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Jugend und Recht

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<strong>Jugend</strong>strafrecht in der Praxis<br />

05.11.2013<br />

Richterin am Amtsgericht Cornelia Böttcher<br />

Richterin am Amtsgericht Kerstin Meurer


Fall 1<br />

• Am 03.03.2012 gegen 08.40 Uhr entwendeten die Schüler S <strong>und</strong> T im<br />

bewussten <strong>und</strong> gewollten Zusammenwirken aus den unverschlossenen<br />

Umkleidekabinen der Turnhalle des J-Gymnasiums in Neusäß<br />

insgesamt 6 Mobiltelefone, 3 Armbanduhren, 2 I-Pod, 1 MP3-Player, 1<br />

Schüler-Ticket sowie € 172,00 Bargeld, um die Gegenstände <strong>und</strong> das<br />

Bargeld zu Unrecht für sich zu behalten. Es entstand ein<br />

Gesamtschaden in Höhe von ca. € 2.200,00.<br />

Im Einzelnen entwendeten die Schüler Folgendes:<br />

(Einzelschadensauflistung)


Fall 1<br />

• Schüler S räumt den ihm zur Last gelegten Diebstahl ein <strong>und</strong> gibt<br />

darüber hinaus an, dass er die Tat gemeinsam mit Schüler T verübt<br />

habe, wobei T die Idee für den Diebstahl gehabt habe. T bestreitet die<br />

ihm zur Last gelegte Tat. Er lässt sich dahingehend ein, am 03.03.2012<br />

in der Berufsschule in Augsburg gewesen zu sein. Unterrichtsbeginn sei<br />

um 07.45 Uhr gewesen.<br />

Eine Überprüfung der Eintragungen im Klassenbuch ergab, dass T am<br />

03.03.2012 nicht in der Berufsschule war, da für ihn ein Minus<br />

eingetragen war (Minus für abwesend).


Fall 1<br />

• Schüler T ist bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten.<br />

Das B<strong>und</strong>eszentralregister enthält 4 Einträge. Zuletzt wurde T mit Urteil<br />

des AG Augsburg vom 25.06.2012 wegen Leistungserschleichung in<br />

Tatmehrheit mit Diebstahl zu 2 Freizeitarresten <strong>und</strong> zur Erbringung von<br />

Arbeitsleistungen verurteilt. Zuvor verhängte das AG Augsburg mit Urteil<br />

vom 28.11.2011 gegen T wegen Leistungserschleichung einen<br />

Freizeitarrest sowie die Erbringung von Arbeitsleistungen.<br />

• Das B<strong>und</strong>eszentralregister des Schülers S enthält 1 Eintrag: 30.03.2011,<br />

StA Augsburg, Absehen von der Verfolgung gem. § 45 Abs. 2 JGG<br />

wegen Diebstahls.


Fallvariante 1<br />

• Die Diebstähle werden durch die Anzeigen der geschädigten Schüler<br />

bekannt, die Angaben dazu machen, wem welche Gegenstände <strong>und</strong> wie<br />

viel Geld abhanden gekommen sind. Bei einer Wohnungsdurchsuchung<br />

bei den beschuldigten Schülern wird kein Diebesgut mehr aufgef<strong>und</strong>en.<br />

Schüler S macht allerdings Angaben dazu, wie die Beute verteilt wurde<br />

<strong>und</strong> dass sie anschließend die Elektronikgeräte verkauft haben.


Lösung Fallvariante 1<br />

• Strafbarkeit:<br />

• gemeinschaftlicher Diebstahl (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)<br />

• Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft:<br />

• Die einzelnen Diebstähle sind anhand der Angaben der Geschädigten<br />

im Zusammenhang mit dem Geständnis des Schülers S nachzuweisen.<br />

• Anklage zum <strong>Jugend</strong>schöffengericht, da beim Schüler T schädliche<br />

Neigungen erwartet werden <strong>und</strong> daher <strong>Jugend</strong>strafe in Betracht kommt.


Fallvariante 2<br />

• Die Diebstähle werden bekannt, weil bei einer Wohnungsdurchsuchung<br />

in anderer Sache das Diebesgut verteilt bei S <strong>und</strong> T aufgef<strong>und</strong>en wird.<br />

Nicht zu jedem aufgef<strong>und</strong>enen Gegenstand kann ein Geschädigter<br />

ermittelt werden. S räumt zwar Diebstähle in der Umkleidekabine ein,<br />

kann sich aber nicht mehr erinnern, aus wie vielen Taschen sie Handys<br />

<strong>und</strong> andere Elektronikgeräte herausgenommen haben. Auch räumt er<br />

ein, dass die sichergestellten Geräte auch aus einem Diebstahl<br />

stammen können, macht dazu aber keine weiteren Angaben. Sonstige<br />

Erkenntnisse zu weiteren Diebstählen liegen der Polizei nicht vor.


