4. Human Relations
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Grundlagen der Industrie- und<br />
Organisationssoziologie<br />
<strong>4.</strong> <strong>Human</strong> <strong>Relations</strong><br />
Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink<br />
e-mail: b.blaettel-mink@soz.uni-frankfurt.de<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong><br />
Lektüre<br />
Mayo, Elton (1945): Hawthorne und die Western Electric Company. In: ders.,<br />
Probleme industrieller Arbeitsbedingungen. Frankfurt/M.: Verlag der<br />
Frankfurter Hefte, S. 108-134<br />
Acker, Joan/ Van Houten, Donald R. (1974): Differential Recruitment and<br />
Control: The Sex Structuring of Organizations. In: Administrative Science<br />
Quarterly, Vol. 19, Nr. 2 , S. 152-163<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong><br />
Inhalt<br />
1. Begriffsarbeit - Soziale Gruppe<br />
2. <strong>Human</strong> <strong>Relations</strong> Ansatz nach Elton Mayo<br />
3. Der Gender-Ansatz von Joan Acker und Donald R. Van Houten<br />
13.11.2013
Soziale Gruppe<br />
„Anzahl von Menschen, die miteinander regelmäßig interagieren.<br />
Durch die Regelmäßigkeit der Interaktion werden die Beteiligten zu<br />
einer eigenen Einheit mit einer übergeordneten sozialen Identität<br />
verschmolzen. Mitglieder einer Gruppe erwarten voneinander<br />
bestimmte Verhaltensformen, die von Nicht-Mitgliedern nicht erwartet<br />
werden." (Anthony Giddens 1995)<br />
Primärgruppe: Familie, enger Freundeskreis<br />
Sekundärgruppe: regelmäßige Interaktion unpersönlicher Natur,<br />
z. B. Abteilung im Betrieb<br />
13.11.2013
Formelle und informelle Gruppen im Unternehmen<br />
Formelle Gruppen im Unternehmen ergeben sich über die<br />
formale Strukturierung des Unternehmens in unterschiedliche<br />
Abteilungen (horizontale Differenzierung) und unterschiedliche<br />
Hierarchieebenen (vertikale Differenzierung).<br />
Formelle Gruppen funktionieren über formalisierte Rechte und<br />
Pflichten einzelner PositionsinhaberInnen.<br />
13.11.2013
Formelle und informelle Gruppen im Unternehmen<br />
Informelle Gruppen im Unternehmen ergeben sich:<br />
- über regelmäßige Arbeitsbeziehungen<br />
- im Hinblick auf ähnliche Interessen bzgl. der<br />
Arbeitssituation<br />
- aufgrund ähnlicher personaler Merkmale:<br />
Ausbildungsniveau, Professionszugehörigkeit,<br />
Familienstand.<br />
Informelle Gruppen sind nicht selbstverständlich in das<br />
Unternehmen zu integrieren. Sie funktionieren in der Regel<br />
außerhalb gegebener Strukturen<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
Ausgangslage – 20er Jahre USA<br />
Zunehmende Verknappung des Arbeitsangebots<br />
Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen<br />
Entfremdung der Arbeiter vom Arbeitsprodukt<br />
Absinken der Arbeitsmoral<br />
Sinkende Produktivität<br />
Folgen des Taylorismus<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
Mayos Annahmen:<br />
1. Arbeitsmäßige Organisation der Industrie geht einher<br />
mit einem gewissen Gefühl der „persönlichen Hilflosigkeit“<br />
2. Leben in einer modernen Industriestadt zwingt den<br />
Arbeitern eine ungewohnt einseitige und radikale<br />
Lebensauffassung auf<br />
„<strong>Human</strong> problems of an industrial civilization“<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
„Die Unterlassung der Behandlung der Arbeiter als 'menschliche'<br />
Wesen galt als Ursache für mangelnde Arbeitsmoral, schlechte<br />
