahrhunderts<br />

vor Christus. Ihre vollständig mit Zitaten aus dem<br />

altägyptischen Totenbuch und prächtigen Wandvignetten<br />

bedeckten Wände sind mediengeschichtlich<br />

hoch interessant durch die enge Verzahnung von<br />

Architektur, Texten und Bildern. Die Anlage ist ein<br />

besonders anschauliches Beispiel dafür, dass die<br />

Menschen schon vor fast viertausend Jahren multimedial<br />

Bilder und Texte gleichzeitig nutzten.<br />

Inhaltlich betreut wurde das Museums-Projekt<br />

von dem Ägyptologen und Sennedjem-Spezialisten<br />

Dr. Wolfgang Wettengel. „Er hat meine Arbeit sozusagen<br />

gegengelesen“, sagt Grebe. Wettengel stellte<br />

dem Maler auch das Bildmaterial zur Verfügung,<br />

das dem Künstler als Grundlage für seine Ausmalung<br />

diente. Zuvor war in einem Seitenraum der<br />

Abteilung Schrift das Gewölbe der Grabkammer<br />

in originaler Größe nachgebaut worden. Grebe<br />

projizierte zunächst die Bilder auf die grundierten<br />

Seitenwände und das Gewölbe, danach legte er die<br />

Umzeichnung der Figuren an. Hierauf begann er mit<br />

der farbigen Ausmalung der Szenen, für die er ebenfalls<br />

von Wolfgang Wettengel genaue Vorgaben und<br />

einen Teil der Pigmente erhielt.<br />

Als besonders beglückend empfand Klaus-Martin<br />

Grebe während des Werkprozesses „das Gefühl beobachtet<br />

zu werden von einem ganz wunderbaren<br />

Künstler aus einem fernen Zeitalter“, dem er im Laufe<br />

der Arbeit immer näher gekommen sei.<br />

Wer mehr über Sennedjem und seine Künstlerkollegen<br />

erfahren möchte, ist herzlich zum Vortrag von<br />

Dr. Wolfgang Wettengel über „Kunsthandwerker im<br />

alten Ägypten“ am Sonntag, den 14.4.<strong>2013</strong> um 11<br />

Uhr eingeladen.<br />

Einführungen in das Sennedjem-Grab gibt es immer<br />

am letzten Sonntag eines Monats um 15.15 Uhr.<br />

Unter dem Motto: „ Ein Architekt des Pharao –<br />

unterwegs im alten Ägypten“ kann jetzt auch ein<br />

Kindergeburtstag für Acht- bis Zwölfjährige gebucht<br />

werden.<br />

Vera Losse<br />

Der Toten- und Balsamiergott<br />

Anubis versorgt<br />

die Mumie (Detail<br />

von der Nordwand)<br />

Medienworkshops 50+<br />

iPad-Tablet. Kann ich das auch?<br />

Di., 16.4., 21.5., 4.6.<strong>2013</strong>, 9.30 – <strong>12.</strong>30 Uhr<br />

18 € inkl. Eintritt<br />

Das iPad und die Apps<br />

Di., 23.4., 28.5., 11.6.<strong>2013</strong>, 9.30 – 11.30 Uhr<br />

18 € inkl. Eintritt<br />

Anmeldungen: Seniorenamt Nürnberg<br />

(0911) 231-6655<br />

E-Mail: seniorenarbeit@stadt.nuernberg.de<br />

Weitere Medienworkshop Termine unter:<br />

http://www.mfk-nuernberg.de/kategorie/kalender<br />

Fahrten mit historischen Fahrzeugen<br />

Reisen nach Neunhof<br />

1.5., 9.5., <strong>12.</strong>5., 20.5., 25.5., 30.5., 2.6., 9.6.,<br />

16.6.<strong>2013</strong>, 9.30 – 13 Uhr<br />

Kosten pro Person: 60 €<br />

Anmeldung:<br />

(0911) 1331-238, bzw.<br />

E-Mail: erwachsene@kpz-nuernberg.de<br />

Mit der Postkutsche unterwegs in Fürth<br />

1.5., 8.5., <strong>12.</strong>5., 20.5., 1.6., 8.6.<strong>2013</strong>, 16 - 18<br />

Uhr<br />

Kosten pro Person: 50 Euro<br />

Anmeldung:<br />

Tourist-Information Fürth (0911) 239587-0<br />

Ferienprogramme<br />

Ein Architekt des Pharao – unterwegs im<br />

alten Ägypten<br />

Di., 26.3., 4.6.<strong>2013</strong>, 9.30 – <strong>12.</strong>30 Uhr<br />

Für Kinder von 8 – 12 Jahren<br />

Total verkabelt:<br />

Was sich aus Telefondraht alles machen<br />

lässt<br />

Mi., 27.3.<strong>2013</strong>, 9.30 – <strong>12.</strong>30 Uhr<br />

Für Kinder von 8 – 12 Jahren<br />

Anmeldung für alle Ferienprogramme:<br />

(0911) 1331-238, bzw.<br />

E-Mail: erwachsene@kpz-nuernberg.de<br />

Weitere Programme für Kinder unter<br />

http://www.mfk-nuernberg.de/kategorie/kalender<br />

Marion Grether neu an der Museumsspitze<br />

Seit Jahresbeginn leitet die Kunsthistorikerin<br />

Marion Grether das Kommunikationsmuseum in<br />

der Noris. Das Kuratorium der Museumsstiftung<br />

Post und Telekommunikation wählte sie im vergangenen<br />

November einstimmig zur Nachfolgerin von<br />

Dr. Stefan Kley, der zum 1. September 2012 an die<br />

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen nach<br />

München gewechselt war. „Ich bin nach wie vor<br />

begeistert von dem tollen, modernen Museum, das<br />

ich jetzt leiten kann. Es bietet großartige Ansätze für<br />

eine sehr besucherorientierte Arbeit“, freute sie sich<br />

nach ihrem Amtsantritt.<br />

Inhaltlich hat sich die Vierzigjährige zunächst die<br />

Weiterentwicklung des Bereiches Internet in der<br />

2010 eröffneten Dauerausstellung vorgenommen.<br />

Gemeinsam mit dem Architekten Frank Steinert<br />

plant sie einen Erlebnisraum, der das Thema nicht<br />

nur intellektuell, sondern auch spielerisch erfahrbar<br />

macht. „Aufgrund der rasanten Entwicklung gerade<br />

in diesem Bereich ist die permanente Arbeit hieran<br />

für ein innovatives Museum für Kommunikation<br />

nötig. Wir wollen unseren Besuchern die in der heutigen<br />

Informations- und Mediengesellschaft immer<br />

wichtiger werdenden Kernkompetenzen für ihre<br />

eigene Kommunikation im Umgang mit den neuen<br />

Medien nahebringen“, kommentiert sie die ständige<br />

Herausforderung, die gerade dieses Thema an Museumsmacher<br />

stellt. Das Nürnberger Haus stellt den<br />

kommunizierenden Menschen in den Mittelpunkt,<br />

der sich mit Tönen, Bildern und Schriftzeichen verständigt.<br />

Immer wichtiger wird der kompetente und kritische<br />

Umgang mit dem Internet und seinen Möglichkeiten,<br />

das heute viele private und berufliche Lebenszusammenhänge<br />

bestimmt. Medienkompetenz<br />

vermitteln heißt daher für Marion Grether, den Besucherinnen<br />

und Besuchern die Potenziale moderner<br />

Verständigungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sie<br />

aber auch ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger<br />

zur Reflexion über den selbstbestimmten, kreativen<br />

Umgang mit der neuen Medienwelt des web 2.0 anzuregen.<br />

Dabei ist es nach ihrer Überzeugung die<br />

große Stärke des Museums, auch einmal den Blick<br />

auf vergangene Medienrevolutionen und ihre Auswirkungen,<br />

etwa die Entwicklung des Buchdrucks<br />

im späten 15. Jahrhundert, richten zu können und<br />

so die aktuelle Diskussion zu versachlichen. Zukunft<br />

braucht Herkunft, dieser Gedanke ist der neuen<br />

Frau an der Museumsspitze wichtig, deshalb wurde<br />

sie am 27. Februar zur Vorsitzenden der Region Süd<br />

der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte<br />

(DGPT) gewählt. „Dieses<br />

Amt habe ich sehr gerne übernommen“, so die neue<br />

Direktorin, „die Organisation ist uns als Freundeskreis<br />

eng verbunden. Ihre Mitglieder sind seit langem<br />

vielfältig ehrenamtlich im Museum aktiv, sei<br />

es im Rahmen von Führungen zu medien- oder kommunikationsgeschichtlichen<br />

Themen oder bei der<br />

Wartung unserer historischen Vermittlungstechnik,<br />

die wir ohne sie gar nicht mehr zur Freude unserer<br />

Besucherinnen und Besucher betreiben könnten.“<br />

Perspektivisch will die neue Direktorin das Profil<br />

des Hauses durch Ausstellungen, Veranstaltungen<br />

und den weiteren Ausbau der museumspädagogischen<br />

Angebote als Forum für Medienkompetenz<br />

stärken, wobei ein besonderer Fokus auf der Zukunft<br />

der Kommunikation liegen wird.<br />

Als erfahrene Ausstellungsmacherin bringt<br />

Grether gute Voraussetzungen für diese Aufgabe<br />

mit. Nach dem Abitur studierte die gebürtige Kielerin<br />

seit 1993 an der Universität Greifswald Kunstgeschichte,<br />

Klassische und Christliche Archäologie<br />

sowie Byzantinische Kunstgeschichte. Ihr Interesse<br />

an der Museumsarbeit geht auf diese Zeit zurück,<br />

sie jobbte als studentische Hilfskraft in den dortigen<br />

Universitätssammlungen und übernahm<br />

Stadtführungen auf den Spuren von Caspar David<br />

Friedrich. „Bei diesen Tätigkeiten habe ich erfahren,<br />

wie viel Spaß mir der Umgang mit historischen<br />

Originalen und die Vermittlung von Forschungserkenntnissen<br />

machen. Beide Fähigkeiten brauchen<br />

auch Museumsleute“, sagt Marion Grether. Nach<br />

dem Examen arbeitete sie zunächst vier Jahre an<br />

der Akademie der Wissenschaften in Göttingen in<br />

einem Forschungsprojekt zur Erfassung historischer<br />

Inschriften der Stadt Greifswald.<br />

Danach begann sie ihre Museumslaufbahn am<br />

Emslandmuseum in Lingen, wo sie vielfältige Erfahrungen<br />

in allen Bereichen der Museumsarbeit <strong>vom</strong><br />

Vorbereiten von Ausstellungen über Museumspädagogik<br />

und Öffentlichkeitsarbeit bis hin zum Inventarisieren<br />

sammeln konnte.<br />

Die neue Direktorin des Museums für Kommunikation in der Dauerausstellung<br />

des Hauses. Alle Fotos: Mile Cindric<br />

Bevor sie nach Nürnberg kam, hatte sie die Leitung<br />

Wechselausstellungsprojekte am Berliner Museum<br />

für Kommunikation inne. Sie verantwortete dort erfolgreiche<br />

Präsentationen wie „fashion talks“, „Gerüchte“<br />

oder „Die Sprache des Geldes“, die auch im<br />

hiesigen Museum mit großem Erfolg gezeigt wurde.<br />

Und wie kommuniziert die neue Direktorin selbst?<br />

„Ich nutze“, so Marion Grether, „je nach Anlass und<br />

Adressat sowohl meinen Kolbenfüller als auch das<br />

iPhone.“<br />

Vera Losse


04 Museen der Stadt Nürnberg<br />

Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

WortGewalt. Vom rechten Lesestoff<br />

Ausstellung zur nationalsozialistischen Literatur im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände<br />

