Neue Leitlinien und Therapiekonzepte - Ärztekammer Bremen
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10 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN 11<br />
Multimodale Schmerztherapie –<br />
Begutachtung durch den MDK<br />
Die Zahl der Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen, die in den Praxen<br />
von Hausärzten, Fachärzten <strong>und</strong> Schmerztherapeuten behandelt werden, nimmt<br />
seit Jahren kontinuierlich zu.<br />
DRG-Abrechnungssystem<br />
Die Behandlung von Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen erfolgt in der Praxis<br />
überwiegend durch Hausärzte oder Fachärzte,<br />
nur ein Teil der Patienten wird<br />
durch spezielle Schmerztherapeuten ambulant<br />
betreut.<br />
Reicht die ambulante Behandlung nicht<br />
(mehr) aus, kann eine Behandlung in speziell<br />
auf Schmerzpatienten ausgerichteten<br />
Rehabilitationskliniken oder im Krankenhaus<br />
erfolgen. Neben der – in der<br />
Regel notfallmäßigen – Behandlung des<br />
akuten Schmerzes ist im Krankenhaus seit<br />
dem Jahr 2007 die Behandlung chronischer<br />
Schmerzen im Rahmen einer stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie<br />
möglich. Eine stationäre multimodale<br />
Schmerztherapie, kodiert mit dem OPS-<br />
Kode 8-918, wird im DRG-System – abhängig<br />
von der zur Aufnahme führenden<br />
Erkrankung – mit folgenden DRG-Fallpauschalen<br />
abgerechnet (siehe Abb. unten).<br />
Die Anzahl der Patienten, die zur stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie<br />
aufgenommen werden, nimmt seit Jahren<br />
kontinuierlich zu. Im Jahr 2007 erhielten<br />
zirka 12.800 Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen im Bereich des Bewe gungsapparates<br />
eine stationäre multimodale<br />
Schmerztherapie, im Jahr 2010 waren es<br />
bereits knapp 20.000. Auch in den anderen<br />
Diagnosegruppen nimmt die Fallzahl<br />
von stationär behandelten chronischen<br />
Schmerzpatienten stetig zu.<br />
DRG Bezeichnung Bewertung<br />
I42Z<br />
B47Z<br />
U42Z<br />
Z44Z<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten<br />
<strong>und</strong> Störungen an Muskel-Skelett-System <strong>und</strong><br />
Bindegewebe<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten<br />
<strong>und</strong> Störungen des Nervensystems<br />
Multimodale Schmerztherapie bei psychischen<br />
Krankheiten <strong>und</strong> Störungen<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Faktoren, die<br />
den Ges<strong>und</strong>heitszustand beeinflussen <strong>und</strong> anderer<br />
Inanspruchnahme des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
2012 2013<br />
1,281 1,278<br />
1,339 1,306<br />
Nicht<br />
bewertet<br />
Nicht<br />
bewertet<br />
1,499 1,308<br />
Anzahl abgerechneter DRGs<br />
bei stationär behandelten<br />
chronischen Schmerzpatienten<br />
2007 2008 2009 2010<br />
I42Z 12.818 15.417 17.468 19.975<br />
B47Z 3.858 4.412 5.160 5.502<br />
U42Z 2.239 2.432 3.188 4.083<br />
Z44Z 933 519 929 1.433<br />
Stationäre Therapie chronisch<br />
Erkrankter birgt Streitpotenzial<br />
Mit der zunehmenden Anzahl der stationär<br />
behandelten Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen nimmt auch die Begutachtung<br />
dieser Fälle durch den MDK zu.<br />
Hierbei gibt es ein erhebliches Streitpotential.<br />
Da die Aufnahme zur stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie anders<br />
als eine Rehabilitationsbehandlung nicht<br />
an ein aufwendiges Antragsverfahren<br />
geb<strong>und</strong>en ist, werden nur wenige Fälle<br />
von den Krankenkassen zur Vorabbegutachtung<br />
an den MDK gegeben; wesentlich<br />
häufiger ist eine Beauftragung des<br />
MDK zur Überprüfung der korrekten<br />
Abrechnung nach der Entlassung des<br />
Patienten. Die korrekte Kodierung des<br />
OPS-Kodes 8-918 (multimodale Schmerztherapie)<br />
setzt die Beachtung der im OPS<br />
beschriebenen Hinweise voraus. Die Fragen<br />
der Kostenträger beziehen sich dementsprechend<br />
auf die Notwendigkeit der<br />
stationären Aufnahme, das Vorliegen der<br />
patientenseitigen Voraussetzungen gemäß<br />
OPS, die korrekte Durchführung <strong>und</strong><br />
Dokumentation der im OPS geforderten<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> nicht zuletzt auf die<br />
korrekte Anzahl der durchgeführten Therapieeinheiten.<br />
Konsenspapier als Antwort<br />
Häufigster Streitpunkt in der Begutachtung<br />
der stationären multimodalen Schmerztherapie<br />
ist die Notwendigkeit der stationären<br />
Aufnahme in ein Krankenhaus,<br />
gefolgt von den unterschiedlichen Auffassungen<br />
von Behandlern <strong>und</strong> Gutachtern<br />
zu den jeweiligen Mindestmerkmalen.<br />
Um das Konfliktpotential in der<br />
Begutachtung der stationären multimodalen<br />
Schmerztherapie zu reduzieren,<br />
wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe<br />
von Mitgliedern des Berufsverbandes<br />
der Ärzte <strong>und</strong> Psychologischen<br />
