Eulenspiegel Sarah Wiener rät: Greifen Sie zu unbedenklichen Eiern! (Vorschau)
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Junkerhand voll Bau<br />
oder: Reformrolle rückwärts<br />
Das konnte ja nich t gutgehen! Manfred Krug lässt<br />
eine Gräfin, die sich der Enteignung widersetzt,<br />
einfach im Bette aus dem Schloss tragen, und<br />
fertig ist die Bodenreform. Schön kommunistisch<br />
– <strong>zu</strong>mindest sah es in dem Film »Wege übers<br />
Land« so aus.<br />
In Wirklichkeit war es natürlich nicht schön,<br />
sondern bloß kommunistisch. Das heißt, der<br />
Landplebs soff auch noch alle hochwohlgeborenen<br />
Schnäpse weg und kotzte sie anschließend<br />
in den Adelsabort. Und den Edelfrauen griff er<br />
nicht nur nach der aristokratischen Scholle, sondern<br />
genauso begeistert unter den Seidenrock.<br />
Pfui Deibel, kann man da nur mit den Alteigentümer-Verbänden<br />
rufen!<br />
An der Scholle waren die alteigenen Hoheiten<br />
übrigens empfindlicher als an der Unterhose, wie<br />
sich jetzt zeigt. Wollen sie doch bis heute ums<br />
Verrecken nicht hinnehmen, dass sich in der DDR<br />
die Zukurzgekommenen mit der Bodenreform selber<br />
mal ein Stück vom Immobilienkuchen serviert<br />
haben, ohne darauf <strong>zu</strong> warten, dass der<br />
Gutsherr eventuell gnädig einen Krümel fallen<br />
lässt. In einem Land wie der Bundesrepublik, wo<br />
in jeden Quadratmillimeter Boden <strong>zu</strong>r Not auch<br />
Quadratmilliarden Prozesskosten investiert werden,<br />
ist sowas natürlich eine Todsünde. Ähnlich<br />
wie das Versäumen der Tagesschau oder das<br />
Weißwurstessen mit Darm.<br />
Auf jeden Fall sind die Dimensionen des<br />
schwerstkriminellen Bodenreformhauptkapital -<br />
undgroßverbrechens unfassbar: 14 000 Höfe wurden<br />
entschädigungslos enteignet, da<strong>zu</strong> 1,8 Millionen<br />
Hektar Wald, Wasser, Acker, Himmel,<br />
Hecken, Hosenbeine und Hustenbonbons. Optimistischere<br />
Quellen sprechen sogar von über 2,5<br />
Millionen Hektar, aber wahrscheinlich sind von<br />
den 108 000 Quadratkilometern DDR-Fläche am<br />
Ende mindestens 300 000 betroffen. Ganz <strong>zu</strong><br />
schweigen von einer bislang unbekannten Zahl<br />
an Holzwürmern, Bettflöhen, Neubauern und weiteren<br />
landwirtschaftlichen Nutztieren.<br />
Nach geltendem Einheitsvertrag hätten all diese<br />
ostdeutschen Lebewesen zwar weiter unangetastet<br />
bleiben und in der Neufünfländer Ödnis miteinander<br />
»Landdieb ärger dich nicht!« spielen dürfen.<br />
Aber damit ist nun Schluss. Jetzt hält nämlich<br />
ein völlig neues Gesellschaftsspiel Ein<strong>zu</strong>g. Es<br />
heißt »Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz«<br />
und sorgt dafür, dass statt einer kleinen Holzfigur<br />
auf dem Pappfeld ein paar kleine Bodenreformer<br />
auf dem Getreidefeld rausgeworfen werden.<br />
Das macht einfach mehr Spaß, vor allem<br />
dann, wenn man sich eine Wiedervereinigung<br />
nach Gutsherrenart wünscht, wo es Milch, Honig<br />
und billige Liegenschaften regnet. Letztere lässt<br />
der Bund <strong>zu</strong>r Zeit als warmen Guss über seine<br />
lieben Alteigentümer rieseln, denn die können<br />
ostdeutsche Klitschen <strong>zu</strong>m Schleuderpreis von<br />
vor sieben Jahren kaufen. Und das ist sogar noch<br />