Oben: Das Buch Der<br />

Mythus des 20. Jahrhunderts<br />

des NSDAP-<br />

Chefideologen Alfred<br />

Rosenberg erreichte<br />

bis 1944 eine Auflage<br />

von rund 2,3 Millionen<br />

Exemplaren und war neben<br />

Hitlers Mein Kampf<br />

eines der einflussreichsten<br />

Werke.<br />

Rechts: Fast 2000 Bücher<br />

umfasst die (An-) Sammlung<br />

rechten Lesestoffs<br />

im Dokumentationszentrum<br />

derzeit, darunter<br />

viele der im Dritten<br />

Reich bekannten Titel.<br />

Fotos: Museen der Stadt<br />

Nürnberg<br />

Zum achtzigsten Mal jähren<br />

sich im Mai <strong>2013</strong> die von den<br />

Nationalsozialisten initiierten Bücherverbrennungen.<br />

Das eigens<br />

eingerichtete „Hauptamt für Presse<br />

und Propaganda der Reichsstudentenführung”<br />

startete am 13.<br />

April 1933 zunächst mit reichsweit<br />

geklebten Plakaten eine vierwöchige<br />

„Aktion wider den undeutschen<br />

Geist,“ planmäßig unterstützt von<br />

staatlichen und vor allem den Parteiorganisationen.<br />

Sie erreichte ihren Höhepunkt<br />

mit den an 93 Orten gleichzeitig inszenierten<br />

Bücherverbrennungen, flammenden Fanalen zum<br />

Auftakt der Verfolgung Andersdenkender und zur<br />

geistigen Gleichschaltung der „Volksgemeinschaft.“<br />

Unzählige Werke deutscher und ausländischer Autoren<br />

wurden verboten, die deutschen Urheber in<br />

der Folgezeit ins Exil oder die innere Emigration<br />

gezwungen. Manche wählten in Hoffnungslosigkeit<br />

und Verzweiflung den Freitod. Damit gingen dem<br />

deutschen Kulturleben unschätzbare Geisteskräfte<br />

verloren – Denkarten, Vielfalt, Humor, Ideen und<br />

Perspektiven, die im besten Falle anderswo zur Entfaltung<br />

kamen, in vielen anderen Fällen aber ohne<br />

Nachhall erloschen.<br />

Womit aber gedachte man, diese Leerräume kulturellen<br />

Wirkens zu füllen? Was sollte nun „deutsche<br />

Literatur“ sein, was anstelle freischaffender Kunst<br />

als Maxime, als Aufgabe an den verwaisten Stellen<br />

gelten, die, wie Kurt Tucholsky früh und feinsinnig<br />

bemerkte, nur allzu schnell von regimefreundlichen<br />

und karrieresüchtigen Schreiberlingen besetzt wurden?<br />

Von Schriftstellern, die schon seit Langem mit<br />

den völkisch-nationalen Parametern zielsicher umzugehen<br />

verstanden und, wie Propagandaminister<br />

Goebbels sich bei der Bücherverbrennung in Berlin<br />

ausdrückte, „nach dem Ende eines Zeitalters des<br />

überspitzten jüdischen Intellektualismus nun dem<br />

deutschen Wesen die Gasse frei machen“ sollten.<br />

Den „undeutschen Geist“ wollte man unter<br />

anderem durch eine Literatur ersetzen, die Bauerntum<br />

und Volksgemeinschaft, Blut- und Bodenideologie<br />

sowie Krieg und soldatisches Heldentum<br />

idealisierte. Die Nationalsozialisten konnten<br />

hier auf viele vor 1933 bekannte Schriftsteller<br />

zurückgreifen, deren Werke sich mit dem nationalsozialistischen<br />

Weltbild im Einklang befanden:<br />

Die NS-Literatur stand 1933 schon in großem<br />

Umfang bereit. Völkisches Deutschtum, Heldenverehrung<br />

und das Führerprinzip hatten sich – zusammen<br />

mit einer antisemitischen Rassenidee –<br />

bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu Leitbildern<br />

für weite Teile einer bürgerlichen Gesellschaft<br />

entwickelt, die sich angesichts eines im Fortschritt<br />

instabil gewordenen Lebensgefühls nach Harmonie<br />

sehnte.<br />

Tradierte Bilder aufgegriffen<br />

Die Nationalsozialisten griffen in Politik und Kultur<br />

alle tradierten Bilder auf – ob Hermann der Cherusker<br />

oder armer Poet, ob Befreiungskrieg oder<br />

Zweites Reich, um den Sehnsüchten der „Volksgemeinschaft“<br />

zu entsprechen. Das heißt, eine eigenständige<br />

NS-Literatur gab es eigentlich nicht;<br />

es reichte, wenn bestimmte Elemente vorhanden<br />

waren, die sich mit der Botschaft von Ideologie<br />

und Propaganda deckten. Und selbst die Klassiker<br />

konnte man „gleichschalten“, wie das Vorwort<br />

zur Goethe-Feldausgabe von 1940 zeigt: „In diesem<br />

Kampf, der nicht nur mit Waffen, sondern vor allem<br />

auch mit dem Herzen bestanden werden muß, soll<br />

den deutschen Soldaten der edle und tapfere Geist<br />

Goethes begleiten. (...) Die Auswahl zeigt Goethes<br />

Ganzheit – die Ganzheit eines Menschen, der (...) immer<br />

und zuerst ein Deutscher, bei aller Reinheit und<br />

Zartheit des Gefühls immer und allezeit ein Kämpfer<br />

gewesen ist.“<br />

Endstation Dokuzentrum<br />

Den ungeheuren kulturellen Verlusten der nationalsozialistischen<br />

Geistesaustreibung stand nur ein<br />

dürftiger Ersatz gegenüber, wie diese kleine Werkausstellung<br />

zeigen soll. Sie präsentiert eine Auswahl<br />

des literarischen Strandguts einer zwölfjährigen<br />

Epoche bürgerlich-konservativen Größenwahns,<br />

das auf verschiedenste Weise und aus unterschiedlichsten<br />

Gründen im Dokumentationszentrum<br />

anlandet. Bei Haushaltsauflösungen oder der Ordnung<br />

von Nachlässen kommen häufig Bücher und<br />

Objekte zum Vorschein, die ihre Nachbesitzer nicht<br />

mehr unbedingt zu Hause haben möchten. Für<br />

viele kommt ein Weiterverkauf nicht in Frage, um<br />

Missbrauch zu vermeiden. So entwickelte sich das<br />

Dokumentationszentrum auch zu einer Art Entsorgungsstelle<br />

für diverse Hinterlassenschaften aus<br />

der NS-Zeit mit einer zwar noch überschaubaren,<br />

doch unaufhaltsam wachsenden Sammlung. Die<br />

Bücher zunächst einmal nur als Quintessenz des<br />

nationalsozialistischen Literaturbetriebs zu zeigen,<br />

ist das eng gesteckte Ziel dieser Präsentation. Denn<br />

sie sind nicht nur einfach da. Sie werfen bei näherer<br />

Betrachtung eine Menge Fragen auf, nachdem es,<br />

von einigen Ansätzen abgesehen, bislang keine Gesamtschau<br />

der Literatur im Dritten Reich gibt: Wes<br />

Geistes Kinder waren die Autoren? Welches<br />

Weltbild stand hinter ihren Werken?<br />

Wer las sie? Formten die Titel eine<br />

nationalsozialistische Literatur? Was soll<br />

davon überliefert werden? Hilft die Beschäftigung<br />

mit diesen Büchern, das<br />

„deutsche Wesen“ der Jahre 1933–<strong>45</strong><br />

zu verstehen? Es sind, nicht nur wegen<br />

der zum Teil heute unlesbar anmutenden<br />

Bücher, unbequeme Fragen,<br />

die allesamt noch auf Antworten warten.<br />

Hans-Christian Täubrich<br />

WortGewalt. Vom rechten Lesestoff<br />

Bücher aus der (An-) Sammlung des Dokumentationszentrums,<br />

Ausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände<br />

9.5.–29.9.<strong>2013</strong><br />

Überlebensgroße<br />

Skulpturen von Manfred<br />

G. Dinnes – hier zwei Objekte<br />

der Reihe „Eidos“ –<br />

werden im Außengelände<br />

des Tucherschlosses<br />

zu sehen sein.<br />

Fotomontage:<br />

Martin Küchle<br />

Mythische Skulpturen im Tucherschloss<br />

„Pantha rhei – alles fließt, nichts bleibt gleich.“:<br />

Dieser auf den griechischen Philosophen Heraklit<br />

zurückgeführte Aphorismus war einer der Leitsätze<br />

von Manfred Dinnes. Der Regensburger Künstler<br />

und Kunstprofessor (1950–2012) verstand darunter<br />

insbesondere die Wandelbarkeit des menschlichen<br />

Denkens in seiner Umwelt.<br />

Zweimal besuchte Manfred Dinnes im vergangenen<br />

Jahr das Tucherschloss, um gemeinsam ein Konzept<br />

für eine mögliche Ausstellung auf dem Freigelände<br />

und im Schloss zu entwickeln. Bei unserem letzten<br />

Treffen Ende August freute er sich enthusiastisch<br />

und sprudelte vor Ideen, als wir die Pläne konkretisierten<br />

und dem gemeinsamen Projekt den Namen<br />

„Daidalos“ gaben. Zwei Tage nach dem Treffen die<br />

erschütternde Nachricht: Manfred Dinnes hatte sich<br />

das Leben genommen. Wenig später folgte ihm seine<br />

Ehefrau in den Tod nach – eine unfassbare Tragödie.<br />

Schnell war jedoch in Absprache mit der Tochter<br />

des Künstlers sowie Sybille Gruber und Karin Koschkar<br />

<strong>vom</strong> PSG kunstevent München klar: Die Ausstellung<br />

im Tucherschloss sollte wie geplant stattfinden<br />

– als erste Retrospektive des Künstlers. Damit wird<br />

der Renaissancegarten des Tucherschlosses nach<br />

fünfjähriger Pause in diesem Frühling wieder zum<br />

Spielort für zeitgenössische Kunst.<br />

Universal gebildeter Künstlerhumanist<br />

Die Verbindung unterschiedlicher künstlerischer<br />

Ausdrucksformen und das Interesse an existenziellen<br />

Fragen stehen im Zentrum des Œvres des universal<br />

(aus)gebildeten Künstlers. Manfred Dinnes war ein<br />

Forscher und Humanist mit profunder klassischer<br />

Bildung. Er betätigte sich u.a. als Autor, Regisseur,<br />

Dramaturg, Galerist und Menschenrechtsaktivist. Als<br />

gelernter Kirchenmaler, Restaurator, Glasmaler und<br />

Glasbläser studierte er Malerei an der Nürnberger<br />

Akademie der Bildenden Künste und wurde Meisterschüler<br />

von Gerhard Wendland. Hier erhielt er zwei<br />

Akademiepreise, es folgte der Kulturförderpreis der<br />

Stadt Regensburg.<br />

Manfred Dinnes lebte und arbeitete aus der Erfahrung<br />

des Kulturaustausches, Reisen gehörten immer<br />

zu seiner Künstlerexistenz. Ergebnis waren große<br />

Gemäldezyklen: „Malen bedeutet Hinterfragung von<br />

Dinghaftigkeit, hinter der man keine Fragestellung<br />

mehr vermutet. Ich male meine Antworten dem Leben<br />

entgegen.“<br />

Niemals trennte Dinnes in seinem Schaffen das<br />

Schöpferische und das Intellektuelle. Unermüdlich<br />

suchte er nach den Grundlagen der Kunst, beschäftigte<br />

sich mit alten Kulturen als Ausdruck einer zu<br />

ergründenden Geistigkeit. Resultate waren seine<br />

künstlerischen Umsetzungen klassischer literarischer<br />

Stoffe: die Gesänge des Orpheus, Ovids „Metamorphosen“,<br />

Dantes „Göttliche Komödie“.<br />

„Daidalos“ im Tucherschloss<br />

Seine überlebensgroßen Skulpturen aus bemaltem<br />

Stahl (technische Umsetzung: Armin Karl), die<br />

im Außenbereich aufgestellt werden, verweisen<br />

auf die enge Verbindung von Kunst und Natur. Ihre<br />

organischen Formen und besonderen Farbklänge<br />

schwingen in den Bildwerken, die in den historischen<br />

Innenräumen des Schlosses malerische Facetten des<br />

Schaffens zeigen, weiter.<br />

Die Ausstellung „Daidalos“ soll den Betrachter auf<br />

eine Reise in (sagenhafte) Vergangenheit und (eigene)<br />

Zukunft entführen und ihn mit auch heute noch<br />

aktuellen Fragen konfrontieren. Dinnes war fasziniert<br />

von der Figur des mythologischen Erfinders und<br />

Bildhauers Daidalos, der sich und seinen Sohn Ikarus<br />

aus der Gefangenschaft befreit, indem er Flügel konstruiert<br />

und wie ein Vogel in den Himmel entfliegt.<br />

Diese Vermessenheit bezahlt der sagenhafte Künstler<br />

teuer mit dem Tod seines einzigen Kindes. In seinen<br />

teils kinetischen Skulpturen und Bildwerken hat<br />

Manfred Dinnes sein Wissen um diesen Mythos von<br />

menschlicher Zerrissenheit und kurzem Glück, von<br />

Ausweglosigkeit und Flucht, Gelingen und Scheitern,<br />

Hybris und Fall abstrahierend verrätselt. Auch hier<br />

galt ihm: Zwischen Kunst und Leben ist nicht zu trennen,<br />

beides ist immer in Bewegung – „panta rhei“.<br />

„Dante, Tod und Teufel“<br />

Noch gemeinsam mit dem Künstler haben Professor<br />

Martin Gruber von der Berliner Hochschule für<br />

Schauspielkunst „Ernst Busch“ und die Kulturmanagerin<br />

Susanne Gösse eigens für das <strong>vom</strong> Wagner-Jahr<br />

<strong>2013</strong> inspirierte Thema der Blauen Nacht – „Himmelsstürmer“<br />

– eine hochkarätige Inszenierung zur<br />

Ausstellung konzipiert. Textgrundlage des interaktiven<br />

Schauspiels „Dante, Tod und Teufel“ sind<br />

modern interpretierte Passagen aus der „Göttlichen<br />

Komödie“ des italienischen Dichters Dante Alighieri<br />

(1265–1321). Ausgehend von den mittelalterlich-derben<br />

Szenen Dantes und der Tradition der Burleske,<br />

interagieren bekannte Schauspieler kostümiert im<br />

Hof und im Garten des Tucherschlosses spontan mit<br />

dem Publikum.<br />

Die Skulpturen von Manfred Dinnes bilden dabei<br />

zum einen das Bühnenbild der Aufführung, zum anderen<br />

stellen sie inhaltlich die visuellen Verdichtungen<br />

Dantesker Vorstellungen aus der persönlichen<br />

Sicht des bildenden Künstlers dar. Als Bindeglied<br />

zum Thema „Himmelsstürmer“ sah Dinnes selbst die<br />

„Dante-Symphonie“ von Franz Liszt, Schwiegervater<br />

Richard Wagners, die diesen vermutlich zu seinem<br />

„Parsifal“ inspirierte.<br />

„Dante, Tod und Teufel“, ermöglicht durch die<br />

freundliche Unterstützung der STAEDTLER Stiftung,<br />

stellt das bislang spektakulärste Blaue Nacht-Programm<br />

im Tucherschloss dar.<br />

Ulrike Berninger<br />

Daidalos. Skulpturen und Bildwerke von Manfred G.<br />

Dinnes. Eine Retrospektive<br />

Ausstellung im Museum Tucherschloss, 25.4.–29.7.<strong>2013</strong><br />

Dante, Tod und Teufel<br />

Interaktives Schauspiel zu Dantes „Göttlicher Komödie“,<br />

4. Mai <strong>2013</strong>: 20, 21, 22 und 23 Uhr


Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong> Museen der Stadt Nürnberg<br />

05<br />

Megacities in China<br />

Christian Höhns Fotografien gigantischer chinesischer Ballungsräume werden im Museum Industriekultur gezeigt<br />