Psychotherapeuten in der Schmerz- <strong>und</strong><br />
Palliativmedizin in Deutschland (BVSD<br />
e.V.) <strong>und</strong> Vertretern der Sozialmedizinischen<br />
Expertengruppe „Vergütung <strong>und</strong><br />
Abrechnung“ (SEG 4) ein Konsenspapier<br />
erarbeitet, das zur Klärung der strittigen<br />
Fragen beitragen soll. In diesem Papier<br />
sind die Gr<strong>und</strong>sätze, die sowohl für die<br />
klinisch tätigen Ärzte, als auch für die MDK-<br />
Gutachter gelten sollen, niedergelegt.<br />
Definition der multimodalen<br />
Schmertherapie<br />
OPS 8-918 („multimodale Schmerztherapie“)<br />
definiert eine „interdisziplinäre Behandlung“.<br />
Hierunter ist eine multidisziplinäre<br />
integrative Behandlung zu verstehen, bei<br />
der alle Therapeuten in das Team integriert<br />
sind <strong>und</strong> in deren Mittelpunkt der<br />
Patient steht. Mehrere Therapeuten verschiedener<br />
Fachdisziplinen („multidisziplinär“)<br />
arbeiten nicht nur „gleichzeitig<br />
am selben Patienten“, sondern eng<br />
untereinander vernetzt gemeinsam mit<br />
dem Patienten.<br />
OPS-Definition „multimodale Schmerztherapie“<br />
Exkl.: Multimodale schmerztherapeutische Kurzzeitbehandlung<br />
Hinw.: Mit einem Kode aus diesem Bereich ist eine mindestens siebentägige<br />
interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen<br />
(einschließlich Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen,<br />
davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologischpsycho<br />
therapeutische Disziplin, nach festgelegtem Behandlungsplan mit ärztlicher<br />
Behandlungsleitung zu kodieren. Die Patienten müssen mindestens drei der<br />
nachfolgenden Merkmale aufweisen:<br />
■ manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität <strong>und</strong>/<br />
oder der Arbeitsfähigkeit<br />
■ Fehlschlag einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie, eines<br />
schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung<br />
■ bestehende(r) Medikamentenabhängigkeit oder -fehlgebrauch<br />
■ schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung<br />
■ gravierende somatische Begleiterkrankung<br />
Dieser Kode erfordert eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei<br />
Fachdisziplinen (obligatorisch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische<br />
Disziplin) sowie die gleichzeitige Anwendung<br />
von mindestens drei der folgenden aktiven Therapieverfahren: Psychotherapie,<br />
Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie,<br />
sensomotorisches Training, Arbeitsplatztraining, künstlerische Therapie<br />
(Kunst- oder Musiktherapie) oder sonstige übende Therapien. Die Therapieeinheiten<br />
umfassen durchschnittlich 30 Minuten.<br />
Der Kode umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlauf durch ein<br />
standardisiertes therapeutisches Assessment, eine tägliche ärztliche Visite oder<br />
Teambesprechung <strong>und</strong> eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung.<br />
bei der Gruppentherapie ist die Gruppengröße auf maximal 8 Personen begrenzt.<br />
Die Anwendung dieses Kodes setzt die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“<br />
bei der/dem Verantwortlichen voraus.<br />
Notwendigkeit der stationären<br />
Aufnahme<br />
Die Frage nach der Notwendigkeit einer<br />
Krankenhausbehandlung für die multimodale<br />
Schmerztherapie wird häufig<br />
sehr kontrovers diskutiert, da das Angebot<br />
ambulanter <strong>und</strong> ggf. rehabilitativer<br />
Behandlungen vorrangig in Anspruch zu<br />
nehmen ist. Für jede Art der multimodalen<br />
Schmerztherapie (stationär oder teilstationär)<br />
sind chronische Schmerzen,<br />
ggf. die akute Exazerbation eines chronischen<br />
Schmerzes, Gr<strong>und</strong>voraussetzung.<br />
Akute Schmerzen stellen keine Indikation<br />
für eine multimodale Schmerztherapie dar.<br />
Indikationen für eine vollstationäre Multimodale<br />
Schmerztherapie können sein:<br />
■ Begleiterkrankungen, die eine<br />
Überwachung mit den Mitteln des<br />
Krankenhauses erfordern<br />
■ Einschränkungen <strong>und</strong> Behinderungen,<br />
die eine intensive <strong>und</strong> umfassende<br />
ambulante Behandlung nicht<br />
zulassen (z. B. eingeschränkte<br />
Mobilität, limitierte Leistungsfähigkeit,<br />
eingeschränkte koordinative<br />
Fähigkeiten)<br />
■ erforderliche Intensivierung der<br />
Therapie (z. B. bei komplexem<br />
regionalen Schmerzsyndrom:<br />
Complex regional pain syndrome/<br />
CRPS)<br />
■ akute Exazerbation bei chronischem<br />
Schmerz (z.B. chronischer Rückenschmerzpatient<br />
mit akutem Bandscheibenvorfall)<br />
■ parallel zur multimodalen Schmerztherapie<br />
erforderliche Diagnostik<br />
oder Therapieeinleitung (z. B. wegen<br />
spezifischer Nebenwirkungen einer<br />
medikamentösen <strong>Neue</strong>instellung mit<br />
Überwachungsnotwendigkeit)<br />
■ erforderliche komplexe Diagnostik<br />
zur Erstellung eines langfristigen<br />
Behandlungsplanes.