NEUENHEIMER NACHRICHTEN - Stadtteilverein Neuenheim eV
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Das „Raphael“-erhält nach 56 Jahren<br />
eine wertvolle Schulchronik<br />
Anfang November wurde mir eine<br />
E-Mail weiter geleitet, deren Inhalt<br />
mich ebenso überraschte wie freute: „(...)<br />
wir sind im „St. Rafael-Institut“, geleitet<br />
von den Franziskanerinnen aus Nonnenwerth,<br />
die erste Klasse gewesen, die<br />
nach der Wiedereröffnung 1945 das Abitur<br />
wieder nach 9 Jahren machen konnte.<br />
Unsere 3-bändige Chronik der Jahre 1952<br />
– 1954 gibt Einblicke in den Stellenwert<br />
von Schule, in den Schulalltag, in Lerninhalte,<br />
in den Literaturkanon, in Erziehungsziele<br />
und vieles mehr und ist zugleich<br />
ein Spiegelbild der Zeitverhältnisse<br />
jener Jahre. Wir - die ehemaligen Verfasserinnen<br />
- suchen nach Möglichkeiten einer<br />
späteren Aufbewahrung – etwa ein<br />
Archiv, eine Bibliothek, ein Schulmuseum,<br />
wo die Chronik Interessierten noch von<br />
Nutzen sein könnte.(...)“<br />
Mir war von einer solchen Chronik bisher<br />
nichts bekannt, doch empfand ich das<br />
Angebot als ungeahntes Geschenk an die<br />
Schule. Der Übergabetermin sollte am<br />
23.11.2012, dem Tag des geplanten Klassentreffens<br />
sein.<br />
Vier Damen des Jahrgangs, der sich 1945<br />
anmeldet und nun kurz vor dem Diamantenen<br />
Abitur steht, erschienen zur feierlichen<br />
Übergabe des für unsere Schulgeschichte<br />
unschätzbar wichtigen Dokuments:<br />
Frau Marion Herion, Agnes Popp,<br />
Susanne Frank und Hildegard Kern – später<br />
selber Lehrerin an unserer Schule. Zudem<br />
waren Herr Bechtel und Frau Hentschel<br />
von der Rhein-Neckar-Zeitung unserer<br />
Einladung gefolgt, bei dem Treffen<br />
anwesend zu sein.<br />
Die vier Damen erzählten lebendig und anschaulich<br />
von diesen schwierigen Zeiten des<br />
Neubeginns, nachdem die Schwestern von<br />
Nonnenwerth während der Zeit des Nationalsozialismus<br />
sehr unter dem Regime gelitten<br />
hatten. Aber auch die Schülerinnen<br />
hatten Kriegstraumata zu überwinden und<br />
kamen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
an die Schule, einige hatten<br />
Flucht und Vertreibung erlitten, viele lebten<br />
in bitterer Armut. Eine der prägenden<br />
Persönlichkeiten jener Jahre war Schwester<br />
Celesta Becker – eine intellektuelle und<br />
von christlichem Geist geprägte Frau - die<br />
die Schülerinnen in Deutsch und Englisch<br />
als Klassenlehrerin unterrichtete und vor allem<br />
betreute. Sie initiierte die Dokumentation<br />
der dreibändigen Schulchronik, welche<br />
ein unschätzbares zeitgeschichtliches Dokument<br />
darstellt. Es enthält Aufsätze ebenso<br />
wie Berichte zu Feiern und Ausflügen, daneben<br />
finden sich Zeichnungen, Bilder und<br />
Fotos, die ein eindrückliches Bild jener Zeit<br />
vermitteln. Diese Chronik wurde den ehemaligen<br />
Schülerinnen dann in Obhut gegeben,<br />
nach 56 Jahren kehrt sie wieder an ihren<br />
Ursprung zurück.<br />
Diese ersten Jahre waren gekennzeichnet<br />
von schwierigen finanziellen Bedingungen,<br />
das Unterrichtsmaterial war bescheiden und<br />
spärlich, dennoch stimmten die vier Ehemaligen<br />
darin überein, dass sie schöne Erinnerungen<br />
bewahrt haben. Die Schwestern von<br />
Nonnenwerth zeichneten sich durch Toleranz<br />
und ökumenischen Geist aus.<br />
Die Chronik wird künftig im Schularchiv<br />
aufbewahrt, zu Forschungszwecken<br />
kann sie eingescannt und in kopierter<br />
Form zur Verfügung gestellt werden.<br />
Das St. Raphael-Gymnasium ist um ein<br />
wichtiges Dokument reicher geworden,<br />
von dessen Existenz bis vor kurzem niemand<br />
etwas ahnte.<br />
Ulrike Gutmacher<br />
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