Urbanisierung und die Entstehung gigantischer<br />

Ballungsräume, sogenannter Megacities, sind heute<br />

viel diskutierte Erscheinungen in Schwellenländern,<br />

aber auch in Nordamerika und Europa. Das Phänomen<br />

selbst ist nicht neu. In Europa explodierte das<br />

Bevölkerungswachstum in den Städten regelrecht,<br />

als mit der Industrialisierung ein enormer Bedarf an<br />

Arbeitskräften in den entstehenden Fabriken immer<br />

mehr Menschen <strong>vom</strong> Land in die Metropolen lockte.<br />

Fasst man heute das Thema Megacities ins Auge,<br />

so richtet sich der Blick auf die Erdteile Indien, Südamerika<br />

und Asien; hier da vor allem nach China.<br />

Dort entstand gleich eine ganze Reihe von Städten<br />

mit mehr als 5 Millionen Einwohnern.<br />

Die Ausstellung zeigt aktuelle Ansichten chinesischer<br />

Megacities und kontrastiert diese mit historischen<br />

Bildern. Diese sind manchmal allenfalls<br />

einige Jahrzehnte alt und waren nicht leicht zu<br />

bekommen, da ein „Bildgedächtnis“ in Form von<br />

Archiven in der chinesischen Kultur der Moderne<br />

noch wenig verankert ist. Der Blick zurück steht in<br />

eindrucksvollem Kontrast zur faszinierenden Ästhetik<br />

der Gegenwartsfotografien von Christian Höhn.<br />

Dessen Bilder gewähren assoziativen Zugang zu<br />

den mannigfaltigen Problemen, die mit einer derart<br />

extremen Entwicklung verbunden sind. So erfordert<br />

das ungebremste Wachstum vielfältige infrastrukturelle<br />

Maßnahmen auf allen Ebenen, von der Energieversorgung<br />

bis zum Verkehr. Umweltbelastung,<br />

Verkehrsinfarkt und Slumbildung sind nur einige<br />

Probleme, die nicht zuletzt stadtplanerisch gelöst<br />

werden müssen, um das Leben in diesen Megacities<br />

lebenswert zu machen.<br />

Bei der Auswahl der präsentierten Städte ging es<br />

immer wieder um die Frage, ob von jeweils besonderen<br />

Eigenschaften, von einem „eigenen Charakter“<br />

dieser äußerlich auf den ersten Blick oft gleichförmig<br />

wirkenden Metropolen gesprochen werden<br />

kann. Dass dieser möglich ist, zeigen stichwortartig<br />

die folgenden Auswahlkriterien:<br />

Beijing, das Zentrum radikalen Wandels, ist Mittelpunkt<br />

einer langen Geschichte und auch heute<br />

noch das Zentrum der Macht. Aber auch die meisten<br />

Dissidenten und Systemkritiker kommen von hier.<br />

Shanghai, ein chinesisches Wirtschaftswunder,<br />

ist als Hafenstadt auch Eingangstor westlicher Moderne.<br />

Koloniale Prachtbauten stehen direkt gegenüber<br />

der Wolkenkratzer-Skyline von Pudong, wo das<br />

neue Finanzzentrum Chinas entsteht.<br />

Chongqing, die größte Stadt der Welt, entstanden<br />

am größten Staudamm der Welt, erschließt den<br />

Westen des Riesenreiches. Mit einer ständig wachsenden<br />

Zahl von Vorstädten nimmt die Metropole<br />

bereits heute eine Fläche von der Größe Österreichs<br />

ein.<br />

Hongkong, das Tor zum Westen, ehemalige britische<br />

Kronkolonie und Mittelpunkt des Handels in<br />

ganz Südostasien. Die Stadt mit politischem Sonderstatus<br />

dient China gewissermaßen als kapitalistisches<br />

Experimentierfeld.<br />

Qingdao, einst als Tsingtau eine deutsche „Musterkolonie“,<br />

offenbart die Metropole am Gelben<br />

Meer noch heute Elemente einer wilhelminischen<br />

deutschen Stadt, umgeben von Wolkenkratzern. Die<br />

Germania-Brauerei ist mit ihrem „Tsingtao-Bier“ die<br />

größte in China.<br />

Shenzhen, die Stadt aus dem Nichts, weist das<br />

schnellste Wachstum auf, und ihre Bewohner verfügen<br />

über das höchste durchschnittliche Pro-Kopf-<br />

Einkommen in China. In nur 30 Jahren hat sich die<br />

Partnerstadt der Metropolregion Nürnberg <strong>vom</strong><br />

Fischerdorf zu einer Millionenstadt entwickelt, ausgezeichnet<br />

<strong>vom</strong> Weltarchitektenverband.<br />

Zeitgleich zu „Megacities“ findet die Ausstellung<br />

„Unterwegs in China“ statt: Sie zeigt die ausgewählten<br />

Ergebnisse eines Leser-Fotowettbewerbes,<br />

durchgeführt von einer großen chinesischen Tageszeitung.<br />

Beide Ausstellungen werden in Kooperation<br />

mit dem Konfuzius-Institut Nürnberg und dem<br />

Lehrstuhl für Sinologie der FAU durchgeführt.<br />

Matthias Murko<br />

China Megacities Fotografien von Christian Höhn<br />

Ausstellung im Museum Industriekultur, 20.3.–19.5.<strong>2013</strong><br />

Links: Beijing 1958<br />

Foto: Konfuzius-Institut<br />

Nürnberg<br />

Rechts: Beijing 2012<br />

Foto: Christian Höhn<br />

Links: Hongkong<br />

Foto: Christian Höhn<br />

Termine<br />

Ausstellungen<br />

Wagner – MeisterSinger – Sachs<br />

Hans Sachs, Richard Wagner und der Nürnberger<br />

Meistersang<br />

Stadtmuseum Fembohaus<br />

Bis 23.6.<strong>2013</strong><br />

Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt.<br />

Arisierung in Nürnberg und Fürth<br />

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände<br />

Bis 31.7.<strong>2013</strong><br />

Der Nürnberger Vergil<br />

Georg Christoph Eimmarts „Aeneis“-Illustrationen<br />

von 1688, Albrecht-Dürer-Haus<br />

1.5. bis 4.8.<strong>2013</strong><br />

Peter Behrens und die Geschichte des AEG-<br />

Designs<br />

Museum Industriekultur<br />

14.5. bis 23.6.<strong>2013</strong><br />

Die Spielzeugstadt<br />

Nürnberg und die Spielzeugwelt<br />

Spielzeugmuseum<br />

17.5. bis 20.10.<strong>2013</strong><br />

Antrieb. Zukunft – e-Mobilität begreifen<br />

Interaktives Lernlabor in Kooperation<br />

mit dem Fraunhofer-Institut IISB<br />

Museum Industriekultur<br />

18.6. bis 25.8.<strong>2013</strong><br />

Sonderveranstaltungen<br />

Schaustück des Monats <strong>März</strong><br />

„Flügellade der Meistersinger“, Nürnberg, 1621<br />

Führungen mit Dr. Thomas Schauerte, Leiter<br />

des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen<br />

Sammlung<br />

Stadtmuseum Fembohaus<br />

Di, 19.3. und 26.3.<strong>2013</strong>, 16 Uhr<br />

Schaustück des Monats April<br />

„Paul Ritter: Der Einzug des Kaisers Matthias in<br />

Nürnberg 1612“, 1890<br />

Führungen mit Dr. Ursula Kubach-Reutter,<br />

Leiterin der Gemälde- und Skulpturensammlung<br />

Stadtmuseum Fembohaus<br />

Mi, 17.4 und 24.4.<strong>2013</strong>, 15 Uhr<br />

Schaustück des Monats Mai<br />

„Kugelfußheizofen von Peter Behrens für AEG“<br />

Führungen mit Regine Franzke M.A., wiss.<br />

Mitarbeiterin im Museum Industriekultur<br />

Di, 21.5.<strong>2013</strong>, 16 Uhr; So, 26.5.<strong>2013</strong>, 14 Uhr<br />

Fokus Stadtgeschichte<br />

Kuratorenführung mit Museumsleiterin Brigitte<br />

Korn, Stadtmuseum Fembohaus<br />

„Lebenslinien. Das Fembohaus“<br />

So, 7.4.<strong>2013</strong>, 14 Uhr; Do, 25.4.<strong>2013</strong>, 16 Uhr<br />

„Quasi Centrum Europae“<br />

So, 2.6.<strong>2013</strong>, 14 Uhr; Do, 27.6.<strong>2013</strong>, 16 Uhr<br />

Meisterhaft! Schätze aus dem Tucherschloss<br />

Kuratorenführung mit Museumsleiterin Ulrike<br />

Berninger M.A.<br />

„Narciss und Daidalos. Moderne Mythologie im<br />

Renaissancegarten“<br />

Do, 23.5.<strong>2013</strong>, 16 Uhr; So, 26.5.<strong>2013</strong>, 11 Uhr<br />

Konzertgespräche im Hirsvogelsaal<br />

„Von Johann Pachelbel bis Werner Heider“<br />

Mit Rebecca Maurer, Cembalo und Moderation;<br />

Gritli Kohler, Blockflöte<br />

Fr, <strong>12.</strong>4.<strong>2013</strong>, 19.30 Uhr<br />

Antikpuppenbörse<br />

Spielzeugmuseum<br />

So, 14.4.<strong>2013</strong>, 10–16 Uhr<br />

Die Opernlegende Martha Mödl<br />

Ein Podiumsgespräch mit künstlerischen Weggefährten,<br />

Moderation: Anja Weigmann<br />

Stadtmuseum Fembohaus<br />

Do, 16.5.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Weitere Termine und Informationen unter:<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Museumstheater und Kostümführungen<br />

Mit Agnes Dürer durchs Dürer-Haus<br />

Führung im historischen Gewand<br />

Albrecht-Dürer-Haus<br />

Di, Mi und Sa, 15 Uhr; Do, 18 Uhr; So, 11 Uhr<br />

Englische Führung: Sa, 14 Uhr<br />

Ein ehrenwertes Haus – eine Nacht im<br />

Museum<br />

Das Museumstheater im Albrecht-Dürer-Haus<br />

Albrecht-Dürer-Haus<br />

* Genaue Termine unter www.museen.nuernberg.de/duererhaus/museumstheater.html<br />

Feine Gesellschaft<br />

Skandalgeschichte(n) aus Nürnbergs Goldener<br />

Zeit, 10 Jahre historisches Kulttheater mit<br />

kulinarischen Überraschungen!<br />

Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal<br />

Bis 16.5.<strong>2013</strong>, Do und So, 17–18.30 Uhr*<br />

VVK nur über Tourist Information,<br />

Königstraße 93 und Hauptmarkt 18<br />

* Genaue Termine unter www.museen.nuernberg.de/tucherschloss/schlosstheater.html<br />

Mit Katharina Tucher durchs Schloss<br />

Führung im historischen Gewand<br />

Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal<br />

Jeden So, 14 Uhr


06 Germanisches Nationalmuseum<br />

Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Nr. 42 | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Germanisches Nationalmuseum<br />

07<br />

Zünftig! Geheimnisvolle Handwerker- und Zunftaltertümer von 1500–1800<br />

Flitterschläger und Rechenpfennigmacher: Große Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum präsentiert 260 herausragende Objekte und ihre Geschichte<br />

Reiche Pracht und harter Alltag<br />

Erste Übersichtsschau in fünf Themenbereichen<br />

Altes Handwerk neu entdeckt<br />

Blick hinter die Kulissen der Museumsarbeit<br />

Emanuel Drentwett, Ochsenpokal<br />

der Frankfurter<br />

Metzger, 1724/28,<br />

Metzgerinnung Frankfurt-<br />

Darmstadt<br />

Am Donnerstag, 21. <strong>März</strong> <strong>2013</strong>, öffnet das Germanische<br />

Nationalmuseum seine Pforten für die größte<br />

Zunft-Ausstellung seit 1927 und die erste Überblicksschau<br />

zu diesem Thema überhaupt. Eine jahrelange<br />

Forschungsarbeit ging ihr voraus. Die Ausstellung basiert<br />

auf der hauseigenen Zunftaltertümer-Sammlung,<br />

einer der größten handwerksgeschichtlichen Spezialsammlungen<br />

von internationalem Rang. Insgesamt<br />

240 ihrer wichtigsten Objekte wurden herausgegriffen<br />

und vermitteln gemeinsam mit<br />

20 Leihgaben ein lebhaftes Bild von<br />

der Welt der Zünfte und des einzelnen<br />

Handwerkers.<br />

Die Präsentation gliedert sich<br />

in fünf Themenbereiche, in „Was ist<br />

Zunft?“, „Richtschnur Zunft. Lebensweg<br />

und Lebensraum des Handwerkers“,<br />

„Mikrokosmos Zunft.<br />

Alltag zwischen Dürfen und<br />

Müssen“, „Räder im Getriebe.<br />

Zur zentralen Rolle der<br />

Zünfte im Stadtgefüge“ und „Ein<br />

Bild von der Zunft. Vom Wandel des Verständnisses“.<br />

Zu den Highlights zählt eine Handwerkslade der<br />

Nürnberger Flitterschläger und Rechenpfennigmacher<br />

aus dem Jahr 1699, ein wahrer Schatz aus dem<br />

eigenen Bestand. Sie enthielt bei ihrer Übergabe<br />

an das Museum 1917 noch mehr als 130 Gegenstände<br />

und Dokumente aus dem 17. und 18.<br />

Jahrhundert – was sehr selten ist –, die uns heute eine<br />

exakte Vorstellung <strong>vom</strong> gewerblichen Leben dieses<br />

ausgestorbenen Handwerks vermitteln.<br />

Rechenpfennige benötigte man zum „Rechnen<br />

auf der Linie“, einer bis ins 17. Jahrhundert<br />

gebräuchlichen Rechenform, für<br />

die auf ein Tuch, Tisch oder Brett parallele<br />

Linien gemalt oder geritzt wurden. Die Linien standen<br />

für Einer, Zehner oder Hunderter, die Rechenpfennige<br />

markierten je nach Position einzelne Beträge, die dann<br />

zusammen abgelesen werden konnten. „Flitter“ aus<br />

Messingblech wurden ähnlich der heutigen Pailletten<br />

als Dekor auf Kleidungsstücke genäht. Vor allem die<br />

zahlreichen „Mustertafeln“ aus zwei Jahrhunderten<br />

geben einen anschaulichen Einblick in das Motivspektrum<br />

der Produkte, das im Falle der Flitter von einfachen<br />

kreisrunden Scheiben über Tierdarstellungen bis<br />

hin zu kaiserlichen Porträtköpfen und Doppeladlern<br />

reichte.<br />

Ebenfalls ein Blickfang sind drei der spektakulärsten<br />

Leihgaben, die für die Ausstellung gewonnen werden<br />

konnten: eine Lade und zwei Ochsenpokale der Frankfurter<br />

Metzger. Während die aus Eisen gefertigte Lade<br />

allein schon durch ihre Größe und die aufwendige Gestaltung<br />

beeindruckt, begeistern die beiden Pokale wegen<br />

ihres historischen Kontexts. Bereits in der ersten<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts ist ein Willkommgefäß in<br />