Leistungen, Verantwortungslosigkeit und Konfusion.<br />
Das Management fand sich von seinem eigenen Wortführer<br />
angeklagt, dass es versäume, dem Arbeiter das zu gewähren, 'was<br />
doch jedes menschliche Wesen vom Leben verlangt‘, nämlich:<br />
Achtung vor der Persönlichkeit, die Würde des Menschen, ein Milieu,<br />
das er begreifen kann, die Gewissheit, dass er vorwärts kommen<br />
wird.“<br />
(Auszug aus einer Managementzeitschrift 1930)<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
Probleme bei der Leitung eines Unternehmens<br />
1. Anwendung der Wissenschaft und der technischen Geschicklichkeit<br />
auf die Grundstoffe und Erzeugnisse (Herstellungsbedingungen) –<br />
auch Bewegungsstudien<br />
2. Systematische Anordnung der Arbeitsverfahren<br />
(Produktionsbedingungen)<br />
3. Organisation von Arbeitsgemeinschaften, d.h. Organisieren<br />
dauernder Zusammenarbeit.<br />
Damit zusammenhängt die Frage nach der „freiwilligen Anteilnahme<br />
solcher Gruppen an den Aufgaben und Zielen einer Organisation ... „<br />
Mayo, S. 115<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
„Und doch ist es so, dass die Organisation als Ganzes keine Erfolge<br />
bringen wird, wenn das Zusammenspiel dieser drei Faktoren nicht<br />
gesichert ist. Die ersten beiden machen eine Industrie, wie Chester<br />
Barnard sagt, arbeitsfähig, der dritte leistungsfähig. Denn je größer<br />
und verwickelter eine Einrichtung wird, desto mehr hängt sie von dem<br />
ungeteilten Willen zur Zusammenarbeit jedes einzelnen Mitglieds der<br />
Gruppe ab.“ (Mayo 1945, S. 111 )<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz nach Elton Mayo<br />
Zentrale Befunde<br />
Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und<br />
Arbeitsorganisation<br />
Wechselverhältnis zwischen formellen und informellen<br />
Strukturen im Unternehmen<br />
Betriebsklima und Gruppenzugehörigkeit als<br />
entscheidende Faktoren für Arbeitsleistungen<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Ansatz<br />
Fritz Jules Roethlisberger (1898-1974)<br />
in New York geboren.<br />
Professor an der Harvard Graduate School of Business<br />
Administration.<br />
Elton Mayo (1880-1949)<br />
Australischer Wissenschaftler, studierte 1899 in England<br />
zunächst Medizin. Ab 1903 Studium der Philosophie,<br />
Politik- und Sozialwissenschaften. 1911 Dozent für<br />
Logik, Psychologie und Ethik an der Universität von<br />
Queensland; 1919 dort zum Professor ernannt.<br />
1923 siedelte er in die USA über und wurde zunächst<br />
Professor an der Universität Pennsylvania und<br />
später 1928 in Harvard.<br />
Hier erwarb er sich durch die Mitarbeit an den<br />
Experimenten in Hawthorne, an denen er ab<br />
1928 mitarbeitete, hohe Anerkennung als<br />
Managementtheoretiker.<br />
Mayo gilt als Mitbegründer und Hauptvertreter der<br />
US-amerikanischen Betriebssoziologie.<br />
13.11.2013
Die Hawthorne-Experimente<br />
Eine Dokumentation der Experimente findet sich unter:<br />
http://www.library.hbs.edu/hc/hawthorne/intro.html#i<br />
Airplane View of Hawthorne Works, ca. 1925<br />
Western Electric Company Photograph Album<br />
© 2007 President and Fellows of Harvard College; all rights reserved.<br />
http://www.library.hbs.edu/hc/hawthorne/big/wehe_001.html<br />
13.11.2013
Die Hawthorne-Experimente<br />
13.11.2013
Die Hawthorne-Experimente<br />
Ursprüngliches Untersuchungsinteresse:<br />
Der Einfluss von Variablen wie Beleuchtung,<br />