Lösung Fallvariante 2<br />

• Strafbarkeit :<br />

• gemeinschaftlicher Diebstahl (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)<br />

• Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft:<br />

• Nur die Diebstähle können angeklagt werden, bei denen das Diebesgut<br />

den einzelnen Geschädigten zugeordnet werden kann. Die übrigen Fälle<br />

werden nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.<br />

• Urteil des AG Augsburg:<br />

• Schüler S: Verwarnung, Arbeitsleistungen<br />

• Schüler T: Verwarnung, Arbeitsleistungen, sozialer Trainingskurs


Fallvariante 3<br />

• Aus den verschlossenen Spinden wurden jeweils nur kleine<br />

Bargeldbeträge bis höchstens 20 € entwendet. Die Täter brachen hierzu<br />

die Spinde mit einem Schraubenzieher auf.


Lösung Fallvariante 3<br />

• Strafbarkeit:<br />

• Gemeinschaftlicher Diebstahl im besonders schweren Fall (§§ 242 Abs.<br />

1, 243 Abs. 1 Nr. 2 , 25 Abs. 2 StGB). Zwar scheidet ein Diebstahl im<br />

besonders schweren Fall aus, wenn die gestohlene Sache geringwertig<br />

ist (§§ 243 Abs. 2, 248a StGB). Bei mehreren Diebstählen in natürlicher<br />

Handlungseinheit werden die Schäden aber zusammengerechnet.


Fall 2<br />

1.<br />

Am 03.08.2013 gegen 19.10 Uhr suchte Schüler S den geschädigten<br />

Mitschüler G im Hof seines Wohnanwesens auf. Seinem vorgefassten<br />

Tatplan entsprechend forderte der S vom Geschädigten G einen<br />

Geldbetrag in Höhe von € 25,00. Um seiner Forderung Nachdruck zu<br />

verleihen, kratzte S den G am Halsbereich. Im weiteren Verlauf drückte<br />

S den G gegen die Hauswand des oben genannten Anwesens <strong>und</strong><br />

würgte ihn mit der rechten Hand. Mit seinen körperlichen Attacken<br />

wollte der S den G dazu zwingen, ihm die benannte Summe zukommen<br />

zu lassen. S wusste, dass er gegen den G keinen Anspruch auf<br />

Herausgabe von € 25,00 hatte.<br />

Trotz des gewaltsamen Auftretens des S kam der G der Forderung des<br />

S nicht nach. S musste daher –so gescheitert- den Rückzug antreten.


Fall 2<br />

Nachdem der G dem sich entfernenden S nachgerufen hatte, dass er<br />

ihn jetzt bei der Polizei anzeigen werde, äußerte der S gegenüber dem<br />

G: "Wenn Du mich anzeigst, bringe ich Dich um", um den G dazu<br />

veranlassen, von einer Anzeigeerstattung abzusehen.<br />

Nachdem der S das Anwesen verlassen hatte, verständigte der G<br />

jedoch die Polizei <strong>und</strong> erstattete Strafanzeige, sodass das Vorhaben<br />

des S scheiterte.


Fall 2<br />

2.<br />

Am 04.08.2013 gegen 18.00 Uhr verletzte der S vor der H-Hauptschule<br />

in Dinkelscherben den Geschädigten G ohne rechtfertigenden Gr<strong>und</strong>,<br />

indem er den G von einer Bank herunter schubste, sodass dieser zu<br />

Boden fiel. Sodann kniete sich der S auf den am Boden liegenden G<br />

<strong>und</strong> schlug ihm mehrfach ins Gesicht <strong>und</strong> gegen den Oberkörper.<br />

Hierdurch erlitt der Geschädigte zumindest Schmerzen.<br />

Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen<br />

Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für<br />

geboten.


Fall 2<br />

• S lässt sich dahingehend ein, den Geschädigten am 03.08.2013 an<br />

dessen T-Shirt gepackt <strong>und</strong> ihn gegen die Hauswand gedrückt zu<br />

haben. Er gibt jedoch an, gegen den Geschädigten einen Anspruch auf<br />

Herausgabe von € 25,00 aus einem gemeinsamen Kauf einer<br />

Wasserpfeife gehabt zu haben. Schläge oder das Umbringen habe er<br />

dem Geschädigten für den Fall, dass dieser zur Polizei gehe, nicht<br />

angedroht.<br />

• Hinsichtlich des Vorfalls vom 04.08.2013 lässt sich der S dahingehend<br />

ein, den G tatsächlich zu Boden geworfen zu haben. Sodann habe er<br />

mit leichten Schlägen auf die Füße <strong>und</strong> den Oberkörper des<br />

Geschädigten eingewirkt. Weiter gibt S an, dass –wenn er gewollt hätteder<br />

Geschädigte ganz anders ausgeschaut hätte.


Fall 2<br />

• Der Geschädigte G gibt an, zwar beim Kauf der Wasserpfeife dabei<br />

gewesen zu sein. Er habe jedoch dem S niemals zugesichert, sich an<br />

den Kosten zu beteiligen. Lediglich der Zeuge Z habe von einer eigenen<br />

Beteiligung gesprochen. Dies wird vom Zeugen Z auch bestätigt.<br />

• Das B<strong>und</strong>eszentralregister des S enthält 5 Eintragungen. Letztmalig<br />

stand S am 01.04.2013 wegen Leistungserschleichung vor Gericht <strong>und</strong><br />

erhielt dort eine richterliche Weisung. Bereits am 16.01.2012 erhielt S<br />

vom AG Augsburg wegen Diebstahls eine Woche Dauerarrest.<br />

• Aufgr<strong>und</strong> der erheblichen Vorstrafen <strong>und</strong> der enorm hohen<br />

Rückfallgeschwindigkeit sind schädliche Neigungen bei S inzwischen zu<br />

bejahen.


