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<strong>Gr<strong>und</strong>modelle</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Strukturprinzipien</strong> politischer<br />

Systeme:<br />

Pluralismus – Monismus –<br />

Gewaltenteilung<br />

Akademie für Politische Bildung Tutzing,<br />

14. Oktober 2013<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen<br />

Professur für Politikwissenschaft II<br />

Andrássy Universität Budapest<br />

Gliederung<br />

1. Monismus am Beginn des neuzeitlichen<br />

Staatsdenkens: Thomas Hobbes<br />

2. Gewaltenteilung <strong>und</strong> Pluralismus im Liberalismus<br />

John Locke<br />

Federalist Papers<br />

3. Monismus als Kritik am Liberalismus: Rousseau<br />

4. Die freiheitlich-demokratische Gr<strong>und</strong>ordnung als<br />

Antwort auf die Erfahrung des Totalitarismus<br />

Pluralismus <strong>und</strong> Monismus<br />

Gewaltenteilung<br />

Totalitarismus vs. Freiheitlich-demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

2<br />

1. Monismus am Beginn des neuzeitlichen<br />

Staatsdenkens: Thomas Hobbes<br />

Geschichtlicher Hintergr<strong>und</strong>:<br />

• 1642-48: Bürgerkrieg zwischen König <strong>und</strong> Parlament;<br />

• 1648: Sieg des „Parlamentsheeres“ unter Führung von Oliver<br />

Cromwell;<br />

• 1649: Hinrichtung von Karl I. <strong>und</strong> Abschaffung der Monarchie;<br />

• 1649-60: Republik, zunächst unter der Herrschaft des von<br />

Cromwells Truppen „gereinigten“ „Rumpfparlaments“, ab<br />

1653 unter der Militärdiktatur von Cromwell (bis 1658);<br />

Dominanz der Puritaner;<br />

• 1660: Restauration der (absolutistischen) Monarchie unter<br />

den Stuarts.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

3<br />

1


Anthropologie<br />

(Leviathan, Kapitel I-X)<br />

• materialistisches <strong>und</strong> mechanistisches<br />

Verständnis des Menschen;<br />

• Denken = Rechnen;<br />

• Antrieb des Menschen: Leidenschaften<br />

(Streben nach Macht, Reichtum, Ehre).<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 4<br />

Naturzustand<br />

(Leviathan XIII-XV)<br />

• Gleichheit der Fähigkeiten führt zur Gleichheit<br />

der Hoffnungen <strong>und</strong> zur Konkurrenz;<br />

• Naturzustand = Krieg aller gegen alle;<br />

• Gerechtigkeit im Naturzustand:<br />

• „Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz,<br />

<strong>und</strong> wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit.“<br />

(Ende Kap. 13)<br />

• Folge: im Naturzustand hat jeder Mensch ein<br />

„Recht auf alles“;<br />

• natürliche Gesetze: Kapitel XIV <strong>und</strong> XV.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 5<br />

Gesellschaftsvertrag<br />

(Leviathan, Kap. XVI-XVII)<br />

• Ziel: Sicherung des Überlebens;<br />

• Inhalt des Vertrags:<br />

1. Verzicht auf das Recht auf alles,<br />

2. Übertragung dieses Rechts auf einen<br />

Souverän;<br />

• „Auctoritas non veritas facit legem“;<br />

• hypothetischer Vertrag.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 6<br />

2


Rechte des Souveräns<br />

(Leviathan, Kap. XVIII)<br />

= alle Befugnisse, die zur Durchsetzung einer Friedensordnung erforderlich<br />

sind, insb.:<br />

• Gesetzgebung,<br />

• judikative Gewalt,<br />

• logische Unmöglichkeit für den Souverän, den Vertrag zu brechen <strong>und</strong><br />

Unrecht zu tun,<br />

• Einsetzung des Souveräns durch die Mehrheit,<br />

• Verbot für die Untertanen, den Souverän rechtmäßig zu bestrafen,<br />

• Festlegung aller Bestimmungen, die zur Sicherung des Friedens notwendig<br />

sind – einschließlich Zensur,<br />

• Bestimmung der Regeln des Eigentums (bürgerliche Gesetze),<br />

• Entscheidung über Krieg <strong>und</strong> Frieden, Steuererhebung.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 7<br />

