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Trödler Kassetten-Recorder (Vorschau)

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BLICKPUNKT<br />

MÖBEL<br />

■ François Linke<br />

Als der gefeierte Pariser Möbelhersteller<br />

François Linke 1943 noch einmal ein Exemplar<br />

des legendären Bureau de Roi, einer<br />

Replik des Zylinderbüros Ludwig XV.<br />

von 1769, fertigte, war seine große Ära bereits<br />

vorüber. Nicht nur, dass Linke 88 Jahre<br />

alt war und der Zweite Weltkrieg Europa<br />

erstarren ließ. François Linkes Zeit war<br />

die rauschhafte Belle Époque, jene stark<br />

parfümierte Epoche Ende des 19. und Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts, als Zaren, Fürsten<br />

und Kaiserinnen, als Bankiers und Industriebarone<br />

à la Rothschild und J. P.<br />

Morgan die Pracht des 18. Jahrhunderts<br />

wieder aufleben ließen, den Pomp des ancien<br />

régime gar übertrumpfen wollten. In<br />

diesem Geiste agierte auch Linke. Die Diskussion<br />

um die Moderne hat sein Schaffen<br />

nicht berührt. Er fertigte Prunkmöbel, die<br />

in der Kostbarkeit ihrer Furnierhölzer, in ihrer<br />

handwerklichen Raffinesse und in der<br />

Feinheit der Bronzen denen des 18. Jahrhunderts<br />

in nichts nachstanden, er sie in<br />

ihrer Wirkung aber regelrecht ausstechen<br />

wollte. Linke war einer der besten Ebenisten<br />

seiner Zeit. Die Opulenz und Eleganz<br />

seiner Möbel bezirzte die Haute volée von<br />

Paris bis Buenos Aires.<br />

Das, was man heute unter Linke-Stil ver-<br />

Eines von Linkes Meisterwerken auf der Pariser Weltausstellung 1900: die Grand Bibliothèque mit Bronzen<br />

nach Modellen Messagés. Fast 1,6 Millionen US-Dollar war das 3,8 Meter hohe Werk einem Sammler<br />

vor einigen Jahren bei Sotheby’s wert – ungeschlagener Weltrekord für ein Linke-Möbel (Foto: Sotheby’s)<br />

steht, entwickelte Linke gut zehn Jahre<br />

nach Geschäftsgründung in den 90er-<br />

Jahren des 19. Jahrhunderts. Linkes Solidität<br />

bekam eine Tendenz zum Prächtigen<br />

und Extravaganten. Vor üppigem<br />

Bronze-Zierrat schreckte er nicht zurück.<br />

Was in seinem Unternehmen hergestellt<br />

wurde, war absoluter Luxus. Sein Repertoire<br />

schöpfte vorwiegend aus Rokoko<br />

und Frühklassizismus, beides Blütezeiten<br />

hocheleganter Möbel. Für Linkes Stil bedeutend<br />

war die Überwindung des damals<br />

vorherrschenden Eklektizismus. In diesem<br />

Sinne war Linke eher Purist. Streng betrachtet,<br />

sind seine Möbel Modifizierungen<br />

von Möbeltypen des 18. Jahrhunderts.<br />

Das historische Möbel war Quelle, wenngleich<br />

es – bis auf wenige legendäre, royale<br />

Möbel – nicht apologetisch nachgebaut<br />

wurde.<br />

Linke integrierte die schwungvollen Formen<br />

des 18. Jahrhunderts in neue Möbelstücke.<br />

Ein Beispiel für seinen innovativen<br />

Aufsatz-Kabinett mit feiner Vernis-Martin-Malerei<br />

im sogenannten Genre Boucher. Über der Zarge<br />

des Sockels ausziehbares Tablar. Entwurf um 1900<br />

(Foto: Auktionshaus Koller)<br />

Umgang ist das sogenannte Grand Bureau,<br />

das er für die Pariser Weltausstellung<br />

1900 fertigte. Es ist kein Bureau plat, kein<br />

Zylinderbureau, kein typischer Aufsatzschreibtisch<br />

mit querlaufendem Schubladen-Aufsatz.<br />

So ein Möbel hatte die Welt<br />

zuvor noch nicht gesehen. Wie bei einer<br />

aufwändig gestalteten Wiege geht der<br />

weich fließende Basis-Korpus über in zwei<br />

links und rechts platzierte, kleine, geschwungene<br />

Kabinette. Die Rundungen<br />

des Möbels sind mit zwei enormen, figürlichen<br />

Bronzen dekoriert, die Schauseite<br />

mit einem gewaltigen Bronze-Relief mit<br />

Landschaftsdarstellung und antikisierter<br />

weiblicher Figur. Der englische Möbelhistoriker<br />

Christopher Payne sieht die<br />

schwungvollen Linien der Linke-Möbel gar<br />

in Zusammenhang mit dem gerade aufkommenden,<br />

floralen Jugendstil eines<br />

Emile Gallé oder eines Louis Majorelle.<br />

Linke jedoch blieb eindeutig dem adaptierten<br />

Revival verhaftet.<br />

Den ausführlichen Artikel „François Linke – Rausch<br />

der Belle Epoche” (acht Seiten, 23 Abbildungen) von<br />

Sabine Spindler finden Sie in der aktuellen November-Ausgabe<br />

der Zeitschrift „Sammler Journal”<br />

(ab 28. Oktober im Handel erhältlich)<br />

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