Lösung<br />

• Forderung der 25 €, die ihm nicht zustehen, unter Anwendung von Gewalt:<br />

versuchte räuberische Erpressung (§§ 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 255, 22,<br />

23 StGB).<br />

• Drohung mit dem Tod zur Verhinderung der Anzeigenerstattung: versuchte<br />

Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (§§ 240 Abs. 1, Abs.<br />

Abs. 3, 22, 23 StGB). Bedrohung (§ 241 StGB) tritt dahinter zurück.<br />

• Schläge vor der Schule: vorsätzliche Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 230<br />

Abs. 1 StGB).


Fall 3<br />

• Als der Geschädigte G daraufhin Schüler S mitteilte, dass er ihn nun<br />

anzeigen werde, äußerte die Mutter des S gegenüber dem<br />

Geschädigten G, dass sie ihm eine Ohrfeige geben würde, wenn er<br />

ihren Sohn anzeigen werde. M wollte damit erreichen, dass G von einer<br />

Anzeigeerstattung absieht. G verständigte dennoch die Polizei.<br />

• M ist nicht vorbestraft.


Lösung<br />

• Drohung mit einer Ohrfeige zur Verhinderung der Anzeigenerstattung:<br />

versuchte Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (§§<br />

240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB).<br />

• Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft:<br />

• Beantragung eines Strafbefehls gegen M mit 30 Tagessätzen zu je 45<br />

Euro.


Fall 4<br />

• Die Schüler der Klasse 7 beschließen, ihrem unbeliebten Klassenlehrer<br />

einen Streich zu spielen. Schüler T fesselt im Klassenraum den Schüler<br />

O mit Paketklebeband an den Kartenständer <strong>und</strong> klebt ihm den M<strong>und</strong><br />

zu. O findet das lustig <strong>und</strong> macht bereitwillig mit. Als Lehrer L den<br />

Klassenraum betritt, spielt O jedoch das Opfer <strong>und</strong> gibt hilflose Laute<br />

von sich. Schüler S filmt den Tumult <strong>und</strong> insbesondere das Verhalten<br />

von L. Anschließend stellt er den Film unter dem Titel „Herr Eierkopf“ ins<br />

Intranet der Schule.


Fallvariante 1<br />

• L fühlt sich hierdurch in seiner Ehre <strong>und</strong> seinen Persönlichkeitsrechten<br />

verletzt <strong>und</strong> stellt Strafantrag gegen S.


Lösung Fallvariante 1<br />

• Strafbarkeit des Schülers T:<br />

Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)<br />

Objektiver Tatbestand: „auf andere Weise der Freiheit beraubt“ (+)<br />

Tatbestandsverwirklichung scheitert jedoch am Einverständnis des O<br />

• Strafbarkeit Schüler S:


Lösung Fallvariante 1<br />

• Beleidigung (durch Einstellen des Films im Intranet):<br />

• Behauptung von Werturteilen über einen anderen durch<br />

konkludentes Handeln kann zwar eine Beleidigung darstellen<br />

(Beispiel: beleidigende Gesten). Reines Bloßstellen durch<br />

Veröffentlichung einer Videoaufnahme enthält aber kein Werturteil<br />

<strong>und</strong> stellt daher keine Beleidigung dar.<br />

• Allerdings ist der Titel des Films beleidigend.


Lösung Fallvariante 1<br />

• Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch<br />

Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1, Abs. 2 StGB):<br />

• objektiver Tatbestand nicht verwirklicht, da die Bildaufnahme nicht in<br />

einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten<br />

Raum hergestellt wurde.


Lösung Fallvariante 1<br />

• Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (durch Einstellen des Films im<br />

Intranet):<br />

• §§ 33, 22 KunstUrhG (+), Voraussetzung ist allerdings ein wirksamer<br />

Strafantrag.


Lösung Fallvariante 1<br />

§ 22<br />

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich<br />

zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der<br />

Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem<br />

Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der<br />

Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende<br />

Ehegatte oder Lebenspartner <strong>und</strong> die Kinder des Abgebildeten <strong>und</strong>, wenn weder ein<br />

Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.<br />

§ 33<br />

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer<br />

entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.<br />

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.


Fallvariante 2<br />

• L fühlt sich zwar verletzt, verzichtet aber auf die Stellung eines<br />

Strafantrags, um die Situation nicht noch weiter anzuheizen.


Lösung Fallvariante 2<br />

• Weder die Beleidigung noch der Verstoß gegen das KunstUrhG sind<br />

mangels Strafantrag verfolgbar (Verfahrenshindernis).