Gestalt eines sich aufbäumenden Ochsen im Besitz der<br />

Frankfurter Metzgerzunft nachweisbar. Der Kopf fungiert<br />

als Deckel und kann jederzeit einfach abgehoben<br />

werden. Eine zeitgenössische Darstellung zeigt, dass<br />

der Trinkpokal 1746 bei einem feierlichen Umzug zur<br />

neuen Zunftherberge mitgeführt wurde, um mit ihm<br />

auf die Gesundheit des Kaisers, des Stadtrats und des<br />

gesamten Handwerks anzustoßen. Der zweite, mit Gedenkanhängern<br />

reich geschmückte und ebenfalls mit<br />

einem steigenden Ochsen bekrönte Pokal wird heute<br />

auch als „Frankfurter Kaiserpokal“ bezeichnete, da er<br />

der Überlieferung zufolge Kaisern zum Willkommenstrunk<br />

gereicht wurde. Am 16. Dezember 1877 soll Kaiser<br />

Wilhelm I. auf dem Weg zum Römer aus eben diesem<br />

Pokal getrunken haben. Im Jahr 1889 wurde das<br />

Gefäß dann auch noch Wilhelm II. bei einem Besuch der<br />

Stadt von den Metzgern gereicht.<br />

Neben großen und kunstvollen Objekten lohnt<br />

auch ein genauer Blick auf die kleinen, unscheinbar<br />

wirkenden Ausstellungsstücke. Eines der wohl kuriosesten<br />

Exponate ist ein sogenannter „Wurstbügel“,<br />

eine rechteckige Messingplatte von gerade einmal<br />

15 cm Länge mit rundem Öhr an einer Seite. Hierein<br />

steckte man den mit Brät zu befüllenden Wurstdarm,<br />

wobei das obere Ende um den Rand des Öhrs gestülpt<br />

wurde. Die sogenannte „Entschleimerklinge“ an der<br />

anderen Bügelseite diente zum vorsichtigen Abziehen<br />

des Darmschleims vor der Wurstbefüllung. Bei diesem<br />

inschriftlich auf 1601 datierten Werkzeug handelt es<br />

sich um eines der ältesten bekannten seiner Art.<br />

Das Germanische Nationalmuseum macht damit<br />

nicht nur hochkarätige Objekte der eigenen Sammlung<br />

erstmals öffentlich zugänglich, sondern zeichnet darüber<br />

hinaus ein buntes und facettenreiches Bild <strong>vom</strong><br />

Alltag im Handwerk vor den Umwälzungen der Industrialisierung.<br />

Ziel ist es, den verbreiteten Klischees von<br />

„zünftigen“ Trinkgelagen oder den romantisch-verklärten<br />

Handwerkeridyllen eine realistische und lebensnahe<br />

Vorstellung von der Zunft und ihrer Bedeutung für<br />

den Einzelnen entgegenzustellen. So ging ein Handwerker<br />

mit dem Eintritt in eine Zunft eine lebenslange<br />

Verbindung ein, die weit mehr als nur die gewerbliche<br />

Sphäre berührte und erst mit dem gemeinschaftlichen<br />

zu Grabe tragen durch die Zunftgenossen ihr Ende<br />

fand. Feste zeremonielle Regeln bestimmten den Ablauf<br />

der Zusammenkünfte, die uns heute aufgrund der<br />

nur spärlich vorhandenen Dokumentation mitunter<br />

seltsam und geheimnisvoll erscheinen.<br />

Gezeigt werden rund 260 herausragende Objekte<br />

der zünftigen und handwerklichen Sachkultur sowie<br />

Schrift- und Bildwerke aus dem Umfeld der Zünfte, die<br />

dem gesamten deutschsprachigen Raum entstammen.<br />

Die Bandbreite reicht von kostbaren Handwerksladen,<br />

Willkommpokalen und Umzugs- oder Begräbnisrequisiten<br />

über aufwendig gestaltete Lehr- und Geburtsbriefe<br />

bis hin zu Gebrauchswerkszeugen.<br />

Klapptafel der Nürnberger Büttner, 1761, Germanisches Nationalmuseum<br />

Führungen, Workshops, Angebote für Kinder und Familien<br />

Besuchern der Ausstellung stehen während der<br />

Öffnungszeiten jederzeit Audioguides zur Verfügung,<br />

für Kinder gibt es eine kindgerechte Fassung. Ein<br />

umfassender, reich bebildeter Katalog bietet zudem<br />

Hintergrundinformationen und neueste Forschungsergebnisse<br />

zum Nachlesen. Auch das Kunst- und Kulturpädagogische<br />

Zentrum der Museen in Nürnberg<br />

(KPZ) hat wieder ein umfangreiches Begleitprogramm<br />

für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, für Einzelbesucher,<br />

Gruppen oder Schulklassen zusammengestellt.<br />

Für jede Zielgruppe ist etwas dabei!<br />

Jeden Sonn- und Feiertag um 14 Uhr und jeden Mittwoch<br />

um 18 Uhr finden öffentliche Führungen statt.<br />

Ergänzend widmen sich spezielle Themenführungen<br />

mit den Kuratoren einzelnen Aspekten der Schau.<br />

Kinderführungen und Kinder-Eltern-Aktionen locken<br />

an manchen Mittwochabenden oder Sonntagvormittagen,<br />

auch ein Kindergeburtstag zum Thema „Zunft“<br />

kann im KPZ gebucht werden. Das komplette Angebot<br />

liegt als Flyer im Museum aus oder findet sich online<br />

unter www.gnm.de.<br />

Für Schulklassen wurden eigens Schullektionen<br />

entwickelt, die dem Lehrplan entsprechend das Thema<br />

Handwerk und Zunft altersgerecht vermitteln. Von<br />

Workshops über Führungen bis hin zu thematischen<br />

Gesprächen vor einzelnen Objekten reicht das Angebot,<br />

das sich auch an Berufsschulen richtet.<br />

Das diesjährige Museumsfest am Sonntag, 23. Juni<br />

steht ebenfalls unter dem Motto „Zünftig!“. Führun-<br />

gen in der Sonder- und der Dauerausstellung erlauben<br />

Einblicke in die Lebenswelten des alten Handwerks.<br />

Kinder können als „kleine Handwerkerlehrlinge“<br />

an eigenen Führungen teilnehmen oder in offenen<br />

Kreativ-Werkstätten ihr handwerkliches Geschick unter<br />

Beweis stellen. Außerdem führen Handwerker im<br />

Innenhof des Museums die Kunstfertigkeit ihrer Arbeit<br />

vor und beantworten gerne Fragen.<br />

Herbergsschild vieler Zünfte, vermutl. Kurmainz, 2. Hälfte 18. Jhdt., Ausschnitt, Germanisches Nationalmuseum<br />

Ein besonders zünftiges Angebot ist eine Führung,<br />

die zwei Sonderausstellungen und Exponate der Dauerausstellung<br />

kombiniert. Parallel zur Zunftausstellung<br />

läuft auch eine Schau zu Richard Wagner. Dieser zeichnet<br />

in seinen „Meistersingern von Nürnberg“ ein romantisch-verklärtes<br />

Bild <strong>vom</strong> vermeintlich „Goldenen<br />

Handwerk“, wie es typisch für das 19. Jahrhundert war.<br />

Zahlreiche Objekte in der Dauerausstellung bestätigen<br />

diesen Mythos. Eine rund eineinhalb Stunden dauernde<br />

Kombiführung betrachtet ausgewählte Objekte in<br />

allen Präsentationen und geht dabei der Frage nach,<br />

was wir eigentlich über die Realität des zünftig organisierten<br />

Handwerks, seine Entstehungsgeschichte und<br />

sozialgeschichtlichen Hintergründe wissen. So bietet<br />

sich die nahezu einmalige Gelegenheit, Vorstellung<br />

und Realität, Ideal und Wirklichkeit von Handwerk und<br />

Zunft unmittelbar einander gegenüberzustellen.<br />

Information und Buchung im KPZ, Abteilung Schulen<br />

unter 0911/1331-241 oder schulen@kpz-nuernberg.de,<br />

Abteilung Erwachsene und Familien unter 0911/1331-<br />

238 oder erwachsene@kpz-nuernberg.de.<br />

„Übung macht den Meister“, „Lehrjahre sind keine<br />

Herrenjahre“, „Jemandem das Handwerk legen“ –<br />

Redewendungen wie diese sind fester Bestandteil<br />

unserer Sprache. Sie zeigen die grundlegende und<br />

selbstverständliche Rolle, die das Handwerk in unserer<br />

Kultur spielt. Zugleich machen sie deutlich, dass das<br />

Handwerk schon immer zu den tragenden wirtschaftlichen<br />

Säulen unserer Gesellschaft zählte. Denn bis zur<br />

Einführung industrieller Produktionen im 19. Jahrhundert<br />

stammte nahezu alles, was die Bevölkerung zur<br />

Lebensbewältigung nicht selbst herstellen konnte, aus<br />

der Hand des Handwerkers: Das Haus und seine Einrichtung,<br />

Kleidung, Nahrung, Werkzeuge …<br />

Trotz dieser Bedeutung hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

kein Museum in nennenswertem Umfang den<br />

Bereichen Zunft und Handwerk zugewandt. Gerade<br />

deshalb war es dem Germanischen Nationalmuseum<br />

ein Anliegen, sich diesem lange vernachlässigten Thema<br />

zu widmen. Als kulturhistorisches Museum rückt es<br />

neben der klassischen Kunstgeschichte und Archäologie<br />

auch die Alltagskultur in den musealen Fokus – und<br />

zieht spannende Verbindungen. Mit der Ausstellung<br />

„Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500–1800“ präsentiert<br />

das Museum einen bislang nicht allgemein<br />

bekannten Bestand. Die sogenannte Zunftaltertümer-<br />

Sammlung des Hauses zählt zu den umfangreichsten<br />

und vielfältigsten ihrer Art. Im Unterschied zu den lokal<br />

oder regional orientierten Beständen in Heimat-, Stadtund<br />

Landesmuseen überliefert sie die allgemeine und<br />

grundlegende Sachkultur frühneuzeitlicher Zünfte aus<br />

dem gesamten deutschsprachigen Raum.<br />

Im Jahr 2009 begann das Forschungsprojekt „Kulturgeschichte<br />

des Handwerks“. Sein Ziel war die<br />

wissenschaftliche Neubearbeitung der kompletten<br />

Sammlung. Was befindet sich überhaupt in den Depots,<br />

welche Schätze lagern dort? Von welchen Geräten<br />

kennen wir noch die Funktion, was muss vollkommen<br />

neu untersucht werden? Und sind die bislang erworbenen<br />

Kenntnisse überhaupt noch aktuell? Eine Vielzahl<br />

neuer Fakten zur Einordnung zünftiger Relikte wurde<br />

gewonnen, die ganz aktuell in die Schau mit einflossen.<br />

Ein Beispiel ist der „Wurstbügel“, der in der Forschung<br />

bislang als Maßinstrument zur Kon-trolle des Wurstumfangs<br />

galt. Jetzt konnte herausgefunden werden, dass<br />

es sich um ein Werkzeug zur Wurstbefüllung handelt.<br />

Die Aufarbeitung der zu großen Teilen seit Jahrzehnten<br />

im Depot gelagerten Exponate erforderte zudem<br />

aufwendige Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen.<br />

Das Institut für Kunsttechnologie und<br />

Konservierung am Germanischen Nationalmuseum<br />

übernahm diese Aufgabe und festigte und reinigte<br />

zahlreiche Objekte, um sie wieder in altem Glanz erstrahlen<br />

zu lassen. Intensive kunsttechnologische Untersuchungen<br />

wie Infrarot- und Röntgenaufnahmen<br />

oder makroskopische Beobachtungen beförderten<br />

Neues, bislang Unsichtbares zutage.<br />

Ein eindrückliches Beispiel ist die Klapptafel<br />

der Nürnberger Kammmacher, deren<br />

heute sichtbare Malerei laut einer Inschrift<br />

aus dem Jahr 1819 stammt. Die Mitteltafel zeigt<br />

zwei Herren rechts und links neben einer Kartusche<br />

stehend, die die Symbole der Kammmacher präsentiert.<br />

Bereits die der Jahreszahl vorangestellte<br />

Bezeichnung „Renove“ ließ stark vermuten, dass<br />

es sich hierbei um die Übermalung einer älteren<br />

Fassung handelt. Den Beweis erbrachten nun die<br />

von der Tafel angefertigten Röntgenaufnahmen: Sie<br />

zeigen, dass die frühere Bildkomposition bei der „Renovierung“<br />

von 1819 aktualisiert wurde. Die beiden<br />

Herren der Urfassung trugen ursprünglich zeittypische<br />

Pluderhosen, Wams und gesteifte Kragen, mit<br />

der Übermalung von 1819 erhielten sie dann Frack,<br />

Weste und Stehkragen. Auch ihre Physiognomie ist<br />

leicht verändert, offenbar wurden die Gesichter mit<br />

ihren Haar- und Barttrachten „modernisiert“. Die Infrarotaufnahmen<br />

machen darüber hinaus frühere Namensinschriften<br />

und Meisterzeichen sichtbar. Jeweils<br />

dazu angegebene Jahreszahlen datieren die frühere,<br />

heute abgedeckte Malschicht auf das Jahr 1647.<br />

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem<br />

Thema Zunft ist damit aber noch nicht abgeschlossen.<br />

Vom 30. Mai bis 1. Juni findet im Germanischen<br />

Nationalmuseum eine interdisziplinäre Tagung mit<br />

dem Titel „Die Zunft zwischen historischer Forschung<br />

und musealer Repräsentation“ statt. Drei Tage lang<br />

werden Fachleute unterschiedlicher Disziplinen in<br />

Einzelvorträgen ihre Thesen vorstellen. Noch offene<br />

Fragen stellen sich unter anderem im Zusammenhang<br />

mit den zahlreichen überlieferten dinglichen Hinterlassenschaften.<br />

Welcher Quellenwert ist ihnen beizumessen?<br />

Und wie ergänzen oder korrigieren<br />

sie die Aussagen anderer Quellen? Wie und mit<br />

welchen Zielen gehen die Hüter dieses Denkmalbestands<br />

– die Museen – damit um? Und können<br />

Museen die zahlreichen Facetten des Zunftwesens<br />

in seiner chronologischen und regional bedingten<br />

Vielfalt überhaupt ausstellen und vermitteln? Die<br />

Tagung steht jedem offen, die Teilnahme ist kostenfrei.<br />

Interessenten werden gebeten, sich bis zum<br />

10. Mai anzumelden bei Dr. Anke Keller unter<br />

0911 / 1331-174 oder zunfttagung@gnm.de.<br />

Mit der Ausstellung „Zünftig! Geheimnisvolles<br />

Handwerk 1500–1800“ stellt das Germa-<br />

nische Nationalmuseum erneut seinen Status als<br />

Forschungsmuseum unter Beweis. Wie schon bei der<br />

Dürer-Ausstellung begann die Beschäftigung mit einem<br />

Thema zunächst im Rahmen eines umfangreichen<br />

Forschungsprojekts, dessen Ergebnisse in die Präsentation<br />

der Ausstellung eingeflossen sind. Die Ausstellung<br />

soll Anstoß geben, sich weiter mit dem Zunft- und<br />

Handwerkertum zu beschäftigen, um das Thema aus<br />

seinem Nischendasein zu holen.<br />

Oben: Säulenmodell als<br />

Umzugsrequisit der Nürnberger<br />

Schreiner, 1. Hälfte<br />

19. Jahrhundert,<br />

Unten: Lade der Nürnberger<br />

Schreinergesellen,<br />

17. Jahrhundert,<br />

beide Germanisches<br />

Nationalmuseum<br />

illkommscheibe eines<br />

äckerehepaares,<br />

stschweiz, Ausschnitt,<br />

616,<br />

ermanisches Nationaluseum<br />

Termine<br />

Ausstellungen<br />

Der Alles-Könner<br />

Arbeiten von Henry van de Velde aus den<br />

Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums<br />

noch bis 1. April <strong>2013</strong><br />

Wagner – Nürnberg – Meistersinger<br />

Richard Wagner und das reale Nürnberg<br />

seiner Zeit<br />

noch bis 2. Juni <strong>2013</strong><br />

Rembrandt. Meister der Radierung<br />

noch bis 26. Januar 2014<br />

Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk<br />

1500–1800<br />

21. <strong>März</strong> – 7. Juli <strong>2013</strong><br />

Vorschau: Charakterköpfe<br />

Die Bildnisbüste in der Epoche der Aufklärung<br />

6. Juni – 6. Oktober <strong>2013</strong><br />

Tagung<br />

Die Zunft zwischen historischer Forschung<br />

und musealer Repräsentation<br />

30. Mai – 1. Juni <strong>2013</strong><br />

Führungen<br />

Bildhauerkunst des deutschen Ostens<br />

Werke aus Ostpreußen und Schlesien<br />

Mi, 13. <strong>März</strong>, 19 Uhr und So, 17. <strong>März</strong>, 11 Uhr<br />