Regierungsform<br />

(Leviathan, Kap. XIX, XXI)<br />

• Ziel: starker Souverän;<br />

• keine Unterscheidung von guten <strong>und</strong> schlechten<br />

Verfassungen;<br />

• Vorzüge der Monarchie.<br />

Zur Freiheit der Untertanen:<br />

• Was nicht verboten ist, ist erlaubt;<br />

• Trennung der staatlichen <strong>und</strong> der privaten<br />

Sphäre.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 8<br />

Würdigung<br />

• Gr<strong>und</strong>modell des herrschaftsbegründenden<br />

Gesellschaftsvertrags;<br />

• Ergebnis: autoritäre Herrschaft (Plädoyer für<br />

einen starken Souverän), Ablehnung von<br />

Gewaltenteilung <strong>und</strong> Pluralismus;<br />

• Freiheit beschränkt auf die Privatsphäre<br />

(Ökonomie).<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 9<br />

3


2. Gewaltenteilung <strong>und</strong><br />

Pluralismus im Liberalismus<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 10<br />

2.1 John Locke (1632 – 1704)<br />

Geschichtlicher Hintergr<strong>und</strong>:<br />

• 1660-85: Karl II., Restauration der anglikanischen<br />

Staatskirche <strong>und</strong> Verfolgung der Puritaner;<br />

• 1679: Habeas-Corpus-Akte;<br />

• Herausbildung von 2 Parteien im Parlament:<br />

Whigs: bürgerlich, Gegner der Stuarts<br />

Tories: konservativ, anglikanisch, königstreu<br />

• 1685-88: Jakob II., Versuch einer Restauration des<br />

Katholizismus;<br />

• 1688-89 „glorious revolution“: Flucht von Jakob II.,<br />

Einsetzung von Wilhelm III. von Oranien, Errichtung einer<br />

konstitutionellen Monarchie, Declaration of Rights.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 11<br />

Naturzustand<br />

Zunächst ein Zustand des Friedens aufgr<strong>und</strong> der<br />

natürlichen Gesetze:<br />

• Freiheit: Jeder hat das Recht, innerhalb der<br />

Grenzen des Naturgesetzes sein Handeln<br />

festzulegen <strong>und</strong> über seinen Besitz <strong>und</strong> seine<br />

Person zu verfügen;<br />

• Gleichheit: alle haben die gleichen Rechte <strong>und</strong> es<br />

gibt keine Über- <strong>und</strong> Unterordnung.<br />

Umschlag in den Kriegszustand aufgr<strong>und</strong> der im<br />

Naturzustand fehlenden richterlichen Instanz.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 12<br />

4


Eigentumsrechte im Naturzustand<br />

• Der Mensch hat Eigentum an seiner Person <strong>und</strong> damit<br />

auch an seiner Arbeit <strong>und</strong> deren Früchten;<br />

• vor der Einführung des Geldes Beschränkung des<br />

rechtmäßigen Erwerbs durch das natürliche Gesetz:<br />

1. Besitz darf nicht verderben;<br />

2. Aneignung darf niemandem schaden.<br />

• Einführung des Geldes durch Konvention;<br />

• durch Einführung des Geldes: Recht zur<br />

schrankenlosen Akkumulation;<br />

• Zustimmung zur Einführung des Geldes =<br />

Einverständnis mit ungleichem Besitz.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 13<br />

Gesellschaftsvertrag<br />

• Übergang vom Natur- zum Gesellschaftszustand durch Vertrag;<br />

• Ziel des Vertrags: Schutz des Lebens, der Freiheit <strong>und</strong> des Besitzes;<br />

• durch den Vertrag: Bildung eines „einzigen politischen Körpers, in<br />

dem die Mehrheit das Recht hat, zu handeln <strong>und</strong> die übrigen<br />

mitzuverpflichten“ („trust-Modell“, § 95);<br />

• oberste Gewalt: Legislative;<br />

• weitere Gewalten: Exekutive <strong>und</strong> Föderative (zuständig für<br />