Fall 5<br />

• Am 30.04.2012 erstattete die Schülerin J, vertreten durch ihre Eltern,<br />

Strafanzeige gegen ihren Lehrer in der Hauptschule K.<br />

• J gab an, dass sie in der Zeit von November bis Dezember 2011 über 4<br />

Wochen von ihrem Lehrer L sexuell missbraucht wurde. Er soll sie nach dem<br />

Unterricht ins Klassenzimmer gebeten haben <strong>und</strong> sie dann über der<br />

Kleidung an der Brust, am Gesäß <strong>und</strong> im Genitalbereich berührt haben.<br />

Darüber hinaus gab sie an, dass er ihr gedroht habe, dass ihre schulische<br />

Karriere zu Ende sei, wenn sie irgendjemanden von den Vorfällen erzähle.


Fall 5<br />

• Die Mutter von J hatte bei ihr eine Veränderung festgestellt. Nach ihrer<br />

Erinnerung war J in der Zeit von Oktober bis zu den Weihnachtsferien oft krank.<br />

• Am 12.03.2012 begab sich J in ärztliche Behandlung. Der Arzt stellte fest, dass J<br />

psychosomatische Beschwerden hatte, die sich nachvollziehbar aus einem<br />

sexuellen Missbrauch erklären ließen.<br />

• J schrieb ihrem damaligen Fre<strong>und</strong> A, dass er doch sagen solle, dass die beiden<br />

erst seit Januar 2012 <strong>und</strong> nicht bereits seit Oktober 2011 zusammen waren,<br />

"sonst wirst du auch übel ausgefragt, warum du das nicht früher gemerkt hast<br />

<strong>und</strong> so!" J spricht hierbei an, dass A ansonsten zu der von ihr angezeigten<br />

Straftat von der Polizei befragt wird. In ihrer ersten polizeilichen Vernehmung gibt<br />

J an, dass sie mit A erst im Januar 2012 zusammen gekommen sei.


Fall 5<br />

• Lehrer L bestreitet die Tat.<br />

• J gab zum Tatgeschehen an, dass der Ablauf immer ähnlich gewesen sei. L habe<br />

ihr im Unterricht gesagt, sie solle nach der Schule noch zu ihm kommen. Der 1.<br />

Vorfall sei nach den Herbstferien gewesen. Als sie dann im Klassenzimmer<br />

gewesen sei, soll er als erstes die Rollos an den Fenstern herunter gelassen <strong>und</strong><br />

dann die Tür abgeschlossen haben. J gab an, dass sie verängstigt gewesen sei.<br />

L solle ihr dann gesagt haben, dass sie niemand erzählen darf, was hier passiert,<br />

ansonsten könne sie ihre weiteren Schuljahre vergessen. Er habe sie dann ans<br />

Pult gerufen <strong>und</strong> am Hintern über der Kleidung angefasst. Anschließend habe er<br />

sie an der Scheide <strong>und</strong> an den Brüsten über der Kleidung angefasst. L solle<br />

hierbei gestöhnt haben. Als er fertig gewesen sei, habe er das Rollo wieder hoch<br />

gelassen <strong>und</strong> die Tür aufgesperrt <strong>und</strong> gesagt sie könne heimgehen.


Fall 5<br />

• In der Folgezeit soll es zu den Übergriffen an jedem Schultag gekommen sein. J<br />

schilderte weiter, dass er immer erst das Rollo runtergelassen, die Türe<br />

abgesperrt <strong>und</strong> sie dann "begrabscht" habe, jeweils über der Kleidung.<br />

• Darüber hinaus gab sie an, dass eine Mitschülerin M ihr erzählt habe - nachdem<br />

sie ihr erzählt habe, was ihr passiert sei - sie habe das Gleiche erlebt. M solle<br />

deswegen mit ihren Eltern bei der Polizei gewesen sein, die angegeben habe,<br />

dass man ohne Beweise nichts machen könne.<br />

• Mitschülerin M stritt einen entsprechenden Vorfall ab. Sie stellte klar, dass Lehrer<br />

L an ihr keinerlei Übergriffe begangen habe. Sie habe auch keiner Person etwas<br />

erzählt. Zwar ist sie mit dem Unterrichtsmethoden des Lehrers nicht immer<br />

einverstanden, doch habe sie nie behauptet, dass dieser sie sexuell angegangen<br />

sei. Sie war auch nie bei der Polizei. Dies wird durch ihre Mutter bestätigt.


Fall 5<br />

• Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass im Klassenzimmer von J<br />

keine Rollos vorhanden sind <strong>und</strong> zu keinem Zeitpunkt Rollos vorhanden waren.<br />

• J wurde hierzu befragt, sie gab nun an, dass sie sich selber schon gefragt habe,<br />

ob jetzt ein Rollo oder ein Vorhang in dem Raum war, sie könne einfach nur<br />

angeben, dass es zugegangen sei. Ob ein Vorhang oder ein Rollo, wisse sie<br />

nicht. Sie gab weiter an, dass sie sich bei ihrer 1.Vernehmung schon sicher<br />

gewesen sei, dass ein Rollo vorhanden war, sie habe aber bei der Vernehmung<br />

auch etwas anderes gedacht. Bei der 2.Vernehmung fing sie nun an zu weinen.<br />

• Hat sich Lehrer L strafbar gemacht <strong>und</strong> wenn ja, wie?