Mehr Licht! Licht als Thema in der Kunst <strong>vom</strong><br />

Mittelalter bis zur Gegenwartskunst<br />

Mi, 27. <strong>März</strong>, 19 Uhr und So, 31. <strong>März</strong>, 11 Uhr<br />

(Ostersonntag)<br />

Spiegelbilder? Künstlerselbstbildnisse<br />

<strong>vom</strong> 15. bis zum 20. Jahrhundert<br />

Mi, 3. April, 19 Uhr und So, 7. April, 11 Uhr<br />

Es fällt kein Meister <strong>vom</strong> Himmel<br />

Berufsweg im Zunfthandwerk<br />

Mi, 17. April, 19 Uhr und So, 21. April, 11 Uhr<br />

Ein Bild des Jammers?<br />

Die Darstellung von Krankheit und Sterben in der<br />

Bildenden Kunst<br />

Mi, 24. April, 19 Uhr und So, 28. April, 11 Uhr<br />

Der Blick aus dem Bild. Begegnungen auf<br />

Augenhöhe<br />

Mi, 1. Mai, 19 Uhr und So, 5. Mai, 11 Uhr<br />

Behaims Erdapfel<br />

Alte Legenden und neue Forschungsperspektiven<br />

zum „ältesten Globus der Welt“<br />

Mi, 8. Mai, 19 Uhr und So, <strong>12.</strong> Mai, 11 Uhr<br />

Meisterwerke mechanischer<br />

Uhrmacherkunst<br />

Zeitmessgeräte aus fünf Jahrhunderten<br />

Mi, 15. Mai, 19 Uhr und So, 19. Mai, 11 Uhr<br />

Drachen, Sphingen, Greife. Fabelhafte Tiere<br />

in der mittelalterlichen Kunst<br />

Mi, 22. Mai, 19 Uhr und So, 26. Mai, 11 Uhr<br />

Forschungsgeschichte und Geschichten zur<br />

Vor- und Frühgeschichtlichen Sammlung<br />

Mi, 29. Mai, 19 Uhr und So, 2. Juni, 11 Uhr<br />

Pfingstferienprogramm<br />

Wer will fleißige Handwerker sehn?<br />

… der muss ins Museum gehn!<br />

Zwei Tage lang lernen Kinder, was man früher<br />

so alles zum zünftigen Handwerkerleben<br />

brauchte und wie man es <strong>vom</strong> Lehrling zum<br />

Meister brachte. Natürlich werden auch eigne<br />

Werkstücke hergestellt!<br />

28. und 29. Mai, jeweils von 10 bis 15 Uhr<br />

Teilnahmegebühr: 10 € für 2 Tage<br />

Anmeldung beim KPZ unter Tel. 0911 / 1331-<br />

238 oder erwachsene@kpz-nuernberg.de<br />

Das besondere Angebot<br />

Kunst des 20. Jahrhunderts<br />

Kunstvermittlung einmal anders<br />

So, 14. April, 10–16 Uhr<br />

Kunst von der klassischen Moderne bis zu<br />

Zeitgenössischem: Vier kunstpädagogische<br />

Konzepte erläutern gestalterische Mittel an<br />

ausgewählten Werken der Sammlung 20.<br />

Jahrhundert.<br />

Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist<br />

kostenlos.


08<br />

Germanisches Nationalmuseum<br />

Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Rembrandt. Meister der Radierung<br />

Studioausstellung mit 44 Blättern aus der Graphischen Sammlung<br />

Selbstbildnis mit aufgerissenen<br />

Augen, 1630;<br />

Auf dem Boden sitzender<br />

männlicher Akt, 1646<br />

Germanisches Nationalmuseum<br />

Rembrandt Harmenszoon van Rijn, 1606 in Leiden<br />

geboren, ist einer der bekanntesten und bedeutendsten<br />

Künstler Europas. Wesentlich zu seinem<br />

Ruhm tragen seine graphischen Blätter bei, die heute<br />

weltweit als begehrte Sammlerstücke gehandelt<br />

werden. Für die Dauer von knapp einem Jahr zeigt<br />

das Germanische Nationalmuseum in einer Studio-<br />

ausstellung 44 Radierungen aus eigenem Bestand.<br />

Die Blätter sind sonst nicht öffentlich zugänglich, sie<br />

lagern sicher vor Licht geschützt in der Graphischen<br />

Sammlung.<br />

Wenige Künstler haben die Entwicklung der<br />

Druckgraphik sowohl in technischer als auch in<br />

künstlerischer Hinsicht so nachhaltig beeinflusst<br />

wie Rembrandt. Sein graphisches Werk umfasst rund<br />

300 Radierungen. Sie zeichnen sich durch einen unerhört<br />

freien Umgang mit der Radiernadel und durch<br />

ihre Themenvielfalt aus. Wie kein anderer Künstler<br />

seiner Zeit verstand er es, auf graphischen Blättern<br />

Effekte hervorzurufen, die bis dahin einzig der Malerei<br />

vorbehalten zu sein schienen. Anfang des 17.<br />

Jahrhunderts beginnen niederländische Künstler,<br />

mit den technischen Möglichkeiten der Radierung zu<br />

experimentieren. Sie durchbrechen traditionelle Vorstellungen<br />

und versuchen auch in der Druckgraphik,<br />

Bilder mit reichen Tonwerten und stimmungsvollem<br />

Ausdruck zu gestalten. Rembrandt wird zu ihrem<br />

Meister. Sein lockerer und spontaner Zeichenstil,<br />

die große Bandbreite und reiche Variation der engen<br />

und weiten Schraffuren sowie der Einsatz von<br />

Kaltnadel, Ätzradierung und Grabstichel bewirken<br />

ein reich abgestuftes Spiel des Helldunkel – von<br />

leichtem Grau bis zu tiefem, samtigen Schwarz. Der<br />

harte Schwarz-Weiß-Kontrast wird gemildert, die<br />

Zeichnung erscheint „weicher“ und malerischer.<br />

Teilweise bearbeitet Rembrandt seine Radierplatten<br />

auch ohne Ätzung. Mit der sogenannten „Kalten<br />

Nadel“ ritzt er die Motive direkt in das Metall hinein.<br />

Ein solches Vorgehen erzeugt spröde, tiefschwarze<br />

Linien. Manche Radierplatten überarbeitet er mehrfach<br />

und vermag ihnen dadurch weitere Druckzustände<br />

mit immer neuen Ausdrucksnuancen abzugewinnen.<br />

Aus Rembrandts umfangreichem graphischen<br />

Werk zeigt die Studioausstellung vor allem Naturstudien,<br />

biblische Erzählungen und Porträts. Die<br />

Bildnisse reichen von privaten, oft skizzenhaften<br />

Studien bis zu repräsentativen Darstellungen mit Zugeständnissen<br />

an den Geschmack eines vornehmen<br />

Kundenkreises.<br />

Öffentliche Führungen finden jeden ersten Samstag<br />

im April, Mai und Juni um 15:00 Uhr und zusätzlich<br />

am Dienstag, dem 09.04. um 10:15 Uhr statt.<br />

Mehr Platz für die Kunst: Ein neues Depot entsteht<br />

Blick von oben in das<br />

geplante Depot<br />

Es ist ein Problem, das viele Museen nur allzu<br />

gut kennen: Zu wenig Platz in den Depots, die Kapazitätsgrenze<br />

ist erreicht. Sammlungsbestände<br />

müssen dicht gedrängt gelagert werden, das Einoder<br />

Umräumen ist umständlich, ein „schnell mal<br />

was Nachgucken“ kaum möglich. Häufig werden<br />

zusätzliche Räume angemietet, die über die Stadt<br />

verstreut lange Wege erfordern. Für das Germanische<br />

Nationalmuseum ändert sich dieser Zustand:<br />

Im Frühjahr beginnen die Bauarbeiten für ein neues<br />

Depot. Es entsteht im Innenhof des Museums, dem<br />

Großen Klosterhof, und wird fünf Etagen tief in den<br />

Boden reichen.<br />

Das Tiefdepot wird sich über eine Länge von 50<br />

Metern und eine Breite von 27 Metern erstrecken<br />

und 21 Meter tief unter der Erde liegen. Die fünf<br />

Geschosse bieten eine zusätzliche Lagerfläche von<br />

insgesamt rund 3.500 m².<br />

Vier der Stockwerke werden als Depot für Sammlungsobjekte<br />

genutzt, ein fünftes wird der Technik<br />

vorbehalten sein, die unter anderem zentrale Versorgungsanlagen<br />

für das gesamte Museumsareal<br />

aufnimmt. Der Bau wird allen Ansprüchen der modernen<br />

Technik in Bezug auf Klimatisierung und Sicherheit<br />

entsprechen. Im Jahr 2017 soll er vollendet<br />

sein.<br />

Vor Baubeginn wurde der Klosterhof archäologisch<br />

untersucht. Diese Vorarbeiten sind nun fast<br />

abgeschlossen, sodass am 2. Mai der Spatenstich<br />

erfolgen kann. Um den Innenhof des Museums auch<br />

für große Baufahrzeuge zugänglich zu machen,<br />

muss der Durchgang abgebrochen werden, der<br />

bislang den historischen Kreuzgang mit der<br />

Musikinstrumentensammlung verbindet.<br />

Sammlungsräume werden nicht geschlossen,<br />

sie bleiben voraussichtlich während der gesamten<br />

Bauzeit über zugänglich. Einzig auf<br />

den Rundgang um den Klosterhof müssen<br />

Besucher verzichten. Der Durchgang wird den<br />

Baufahrzeugen als Ein- und Ausfahrt dienen.<br />

In einem ersten Schritt werden zunächst<br />

runde Betonpfeiler dicht an dicht wie eine<br />

Wand in den Boden gesenkt. Sie markiert<br />

die äußere Begrenzung des Tiefdepots. Auf<br />

Bodenniveau schließt oben eine Betondecke<br />

das Karree ab und hält die Betonpfeiler in Position.<br />

Durch eine kleine Öffnung wird dann<br />

der mit dem Beton eingefasste Innenraum<br />

ausgehöhlt und der Abraum abtransportiert.<br />

Einen Blick in eine fünf Etagen tiefe Baugrube<br />

wird es daher nicht geben, sie ist immer<br />

von der Betonplatte bedeckt.<br />

Das Tiefdepot wird vollständig unter der Erde<br />

liegen, nur wenige Bauelemente werden von außen<br />

sichtbar bleiben. Die Bauarbeiten sollen im<br />

Jahr 2017 abgeschlossen und das Depot bezugsfer-<br />

tig sein. Dann wird auch der Große Klosterhof fast<br />

wie zu Zeiten vor dem neuen Tiefdepot erscheinen,<br />

begrünt und großen Skulpturen aus dem Besitz des<br />

Museums Platz bietend.<br />

Vortrag und Lesung zu moderner Kunst und großen Komponisten<br />

Hochmotiviert wurde nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

in West-Berlin die „Galerie des 20. Jahrhunderts“<br />

neu gegründet. Binnen zweier Dekaden<br />

avancierte sie zu einer der bedeutendsten Kunstinstitutionen<br />

der Berliner Nachkriegszeit. Bis zu<br />

ihrer Schließung im Jahr 1968 hatte ihr Direktor<br />

Adolf Jannasch mehr als 700 Gemälde, Skulpturen,<br />

Zeichnungen und Druckgrafiken der Moderne sowie<br />

rund 1.000 Arbeiten zeitgenössischer Künstler<br />

zusammengetragen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

des Zentralarchivs der Staatlichen Museen<br />

zu Berlin forschte Hanna Strzoda mehrere Wochen<br />

lang im Deutschen Kunstarchiv nach Hinweisen auf<br />

Vorbesitzer der bis 19<strong>45</strong> entstandenen Werke.<br />

Vortrag: „Die Galerie des 20. Jahrhunderts – ein<br />

Berliner Museum der Nachkriegszeit“<br />

mit Dr. Hanna Strzoda<br />

Mittwoch, 10. April um 19 Uhr<br />

Regelmäßig stellen Schriftstellerinnen und<br />

Schriftsteller im Café Arte ihre Werke zu Themen<br />

aus Kunst und Kultur vor. Im Anschluss besteht<br />

immer die Möglichkeit, sich im Gespräch mit den<br />

Autoren und Gästen auszutauschen.<br />

Begleitend zur Wagner-Ausstellung liest Eberhard<br />

Straub aus seinem Werk „Wagner und Verdi<br />

– Zwei Europäer im 19. Jahrhundert“. Verdi griff zu<br />

historischen Stoffen, Wagner zu Epen und Mythen.<br />

Verdi beschäftigte Librettisten, Wagner schrieb alles<br />

selbst. Deutschtum gegen Italianità, Tiefsinn gegen<br />

Leichtigkeit – viele Gegensätze hat die Nachwelt auf<br />

die beiden Komponisten projiziert.<br />

Doch gibt es vielleicht mehr Verbindendes als<br />

man gemeinhin glaubt?<br />

Lesung: „Wagner und Verdi“<br />

mit Eberhard Straub<br />

Freitag, 5. April um 19 Uhr im Café Arte


Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong> Fränkisches Freilandmuseum<br />

09<br />

Die sind dann mal weg ...<br />

ie ganze Häuser abgebaut und auf Tiefladern nach Bad Windsheim gebracht werden<br />