Belüftung und Lärm auf die Arbeitsproduktivität.<br />
Hinweise darauf, dass soziale Faktoren für das<br />
Verhalten von Individuen in der Arbeitssituation<br />
einen entscheidenden Einfluss haben.<br />
Erst in der dritten Untersuchungsphase (Bank Wiring<br />
Room Experimente) kam die Erkenntnis, dass<br />
Gruppenbeziehungen und die Steuerung des Verhaltens<br />
durch informelle Normen und Regeln eine zentrale<br />
Bedeutung für die Arbeitsleistung haben.<br />
Die Arbeitsleistung hängt also nicht nur von<br />
objektiven Arbeitsbedingungen ab, sondern<br />
auch von sozialen Faktoren und informellen Regeln.<br />
Gruppenphänomene steigern die Arbeitszufriedenheit der<br />
Mitarbeiter, damit ihre Motivation und somit auch die Produktivität.<br />
Women in the Relay Assembly Test Room, ca. 1930<br />
Western Electric Company Hawthorne Studies Collection<br />
© 2007 President and Fellows of Harvard College;<br />
all rights reserved.<br />
http://www.library.hbs.edu/hc/hawthorne/big/wehe_131.html<br />
13.11.2013
Der „Hawthorne Effekt“<br />
In der Soziologie und Psychologie bzw. deren Methodenlehren versteht man<br />
darunter den Effekt, dass Versuchspersonen ihr natürliches Verhalten ändern<br />
können, wenn sie wissen, dass sie Teilnehmer an einer Untersuchung sind.<br />
Es kann also sein, dass die Ergebnisse einer Studie durch die Studie selbst<br />
verfälscht oder erst durch sie hervorgerufen werden. Damit stellt der<br />
Hawthorne-Effekt eine mögliche Bedrohung der externen Validität von<br />
Untersuchungsergebnissen dar.<br />
In der Betriebswirtschaftslehre war die Entdeckung des Hawthorne-Effekts ein<br />
Mitauslöser für die Erkenntnis, dass menschliche Arbeitsleistung nicht nur von<br />
den objektiven Arbeitsbedingungen, sondern ganz wesentlich auch von<br />
sozialen Faktoren geprägt ist (siehe <strong>Human</strong> <strong>Relations</strong>-Bewegung).<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong><br />
Befragungsprogramm<br />
1. Die große Menge der Arbeiter hat „etwas auf dem Herzen“ – es erleichtert enorm, dies<br />
loswerden zu können. Extreme Fälle: Beispiel Mann, dessen Frau und Kind in einer Nacht vor<br />
zwei Jahren gestorben sind, der am nächsten Tag von seinem Meister wegen mangelnder<br />
Leistung getadelt wurde und der damals nichts sagen konnte, das erleichtert ihn enorm. -<br />
Leistung steigt, Integration steigt.<br />
2. Probleme, die von den Arbeitern angesprochen wurden, waren vor allem individuelle<br />
Probleme (siehe Mayo und soziale Konflikte) – Wichtig: Persönliche Lage und Grundhaltung<br />
des Arbeiters – Sozialisationsbedingungen, Schichtzugehörigkeit, Veranlagungen? Beispiel:<br />
Frau, die einen Betriebsinspektor nicht leiden konnte – beruhte auf Gegenseitigkeit, war aber<br />
nicht begründet. Darüber sprechen führte zu Normalisierung der Verhältnisse.<br />
3. Von den Extremfällen zur Normalität des Arbeiters, der eben seine Sicherheit verliert,<br />
dadurch, dass „der Übergang von etablierten Routinen zu einem dauernden Wechsel der<br />
Routinen, der von der Notwendigkeit zur Anpassung diktiert wird“. (Mayo, S. 124)<br />
<strong>4.</strong> Die Arbeitsgruppe als Ganzes bestimmt die Arbeitsleistung des Einzelnen. „Diese<br />
Arbeitsleistung bezog sich auf einen gegebenen, aber niemals klar zum Ausdruck gebrachten<br />
Standard, der der Auffassung der Gruppe entsprach. Der Standard stimmte selten, wenn je,<br />