Lösung<br />

• Ein Tatnachweis ist nicht zu führen.<br />

• Lehrer L bestreitet die Tat. Als einzige Zeugin steht J zur Verfügung. Es steht<br />

Aussage gegen Aussage. In einem solchen Fall ist besonderes Augenmerk auf<br />

die belastende Aussage zu werfen. J hat von Anfang an gesagt, dass Lehrer L<br />

die Rollos herunter gelassen hatte. Dies hat sie bei ihrer 1. Vernehmung bei der<br />

Polizei, aber auch gegenüber der sie betreuenden Psychologin angegeben.<br />

Diese hatte sich "Rollo runter" aufgeschrieben. Erst als J vorgehalten wurde,<br />

dass es in dem Klassenzimmer keinerlei Rollos gab, schwenkte sie um <strong>und</strong> gab<br />

an, dass sie nicht mehr sicher sei.


Lösung<br />

• Hierbei handelte es sich um ein Detail der Tathandlung, das zwar mit dem<br />

eigentlichen sexuellen Missbrauch nichts zu tun hat, aber den Beginn der<br />

Handlung darstellt <strong>und</strong> im Zusammenhang mit der Verdunklung des Raumes<br />

steht, der dem Mädchen Angst gemacht haben muss. Es ist nun so, dass das<br />

Rollo herunterlassen oder einen Vorhang zumachen vom Bewegungsablauf <strong>und</strong><br />

Richtung sehr verschieden sind. Gerade dieses Detail müsste normalerweise<br />

richtig im Gedächtnis der Geschädigten J eingeprägt worden sein. Es handelt<br />

sich hierbei um ein noch nicht unmittelbar mit dem sexuellen Missbrauch in<br />

Zusammenhang stehendem Detail. Dass sich hier eine falsche Erinnerung<br />

eingeprägt hätte oder überhaupt keine Erinnerung wie die Sache angegangen<br />

hat, ist unwahrscheinlich <strong>und</strong> nicht ganz nachvollziehbar.


Lösung<br />

• Darüber hinaus werfen die Angaben der Zeugin M <strong>und</strong> ihrer Mutter erhebliche<br />

Zweifel an der Aussage von J auf.<br />

• J hat darüber hinaus bei der Polizei gelogen, als sie angab, dass sie mit ihrem<br />

Fre<strong>und</strong> A erst im Januar 2012 zusammen gekommen sei.<br />

• Die These, dass J den ganzen Vorfall nur erf<strong>und</strong>en hat, um von der Schule<br />

gehen zu können <strong>und</strong> dann die Schule zu wechseln, auf die ihr damaliger<br />

Fre<strong>und</strong> A ging, lässt sich deshalb nicht ausschließen. Das Verfahren war daher<br />

einzustellen.


Fall 6<br />

• Schüler S besuchte die Wirtschaftschule. Ab Januar/Februar 2013 äußerte S,<br />

dass er Amokläufe „total cool finde“. Außerdem äußerte er, dass er, wenn er 18<br />

wäre, nach Holland fahren <strong>und</strong> sich dort eine Waffe besorgen werde. Zu einem<br />

nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Ende Januar 2013, kurz bevor S in die<br />

9. Klasse zurückgestuft wurde, äußerte er, als sein Finanzbuchhaltungssystem<br />

am Computer abgestürzt war, dass er am liebsten alle umbringen werde. Er<br />

sagte hierbei, dass er alle abknallen werde.<br />

• S ist geständig <strong>und</strong> nicht vorbestraft.<br />

• Strafbarkeit des S?


Lösung<br />

• S wird beschuldigt, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu<br />

stören einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) angedroht zu haben<br />

• strafbar als Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§<br />

126 Abs. 1 Nr. 2 StGB)<br />

• Anklage zum <strong>Jugend</strong>richter<br />

• Ahndung: Verwarnung <strong>und</strong> Ableistung von Arbeitsst<strong>und</strong>en (ca. 64)


Fall 7<br />

• A, geb. 03.10.1998, ist Schüler der Realschule. Zu einem nicht mehr genau<br />

feststellbaren Zeitpunkt kurz vor Weihnachten 2012, vermutlich am 15.12.2012,<br />

begann A von einem Amoklauf zu erzählen, den er vorhabe. Zuerst gab er an,<br />

dass er einen Lehrer umbringen werde. Später erzählte er, dass er in der Früh in<br />

die Schule kommen werde <strong>und</strong> zuerst die Personen im Sekretariat, dann die<br />

beiden Direktoren, dann die Lehrer im Lehrerzimmer <strong>und</strong> zum Schluss die<br />

Schüler seiner Klasse umbringen wolle. Außerdem berichtete A, dass er das<br />

„Ding“, also den Amoklauf mit ein paar Fre<strong>und</strong>en durchziehen werde.


Fall 7<br />

• Seit dem 31.01.2013 befindet sich A im Josefinum in Augsburg (Kinder – <strong>und</strong><br />

<strong>Jugend</strong>psychatrie).<br />

• Kann gegen A Anklage erhoben werden?