Wandweise werden<br />

Häuser abgebaut und<br />

mit dem Kran auf den<br />

Tieflader gehoben.<br />

Sorgfältig verpackt<br />

wird das Badhaus aus<br />

Wendelstein nach<br />

Bad Windsheim<br />

transportiert.<br />

Fotos: Herbert May<br />

Termine<br />

Veranstaltungen<br />

Technik-Tag in der Ziegelei<br />

So, 24.3., 10–17 Uhr<br />

Passionsspiel nach Hans Sachs<br />

Karfreitag, 29.3., 14 Uhr<br />

Ostern im Freilandmuseum<br />

Karsamstag, 30.3. bis Ostermontag, 1.4.,<br />

10–18 Uhr<br />

Heil- und Gewürzkräutermarkt<br />

Sa, 20.4. bis So, 5.5., 10–18 Uhr<br />

Historischer Jahrmarkt<br />

Mi, 1. bis So, 5.5., 10–18 Uhr<br />

Tag der alten Haustierrassen<br />

So, 9.6., 9–18 Uhr<br />

Kinderfest<br />

Sa, 15.6., 14–18 Uhr und So, 16.6., 11–18 Uhr<br />

Ausstellungen<br />

„Wir lebten in einer Oase des Friedens“<br />

Die Geschichte einer jüdischen Mädchenschule;<br />

1926 bis 1938<br />

So, 24.3.–So, 5.5., 10–18 Uhr, Spitalkirche<br />

Wie kommen die Häuser überhaupt ins Fränkiche<br />

Freilandmuseum? Das ist eine der häufigsten<br />

ragen unserer Besucherinnen und Besucher. Dabei<br />

st die Vorstellung weit verbreitet, dass die Gebäue<br />

gewissermaßen Stein für Stein und Balken für<br />

alken abgetragen und ins Freilandmuseum des<br />

ezirks Mittelfranken in Bad Windsheim transportiert<br />

werden. Sicherlich kommt man nicht umhin,<br />

Bodenplatten, Sockel- oder Gewölbesteine und<br />

auch stark geschädigte Hölzer einer Fachwerkkonstruktion<br />

einzeln auszubauen. Doch in der Regel<br />

sieht der Abbau so aus wie auf den Fotos oben,<br />

welche die Versetzung des spätmittelalterlichen<br />

Badhauses aus Wendelstein zeigen: Das Gebäude<br />

wird wandweise abgebaut. Die Wände werden eingeschalt,<br />

mit Stahlstäben verspannt und dann aus<br />

der Konstruktion herausgelöst. Diese „Packung“<br />

wird von einem Autokran auf eine Plattform gehoben<br />

und auf einen Tieflader geladen. Bis zu<br />

neun Meter lang und 3,50 Meter breit können die<br />

Wandteile sein, ihr Gewicht darf die Grenze von 30<br />

Tonnen nicht überschreiten. Steinerne Wandteile<br />

sind aufgrund ihres Gewichtes meistens kleiner, sie<br />

müssen mit einer Steinsäge auseinandergeschnitten<br />

werden, während man Fachwerkwände leichter<br />

trennen kann. Auch Deckenkonstruktionen werden<br />

auf diese Weise abgebaut, müssen allerdings liegend<br />

transportiert werden.<br />

„Ganzteiltranslozierung“ nennt man dieses<br />

Verfahren, das seit den frühen 1980er Jahren in<br />

den Freilichtmuseen angewendet wird, wobei das<br />

Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim zu<br />

den Pionieren dieser Versetzungstechnik zählt. Der<br />

unschätzbare Vorteil dabei ist, dass die historischen<br />

Informationen einer Wand – Gefache, originale<br />

Fugenmörtel, Putz- und Farbschichten – erhalten<br />

bleiben. Der Anteil an Originalsubstanz ist bei den<br />

wiederaufgebauten Häusern dadurch um ein Vielfaches<br />

höher als bei den älteren Versetzungstechniken.<br />

Das Badhaus in Wendelstein wurde in insgesamt<br />

29 Wand- und Deckenteile zerlegt, darunter<br />

elf massive Bruchsteinwände, das schwerste von<br />

ihnen wog 25 Tonnen. Der Abbau war nicht unproblematisch:<br />

Die Hauptstraße musste aufwendig abgestützt<br />

werden, um ein Abrutschen zu verhindern.<br />

Doch alles verlief nach Plan: Im Oktober 2012 – fünf<br />

Monate nach Beginn des Abbaus – ist die letzte<br />

Wand nach Bad Windsheim gebracht worden.<br />

Häuser in der Warteschleife<br />

In den seltensten Fällen werden die Häuser nach<br />

dem Abbau sofort wieder aufgebaut, auch das<br />

Badhaus aus Wendelstein muss noch einige Jahre<br />

auf den ersten „Museumsbadetag“ warten. Die<br />

Gebäude müssen folglich bis zum Wiederaufbau<br />

gut und sorgfältig eingelagert werden. Bei einer<br />

Aufbewahrung im Freien werden die Wandteile auf<br />

eichenen Lagerhölzern abgesetzt und anschließend<br />

überdacht, um sie vor der Witterung zu schützen.<br />

Aber auch große Hallen dienen dem Museum als<br />

Lagerort für die historischen Gebäude.<br />

Nicht immer sind die Bedingungen für den Abbau<br />

zeitlich so komfortabel wie beim Badhaus aus<br />

Wendelstein. Häufig handelt es sich um Notmaßnahmen<br />

unter größtem Zeitdruck. Dann steht der<br />

Bagger für den anschließenden Neubau schon auf<br />

dem Grundstück – und die Baudokumentation fällt<br />

entsprechend knapp aus. Aber auch hier zeigt sich<br />

wieder der Vorzug der „Ganzteiltranslozierung“:<br />

Man kann die Befunde auch noch im abgebauten<br />

Zustand im Museum dokumentieren – die Wände<br />

sind ja vollständig vorhanden.<br />

15 Gebäude befinden sich derzeit im Freilandmuseum<br />

noch „in der Warteschleife“ und hoffen<br />

auf baldigen Wiederaufbau am endgültigen neuen<br />

Standort im Museum. Manche Freilichtmuseen<br />

in Deutschland haben deutlich mehr abgebaute<br />

Gebäude eingelagert. Doch kann das Fränkische<br />

Freilandmuseum bei Weitem nicht alles annehmen.<br />

Fortlaufend werden Bauernhäuser zur Übernahme<br />

angeboten, oft mehrere pro Woche. Das Museum<br />

ist allerdings keine Auffangstation für alle von<br />

Abbruch bedrohten ländlichen Gebäude, sondern<br />

folgt einer detaillierten Konzeption. Die Besucher<br />

sollen einen sinnvollen Überblick über unterschiedlichste<br />

Häuser-Typen auf dem Lande und die regionalen<br />

Besonderheiten des ländlichen Bauens in<br />

ganz Franken gewinnen.<br />

Herbert May<br />

Das wetterfest eingelagerte<br />

Badhaus aus<br />

Wendelstein wartet auf<br />

den Wiederaufbau.<br />

Foto: Ute Rauschenbach<br />

Der Reichswald – Holz für Nürnberg und<br />

seine Dörfer<br />

Sa, 30.3.–So, 11.8., 9–18 Uhr, Ausstellungsscheune<br />

Vorträge<br />

Der Nürnberger Reichswald<br />

Fr, 5.4., 19 Uhr, Aumühle<br />

„Wir trauen blind dem Wort des Führers.<br />

Heil dem Führer!“<br />

Mi, 24.4., 19 Uhr, Spitalkirche<br />

Jüdisches Leben heute<br />

Fr, 3.5., 19 Uhr, Spitalkirche<br />

Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk<br />

1500–1800<br />

Fr, 7. 6., 15 Uhr, Treffpunkt GNM Nürnberg<br />

Kurse<br />

Restaurierungstechniken – Architekturoberflächen<br />

Sa, 23.3., 10–17 Uhr<br />

Schablonenmalerei<br />

Sa, 13.4., 10–17 Uhr<br />

Vergoldung<br />

Sa, 20.4., 10–17 Uhr<br />

Historische Gartenkeramik<br />

Fr, 26.4., 17–19 und 19–21 Uhr<br />

Stuckieren<br />

Sa, 27.4., 10–17 Uhr<br />

Anmeldung unter 09841 / 66 80 0 oder<br />

www.freilandmuseum.de<br />

Holz für Nürnberg und seine Dörfer<br />

Bauernhäuser und Herrensitze, Ställe und<br />

Scheunen, Zäune und Gartenhäuschen, Mühlen<br />

und Brennöfen sind farbenfroh, maßstabsgerecht<br />

und bis ins Detail genau auf Papier gebannt. Rund<br />

5300 Baupläne haben die Nürnberger Waldämter<br />

der Nachwelt hinterlassen. Sie erfassen Bauvorhaben<br />

im Nürnberger Umland über vier Jahrhunderte<br />

hinweg und lassen die bauliche Entwicklung ganzer<br />

Dörfer rekonstruieren – ein vergleichbarer Bestand<br />

von ähnlicher Dichte ist der historischen Hausforschung<br />

bislang nicht bekannt. Doch<br />

faszinieren die Zeichnungen, die<br />

heute <strong>vom</strong> Staatsarchiv Nürnberg<br />

verwahrt werden, in<br />

ihrer Vielfalt und Ästhetik<br />

nicht nur Fachleute.<br />

In der Ausstellung „Der<br />

Reichswald. Holz für<br />

Nürnberg und seine<br />

Dörfer“, die im Fränkischen Freilandmuseum des<br />

Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim zu sehen<br />

ist und in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv<br />

Nürnberg, dem Verein Altnürnberger Landschaft<br />

e. V. und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg<br />

entstand, wird erstmals eine größere Auswahl der<br />

Pläne im Original der Öffentlichkeit präsentiert.<br />

Stadt und Wald – eng verbunden<br />

Warum wurde eine solche Menge an Bauplänen<br />

angefertigt? Die Geschichte Nürnbergs, bereits früh<br />

zur Großstadt herangewachsen, ist eng mit dem<br />

umliegenden Reichswald verbunden. Der Bedarf<br />

an Bau- und Brennholz war enorm, Ressourcen und<br />

Einfuhrmöglichkeiten begrenzt. Ab dem ausgehenden<br />

Mittelalter war die Stadt darum bemüht, die<br />

Ausbeutung des Reichswaldes einzudämmen. Dazu<br />

wurde eine Behörde eingerichtet, die für alle Belange<br />

des Reichswaldes zuständig war und im Streitfall<br />

rechtliche Maßnahmen ergreifen konnte: Sie erfasste<br />

alle Bauvorhaben im Nürnberger<br />

Umland, um die erforderliche<br />

Holzmenge und ihre Verwendung<br />

festzulegen.<br />

Die Ausstellung<br />

zeigt aber nicht<br />

nur Baupläne. Es<br />

geht auch um die<br />

Geschichte des<br />

Reichswaldes, von<br />

der frühen Forstwirtschaft bis zur modernen Naherholung.<br />

Wozu wurde welches Holz verwendet, mit<br />

welchen Bäumen wurde der Wald wieder aufgeforstet?<br />

In einer historischen Waldamtsstube erfahren<br />

die Besucher, wie eine frühneuzeitliche Behörde<br />

funktionierte, dass Bauvorschriften und amtlicher<br />

„Papierkrieg“ keine modernen Erscheinungen sind,<br />

und warum gelernte Zimmerer nicht nur auf Baustellen,<br />

sondern auch im Wald unterwegs waren.<br />

Mehrere Gerüstmodelle von Gebäuden verdeutlichen,<br />

wie viel Wald eigentlich in einem Bauernhaus<br />

steckt. Auch die rechtliche Seite des Bauwesens<br />

wird beleuchtet: Was passierte, wenn frühere Bauherren<br />

„schwarz“ bauten oder unerlaubt Holz schlugen?<br />

Welche Ersatzansprüche hatte ein Untertan,<br />

wenn sein Hof von Brand und Krieg zerstört wurde?<br />

Wie wurde der Steinbau gefördert, um Holz einzusparen?<br />

Überraschend dürfte auch sein, dass die Umsetzung<br />

von Gebäuden, wie sie heute von Freilichtmuseen<br />

durchgeführt wird, keineswegs eine moderne<br />

Idee ist, sondern bereits vor 500 Jahren praktiziert<br />

wurde.<br />

Der Reichswald – noch immer in Gefahr<br />

Im Obergeschoss der Ausstellungsscheune ist<br />

eine begleitende Fotoausstellung des Nürnberger<br />

Fotografen und Bildjournalisten Herbert Liedel zu<br />

sehen. Passend zum Thema ließ er seine Aufnahmen<br />

auf Holz drucken. Sie zeigen einerseits einen gesunden,<br />

einladenden Reichswald in kraftvollen Farben,<br />

andererseits die Zerstörung durch den Menschen in<br />

dramatischen Motiven. Liedels Bilder zeichnen sich<br />

in beiden Extremen durch eine eindrucksvolle Ästhetik<br />

aus und machen deutlich, welche Bedeutung<br />

der Reichswald nach wie vor für Nürnberg hat.<br />

Zu sehen ist die Ausstellung <strong>vom</strong> 30.3. bis 11.8.<br />

täglich außer montags von 10–18 Uhr, ab Mai auch<br />

montags.<br />

Markus Rodenberg<br />

Umbauplan eines<br />

Bauernhauses aus dem<br />

Jahr 1775, Staatsarchiv<br />

Nürnberg


10<br />

Neues Museum in Nürnberg<br />

„Machen ist Denken“<br />

Ausstellung im Unteren Foyer: Experimentelles Bauen – <strong>vom</strong> Modell zur Wirklichkeit<br />

Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Pavillon aus Europaletten:<br />