Beziehungen zu anderen Staaten); Judikative nicht als eigenständige<br />

Gewalt genannt, aber ihre Unparteilichkeit wird gefordert;<br />

• Begrenzung der Gewalten <strong>und</strong> Widerstandsrecht der Bürger gegen<br />

die Regierung;<br />

• Kritik an der absoluten Monarchie.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 14<br />

Würdigung<br />

• Gr<strong>und</strong>modell des liberalen Gesellschaftsvertrags<br />

<strong>und</strong> der gewaltenteiligen Gesellschaft;<br />

• Freiheit i. S. von Locke impliziert den Respekt<br />

des Rechts;<br />

• in ökonomischer Hinsicht: Überzeugung, dass<br />

die Verfolgung des Eigennutzes das<br />

Gemeinwohl fördert Problem der sozialen<br />

Ungleichheit.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 15<br />

5


2.2 Federalist Papers (1787/88)<br />

• Zeitungsartikel in loser Folge<br />

• Dennoch: logischer Aufbau <strong>und</strong> Gesamtzusammenhang,<br />

Verfassungskommentar<br />

• Gliederung:<br />

I. Bedeutung der Erhaltung der Union für die<br />

amerikanischen Staaten (1-14)<br />

II. Unfähigkeit der bestehenden Konföderation, die Union<br />

zu erhalten (15-22)<br />

III. Notwendigkeit einer durchsetzungsfähigen<br />

Zentralregierung (22-36)<br />

IV. Vereinbarkeit der vorgesehenen Verfassung mit<br />

republikanischen Prinzipien (36-85)<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 16<br />

„American Exceptionalism“<br />

Historische Dimension der Verfassung:<br />

• Neukonstituierung eines Gemeinwesens auf<br />

freier Entscheidung <strong>und</strong> auf dem Prinzip der<br />

Volkssouveränität;<br />

• Konstituierung eines demokratischen<br />

Großflächenstaates;<br />

• Vorbildfunktion für die Welt.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 17<br />

Sinn <strong>und</strong> Zweck der Regierung<br />

• Ziel der Regierung: Gerechtigkeit<br />

• Was ist Gerechtigkeit?<br />

Schutz der unterschiedlichen Gruppen<br />

Schutz der Fähigkeiten, aus denen<br />

Eigentumsrechte entspringen<br />

• Ursache der Gruppenbildung: gemeinsame<br />

Interessen, v.a. ökonomische Interessen.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 18<br />

6


Dilemma<br />

Das gr<strong>und</strong>legende Dilemma:<br />

- Freiheit der Individuen <strong>und</strong> der Gruppen soll<br />

geschützt werden,<br />

- Konkurrenz zwischen Gruppen <strong>und</strong> Individuen<br />

kann die Freiheit gefährden.<br />

Wie verhindert man im freiheitlichen Staat, dass<br />

die individuellen oder kollektiven Sonderinteressen<br />

den politischen Prozess für sich vereinnahmen?<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 19<br />

Lösung (I): Pluralismus<br />

• Verhinderung dauerhafter Mehrheitsbildung,<br />

• Republik statt Demokratie,<br />

• Vorteil der großräumigen Republik,<br />

• Partikularinteressen <strong>und</strong> Parteiungen behindern<br />

sich gegenseitig Egoismus ist die<br />

Wurzel, seine Pluralisierung die Lösung des<br />

Problems.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 20<br />

Lösung (II): Gewaltenteilung<br />

Das System der „checks and balances“ muss<br />

auch im Regierungssystem eingeführt werden:<br />

• Gegenseitige Beschränkung B<strong>und</strong> –<br />

Einzelstaaten,<br />

• Gegenseitige Beschränkung der<br />

b<strong>und</strong>esstaatlichen Institutionen,<br />

• Eigeninteresse jedes Amtsinhabers muss<br />

mit dem Amt verb<strong>und</strong>en sein.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 21<br />

7


Würdigung<br />

Was ist neu im Denken der Federalists?<br />

• Politische Umsetzung eines europäischen<br />

Konzepts in einer großräumigen Republik;<br />

• Primäre Gefahr für die Freiheit wird in der<br />

Legislative, nicht in der Exekutive ausgemacht;<br />

• Instrumentalisierung des Eigennutzes als<br />

Strukturprinzip der Republik.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 22<br />