Lösung<br />

• Zunächst wäre zu klären, warum A sich im Josefinum befindet. Über die<br />

gesetzlichen Vertreter könnten die Ärzte von ihrer Schweigepflicht entb<strong>und</strong>en<br />

werden.<br />

• Zwar war A zur Tatzeit bereits 14 Jahre alt <strong>und</strong> damit gr<strong>und</strong>sätzlich strafmündig.<br />

Es müsste aber geprüft werden, ob A strafrechtlich verantwortlich gemäß § 3<br />

JGG ist.<br />

• Demnach ist ein <strong>Jugend</strong>licher strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der<br />

Tat nach seiner sittlichen <strong>und</strong> geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht<br />

der Tat einzusehen <strong>und</strong> nach dieser Einsicht zu handeln.<br />

• Diese Frage muss ggf. durch einen Gutachter beantwortet werden. Solange die<br />

Frage nicht geklärt ist, kann Anklage nicht erhoben werden.


Fall 8<br />

• Die Eltern des 10-jährigen Gr<strong>und</strong>schülers G bei der Polizei einen Übergriff eines<br />

Vaters eines Mitschülers auf ihren Sohn an. Ihrer Schilderung nach soll sich<br />

Folgendes zugetragen haben:<br />

• Der Vater des Mitschülers (V) habe kurz vor Unterrichtsbeginn die P-<br />

Gr<strong>und</strong>schule in Gersthofen betreten, dort den G am Arm gepackt <strong>und</strong> ihn<br />

festgehalten. Als sich G losgerissen habe, habe V ihn im Bereich des Nackens<br />

an den Haaren erwischt <strong>und</strong> festgehalten sowie ihm eine Ohrfeige verpasst.<br />

• G sei in sein Klassenzimmer geflüchtet <strong>und</strong> habe sich hinter den Stühlen<br />

versteckt. Dort habe V einen Stuhl genommen <strong>und</strong> hochgehalten <strong>und</strong> den G<br />

angeschrien: „Wie heißt du? Sag wie du heißt, sonst schmeiße ich dich aus dem<br />

Fenster, ich bringe dich um!“


Fall 8<br />

• Dann habe V den Stuhl in Richtung G geworfen <strong>und</strong> ihn im Bauchbereich<br />

getroffen. Gleichzeitig sei die Klassenlehrerin L hereingekommen <strong>und</strong> habe V<br />

aufgefordert, sofort das Klassenzimmer zu verlassen.<br />

• Ein ärztliches Attest über ein Hämatom am Oberarm, Rötungen am Kinn <strong>und</strong> im<br />

Nacken sowie Bauchschmerzen des G liegt vor.<br />

• Klassenlehrerin L gibt als Zeugin an, sie sei von einem anderen Schüler ins<br />

Klassenzimmer geholt worden mit den Worten: „Kommen Sie schnell, da schlägt<br />

ein Mann den G!“ Beim Betreten des Zimmers habe sie gehört wie V zu G<br />

gesagt habe: „Ich bring dich um, wenn du noch einmal meinen Sohn anfasst! Ich<br />

schmeiß dich aus dem Fenster!“ Schläge mit der Hand oder dem Stuhl habe sie<br />

nicht gesehen.


Fall 8<br />

• V ließ sich dahingehend ein, er habe den G nur zur Rede stellen wollen <strong>und</strong><br />

daher leicht am Arm festgehalten. G habe ihn daraufhin als „Wichser“ beleidigt<br />

<strong>und</strong> ihm den Mittelfinger gezeigt. Er bestreitet, G geschlagen, einen Stuhl nach<br />

ihm geworfen oder ihn bedroht zu haben.<br />

• G ist in der Schule als aggressiver <strong>und</strong> schwer unter Kontrolle zu haltender<br />

Schüler bekannt, der täglich in Konflikte mit anderen Schülern verstrickt ist.<br />

• Die Eltern des G stellen Strafantrag gegen V.


Lösung<br />

• Strafbarkeit des V:<br />

• vorsätzliche Körperverletzung durch den Griff am Oberarm <strong>und</strong> das Festhalten<br />

im Nacken (§§ 223 Abs. 1, 230 StGB)<br />

• gefährliche Körperverletzung durch den Wurf des Stuhls (§§ 223 Abs. 1, 224<br />

Abs. 1 Nr. 2 StGB)<br />

• versuchte Nötigung (§§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB)<br />

• Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft:<br />

• Anklage zum Amtsgericht – <strong>Jugend</strong>richter als <strong>Jugend</strong>schutzgericht –


Fall 9<br />

• Die Eltern des 9-jährigen Gr<strong>und</strong>schülers G stellen Strafantrag gegen Lehrerin L<br />

wegen vorsätzlicher Körperverletzung an <strong>und</strong> geben dabei folgendes an:<br />

• Nach Aussage ihres Sohnes habe L ihren Sohn heute während des Unterrichts<br />

am Arm gepackt <strong>und</strong> gegen einen Tisch geschleudert, so dass G mit dem Bauch<br />

gegen den Tisch geknallt sei. Dann habe sie G wieder hochgezogen <strong>und</strong> ihn<br />

noch einmal gegen eine Wand gestoßen.<br />

• Die Polizei kann bei der Anzeigenaufnahme, bei der G anwesend ist, keine<br />

Verletzungen bei G feststellen. Ein ärztliches Attest liegt nicht vor. L wird<br />

daraufhin als Beschuldigte vernommen. Sie gibt an:


Fall 9<br />

• G, der die 2. Klasse wiederholen musste, sei seit Monaten auffällig <strong>und</strong><br />

aggressiv. Er zeige sexualisiertes Verhalten <strong>und</strong> fordere von anderen Kindern<br />

Geld. Am Tattag habe er eine Mitschülerin geschlagen (was er selbst zugibt) <strong>und</strong><br />

eine andere Mitschülerin in den Po gezwickt. Sie habe ihn daher in einem<br />

Zwischenraum unterbringen wollen, da er in der Klasse nicht mehr tragbar<br />

gewesen sei. Da der Zwischenraum belegt gewesen sei, habe sie ihn wieder in<br />

den Klassenraum mitgenommen. Dort habe G angekündigt, er gehe jetzt nach<br />

Hause. Da der Unterricht noch nicht beendet war, habe sie ihn ohne Gewalt am<br />

Arm festgehalten, um ihn am Verlassen des Zimmers zu hindern. Daraufhin habe<br />

er sich schreiend zu Boden geworfen <strong>und</strong> zu ihr gesagt: „So, jetzt bist du dran,<br />

jetzt zeige ich dich an!“<br />

• Hat L sich strafbar gemacht?


Lösung<br />

• Entscheidung der Staatsanwaltschaft:<br />

• Das Verfahren gegen L wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels<br />

Tatnachweises eingestellt.<br />

• Alles spricht dafür, dass der Vorfall sich so ereignete, wie L ihn schilderte. Das<br />

Festhalten war erforderlich. G hatte keine sichtbaren Verletzungen, die bei der<br />

von ihm geschilderten Version zu erwarten gewesen wären. Der Tatnachweis<br />

einer vorsätzlichen Körperverletzung ist daher nicht zu führen.


Lösung<br />

• Die Eltern des G legen gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft<br />

Beschwerde ein.<br />

• Die Staatsanwaltschaft hilft der Beschwerde nicht ab. G hat selbst zugegeben,<br />

dass er ein Mädchen geschlagen hat. L musste daher zu deren Schutz<br />

eingreifen. Von der Vernehmung der gesamten Schulklasse wurde abgesehen,<br />

da aufgr<strong>und</strong> des Alters der Kinder (7-8 Jahre) von ihrer Vernehmung kein<br />

weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Außerdem würde eine Vernehmung<br />

eine zu große Belastung für die Kinder darstellen <strong>und</strong> G weiter isolieren.<br />

• Die Generalstaatsanwaltschaft weist die Beschwerde zurück.


Fall 10<br />

• Am 16.6.2013 trafen die Geschädigten E <strong>und</strong> A in der Schulstraße in<br />

Aichach auf den Schüler S.<br />

Nachdem Schüler S die Geschädigte E umarmen wollte, wechselte<br />

diese die Straßenseite, woraufhin S die beiden Mädchen verfolgte.<br />

Sodann versuchte S der Geschädigten E unter das T-Shirt zu fassen,<br />

um diese an ihrer Brust zu berühren. Des weiteren versuchte Schüler S<br />

von vorne in die Hose der Geschädigten E zu greifen. Die Geschädigte<br />

E versuchte mehrfach, von Schüler S wegzukommen <strong>und</strong> forderte ihn<br />

auf: „Lass mich, hör auf!"


Fall 10<br />

• Daraufhin äußerte S: „Wenn du jetzt nicht aufhörst so rumzuzicken,<br />

dann raste ich aus, blas mir einen“, um die Geschädigte E dazu zu<br />

veranlassen, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen bzw. an sich zu<br />

dulden. S hielt sodann die E an deren Händen fest <strong>und</strong> berührte die<br />

Brust der E über der Kleidung.<br />

• Im weiteren Verlauf fasste S auch an die Brust der Geschädigten A über<br />

der Kleidung, um seine Missachtung auszudrücken.<br />

• Strafantrag wurde von den gesetzlichen Vertretern beider Geschädigten<br />

form- <strong>und</strong> fristgerecht gestellt.<br />

• Strafbarkeit des Schülers S?


Lösung<br />

• Tat zum Nachteil der Geschädigten E:<br />

• sexuelle Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung (§§ 177 Abs. 1 Nr. 1,<br />

185, 194 Abs. 1, 53 StGB).<br />

• Gesetzliche Definition der sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB):<br />

• Nötigung einer anderen Person mit Gewalt oder durch Drohung mit<br />

gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, sexuelle Handlungen des<br />

Täters an sich zu dulden oder an dem Täter vorzunehmen.<br />

• Hinsichtlich der Geschädigten A liegt keine sexuelle Nötigung vor, da<br />

das Tatbestandsmerkmal der Gewalt nicht verwirklicht ist. Daher<br />

Beleidigung durch eine weitere selbständige Handlung.