Treffpunkt für Gäste<br />

der Nordischen Ski-WM,<br />

Oberstdorf 2005<br />

Kann man alle wichtigen Funktionen einer Wohnung<br />

auf 3 x 3 Metern sinnvoll unterbringen? Ja,<br />

man kann – nicht nur als Gedankenspiel, sondern<br />

auch in der Realität. Zudem trägt dieses Projekt zur<br />

Lösung einer nicht unrelevanten gesellschaftlichen<br />

Frage in Anbetracht des unaufhaltsamen Anstiegs<br />

der Weltbevölkerung bei.<br />

Kann man aus 1.300 gestapelten Europaletten<br />

einen architektonisch eindrucksvollen Pavillon<br />

bauen, der als Begegnungsstätte dient? Auch das<br />

funktioniert!<br />

2005 entstand zur Nordischen Skiweltmeisterschaft<br />

in Oberstdorf aus eben solchen Europaletten<br />

ein innovativer, temporärer und vollständig recycelbarer<br />

Erlebnisraum, dessen Bestandteile nicht mehr<br />

als Produkt erkennbar waren, sondern eine monolithische,<br />

dreidimensional gekrümmte Raumskulptur<br />

formten. Bevölkerung und Gäste waren beeindruckt.<br />

Realisiert werden diese und zahlreiche andere<br />

ungewöhnliche Projekte <strong>vom</strong> Institut für Architektur<br />

und Städtebau der Hochschule Biberach.<br />

Dieses wurde 2004 gegründet, um dem dortigen<br />

Studiengang Architektur eine Forschungsplattform<br />

zur Verfügung zu stellen. Den Schwerpunkt der Arbeit<br />

des Instituts bildet das Experimentelle Bauen.<br />

Hierbei wird versucht, verschiedenste Phänomene<br />

der Wahrnehmung zu erfassen, ihnen anschließend<br />

durch architektonische Ansätze näherzukommen,<br />

um sie in letzter Instanz nicht nur in fiktive, sondern<br />

in erlebbare Räume zu transformieren. Konstruktive<br />

Neuinterpretationen verbunden mit morphologischen,<br />

visuellen und haptischen Erfahrungen sind<br />

Grundlage der entwurflichen Aufgabenstellung und<br />

deren experimenteller Realisierung.<br />

Im Herbst <strong>2013</strong> verwirklicht das Neue Museum in<br />

Kooperation mit dem Institut für Architektur und<br />

Städtebau unter der Leitung von Prof. Matthias<br />

Loebermann ein großes Projekt auf dem Klarissenplatz.<br />

Im Vorgriff darauf werden ab dem <strong>12.</strong> April im<br />

Foyer des Museums in einer Ausstellung innovative<br />

Arbeiten des Instituts aus den letzten zehn Jahren in<br />

Modellen und Fotografien vorgestellt. Alle präsentierten<br />

Arbeiten wurden im Rahmen der Masterausbildung<br />

an der Hochschule mit den Studierenden<br />

entwickelt und umgesetzt, wobei nicht immer das<br />

ganze Projekt durch die Hochschule realisiert wurde,<br />

sondern auch Fachfirmen beteiligt waren.<br />

Die Projekte Matthias Loebermanns und seiner<br />

Studenten am Institut für Architektur und Städtebau<br />

sind gleichermaßen eigenwillig wie innovativ<br />

und korrespondieren stets mit ihrer Umwelt. Sie<br />

spielen mit den Gewohnheiten ihrer Betrachter<br />

und regen zum Umdenken an. Räumliche Konzepte<br />

werden aufgebrochen und neu interpretiert, sodass<br />

dem Begriff der Funktionalität des Raumes eine<br />

neue Lesart einbeschrieben wird. Die für die Ausstellung<br />

ausgewählten Projekte zeigen, wie breit<br />

gefächert der Bereich des funktionalen experimentellen<br />

Bauens an der Hochschule Biberach ist.<br />

Ab dem 26. September kann man sich dann auf<br />

dem Klarissenplatz ganz konkret davon überzeugen.<br />

Diagonal zur Glasfassade des Museums entsteht<br />

eine große begehbare Rauminstallation mit<br />

dem Titel Unschärfe. Sie besteht aus geschichteten<br />

Betonstahlmatten, die sich bis zu einer Höhe von<br />

sechs Metern über drei Höhenabstufungen verdichten.<br />

Mit dem Projekt wird das Phänomen der<br />

Unschärfe, das gestalterisch aus der zweidimensionalen<br />

Darstellung (Fotografie, Malerei) durchaus<br />

bekannt ist, um eine reale dreidimensionale, architektonische<br />

Wahrnehmungsebene erweitert.<br />

Termine<br />

Ausstellungen<br />

Mary Heilmann. Good Vibrations<br />

22.3.<strong>2013</strong> bis 23.6.<strong>2013</strong><br />

Eröffnung: Do, 21.3.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Experimentelles Bauen<br />

<strong>12.</strong>4.<strong>2013</strong> bis 16.6.<strong>2013</strong><br />

Eröffnung: Do, 11.4.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Unteres Foyer, Eintritt frei<br />

Sammlung<br />

Helen Britton<br />

Bis 28.4.<strong>2013</strong><br />

inks: Projekt Stabraum<br />

echts: Ein echtes<br />

xperiment – 4 Wochen<br />

ohnen auf 3x3 Metern<br />

otos: Hochschule<br />

iberach<br />

Diet Sayler<br />

19.4.<strong>2013</strong> bis 21.7. <strong>2013</strong><br />

Eröffnung: Do, 18.4.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Emil Siemeister<br />

Kymatik. Tag und Nachtversion<br />

24.5.<strong>2013</strong> bis 15.9.<strong>2013</strong><br />

Eröffnung: Do, 23.5.<strong>2013</strong>, 18 Uhr<br />

Zu Gast im Neuen Museum<br />

ngewöhnliche Kombiationen<br />

von Formen,<br />

arben, Materialien:<br />

rosche von Helen Briton,<br />

Knifegarden, 2012<br />

oto: Helen Britton<br />

Helen Britton. The Things I see<br />

Liebe, Reichtum und Sentimentalität, Humor und<br />

Weisheit, Gewalt und Hoffnung gesehen in ihrer<br />

ganzen Banalität und gleichzeitigen Tiefe. Manchmal<br />

Exotisches, Kostbares oder Seltenes, manchmal<br />

ein Amulett und ein Glücksbringer – es sind die paradoxen<br />

Gefühlswelten und die Dinge des Alltags,<br />

die die in München lebende Australierin Helen<br />

Britton (geb. 1966) aufspürt und denen sie in ihren<br />

Schmuckobjekten nachgeht.<br />

Halbzeuge der Modeschmuckindustrie, Fundstücke<br />

von Flohmärkten oder Strandspaziergängen in<br />

Brittons Heimat Australien vereinen sich mit ihren<br />

eigenen, aus Metall gefertigten Komponenten und<br />

Gebilden, mit Edelsteinen, mit Lack und Kunststoff<br />

zu etwas völlig Neuem – geprägt durch ihre industrielle<br />

Fertigung und Herkunft. Sie befreien sich von<br />

der Erinnerung, die sie doch zugleich in sich tragen,<br />

und öffnen sich für neue Zusammenhänge. In feinste<br />

Farbsymphonien getaucht, entstehen so sehr<br />

persönliche Schmuckobjekte: „Ich schaffe auf diese<br />

Weise eine private Welt, die keine Kompromisse akzeptiert“<br />

(Helen Britton).<br />

Die Schmuckkünstlerin Helen Britton lässt von<br />

Beginn an die examinierte Künstlerin in ihr die<br />

Schmuckobjekte zeichnen. Eine so bisher nicht<br />

gekannte grafische Dokumentation von Schmuckobjekten<br />

und ihren Entwicklungen entsteht. Vom<br />

Charakter her nur selten Entwurfszeichnungen<br />

sind sie vielmehr parallele, autonome Analysen des<br />

künstlerischen Spielfelds, in dem sie sich bewegt.<br />

Klare, einfache Linien, auf das Wesentliche des<br />

Schmuckobjekts reduziert und abstrahiert, werden<br />

zu Piktogrammen, die sich im Alltag verselbstständigen<br />

und Symbolcharakter für Erinnertes und zu<br />

Erinnerndes erlangen.<br />

Im Neuen Museum präsentiert Helen Britton ihr<br />

Werk in zwei Räumen, wobei sie für die beiden Kabinette<br />

jeweils eine ganz eigene Textur entwickelt.<br />

Im ersten Raum ist eine Wand mit 40 Zeichnungen<br />

unter dem Titel Dekorationswut das bestimmende<br />

Element. Eine Perlenkette schlängelt sich über die<br />

Wand, bereichert um Erinnerungs- und Ideenskizzen<br />

und um Schaukästen, in denen für die Nürnberger<br />

Ausstellung gearbeitete Schmuckarbeiten hängen.<br />

Eine fünf Meter lange Vitrine ist ihr Gegenpart<br />

mit Arbeiten aus der Industriellen Serie.<br />

Anders der zweite Raum. Dicht an dicht sind die<br />

Vitrinen gestellt. Digitale Fotoalben sind zu entdecken<br />

wie die Kurzfilme The Things I see, die der Ausstellung<br />

den Titel gaben. Helen Britton lässt uns tief<br />

eintauchen in ihr „Archiv“ – Skizzenbücher gewähren<br />

einen Blick in ihre sehr privaten Erinnerungsund<br />

Ideenwelten. Ein Armschmuck von 1996 spielt<br />

ein Feuerwerk an Farben, Formen und Materialien<br />

ab. Üppige Halsgebinde aus winzigen, violetten, nur<br />

in Australien vorkommenden Muscheln und aus<br />

paillettenartigen Fischschuppen erinnern an Besuche<br />

in der Heimat.<br />

Helen Britton ist 1997 ein erstes Mal für ein<br />

Jahr in der Schmuckklasse von Otto Künzli an der<br />

Münchner Akademie der Bildenden Künste und studiert<br />

von 1999 bis 2004 dort, um 2005 ihr Diplom als<br />

Schmuckentwerferin abzulegen. Von hier aus entdeckt<br />

sie die gläsernen Miniaturen im thüringischen<br />

Lauscha und die einst glamouröse Welt des Modeschmucks<br />

in Schwäbisch-Gmünd, die sie in ihre Welt<br />

des Schmucks auf faszinierende Art einbindet – Helen<br />

Britton. The Things I see.<br />

Johannes Volkmann. Unbezahlbar<br />

17.5.<strong>2013</strong> bis 9.6.<strong>2013</strong><br />

Eröffnung: Do, 16.5.<strong>2013</strong><br />

Vorträge und Gespräche<br />

Artist talk mit Mary Heilmann<br />

Vortrag der Künstlerin in englischer<br />

Sprache<br />

Fr, 22.3.<strong>2013</strong>, 17 Uhr<br />

Roland Wäspe über Mary Heilmann<br />

Vortrag in der Ausstellung<br />

Do, 25.4.<strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Kinder und Jugendliche<br />

In Farbe getaucht<br />

Workshops zur Ausstellung Mary Heilmann<br />

Fr, 19.4.<strong>2013</strong>, 14.30 Uhr (ab 8 Jahren)<br />

Sa, 20.4.<strong>2013</strong>, 14.30 Uhr (ab 12 Jahren)<br />

Jeweils begrenzte Teilnehmerzahl.<br />

Infos und Anmeldung unter (0911) 2402036<br />

Farbe hüpft, lacht, träumt<br />

Kinderwoche zur Ausstellung von<br />

Mary Heilmann<br />

21.5.<strong>2013</strong> bis 24.5.<strong>2013</strong><br />

Eröffnung der Präsentation:<br />

So, 26.5.<strong>2013</strong>, 15 Uhr<br />

Begrenzte Teilnehmerzahl, Anmeldung<br />

unter Tel. (0911) 2402036<br />

Musik<br />

KlangKonzepteEnsemble<br />

Horst Lohse zum 70. Geburtstag<br />

So, 7.4.<strong>2013</strong>, 11.15 Uhr<br />

Metropolmusik-Konzerte<br />

zur Ausstellung von Mary Heilmann<br />

Fr, 7.6.<strong>2013</strong> und Sa, 8.6.<strong>2013</strong>, 19.30 Uhr<br />

Weitere Termine und Informationen unter:<br />

www.nmn.de<br />

D


Nr. <strong>45</strong> | <strong>12.</strong> <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Neues Museum in Nürnberg<br />

11<br />

Die farbenfrohe Welt der Mary Heilmann<br />

Erstmalig in Deutschland zeigt das Neue Museum das unkonventionelle Werk einer ungewöhnlichen Künstlerin<br />

Das Atelier der Künstlerin in Bridgehampton bei New York ist ein Gewinn für die Sinne<br />