3. Monismus als Kritik am<br />

Liberalismus:<br />

Jean Jacques Rousseau<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 23<br />

Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778)<br />

Kritik des Absolutismus <strong>und</strong> des Liberalismus:<br />

„Der Mensch ist frei geboren <strong>und</strong> überall ist er in<br />

Ketten“ (Contrat Social, Buch I, Kap. 1; 1762)<br />

Kritik des Individualismus als Ursache von Krieg<br />

<strong>und</strong> Ausbeutung;<br />

Kritik des Fortschrittsoptimismus der<br />

Aufklärung.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 24<br />

8


Anthropologie<br />

• Der Mensch ist von Natur aus gut;<br />

• entsprechend war der Naturzustand ein<br />

Zustand der Freiheit <strong>und</strong> der Gleichheit<br />

(„Discours sur l’origine de l’inégalité parmi les<br />

hommes“, 1755);<br />

• erst die Gesellschaftsbildung hat den<br />

Menschen korrumpiert.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 25<br />

Der Gesellschaftsvertrag (I)<br />

Aufgabe:<br />

„Finde eine Form des Zusammenschlusses, die<br />

mit ihrer ganzen Kraft die Person <strong>und</strong> das<br />

Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt<br />

<strong>und</strong> schützt <strong>und</strong> durch die doch jeder, indem er<br />

sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht<br />

<strong>und</strong> genauso frei bleibt wie zuvor.“ (Contrat<br />

Social I 6)<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 26<br />

Der Gesellschaftsvertrag (II)<br />

Lösung:<br />

Der Vertrag ist „die völlige Entäußerung jedes<br />

Mitglieds mit allen seinen Rechten an das<br />

Gemeinwesen als Ganzes“.<br />

„Schließlich gibt sich jeder, da er sich allen gibt,<br />

niemandem“ (Contrat Social I 6).<br />

Der Gemeinwille (volonté générale) = der<br />

Souverän.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 27<br />

9


Der Souverän<br />

Merkmale des Souveräns:<br />

• Unfehlbar,<br />

• Unteilbar,<br />

• Unveräußerlich.<br />

Voraussetzung: die Schaffung eines neuen<br />

Menschen durch den „législateur“ (Verfassungsgeber).<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 28<br />

Législateur<br />

„Wer sich daran wagt, ein Volk zu errichten [instituer],<br />

muss sich imstande fühlen, sozusagen die menschliche<br />

Natur zu ändern; jedes Individuum, das von sich aus ein<br />

vollendetes <strong>und</strong> für sich bestehendes Ganzes ist, in den<br />

Teil eines größeren Ganzen zu verwandeln, von dem<br />

dieses Individuum in gewissem Sinn sein Leben <strong>und</strong><br />

Dasein empfängt; die Verfasstheit [constitution] des<br />

Menschen zu ändern, um sie zu stärken; an die Stelle<br />

eines physischen <strong>und</strong> unabhängigen Daseins, das wir alle<br />

von der Natur erhalten haben, ein Dasein als Teil <strong>und</strong> ein<br />

moralisches Dasein zu setzen. Mit einem Wort, es ist<br />

nötig, dass er dem Menschen die ihm eigenen Kräfte<br />

raubt, um ihm fremde zu geben, von denen er nur mit<br />

Hilfe anderer Gebrauch machen kann.“ (CS II, 7)<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 29<br />

Würdigung<br />

• Gr<strong>und</strong>lage des identitären Demokratieverständnisses;<br />

• Beispiel für mögliche Konflikt von Demokratie<br />

<strong>und</strong> Freiheitssicherung oder Rechtsstaatlichkeit;<br />

• Bezugspunkt für totalitäre Ideologien des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 30<br />

10


4. Die freiheitlich-demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung als Antwort auf die<br />

Erfahrung des Totalitarismus<br />

Pluralismus, Gewaltenteilung <strong>und</strong><br />

Föderalismus in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013 31<br />

Begriff „Pluralismus“<br />

• Begriff erst seit Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in<br />

Gebrauch: Gegenmodell zu einer<br />

monistischen Staatstheorie; empirische<br />

Beschreibung faktisch bestehender pluraler<br />

Gruppierungen.<br />

• Der Sache nach älter (vgl. Federalists).<br />

• „Philosophische“ Gr<strong>und</strong>annahme: Skepsis<br />

gegenüber der Möglichkeit der<br />

Wahrheitserkenntnis plurale Meinungen<br />

erheben alle Wahrheitsanspruch.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