Fall 11<br />

• Bei der Schulleitung geht ein anonymer Brief ein, in dem Schüler S beschuldigt<br />

wird, Amokdrohungen ausgesprochen zu haben. Er soll damit gedroht haben, „...<br />

Am nächsten Montag ist alles vorbei. Ihr werdet mit mir sterben.“ S ist ein sehr<br />

zurückgezogener Schüler ohne Fre<strong>und</strong>e, der bei den übrigen Schülern unbeliebt<br />

ist.<br />

• Die Schulleitung gibt den Brief an die Polizei. Bei der Durchsuchung bei S<br />

werden weder Waffen noch sonstige Hinweise auf den geplanten Amoklauf<br />

gef<strong>und</strong>en. S bestreitet die Tat vehement. Die Befragungen der Schüler ergeben,<br />

dass seit Tagen Gerüchte umgehen, dass S einen Amoklauf begehen werde.<br />

Jedoch ist nicht zu klären, wer die Gerüchte aufgebracht hat. Einige Schüler<br />

offenbaren sich allerdings der Polizei gegenüber, dass die Gerüchte erf<strong>und</strong>en<br />

sind, um dem S Schwierigkeiten zu machen.


Lösung<br />

• Das Ermittlungsverfahren gegen S wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen<br />

erwiesener Unschuld eingestellt.<br />

• S hat zu keinem Zeitpunkt einen Amoklauf angekündigt. Er wird gemobbt <strong>und</strong> die<br />

Mitschüler haben den Vorwurf erf<strong>und</strong>en, um einen Schulverweis von S zu<br />

erreichen.<br />

• S <strong>und</strong> seine Eltern haben die Möglichkeit, Entschädigung wegen der erlittenen<br />

Wohnungsdurchsuchung zu beantragen.


Fall 12<br />

• Am 24.07.2012 zwischen 23.00 <strong>und</strong> 23.55 Uhr begaben sich die Schüler<br />

A, B, C <strong>und</strong> D im bewussten <strong>und</strong> gewollten Zusammenwirken auf das<br />

Schulsportgelände des Gymnasiums, um dort während des sog. 24-<br />

St<strong>und</strong>en-Laufs aus den unverschlossenen Zelten der Teilnehmer<br />

stehlenswerte Gegenstände zu entwenden.<br />

Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begaben sich die vier Schüler<br />

in mindestens 7 Zelte <strong>und</strong> entwendeten dort mehrere Mobiltelefone,<br />

Digitalkameras, MP3-Player sowie Bargeld. Es entstand ein<br />

Gesamtschaden in Höhe von 1.712,-- EUR.


Fall 12<br />

• Die Schüler sind geständig <strong>und</strong> sind nicht bzw. nur unwesentlich<br />

vorgeahndet.<br />

Strafbarkeit der vier Schüler?


Lösung<br />

• Strafbarkeit wegen gemeinschaftlichem Diebstahl in einem Fall gem. §§<br />

242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB, da das Vorgehen als natürliche<br />

Handlungseinheit aufgefasst werden kann, auch wenn die Schüler<br />

Gegenstände aus mehreren Zelten entwendet haben.<br />

• Aufgr<strong>und</strong> des hohen Schadens wurden seitens der Staatsanwaltschaft<br />

Arreste <strong>und</strong> die Ableistung von Hilfsdiensten beantragt.


Fall 13<br />

• In der Schule kursiert eine Bilddatei, bei der 2 nackte Frauen bei sexuellen<br />

Handlungen abgebildet sind. Eine der Frauen ähnelt im Aussehen der<br />

Lehrerin L. Die Bilddatei wird von der Schülern der Schule unter dem<br />

Dateinamen „Frau L“ mittels Bluetooth oder Infrarot von Handy zu Handy<br />

geschickt.<br />

• Die Weitergabe wird bekannt, als eine Mutter die Schule darüber informiert,<br />

dass sie auf dem Handy ihres Sohns, einem Schüler der betroffenen Schule,<br />

die Datei entdeckt hat. Dieser Schüler S will nicht verraten, von wem er die<br />

Datei bekommen hat.<br />

• Frau L stellt Strafantrag gegen S.


Fall 13<br />

• Fallvariante 1:<br />

• S räumt lediglich ein, dass er die Datei einmal weitergegeben hat.<br />

• Fallvariante 2:<br />

• S schweigt zu allen Vorwürfen. Ermittlungen im Schülerkreis verlaufen<br />

ergebnislos.


Lösung Fallvariante 1<br />

• Beleidigung (§§ 185, 194 StGB):<br />

• Durch die Verknüpfung des Namens von Frau L mit dem Inhalt der Bilddatei<br />

wird ein Werturteil über L abgegeben. Dieses Werturteil hat S gegenüber<br />

dem unbekannten Schüler, dem er die Datei weitergab, über L<br />

k<strong>und</strong>gegeben. Dieser unbekannte Schüler hat die Äußerung von S auch als<br />

Beleidigung gegenüber L verstanden.<br />

• KunstUrhG (§§ 33, 22 KunstUrhG):<br />

• Es liegt kein Bildnis der L vor, der Anwendungsbereich des KunstUrhG ist<br />

daher nicht berührt.


Lösung Fallvariante 2<br />

• Beleidigung (§§ 185, 194 StGB):<br />

• durch den unbekannten Versender der Bilddatei (+), der kann aber nicht<br />

ermittelt werden.<br />

• durch S (-): Die „Entgegennahme“ eines abschätzigen Werturteils ist<br />

keine eigene Beleidigungshandlung. Zwar hat sich S dieses Werturteil<br />

durch das Abspeichern auf seinem Handy zueigen gemacht. Er selbst<br />

hat es aber nicht gegenüber L oder Dritten geäußert.

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