Unten: Surprise, 2012<br />

„Jedes meiner Bilder kann als autobiographischer<br />

Markstein, als Zeichen betrachtet werden, mit dem<br />

ich einen Moment aus meiner Vergangenheit wieder<br />

entstehen lasse oder ein vorgestelltes künftiges<br />

Erlebnis vorwegnehme.“<br />

Die Ansätze und Überlegungen,<br />

warum Malerei<br />

entsteht, sind vielfältig.<br />

Mary Heilmann, 1940 in<br />

San Francisco geboren,<br />

gehört zu den international<br />

bedeutsamsten<br />

Künstlerinnen der Gegenwart.<br />

1968 mit ihrem<br />

Umzug nach New York<br />

entscheidet sich die Amerikanerin,<br />

die eigentlich<br />

Bildhauerei und Keramik studiert hatte, zu einem<br />

Zeitpunkt für die Malerei, als in der Kunst das Objekt<br />

und die Installation favorisiert wurden. Gegen<br />

den Strom greift sie damals dieses Medium auf und<br />

entwickelt eine abstrakte Bildsprache, mit der sie<br />

autobiografische Momente vermittelt, zugleich aber<br />

die Lust am Sehen weckt.<br />

Die noch heute in New York lebende Künstlerin<br />

beginnt, sich ganz grundlegenden Fragestellungen<br />

der Malerei zu widmen,<br />

den Aspekten der<br />

Farbe und des Farbauftrags.<br />

Ein Beispiel<br />

ist das Bild Little 9 x 9<br />

von 1973. Heilmann<br />

bedeckt ein kleines<br />

schwarz-grundiertes<br />

Bild mit Rot und zieht<br />

die frische Farbe dann<br />

in neun mal neun Linien<br />

wieder ab, indem sie<br />

nacheinander jeweils<br />

abwechselnd einen senkrechten und einen waagerechten<br />

Zug nimmt. Dadurch entsteht ein gestisches<br />

Rasterbild, in dem jeder Schritt seiner Entstehung in<br />

entsprechender Reihenfolge nachvollziehbar bleibt.<br />

Ganz entschieden erfüllen sich damit die Ansprüche<br />

der Zeit, nämlich das Kunstwerk als Produkt seiner<br />

Herstellung transparent sein zu lassen.<br />

Auffällig bei dem Werk von Heilmann ist ein erfindungsreicher<br />

Umgang mit den grundlegenden<br />

malerischen Mitteln – der Farbe, dem Auftrag und<br />

der Form. Ihre Bilder enthalten Elemente der Abstraktion<br />

und Farbfeldmalerei und erinnern an Hard<br />

Edge oder Minimal. Doch ebenso tauchen Motive<br />

der Populärkultur, wie Wellenreiten und Meer oder<br />

Autofahren und Straße, in ihren Arbeiten auf. „Ich<br />

bin kein Surfer, doch macht das Surfen einen großen<br />

Teil meiner Identität, meines ganzen Lebens<br />

aus.“ Zu den abstrakten Formen kommen ab 2005<br />

verschiedene gegenständliche Erinnerungsbilder<br />

als Motive hinzu. Schaumkronen des Meeres oder<br />

Straßenfluchten bei Nacht sind Themen, die Mary<br />

Heilmann in den Prinzipien ihrer Malerei durch<br />

Schichtung von Farben und gestischen Auftrag auf<br />

den Werken wiedergibt.<br />

Aus einem seit ihrem Studium bestehenden Fokus<br />

auf Keramik wendet sich die aus Kalifornien stammende<br />

Künstlerin lebensnah auch immer Formen<br />

der angewandten Kunst oder des Kunsthandwerks<br />

zu. Spielerisch entstehen erstaunlich bequeme Sessel,<br />

die im Material Holz an ihr Vorbild, den Künstler<br />

Donald Judd, erinnern, jedoch in der Farbigkeit<br />

vielmehr einem niederländischen Architekten und<br />

Designer, Gerrit Rietveld, zugewandt sind. Musik<br />

und Kunst, Design und Lifestyle, die Werke von Heilmann<br />

bringen verschiedene Komponenten des Lebens<br />

und der Gestaltung in einen Dialog. Ihr Studium<br />

der Bildhauerei und Keramik schloss Heilmann<br />

1967 an der University of California in Berkeley ab.<br />

Seit 1970 wird ihr Werk in Gruppen- und Einzelausstellungen<br />

international wahrgenommen. Ihre erste<br />

Einzelausstellung fand 1970 im Whitney Museum<br />

Art Resources Center in New York statt, 1972 waren<br />

ihre Werke erstmals in Deutschland in einer Gruppenausstellung<br />

im Kunsthaus Hamburg zu sehen.<br />

Gemeinsam mit der Künstlerin hat das Neue Museum<br />

in Nürnberg nun erstmalig in Deutschland eine<br />

umfangreiche Retrospektive vorbereitet. Mit über<br />

vierzig Werken, die von internationalen privaten<br />

wie öffentlichen Sammlungen entliehen wurden,<br />

wird das lebensfrohe Werk der Kalifornierin vorgestellt.<br />

Schon der Wandplan ist in dieser Ausstellung<br />

eine Besonderheit: Die Kuratorin Melitta Kliege hat<br />

in Absprache mit der Künstlerin die Idee umgesetzt,<br />

den Grundriss dieser Präsentation, einem zentralen<br />

Bildmotiv von Heilmann zu entlehnen: dem „Grid“.<br />

Das Werk Chemical Billy war dazu die Vorlage und<br />

ist in der Schau zu sehen. Ein umfangreiches Begleitprogramm<br />

wird zu dieser Ausstellung angeboten.<br />

So wird beispielsweise die Künstlerin selbst am 22.<br />

<strong>März</strong> um 17 Uhr einen Vortrag (englische Sprache)<br />

halten, auf den man gespannt sein darf.<br />

Heilmanns Werke<br />

spielen auch mit Formen<br />

und Motiven der<br />

Populärkultur<br />

Fotos: Philip Mauro<br />

iet Sayler: Die Realität der Poesie<br />

Diet Sayler (* 1939 Timisoara, Rumänien) ist einer<br />

er wichtigsten konkreten Künstler Europas. 1972<br />

ehrte er dem Staat Ceausescus den Rücken, emirierte<br />

nach Deutschland und landete eher zufällig<br />

n Nürnberg. Mit seiner Ausstellungsreihe „konkret“<br />

1980 bis 1990), die viele bedeutende Künstler nach<br />

ürnberg brachte, stellte Sayler die verschiedenen<br />

pielarten der Konkreten Kunst vor. An der hiesigen<br />

kademie der Bildenden Künste lehrte er von 1992<br />

is 2005 als Professor.<br />

Da er selbst unter einer Diktatur zu leiden hatte,<br />

ehnt Diet Sayler jede Form von Ideologie entschieen<br />

ab. Nicht zuletzt deshalb zählt der weltläufige<br />

nd polyglotte Künstler zu den unorthodoxen Verretern<br />

der konkreten Zunft. An die Stelle der klasischen<br />

Grundformen Quadrat, Kreis und Dreieck<br />

raten individuelle Formsetzungen, die der Künstler<br />

uf der Grundlage eines zunächst quadratischen,<br />

päter dann rechteckigen Rasters entwickelte. Mit<br />

iesen „Basics“ oder „Basiselementen“ schuf sich<br />

ayler ein eigenes Formenrepertoire, aus dem er bis<br />

eute schöpft. Dabei betont der Künstler stets den<br />

ntuitiven Ursprung seiner Formensprache, die sich<br />

egen den Totalitarismus des Objektiven verwahrt<br />

nd jedes allein selig machende Dogma zum Teufel<br />

chickt.<br />

Diet Saylers Bekenntnis zu Veränderung und<br />

rneuerung, zur Offenheit für das Unerwartete<br />

nd zur Subjektivität mündet in sein persönliches,<br />

utiefst humanistisches Prinzip Hoffnung: „Die<br />

eschichte des Denkens, die Geschichte des Glauens,<br />

aber auch die der Zivilisation, sind ohne die<br />

irkung von Kunst nicht vorstellbar. Dahinter sehe<br />

ich das Prinzip Hoffnung als stetig bewegende Kraft<br />

der Poesie. Poesie bedeutet nicht nur ‚romantische<br />

Dichtung‘, sondern Machen, Erzeugen, Verfertigen<br />

im ursprünglichen, klassischen Verständnis des<br />

Wortes. In diesem Sinne möchte ich die Realität der<br />

Poesie verstehen. Sie verbindet das Potenzial von<br />

Erfindung mit dem Potenzial des Machens. Und dies<br />

ist Hoffnung.“<br />

Die für die Konkrete Kunst so typische Dialektik<br />

von Ordnung und Zufall sprengt Diet Sayler durch<br />

ein weiteres Element: die Empfindung, die vor allem<br />

in der Farbe Ausdruck findet. Eine „unendliche<br />

Orgel der Gefühle“ hat Diet Sayler die Farbe einmal<br />

genannt. Und er hat gelernt, auf diesem Instrument<br />

virtuos zu spielen: „Die Schichtung der Farbe ist mir<br />

sehr wichtig. Sie ergibt den Reichtum des Farbkörpers.<br />

Die Anzahl der Schichtungen ergibt sich empirisch<br />

und notwendig aus der Suche nach Ausdruck.<br />

Die unterlegten Farben steuern den Klang der darüberliegenden<br />

Farbfelder.“<br />

Die Sammlungspräsentation in zwei Räumen, die<br />

von 19. April bis 21. Juli <strong>2013</strong> gezeigt wird, bietet<br />

eine pointierte Auswahl von überwiegend neueren<br />

Gemälden. Daneben feiert eine völlig neue Form<br />

Konkreter Kunst Premiere: Für seine sogenannten<br />

Engramme, rein digitale Installationen der für Sayler<br />

typischen „Basiselemente“, wählte der Künstler<br />

historische Settings – in diesem Fall die Kongresshalle<br />

auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände<br />

sowie den Nürnberger Burggraben. Insbesondere<br />

wenn der Künstler die Farben seiner „Engramme“<br />

aus der fotografierten Szenerie entnimmt, ist genaues<br />

Hinsehen erforderlich, um die Eingriffe in die<br />

von Sayler selbst geschossenen Fotos zu erkennen.<br />

Die auch perspektivisch eingepassten Elemente<br />

lenken den Blick auf die Geometrie der Architektur:<br />

von den Strukturen des Back- oder Sandsteinmauerwerks<br />

bis hin zum fortifikatorischen Zick-Zack des<br />

Antonio Fazuni, der im 16. Jahrhundert nördlich und<br />

westlich der Kaiserburg eine uneinnehmbare Bastion<br />

schuf, die nach ihm benannt wurde. Umgekehrt<br />

erfahren die ungegenständlichen Formen eine Verdinglichung,<br />

die dem Begriff „konkret“ eine zusätzliche<br />

Bedeutung verleiht.<br />

Diet Sayler schließt kurz, was unvereinbar<br />

scheint. Daraus resultieren Bilder, die sich ins Gedächtnis<br />

einbrennen: echte „Engramme“ eben,<br />

denn der Begriff meint außerhalb der Kunst Diet<br />

Saylers eine physiologische Reizeinwirkung im<br />

Gehirn, den Eindruck, den ein Erlebnis hinterlässt<br />

und zusammen mit unzähligen anderen „Engrammen“<br />

das Gedächtnis bildet. Die Idee der kleinsten<br />

selbstständigen Einheit verbindet diese Bausteine<br />

der Erinnerung mit Diet Saylers „Basiselementen“,<br />

die sich als Monaden seiner Kunst verstehen lassen.<br />

Deshalb ist „Engramm“ am besten mit „elementare<br />

Erinnerungsform“ übersetzt.<br />

Ein künstlerischer<br />

Eingriff, der nur im Foto<br />

stattgefunden hat: Diet<br />

Sayler, Engramm, Colosseum,<br />

Nürnberg, 2012,<br />

digitale Installation


„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“<br />

Pablo Picasso (1881-1973), spanischer Maler, Grafiker und Bildhauer<br />

Wir fördern Museumskultur in und um Nürnberg<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Ingrid Bierer<br />

Marion Grether M.A.<br />

Prof. Dr. G. Ulrich Großmann<br />

Dr. Herbert May<br />

Russalka Nikolov<br />

Dr. Angelika Nollert<br />

Redaktion:<br />

Gabi Pfeiffer (verantwortlich)<br />

Ulrike Berninger M.A. (Museen)<br />

Dr. Vera Losse (MKN)<br />

Eva Martin (NMN)<br />

Dr. Rainer Mertens (DB)<br />

Dr. Sonja Mißfeldt (GNM)<br />

Ute Rauschenbach M.A. (FFM)<br />

Gestaltung:<br />

Alexander Frank<br />

Sven Irmler<br />

(Entwurf: Martin Küchle)<br />

Verlag und Druck:<br />

Verlag Nürnberger Presse<br />

Druckhaus Nürnberg GmbH & Co.<br />

Marienstraße 9–11<br />

90402 Nürnberg<br />

Redaktion:<br />

Tel. (0911) 2 16 - 28 82<br />

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Bildnis Tochter Ernestine, um 1810,<br />

Öl auf Leinwand<br />

Leihgabe aus Privatbesitz<br />

C<br />

M<br />

Y<br />

CM<br />

MY<br />

CY<br />

CMY<br />

K<br />

www.museumszeitung.de<br />

spk_2zlg_marke_70x30mm_4c.pdf 01.<strong>12.</strong>2010 14:26:37 Uhr<br />

Museen der Stadt Nürnberg<br />

Albrecht-Dürer-Haus<br />

Albrecht-Dürer-Straße 39<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (09 11) 2 31 - 25 68<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 10–17 Uhr; Do 10–20 Uhr<br />

Sa, So 10–18 Uhr<br />

Stadtmuseum Fembohaus<br />

Burgstraße 15<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 25 95<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo–Fr 9–18 Uhr<br />

Sa, So 10–18 Uhr<br />

Dokumentationszentrum<br />

Reichsparteitagsgelände<br />

Bayernstraße 110<br />

90478 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 56 66<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo–Fr 9–18 Uhr<br />

Sa, So 10–18 Uhr<br />

Memorium Nürnberger<br />

Prozesse<br />

Bärenschanzstraße 72<br />

90429 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 3 21 - 7 93 72<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten: Mi–Mo 10–18 Uhr<br />

Spielzeugmuseum<br />

Karlstraße 13–15<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 31 64<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 10–17 Uhr<br />

Sa, So 10–18 Uhr<br />

Museum Tucherschloss<br />

und Hirsvogelsaal<br />

Hirschelgasse 9–11<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 54 21<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo 10–15 Uhr, Do 13–17 Uhr<br />

So 10–17 Uhr<br />

Museum Industriekultur<br />

Äußere Sulzbacher Straße 62<br />

90491 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 38 75<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 9–17 Uhr<br />

Sa, So, 10–18 Uhr<br />

Schulmuseum<br />

Äußere Sulzbacher Straße 62<br />

90491 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 53 02 - 5 74<br />

schulmuseum@ewf.uni-erlangen.de<br />

www.museen.nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 9–17 Uhr<br />

Sa, So, 10–18 Uhr<br />

Mittelalterliche<br />

Lochgefängnisse<br />

Rathausplatz 2<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 31 - 26 90<br />

historischerrathaussaal<br />

@stadt.nuernberg.de<br />

Führungen für Einzelbesucher:<br />

Täglich 10–16.30 Uhr<br />

Historischer Kunstbunker<br />

im Burgberg<br />

Obere Schmiedgasse 52<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 22 70 66<br />

museen@stadt.nuernberg.de<br />

Führungen für Einzelbesucher:<br />

Täglich 14.30 Uhr, Sa 14.30, 17.30 Uhr<br />

Für Gruppen nach telefonischer<br />

Voranmeldung<br />

Bitte beachten Sie unsere Sonderöffnungszeiten<br />

an den Feiertagen.<br />

Ausführliche Informationen finden<br />

Sie auf unserer Homepage unter:<br />

http://museen.nuernberg.de/<br />

Die nächste<br />

<strong>Ausgabe</strong> der<br />

<strong>Museumszeitung</strong><br />

erscheint am<br />

11. Juni <strong>2013</strong>.<br />

Germanisches Nationalmuseum<br />

Kartäusergasse 1<br />

90402 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 13 31 - 0<br />

info@gnm.de<br />

www.gnm.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Mi 18–21 Uhr freier Eintritt<br />

montags geschlossen<br />

Kaiserburg-Museum<br />

Auf der Burg<br />

90403 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 20 09 54 - 0<br />

Öffnungszeiten:<br />

1. April–5. Mai tägl. 9–18 Uhr<br />

Wiedereröffnung nach Sanierung<br />

mit einem Burgfest am<br />

13. und 14. Juli <strong>2013</strong><br />

Schloss Neunhof<br />

Neunhofer Schlossplatz 4<br />

90427 Nürnberg<br />

Achtung: wegen Baumaßnahmen<br />

<strong>2013</strong> und 2014 geschlossen<br />

DB Museum<br />

Lessingstraße 6 – 90443 Nürnberg<br />

Tel. (01804) 44 22 33 (0,20 €/Anruf)<br />

E-Mail: info@db-museum.de<br />

www.dbmuseum.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 9–17 Uhr<br />

Sa, So, Feiertage 10-18 Uhr: geöffnet<br />

auch am 1.4. (Ostermontag), 20.5.<br />

(Pfingstmontag), Geschlossen 29.3.<br />

(Karfreitag), 1.5.<br />

Museum für Kommunikation<br />

Nürnberg<br />

Lessingstraße 6 – 90443 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 23 08 80<br />

mfk-nuernberg@mspt.de<br />

www.mfk-nuernberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 9–17 Uhr<br />

Sa, So, Feiertage 10-18 Uhr: geöffnet<br />

auch am 1.4. (Ostermontag), 20.5.<br />

(Pfingstmontag), Geschlossen 29.3.<br />

(Karfreitag), 1.5.<br />

Neues Museum in Nürnberg<br />

Eingang: Klarissenplatz<br />

Luitpoldstraße 5<br />

90402 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 2 40 20 69<br />

www.nmn.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Do 10–20 Uhr<br />

montags geschlossen<br />

30.3/31.3./1.4./1.5./9.5./19.5./20.5./30.5.<br />

geöffnet, 10-18 Uhr; 29.3. geschlossen<br />

Fränkisches Freilandmuseum<br />

des Bezirks Mittelfranken<br />

in Bad Windsheim<br />

Eisweiherweg 1<br />

91438 Bad Windsheim<br />

Tel. (09841) 66 80 - 0<br />

info@freilandmuseum.de<br />

www.freilandmuseum.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

täglich außer montags geöffnet<br />

9. <strong>März</strong> – 26. Oktober: 9–18 Uhr<br />

27. Oktober – 15. Dezember: 10–16 Uhr<br />

Im <strong>März</strong> und April montags geschlossen,<br />

Ostermontag geöffnet.<br />

Das Museum Kirche in Franken öffnet<br />

eine Stunde später.<br />

KPZ Kunst- und Kulturpädagogisches<br />

Zentrum<br />

der Museen in Nürnberg<br />

Kartäusergasse 1<br />

90402 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 13 31 - 2 41<br />

(Schulen und Jugendliche)<br />

Tel. (0911) 13 31 - 2 38<br />

(Erwachsene und Familien)<br />

schulen@kpz-nuernberg.de<br />

www.kpz-nuernberg.de

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