32<br />

Politikwissenschaftliche<br />

Pluralismuskonzepte I<br />

deskriptiv:<br />

• empirisch feststellbare<br />

gesellschaftliche Meinungs-,<br />

Interessen- <strong>und</strong><br />

Organisationsvielfalt<br />

• ungleiche Machtposition<br />

Berücksichtigung der<br />

faktischen Ungleichheit<br />

Pluralismus<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

33<br />

11


Pluralismus in der Kritik<br />

Liberale<br />

Kritik<br />

Kritik:<br />

- anti-individualistisch<br />

- gruppenorientiert<br />

Kritik:<br />

- Verschleierung von<br />

faktisch bestehenden<br />

Machtunterschieden in<br />

der Gesellschaft<br />

- <strong>und</strong>emokratische<br />

Herrschaft einer<br />

privilegierten<br />

Minderheit<br />

Kritik von<br />

„Links“<br />

(Neo-)<br />

Pluralismus<br />

Kritik von<br />

„Rechts“<br />

Kritik:<br />

- Zerstörung der Souveränität, Autorität<br />

<strong>und</strong> Einheit des Staates<br />

- Triumph der Partikularinteressen über<br />

das (a priori gesetzte) Gemeinwohl<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

34<br />

Politikwissenschaftliche<br />

Pluralismuskonzepte II<br />

deskriptiv:<br />

• empirisch feststellbare<br />

gesellschaftliche Meinungs-,<br />

Interessen- <strong>und</strong><br />

Organisationsvielfalt<br />

• ungleiche Machtposition<br />

Berücksichtigung der<br />

faktischen Ungleichheit<br />

normativ:<br />

• gleichberechtigtes<br />

Nebeneinander einer<br />

Vielfalt sozialer Gruppen<br />

• geschützt durch<br />

gr<strong>und</strong>rechtliche Garantien<br />

normative Programmatik<br />

Neopluralismus<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

35<br />

Weitere Merkmale des Neopluralismus<br />

• strittiger <strong>und</strong> unstrittiger Sektor<br />

– Verfahrens- <strong>und</strong> Wertekonsens<br />

• unveräußerliche Menschenrechte<br />

• Rechtsstaatsprinzip<br />

• Gr<strong>und</strong>prinzipien des fair play<br />

• Notwendigkeit von Partizipationsbereitschaft<br />

• Sozialstaatlichkeit als Vorbedingung für<br />

Partizipation<br />

• Repräsentative Demokratie<br />

• Verteidigung des Pluralismus gegen Kritiker<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