relativ zeitnah, wenn man sich ins Gedächtnis<br />
ruft, dass manche dieser Wald- und Wiesenfürstenhäuser<br />
geistig eher in den Verhältnissen vor<br />
siebzig Jahren beheimatet sind. Trotzdem oder<br />
gerade deshalb halten sie sich natürlich für »Opfer<br />
des Stalinismus«, denn jeder, dem man was<br />
nimmt, ist ein Opfer – egal, ob es sich um die<br />
Vorfahrt handelt (Opfer der Doofheit anderer),<br />
um Gallensteine (Opfer der Gallier) oder um den<br />
ehemaligen ostdeutschen Hühnerstall von Graf<br />
Heinrich dem Pickligen (Opfer alliierten Choles -<br />
terinbedarfs). Über die Opfer des Nationalsozialismus,<br />
an deren Zustandekommen so mancher<br />
Altgraf mit<strong>zu</strong>wirken geruhte, redet man dagegen<br />
weniger. Und über völkerrechtliche Verträge, die<br />
das Zurückleiern der Bodenreform verbieten,<br />
schon gar nicht. Denn wie viel leichter fließt doch<br />
des Edelmannes Rede bei so feinem Wortgeklingel<br />
wie »Schadensausgleich« oder »geschuldete<br />
Wiedergutmachung« – besonders wenn beides<br />
am Ende in der Kasse klingelt. Je länger, desto<br />
besser.<br />
So freut sich heute nicht nur der alte Ahnherr<br />
von Itzenplitz selig, sondern auch noch seine<br />
ganze Blase bis in die vierte Erbengeneration,<br />
denn bis <strong>zu</strong> der reicht die jüngste Großzügigkeit<br />
des Bundes. Beziehungsweise unser<br />
aller Großzügigkeit als Steuerzahler.<br />
Dreimal dürfen <strong>Sie</strong> nämlich raten, verehrter Zuschauer,<br />
wer diese sensationelle Zirkusnummer<br />
unter dem Titel »Menschen – Tiere – Subventionen«<br />
am Ende bezahlt. Dort, wo der Hektar Land<br />
in Mecklenburg normalerweise 8 200 Euro kos -<br />
tet, kann der Alteigentümer, bzw. sein Altnachfolger<br />
oder der Jung<strong>zu</strong>gereiste, der mit dem<br />
Ganzen nicht das Schwarze unterm feudalen Nagel<br />
<strong>zu</strong> tun hat, schon für poplige 4 200 Euro <strong>zu</strong>schlagen.<br />
Das geht ja hinten und vorne nicht auf,<br />
werden da manche rufen, die Hälfte wird doch<br />
glatt verschenkt! Aber das ist Quatsch: <strong>Sie</strong> müssen<br />
demnächst nur mal auf Ihrer Steuerrechnung<br />
nachsehen, und spätestens wenn da 370 Millionen<br />
mehr draufstehen, wissen <strong>Sie</strong>, dass hier keine<br />
Puseratze geschenkt wird. Zumindest Ihnen nicht.<br />
Natürlich wollen wir jetzt keinen Neid wecken.<br />
Bei rechtzeitiger Bemühung hätten <strong>Sie</strong> schließlich<br />
auch selbst Landadeliger werden können.<br />
Vielleicht auch Krautjunker – aber nein, dieses<br />
schöne Berufsbild war Ihnen ja <strong>zu</strong> anrüchig, und<br />
andere mussten das Opfer bringen! Nun dürfen<br />
<strong>Sie</strong> aber auch nicht über die Folgen jammern. Einen<br />
richtigen Gutsherrn muss man sich einfach<br />
leisten wollen! Unser Dorf soll luxuriöser werden?<br />
Das kostet eben! Ob es auch schöner wird,<br />
hängt vorerst noch vom Erhaltungs<strong>zu</strong>stand<br />
der neu anreisenden Feudalgattin<br />
ab (Erste Hand? Schöne<br />
Polster? Große Airbags?). Und<br />
falls die Dame den Erwartungen<br />
gar nicht entspricht,<br />
muss <strong>zu</strong>r Not<br />
eben das ostdeutsche<br />
Improvisationsvermögen<br />
helfen:<br />
28 EULENSPIEGEL 2/11