806 - Stretch & Relax - Roman Mürkens - Sportkongress
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Bayerischer <strong>Sportkongress</strong> 2013<br />
11.10. – 13.10.2013 Sportschule Oberhaching bei München<br />
Das ist insbesondere bei der Rehabilitation von Verletzungen wichtig und schwierig. Wir<br />
gewöhnen uns nämlich schnell unzweckmäßige Schonmuster an, die sich unser Körper<br />
einfallen lässt, wenn er das Gefühl hat, dass er z.B. das Knie für einige Wochen lieber<br />
still halten möchte und es deshalb durch Anschwellung und Schmerz ruhig stellt.<br />
Da die Funktionen eines Muskels recht überschaubar sind – sie bestehen aus Zusammenziehung<br />
(Fasern gleiten ineinander) und Loslassen (Fasern gleiten auseinander) – gibt es<br />
das, was man landläufig „kurze Muskeln“ nennt in vivo nicht; das liegt ganz einfach auch<br />
daran, dass jede Muskellänge an eine bestimmte Kraftentfaltungsmöglichkeit gekoppelt<br />
ist. Beispiel: der Arm ist voll ausgestreckt nicht so stark, wie im Bereich der 90°-<br />
Beugung. Wäre es also so, dass der Körper Muskelquerscheiben abbauen würde, änderten<br />
sich unsere Kraftverhältnisse. Das ist aber nicht der Fall. Fazit: Kurze Muskeln sind<br />
bestenfalls eine Ausrede.<br />
Wenn wir nun unseren Bewegungsspielraum erweitern wollen – also eigentlich intendieren<br />
an unserem Muskeltonus herumzuschrauben – erreichen wir das auf mehrere Arten<br />
(die unsere Muskeln dann „gestretchter“ und „relaxter“ machen).<br />
Erstens: Indem wir den Muskel so lang machen, die Fasern also so weit wie möglich<br />
auseinander gleiten lassen (oder auseinander ziehen), wie's nur geht.<br />
Das nennen wir dann „dehnen“. Und hier hat man sich in der Sportwissenschaft einige<br />
Methoden einfallen lassen. Wir unterscheiden (grob gesagt) das statische, dynamische,<br />
aktive und passive Dehnen und deren Kombinationen. Alle Dehnmethoden haben das<br />
gemeinsame Ziel, den Muskel möglichst in die Länge zu ziehen, um dem Nervensystem<br />
zu zeigen: Es geht und Du musst keine Angst haben, dass sich Dein Schutzbefohlener<br />
verletzt. Wird diese Prozedur oft genug wiederholt, gibt der Muskel dann auch einen größeren<br />
Bewegungsspielraum frei. Der löst dann auch keinen „Dehnschmerz“ mehr aus.<br />
Kein Schmerz bedeutet für den Körper: keine Gefahr; denn Schmerz entsteht nur, ausschließlich<br />
und allein im Gehirn. Und nirgendwo sonst im Körper.<br />
Unsere Muskellänge wird registriert von den Muskelspindeln, die parallel zu den Muskelfasern<br />
eingelagert sind und mit Hilfe eines federähnlichen Mechanismus immer wieder<br />
messen, in welchem Zustand der Zusammenziehung (und damit in welcher Lage) sich<br />
der Muskel gerade befindet. Da jeder Muskel aber nicht nur eine Hauptfunktion hat, sondern<br />
meist auch für eine bestimmte Rotationsbewegung (seine sogenannte Nebenfunktion)<br />
zuständig ist, macht es Sinn, Dehnbewegungen mit Rotationen zu verknüpfen. Viele<br />
physiotherapeutische Systeme nutzen genau das; am augenfälligsten macht man es<br />
beim PNF, das mit geschraubten Bewegungen arbeitet. Aber auch in der Brügger-<br />
Therapie, bei der Osteopathieform nach Leopold Renner, stellenweise der Feldenkrais-<br />
Methode usw. arbeitet man mit endgradigen Bewegungen, in die man Rotationsbewegungen<br />
einschaltet.<br />
2/5 © BLSV<br />
<strong>Roman</strong> <strong>Mürkens</strong>