mit den Richtsätzen überein, welche die mit der Steigerung des Wirkungsgrades betrauten<br />
Ingenieure festlegten.“ Mayo S. 125<br />
13.11.2013
<strong>Human</strong> <strong>Relations</strong><br />
5. Bedeutung der Gruppe, der Gemeinschaft für den Einzelnen ist enorm. Allein Lohnanreize<br />
genügten nicht, um Arbeiterinnen von einer Gruppe in einer anderer zu transferieren –<br />
Aufstieg wurde abgelehnt. Druck von Seiten des Betriebsrates – institutioneller Druck – führte<br />
zur Annahme des Angebotes. Oder: Bsp. Mutter – Tochter; Mutter fordert ihre Tochter auf,<br />
mehr Lohn zu verlangen, dies würde jedoch heißen, dass die Tochter die Arbeitsgruppe<br />
verlassen müsste. Sie will das nicht, kann das jedoch nicht formulieren. Forderung nach mehr<br />
Gehalt heißt, die Gruppe verlassen. Daraus schließt Mayo: „ ... dass der uralte menschliche<br />
Wunsch nach der Dauer menschlicher Verbindungen ernsthaft die Entwicklung einer<br />
anpassungsfähigen Gesellschaft stören wird, wenn wir nicht systematisch eine Methode<br />
ausfindig machen können, die es dem Einzelnen erleichtern, von einer Gruppe in die anderer<br />
überzuwechseln.“ Mayo, S. 127<br />
6. Diese Gruppenorientierung implizert die Tatsache, dass die Kommunikation von oben nach<br />
unten nicht zum Individuum verläuft (siehe Taylor), sondern immer zur Arbeitsgruppe. Damit<br />
beginnt eine doppelte Loyalität: die zur Gruppe und die zu der Organisation insgesamt.<br />
7. Keine vor gefassten Theorien über das Menschenbild etc., sondern das Studium der<br />
Individuum ist von Nöten, wenn die Herrschaft im Industriebetrieb erfolgreich ausgeübt<br />
werden soll. Es ist notwendiger, die Tatsachen zu kennen (Diagnose), als sich auf überholte<br />
Theorien zu stützen (Argument). Also: ein induktives Vorgehen (vs Deduktion bei Taylor)<br />
8. Das Verhältnis der Arbeitsgruppen zur Leitung ist eines der grundlegenden Probleme der<br />
Großindustrie – Also wieder: Kontrolle des Arbeitsvermögens.<br />
13.11.2013
Der Gender-Ansatz von Joan Acker und Donald R.<br />
Van Houten<br />
Organisationen sind keine geschlechtsneutralen Gebilde<br />
Organisationen reproduzieren die gesellschaftlich Arbeitsteilung der<br />
Geschlechter<br />
„Nebenwiderspruch“ im Kapitalismus: Patriarchale Strukturen<br />
Über- und Unterordnung der Geschlechter im Unternehmen ist<br />
männlich dominiert<br />
„Doing Gender“ auf struktureller, symbolischer und interaktionaler<br />
Ebene des Unternehmens<br />
13.11.2013
Der Gender-Ansatz von Joan Acker und Donald R.<br />
Van Houten<br />
The Male Bias in Organizational Research<br />
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Unternehmen werden von<br />
den Unternehmensforschern auf Sozialisationsbedingungen oder<br />
Geschlechterrollen in der Gesellschaft zurückgeführt.<br />
Vernachlässigt bzw. ignoriert werden geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede bei<br />
1. der Personalauswahl<br />
2. der sozialen Kontrolle<br />
13.11.2013
Der Gender-Ansatz von Joan Acker und Donald R.<br />
Van Houten<br />
Auseinandersetzung mit Hawthorne Studien<br />
1. Unterschiedliche Ergebnisse je nach Gruppe<br />
- Frauengruppe erhöht ihre Produktivität<br />
- Männergruppe erhöht die Produktivität nicht<br />
2. Wie wird die Gruppe gebildet?<br />
3. Wie wird das Verhalten der Gruppe kontrolliert?<br />
Ergebnisse: Frauengruppe – extern gesteuert – Mechanismen<br />
männlicher Herrschaft<br />
Männergruppe – intern gesteuert<br />
13.11.2013