36<br />

12


Pluralismus <strong>und</strong> Monismus<br />

Menschenbild<br />

Menschenwürde<br />

(Neo-)Pluralismus<br />

interessengeleitet <strong>und</strong><br />

gemeinwohlorientiert<br />

„natürlich“<br />

(ohne Vorbedingungen)<br />

Monismus<br />

alleinige Gemeinwohlorientierung<br />

möglich<br />

bei Erreichen des Gemeinwohls<br />

verwirklicht<br />

Gesellschaftsstruktur heterogen homogen<br />

Gemeinwohl regulative Idee a posteriori absolute Idee a priori<br />

Willensbildung durch Konflikt <strong>und</strong> Konsens Konsens<br />

Konkurrenz<br />

legitimer, durch Konsens gezügelter<br />

Konflikt<br />

Identität<br />

nötigenfalls erzwungener, Konfllikte<br />

negierender Konsens<br />

Demokratiekonzeption<br />

Gesellschaftsprinzipien<br />

Toleranz <strong>und</strong> Konkurrenz<br />

Darstellung auf der Gr<strong>und</strong>lage von Fraenkel (1964).<br />

Identität<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

37<br />

Gewaltenteilung<br />

Aufteilung politischer Macht auf sich<br />

gegenseitig durch Begrenzung, Hemmung,<br />

Balancierung <strong>und</strong> Kontrolle beeinflussende<br />

Institutionen;<br />

Gewaltenteilung = Gewaltenverschränkung,<br />

≠ Gewaltentrennung.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

38<br />

Ablehnung von Gewaltenteilung<br />

Identitäre Demokratie / Demokratismus:<br />

• Volksversammlung als Souverän <strong>und</strong> höchstes<br />

„Staatsorgan“,<br />

• keine Einschränkungen des Volkswillens,<br />

• Gleichzeitigkeit von Gesetzgebung <strong>und</strong><br />

Gesetzesvollzug,<br />

• Ablehnung des Repräsentationsprinzips,<br />

imperatives Mandat.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

39<br />

13


Strukturmerkmale totalitärer Systeme<br />

(nach Friedrich / Brzezinski)<br />

• Ideologie,<br />

• hierarchisch strukturierte Massenpartei<br />

• Terror,<br />

• Monopolisierung der<br />

Massenkommunikationsmittel,<br />

• zentrale Wirtschaftslenkung,<br />

• Waffenmonopol des Staates.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

40<br />

40<br />

Totalitäre Ideologien als „Primärphänomen“<br />

• Ganzheitliches, geschlossenes Welterklärungssystem<br />

• Streng monistisch: Deduktion dieses Modells aus einem Prinzip<br />

(z.B. Klassenkampf, Rassenkampf)<br />

• Prinzip wird nicht begründet, sondern dezisionistisch gesetzt<br />

(„Frageverbot“)<br />

• Erfassung <strong>und</strong> Interpretation der gesamten Empirie durch die aus<br />

dem System entstehende (pervertierte) Logik<br />

• Fre<strong>und</strong>-Feind-Denken ideologieinhärent<br />

• Radikaler Antipluralismus: Ablehnung konkurrierender<br />

Wahrheitsansprüche <strong>und</strong> gesellschaftlicher Heterogenität<br />

Terror <strong>und</strong> Verfolgung als logische Folge <strong>und</strong><br />

„Sek<strong>und</strong>ärphänomen“<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

41<br />

Die freiheitliche demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung I<br />

• Als Begriff im GG verwendet: Artikel 10, 11,<br />

18, 21, 87a, 73, 91;<br />

• Inhaltliche Präzisierung durch das BVerfG 1952<br />

anlässlich des Verbotes der Sozialistischen<br />

Reichspartei (SRP);<br />

• Lehre aus der Weimarer Erfahrung: Abkehr<br />

von der „relativen Demokratie“, die inhaltlich<br />

beliebig ist <strong>und</strong> sich unter der korrekten<br />

Anwendung von Verfahrensregeln auch selbst<br />

abschaffen kann.<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

42<br />

14


Die freiheitliche demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung II<br />

Merkmale <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Normen<br />

• Rechtsstaatsprinzip <strong>und</strong><br />

Gewalt- / Willkürverbot<br />

• Schutz der<br />

Menschenrechte<br />

• Gleichheitsprinzip<br />

• Gewaltenteilung<br />

• Volkssouveränität<br />

• Mehrheitsprinzip<br />

• Mehrparteienprinzip<br />

• Chancengleichheit der<br />

Parteien<br />

• Verantwortlichkeit der<br />

Regierung<br />

• Recht auf Oppositionsbildung<br />

<strong>und</strong> -ausübung<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

43<br />

Die freiheitliche demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung III<br />

• Die B<strong>und</strong>esrepublik ist eine wehrhafte Demokratie;<br />

• Verteidigung der fdGo gegen diejenigen, die diese zur<br />

Aufhebung ihrer selbst nutzen wollen;<br />

• Gr<strong>und</strong>gesetzliche Sanktionsmaßnahmen:<br />

– Verwirkung von Gr<strong>und</strong>rechten durch BVerfG (Art. 18 GG),<br />

– Parteienverbot durch BVerfG (Art. 21, Abs. 2 GG),<br />

– Individuelles Widerstandsrecht (Art. 20, Abs. 4 GG),<br />

– Einsatz der B<strong>und</strong>eswehr zur Verteidigung der fdGo (Art.<br />

87a, Abs. 4).<br />

Prof. Dr. Hendrik Hansen: Pluralismus - Monismus - Gewaltenteilung, 14. Oktober 2013<br />

44<br />

15

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